Monat: Oktober 2012

Wie sicher ist der Kauf von Goldbarren? Lagern in Fort Knox nur noch Fakes?

Indizien zu einem Gerücht, das seit Jahren kursiert, ging heute Spiegel Online nach. Einem Gerücht, das – sollte es wahr sein – in seiner psychologischen Wirkung gar nicht gefährlich genug eingeschätzt werden kann. Sind die Goldreserven in Fort Knox schon seit langem geplündert? Lagern dort statt dessem gefakte Goldbarren? Und: Wurde der IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn politisch ruiniert, weil er die Wahrheit darüber erfahren hatte und nicht schweigen wollte?

Es sieht ganz so aus, als ob es sich nicht nur um Gerüchte handelt, sondern um einen groß angelegten Betrug.

Aber der Reihe nach:

Die Bundestagsabgeordneten Philipp Mißfelder (l.) und Marco Wanderwitz haben nach dem Versuch, die deutschen Goldreserven in der Federal Reserve Bank, kurz Fed in Fort Knox zu sehen, jetzt auch bei der französischen Notenbank angeklopft, um die dort gelagerten deutschen Goldbestände zu besichtigen. Darauf habe sich Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele in einem Brief an Mißfelder und Wanderwitz gewandt. In dem Brief schreibt der Bundesbanker, die Zentralbanken in Paris und London verfügten nicht über geeignete Räume für Besuche…

Das berichtet heute die Welt Weiter heißt es: „Bei Gold-Reserven ist direkte Verfügbarkeit entscheidend“, sagt Folker Hellmeyer, Chefökonom der Bremer Landesbank. Das Edelmetall sei eine „ultima ratio“ der Währungspolitik. Experten schätzen, dass nur ein Bruchteil der deutschen Edelmetall-Reserven im Inland liegt. Die Bundesbank selbst spricht davon, dass sich „gut zwei Drittel“ des Goldes außerhalb der Grenzen befinden. „Das hat sich historisch so entwickelt und ist betriebswirtschaftlich sinnvoll“, sagte ein Sprecher der Frankfurter Institution.

Inzwischen hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die fordert: “ Holt unser Gold heim!“ Zu den Erstunterzeichnern gehören neben Hellmeyer auch der FDP-Bundesbankabgeordnete Frank Schäffler und der Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Nach eigenen Angaben haben sich bisher mehr als 10.000 Personen der Initiative angeschlossen, darunter auch zahlreiche Prominente, aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.

Spiegel online berichtet nun heute erneut von der Aufforderung des Bundesrechnungshofes an die Bundesbank, mit den drei ausländischen Notenbanken (USA, Frankreich, England) ein Recht zur physischen Prüfung der Bestände auszuhandeln , da umstritten ist, ob die von der Bundesbank seit Jahren geübte Praxis ausreicht, sich lediglich auf eine schriftliche Bestätigung zu den Goldbarren durch diese zu verlassen.

Siehe dazu auch die ausführliche frühere Berichterstattung in diesem Blog, unter anderem: Wird die Inventur des deutschen Goldes zur Staatsaffaire?  Außerdem: Die Bundesbank hält den Prüfbericht über die deutschen Goldreserven zurück

Der Spiegel weiter:  „Mit der Umsetzung dieser Empfehlung hat die Bundesbank dem Bericht zufolge begonnen. Außerdem habe sie beschlossen, in den kommenden drei Jahren jeweils 50 Tonnen des bei der Fed in New York liegenden Goldes nach Deutschland zu bringen, um es hier einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. In dem Bericht sind mehrere Stellen geschwärzt. So geht aus dem Papier nicht hervor, wie viel Gold genau bei welcher ausländischen Notenbank liegt.

Die in der Bundesbank-Zentrale verwahrten Bestände bestehen dem Bericht zufolge aus 82.857 Barren, die überwiegend in verplombten Containern mit je 50 Barren lagern, die in vier separat verschlossenen Tresorboxen aufbewahrt werden. Ein Teil davon (6183 Barren) lagert demnach in offenen Regalen in einem separaten Tresor – der sogenannten Goldkammer. Zur Sicherung des Goldes heißt es in dem Bericht: „Der Tresoraußenverschluss steht unter Zweifach-, die Innenverschlüsse und die Goldkammer unter einem Dreifachverschluss.“

Im selben Artikel heißt es: „Tatsächlich halten sich zu dem Thema zahlreiche Verschwörungstheorien – so sollen die US-Goldreserven in Fort Knox seit langem geplündert sein.“

Das Magazin verweist dazu auf einen bereits vor einer Woche veröffentlichten eigenen  Artikel, in dem es wörtlich heißt: Das Wissen über die leere Schatzkammer kann gefährlich sein. Das musste Dominique Strauss-Kahn im Mai des vergangenen Jahres schmerzhaft erfahren, glaubt man jener von der schweizerischen Tageszeitung „20 Minuten“ zitierten Geschichte: Demnach wurde, so wisse es der russische Geheimdienst, der damalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht deshalb am New Yorker Flughafen verhaftet, weil ein Zimmermädchen ihn der Vergewaltigung beschuldigte – sondern weil Strauss-Kahn kurz zuvor erfahren hatte, dass Fort Knox tatsächlich leer ist.“

Besagte Tageszeitung berichtete am 20. Juni 2011 folgendes:

Das Gerücht, dass Fort Knox leer ist, taucht seit seiner Eröffnung 1935 in regelmässigen Abständen auf. In den 1970er Jahren kämpfte der republikanische Abgeordnete Philip Crane für einen Tag der offenen Tür in Fort Knox – und setzte sich durch. Am 23. September 1974 konnten zum ersten und bis dato letzten Mal zwölf Abgeordnete und 100 Journalisten das Depot betreten und den Goldschatz mit eigenen Augen begutachten. Die Filmaufnahmen (siehe Videolink im Bericht) bleiben bis heute die einzigen Bilddokumente des intimsten Innenlebens von Fort Knox.

Eine der Verschwörungstheorien ist die Vorstellung, die US-Regierung habe angesichts des riesigen Haushaltsdefizits angefangen, heimlich ihre Goldreserven abzustoßen. Nicht auszuschließen ist, dass der Abgeordnete (Ron Paul) auch über eine andere Geschichte gestolpert ist. Sie ist ebenso unglaubwürdig wie spektakulär, eine perfekte Vorlage für einen Agententhriller.

Demnach soll der russische Geheimdienst FSB in einem Bericht zu Händen von Premierminister Wladimir Putin behaupten, der Ex-Chef des IWF Dominique Strauss-Kahn (DSK) habe kurz vor seiner Verhaftung am 14. Mai erfahren, dass Fort Knox tatsächlich leer ist. Ein CIA-Informant habe ihm die brisante Information gesteckt, nachdem DSK sich bei der US-Regierung über eine ausstehende Überweisung von 191,3 Tonnen Gold an den IWF beklagt hatte.

Der französische Auslandgeheimdienst DGSE habe ihm daraufhin geraten, New York umgehend zu verlassen. Sein Handy sollte er im Hotelzimmer zurücklassen, damit dessen Signal seinen Aufenthaltsort nicht verrate. Im Flugzeug nach Paris habe er schließlich den fatalen Fehler begangen, das Hotel zu kontaktieren. Seine Bitte, ihm das Handy nachzuschicken, sei von den US-Geheimdiensten abgefangen worden, worauf ihn die Polizei am New Yorker Flughafen JFK in einer Maschine der Air France verhaften konnte. Dass die Sexgeschichte mit der Hotelangestellten eine Erfindung der US-Geheimdienste ist, versteht sich von selbst.“

Ob dies so unglaubwürdig ist wie der Spiegel meint, möge jeder nach der Lektüre der folgenden Zeilen für sich selbst beantworten…

Die vom Spiegel zitierte „andere Geschichte“ veröffentlichte die European Union Times am 31. Mai 2011:

Wie es im russischen Geheimdienstbericht an Wladimir Putin heißt, hatte Dominique Strauss-Kahn (DSK) seinen guten Freund, den ägyptischen Top-Banker Mahmoud Abdel Salam Omar gebeten, die Information der CIA zu überprüfen, wonach Fort Knox leer sei. Einen Tag später wurde er wegen Vergewaltigung verhaftet. Putin ließ daraufhin auf der offiziellen Website des Kreml als erster Staatschef der Welt feststellen, dass DSK einem politischen Komplott der USA zum Opfer gefallen sei.

Drei Tage nach der Verhaftung Strauss-Kahns stellte der US-Kongressabgeordnete Ron Paul den Antrag, die Goldreserven des Staates zu verkaufen, um den Schuldenberg zu reduzieren. Direkt angesprochen auf die Frage, ob Fort Knox vielleicht leer sei, habe Paul geantwortet, er halte das für möglich.

Die European Union Times verweist weiter auf einen Bericht bei Viewzone:

Im Oktober 2009 erreichte China eine Schiffsladung Goldbarren. Die Regierung bestand darauf, die Goldbarren auf Reinheit und Gewicht zu prüfen und ließ in jeden Barren vier kleine Löcher bohren. Der Schock nach der Untersuchung war groß: Es habe sich herausgestellt, dass es sich um Barren auf einer Wolfram-Kupfer-Legierung handelte, die nur mit Gold ummantelt waren. Die 5600 bis 5700 Fake-Barren hatten amerikanische Seriennummern und waren jahrelang in Fort Knox gelagert worden.

Als viele Gold-Experten annahmen, dass die Fälschungen aus China stammten, so Viewzone, habe sich die dortige Regierung an die Recherche gemacht und folgendes herausgefunden: Während der Zeit der Clinton-Regierung (also Robert Rubin, Sir Alan Greenspan und Lawrence Summers) wurden zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Barren dieser Größe und dieser Wolfram-Kupfer-Legierung gegossen. Davon wurden 640 000 mit Gold ummantelt und nach Fort Knox transportiert, wo sie bis dato blieben. Der Rest der Barren sei ebenfalls mit Gold ummantelt und auf dem freien Markt verkauft worden – entsprechend einem Wert von etwa 600 Milliarden Dollar.

Dan Eden, der Autor des viewzone-Artikels hat umfangreich weiter nachgeforscht und bringt etliche andere Nachrichten in Zusammenhang. So war am 2. Februar 2004 in der New York Times ein Artikel erschienen, in dem von der offiziellen Befragung eines Top-Managers der NYMEX; Stuart Smith, berichtet wird. NYMEX steht für New York Mercantile Exchange, die New Yorker Handelsbörse. NYMEX verwaltet alle Seriennummern und Echtheitszertifikate für physisches Gold, das jemals an der Börse gehandelt wurde und hat die Pflicht, alle Dokumente dazu dauerhaft aufzubewahren.  Stuart Smith trat von seinem Amt zurück, nachdem sein Büro verwüstet worden war – seitdem habe man nichts mehr von ihm gehört. Seltsamerweise, so Dan Eden, habe kein anderes Medium über den Vorfall berichtet.

Am 14. April 2004 berichtete Reuters, die NM Rothschild & Sons Ltd. London ziehe sich aus dem Börsenhandel zurück – inclusive dem Handel mit Gold. Dan Eden schließt daraus: „Sie wissen, dass ein Riesen-Skandal bevorsteht und wollen nicht hinein gezogen werden.“

Eden weiter: Im Sommer 2009 fragte die GATA ( Gold Antitrust Action Committee)  bei der Federal Reserve Unterlagen nach, die mit Gold Swaps zu tun hatten. Am 5. August schickte die Fed einen Bericht, der eigentlich hätte 173 Seiten lang sein sollen. 137 Seiten fehlten jedoch gänzlich und auf den verbleibenden waren zahlreiche Stellen geschwärzt. Jegliche weitere Auskunft wurde von der Fed verweigert.

Auch die Vorgeschichte der Wolfram-Kupfer-Barren hat Dan Eden untersucht: 2008 stellte sich heraus, dass Goldbarren im Wert von Millionen bei der Bank von Äthiopien gefälscht waren. Sie bestanden aus goldplattierten Wolfram-Kupfer-Barren. Die Dichte dieses Materials ist der von Gold sehr ähnlich, so dass die genormte Größe der Goldbarren und ihr Originalgewicht kaum von den Fakes abweichen. Die Produktionskosten sind vergleichsweise niedrig: Barren im Gold-Verkaufswert von 400 000 Dollar kosten in der Wolfram-Kupfer-Produktion gerade 50 000 Dollar. In diesem Zusammenhang wird auf einen kurzen Beitrag des deutschen Senders Pro 7 verwiesen, in dem eine Wolfram-Fälschung gezeigt wird.

Last, not least zitiert Viewzone einen Report von Kirby Analytics in Toronto. Danach hat die chinesische Zentralbank weitere gefakte Goldbarren in ihrem Bestand entdeckt. Sie seien über Goldhandelshäuser bezogen worden, hätten aber alle ihren Ursprung in den USA.

Sollte also, um an den Ursprung dieses Artikels zurück zu kehren, die Bundesbank nun wie geplant tonnenweise deutsches Gold auf Reinheit und Gewicht untersuchen und dabei herausfinden, dass Teile des Schatzes – oder gar der Ganze – nicht mehr vorhanden sind, würde das eine allgemeine Panik an den Goldmärkten hervorrufen. Die Folgen auch für die internationalen Währungen wären unabsehbar.

Und die Weltmacht Amerika stünde als Lügner und Betrüger da.

Siehe auch: Wo genau wie viel deutsches Gold liegt und warum es da bleiben soll und

Fort Knox – legendäre Festung: Was lagert wirklich in den Schatzkammern?

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Updates:

Deutsches Gold: Wenn aus Verschwörungstheorie Realität wird 

Chefs der betroffenen Zentralbanken: Wahres Gold liegt in den Herzen der Menschen

Gauweilers Sorge: Deutsches Gold könnte im Euro-Bürgschaftsfall gepfändet werden

Auch Brüderle will Gold nach Hause holen

Hat Deutschland noch die Verfügungsgewalt?

„The emperor has no gold“ 

Angriff auf den Goldschatz von Fort Knox

Update: „I asume, the gold is still there“

„Die Leute sind noch nicht stinkig genug“

Börsen-Fachmann Dirk Müller fasst eine einfache Wahrheit in Worte. Video einfach anschauen und verstehen – dauert nicht lange …

 

Wie viel dürfen Abgeordnete verdienen?

Nach einer heftigen Debatte im Rechtsausschuss, dann hinter verschlossenen Türen zwischen den Parteien und noch einmal öffentlich im Bundestag, hatte am gestrigen Donnerstag auch  Maybrit Illner zum Thema geladen: „Was dürfen Abgeordnete (nebenher) verdienen?“ In weiten Teilen ging es dabei ausgesprochen hässlich zur Sache. Sowohl Jutta Ditfurth (die Linke), als auch Gregor Hackmack (Abgeordnetenwatch), die die Position vertraten, dass Abgeordnete mit ihrer Arbeit eigentlich ausgelastet sein sollten, bzw. dass die finanzstarken Lobbygruppen, die Einfluss auf die Abgeordneten nehmen, nicht unkontrolliert bleiben dürfen, wurden teilweise in Grund und Boden geblafft. Auch im Nachhinein lohnt es sich, die Sendung noch anzuschauen – man erkennt ausgesprochen gut, wer wessen Geistes Kind ist…

Siehe auch: Gutachten zur Abgeordnetenbestechung soll geheim bleiben 

Updates:

Rent a Volksvertreter

Jens Spahn will Namen der Spender nicht nennen

Maskenaffäre: LKA durchsucht CDU-Büros in Thüringen

Maskenaffaire: CDU-Politiker ziehen sich zurück

CSU kommt nicht zur Ruhe – Nächster Bundestagsabgeordneter legt Mandat nieder

Corona-Deals von Sauter & Co: Es hätte noch mehr Geld fließen sollen

Sauter-Geschäftspartner in Untersuchungshaft

Mehr als elf Millionen für Gauweiler

Der Bundestag führt ein Lobbyregister ein

Interaktive Grafik: Kraftwerke in Deutschland

Klicken Sie auf das Bild, um zur interaktiven Grafik zu kommen. Quelle: Spiegel .

Siehe auch: Oettinger schlägt Verstaatlichung der Stromnetze vor 

Gutachten zur Abgeordnetenbestechung soll geheim bleiben – WARUM?

Am heutigen 17. Oktober findet eine Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum Thema “Bekämpfung Abgeordnetenbestechung” statt. Dazu existiert bereits seit dem Jahr 2008 ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das dringend Reformen anmahnt. Dieses Gutachten wurde jedoch offiziell nie öffentlich gemacht – mit Hinweis auf das Urheberrecht.

netzpolitik.org hat das Gutachten vor zwei Wochen exklusiv online gestellt (weiter unten der komplette Bericht in Kopie) und ausführlich kommentiert.

Heute erreichte den Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org, Markus Beckedahl,  ein Einschreiben des Bundestages, wonach das Gutachten umgehend aus dem Netz zu entfernen sei.

Angesichts der Diskussionen der letzten Wochen über Nebeneinkommen von Abgeordneten, aber auch angesichts der offensichtlichen Bestrebungen der Regierung, immer mehr  Gremien einzurichten, die nichtöffentlich tagen und zur Geheimhaltung verpflichtet sind (siehe Berichterstattung in diesem Blog zum ESM und dem Vorstoß Wolfgang Schäubles zur  Neuordnung der europäischen Union) halte ich es für notwendig, netzpolitik.org zu unterstützen. Transparenz ist eine wesentliche Grundlage der Demokratie. Bezahlte Lobbyarbeit – in welcher Form auch immer – darf für Abgeordnete kein Thema sein.

Hier nun zunächst der Kommentar von Markus Beckedahl zum heutigen Einschreiben, anschließend die Berichterstattung zum Gutachten – wörtlich übernommen aus dem Blog von netzpolitik.org.

Nein. Das Gutachten zur Abgeordnetenkorruption bleibt öffentlich und auch hier verfügbar.

‚Dem deutschen Volke‘ steht vorne auf dem Bundestagsgebäude, das Volk bezahlt die Erstellung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienste, es gibt keinen Geheimhaltungsgrund für das Gutachten – sonst dürfte es auch nicht nach IFG herausgegeben werden – und der Verweis auf das Urheberrecht ist für ein im Auftrag durch Beamte oder Angestellte des Bundestages in ihrer Arbeitszeit erstellten Gutachtens indiskutabel.

Die Diskussion der vergangenen Wochen hat noch einmal nachdrücklich gezeigt, welche Wichtigkeit das Thema der (Un-)Bestechlichkeit für die Öffentlichkeit hat. Das zeigte nicht nur die Diskussion um Peer Steinbrück und seine Nebenredeneinkünfte. Was soll man von einem Parlament halten, dessen wissenschaftlicher Dienst zwar dazu forscht, aber diese Ergebnisse dann unter Verschluss und damit vom Bürger fernhalten will?“

Deutsche Gesetzgebung eher symbolisch

Von  | Veröffentlicht am: 01.10.2012 bei netzpolitik.org

Die deutschen Gesetze zur Abgeordnetenbestechung sind “praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung” und müssen dringend verschärft werden. Diesem Urteil des Bundesgerichtshof schließt sich auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem vor vier Jahren erstellten Gutachten an. Das Dokument wird bisher geheim gehalten, netzpolitik.org veröffentlicht jetzt das komplette Gutachten.

Die Wikipedia sagt auf der Seite Abgeordnetenbestechung: In den meisten anderen Ländern ist dieser Straftatbestand schärfer als in Deutschland.
Der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch stellt ausschließlich den direkten Kauf von Stimmen vor einer Abstimmung unter Strafe. Und auch das wurde erst 1994 eingeführt.

Im Jahr 2005 ist die UN-Konvention gegen Korruption in Kraft getreten. Dieser völkerrechtlich bindende Vertrag enthält Präventionsmaßnahmen gegen Korruption sowie die die Pflicht der Staaten, verschiedene Sachverhalte rund um Korruption unter Strafe zu stellen. Bisher haben 161 Staaten das Übereinkommen ratifiziert. Deutschland nicht, zusammen mit Myanmar, Sudan, Saudi-Arabien, Nordkorea und Syrien. Deutschland ist hier Bananenrepublik – weit weg vom internationalen Standard.

Bereits im September 2008 hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages ein Gutachten “Rechtsfragen im Kontext der Abgeordnetenkorruption” erstellt, der diesen Zustand kritisiert und dringenden Reformbedarf anmeldet.

Im Dezember 2008 berichtete der Spiegel aus dem Dokument: „Tatsächlich gilt ein deutscher Abgeordneter nur dann als korrupt, wenn nachgewiesen werden kann, dass er sich vor einer Wahl oder Abstimmung in einem Parlament kaufen ließ. Nimmt er dagegen den Lohn für sein Votum erst nach einer Abstimmung an, als eine Art “Dankeschön”, geht er straffrei aus – so entlarvt das bestehende Gesetz weniger die Bestechlichkeit eines Abgeordneten als seine Dummheit, sich die Gefälligkeit zum falschen Zeitpunkt erweisen zu lassen.“

Doch die Öffentlichkeit hat dieses Gutachten nie zu sehen bekommen. Zwar kann man mittlerweile auf FragDenStaat.de nach Informationsfreiheitsgesetz eine Anfrage stellen. Eine Veröffentlichung wird jedoch verboten, wegen des Urheberrechts: „Ich weise deshalb darauf hin, dass das Ihnen übersandte Gutachten für Sie persönlich bestimmt ist. Die Übersendung beinhaltet nicht die Befugnis der Verbreitung oder Veröffentlichung. Die unerlaubte Veröffentlichung oder Verbreitung von Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes stellt einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar und hat sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen“.

Das sehen wir nicht ein. Die Wissenschaftlichen Dienste werden von unseren Steuern bezahlt. Die Gutachten werden im Auftrag von gewählten Abgeordneten erstellt. Wir sind der Meinung, in dieser Art zustande gekommene Studien müssen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Bestärkt fühlen wir uns von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin. Das hat vor zwei Wochen entschieden: Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erfasst auch Dokumente der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages.

Daher veröffentlichen wir an dieser Stelle das komplette Gutachten als PDF.

Aus der Zusammenfassung:

  • Die Abgeordnetenbestechung, für die keine einheitliche Definition existiert und deren repressive Bekämpfung in Deutschland seit Jahren sehr kontrovers diskutiert wird, ist im Straftatbestand des § 108e StGB pönalisiert, dessen enger Anwendungsbereich sich jedoch lediglich auf den Teilbereich des Stimmenkaufs bzw. –verkaufs bei Wahlen oder Abstimmungen in Volksvertretungen beschränkt:
  • Die derzeitige bewusst restriktive Fassung der Norm begegnet in der Rechtswissenschaft und in der öffentlichen Diskussion wegen der Privilegierung von Mandatsträgern erheblicher Kritik, da § 108e StGB als praktisch bedeutungslose „symbolische Gesetzgebung“ viele Fälle strafwürdiger politischer Korruption nicht wirksam erfasse, zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten biete und die gesellschaftspolitische Realität der stetig zunehmenden Einflussnahme auf Parlamentarier nicht adäquat widerspiegele. Angesichts dieser tatbestandlichen Defizite und des vom BGH angemahnten legislatorischen Handlungsbedarfs sowie im Hinblick auf die teilweise noch nicht implementierten Vorgaben internationaler und europäischer Antikorruptionsübereinkommen und ferner auch in rechtsvergleichender Perspektive ist im Ergebnis zu konstatieren, dass die Abgeordnetenbestechung in Deutschland durch den Tatbestand des § 108e StGB hinsichtlich des mit der Norm intendierten Schutzes der Integrität und Unabhängigkeit der Mandatsausübung keine ausreichende strafrechtliche Regelung erfahren hat und diesbezüglich Reformbedarf besteht. Die Notwendigkeit einer Erweiterung und Verschärfung des § 108e StGB ist insbesondere auch mit Blick auf die Ratifikation des von Deutschland bereits am 27. Januar 1999 gezeichneten Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption sowie der am 9. Dezember 2003 gezeichneten UN-Konvention gegen Korruption, die einen globalen Mindeststandard der Kriminalisierung der Abgeordnetenbestechung etabliert, angezeigt.

Auch Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, kritisiert die Zurückhaltung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vor der Öffentlichkeit. Bereits in seinem 3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit bestätigte er:

  • Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem IFG gilt auch für Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.

Schaar sprach sich auch dagegen aus, …

  • … dass der Bundestag die Herausgabe von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes unter Hinweis auf Urheberrechte ablehnt. Schließlich seien diese Gutachten aus Steuermitteln finanziert und dienten der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben.

Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, kommentiert den Inhalt des Gutachtens:

  • Die Regierungsfraktionen sollten sich endlich zu Herzen nehmen, was der Wissenschaftliche Dienst bereits vor vier Jahren feststellte, nämlich dass Reformbedarf beim Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung besteht.

Am heutigen 17. Oktober findet eine Anhörung im Rechtsausschuss zum Thema “Bekämpfung Abgeordnetenbestechung” statt. Bis dahin können sich interessierte Bürger informieren, das Gutachten lesen und sich dann an die Bundestagsabgeordneten wenden – damit diese Abgeordnetenbestechung endlich wirksam unter Strafe stellen.

Wer uns unterstützen will: Das Gutachten kann gerne an anderen Stellen des Netzes gespiegelt werden. Je öfter es verteilt wird, umso weniger kann der Inhalt wieder der Öffentlichkeit entzogen werden.

Update: Auf change.org gibt es auch eine Petition zum Thema:

  • Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages,
  • ich fordere Sie auf, die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu ratifizieren.
  • Abgeordnetenbestechung muss auch in Deutschland endlich strafbar sein!
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Siehe auch:
Gesetzentwürfe und Stellungnahmen zur Anhörung des Rechtsausschusses und:
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Update: Soeben hat der Pressedienst des Deutschen Bundestages das Ergebnis der heutigen Anhörung im Rechtsausschuss veröffentlicht:
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„Handlungsbedarf bei der Abgeordnetenbestechung“

Vorsitzender Siegfried Kauder (CDU/CSU)

Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses, eröffnete die Anhörung. © DBT/Melde

Experten sehen mehrheitlich Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Abgeordnetenbestechung und fordern eine entsprechende Gesetzgebung. Das ist das Ergebnis einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) mit sieben Fachleuten am Mittwoch, 17. Oktober 2012. Anlass waren Gesetzesinitiativen der drei Oppositionsfraktionen. Nach Meinung der SPD-Fraktion ist die Vorschrift der Abgeordnetenbestechung nicht ausreichend, weshalb die Fraktion einen Gesetzentwurf (17/8613) eingebracht hat. Nach geltendem Recht seien Bestechlichkeit und Bestechung von Parlamentariern nur als Stimmenverkauf und -kauf bei Wahlen strafwürdig. Bis heute gebe es keine strafrechtliche Regelung, die sämtliche strafwürdige Verhaltensweisen von Mandatsträgern im Bereich der Vorteilsannahme und –zuwendung erfasst.

Vorschläge der Linken und Grünen

Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Gesetzentwurf (17/1412), Abgeordnetenbestechlichkeit in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Die Regelung solle für den Bundestag, die 16 Landtage und die Räte von Gemeinden gelten. So solle beispielsweise ein Mitglied des Bundestages mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren belegt werden, wenn er „für eine Handlung oder Unterlassung, die im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats steht, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wenn dies seiner aus dem Mandat folgenden rechtlichen Stellung widerspricht“.

Wie die Grünen in ihrem Gesetzentwurf (17/5933) erläutern, fordert das Übereinkommen der Vereinten Nationen und des Europarates gegen Korruption die Unterzeichnerstaaten auf, die Bestechung und die Bestechlichkeit von Mandatsträgern und Abgeordneten konsequent unter Strafe zu stellen. Die geltende Regelung der Abgeordnetenbestechung im Strafgesetzbuch werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Dadurch werde die Bekämpfung der Korruption geschwächt und das Ansehen Deutschlands in der Welt beschädigt.

„Wirtschaft befürwortet eine Gesetzgebung“

Privatdozent Dr. Sebastian Wolf von Transparency International aus Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Jäckle, Dozent an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Münster sowie Prof. Dr. Bernd Heinrich, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Humboldt-Universität Berlin begrüßten die drei Gesetzesinitiativen. Sie seien sehr „konstruktiv“, sagte Wolf. Da allerdings jeder Entwurf Schwächen habe, forderte er indirekt eine Synthese.

Wolf wies zudem darauf hin, dass mittlerweile in der deutschen Wirtschaft eine „breite Mehrheit“ eine derartige Gesetzgebung befürworte. Dagegen kam Wolfgang Jäckle zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag der Grünen-Fraktion am geeignetsten wäre. Bernd Heinrich sah die Vorteile überwiegend bei dem Entwurf der SPD-Fraktion.

Völker- und verfassungsrechtliche Bedenken

Dr. Gerald Kretschmer, Ministerialrat a.D. aus Bonn, und Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, der an der Universität Würzburg öffentliches Recht lehrt, wiesen alle drei Gesetzesinitiativen zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung zurück und äußersten völkerrechtliche beziehungsweise verfassungsrechtliche Bedenken.

Schwarz erklärte, dass es sich im internationalen Vergleich in Deutschland um ein „Luxusproblem“ handele. Er äußerte Verständnis dafür, diese Problematik auch in Deutschland zu thematisieren. Allerdings seien derartige Vorkommnisse hierzulande kaum vorhanden. (ver/17.10.2012)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Ulrich Franke, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe
  • Prof. Dr. Bernd Heinrich, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht
  • Prof. Dr. Wolfgang Jäckle, Dozent, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Münster
  • Eberhard Kempf, Rechtsanwalt, Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins (DAV),Frankfurt am Main
  • Dr. Gerald Kretschmer, Ministerialrat a. D., Bonn
  • Dr. Regina Michalke, Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
  • Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrprofessur für Öffentliches Recht
  • Privatdozent Dr. Sebastian Wolf, LL.M.Eur., Transparency International Deutschland e. V., Berlin
  • N. N.

NACHTRAG:

So kann Lobbyarbeit praktisch aussehen: Das Berliner CDU-Fraktionsmitglied im Abgeordnetenhaus Michael Freiberg ist einen typischen Berufsweg gegangen: Verwaltungsschule – Verwaltung – aktive Politik.

Ab 1995 war er Stadtrat im Bezirk Neukölln, danach bis Oktober 2006 stellvertretender Bezirksbürgermeister. Im Frühjahr 2007 machte Freiberg sich mit als Politikberater selbstständig. Seine Arbeit: Türöffner für Interessenvertreter und Lobby-Gruppen. Sein Lebenslauf verweist auf eine beeindruckende Liste von Aktivitäten innerhalb verschiedenster Gremien in Berlin-

Im Oktober 2011 gelang Michael Freiberg der Einzug ins Landesparlament als Direktkandidat, wo er zurzeit als Abgeordneter Gehalt und Rentenanspruch erarbeitet. Trotzdem besteht seine Homepage mit dem Beratungsangebot der Freiberg Consulting fort.

Jetzt die Frage: Genügt es, wenn so ein Mann die Höhe seiner Nebeneinkünfte pauschal angibt? Oder macht es vielleicht Sinn zu erfahren, wem der Abgeordnete für wieviel Geld wo eine Tür öffnet?

Entscheiden Sie selbst.

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Update 9.11.2012: Rent a Volksvertreter 
Update 29.2.2013: Deutschland blamiert sich im Vergleich – Zehn-Stufen-Modell erlaubt weiter Verschleierung
                                       Antwortboykott: Wenn Politiker plötzlich verstummen
Update 5.3.2013: Transparency begrüßt interfraktionellen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung
Update: FDP blockiert Gesetz – Petition unterzeichnen
                  Hier können Sie recherchieren 
Update: Rechtsausschuss des Bundestages hat der Unterzeichnung der UN-Konvention zugestimmt