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Jeff Bezos: Reichster Mann der Welt durch ein Menschen verachtendes System

„Amazon ist ein riesiges Unternehmen, das in den vergangenen Jahren rasant gewachsen ist und Gewinne macht. Das freut uns Mitarbeiter – aber wir wollen auch daran beteiligt werden,“ sagte anonym ein Mitarbeiter des Onlinehändlers im Juni 2020 dem „Spiegel„. „Ich wurde vor einiger Zeit am Knie operiert, daraufhin bin ich sechs Wochen ausgefallen. Als ich zurück im Betrieb war, wurde von mir erwartet, dass ich direkt wieder funktioniere wie zuvor. An manchen Tagen muss ich bis zu 30 Kilometer durch die Hallen laufen und Waren transportieren…“

Seit 27 Jahren gibt es den Onlinehändler Amazon. Jedes Jahr wird er größer, internationaler und weltumspannender. Jeff Bezos, Gründer und CEO des US-Unternehmens, wurde 2019 geschieden. Seine Ehefrau bekam ein Viertel der Aktien. Trotzdem hält Bezos weiterhin den Titel des reichsten Mannes der Welt: Er besitzt 177 Milliarden Dollar. Das sind 47 Milliarden mehr als im Vorjahr. 47 und 9 Nullen… Auf welche Weise all dieses Geld erwirtschaftet wird, hinterlässt jedoch mehr als ein Geschmäckle: Amazon ist ein Menschen verachtendes System voller Unterdrückung, das so wenig wie möglich an die Gesellschaft zurück gibt.

Letztes Jahr ließ Jeff Bezos sich für eine großzügige Spende feiern: Er kündigte an, zehn Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel zu spenden und eine neue Initiative mit dem Namen „Bezos Earth Fund“ zu starten. Im Jahr 2019 kündigte er an, sagenhafte 98,5 Millionen Euro an Obdachlose zu spenden… Angesichts der Tatsache, dass Bezos als großer Profiteur der Corona-Krise in einem einzigen Jahr um fast 50 Milliarden Euro reicher geworden ist, wirken seine Spenden wie lächerliche Feigenblätter. Fühlbar sind sie für ihn nicht.

Gleichzeitig ist sein global agierender Konzern Weltmeister beim Steuersparen: 2017 und 2018 zahlte er in den USA keinen Cent. 2019 waren es 1,2 Prozent. Das, obwohl der Konzern einer der wertvollsten der Welt ist. In Europa verhält sich Amazon ebenso. Obwohl im Jahr 2020 der Umsatz des Online-Händlers um mehr als ein Drittel gestiegen ist, legt die Amazon EU S.à r.l., die aus dem EU-Steuerparadies Luxemburg operiert, einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro vor. Der Amazon Watchblog beobachtet das Geschäftsgebaren des Konzerns genau und hat einen Fachmann befragt: „Amazon könnte genauso gut einen hohen Überschuss für das Handelsgeschäft in Europa ausweisen – einmal abgesehen davon, dass es sich bei den Amazon-Sparten um kaum trennbare Verbundgeschäfte handelt. Insgesamt könnten durch Vorabschöpfungen wohl rund sieben Mrd. Euro auf das Handels- und Marktplatzgeschäft in Europa gegengerechnet werden, wodurch sich das Handelsgeschäft ohne Marktplatz anteilig gerechnet mindestens um 2,5 Mrd. Euro besser darstellen würde,“ rechnet Amazon-Experte Professor Gerrit Heinemann vor.

Die EU, wo Amazon aus Luxemburg und Irland operiert, das ebenfalls viele Steuervorteile bietet, steht der Rechnerei relativ hilflos gegenüber: 2017 verlangte die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager von Luxemburg eine Steuernachzahlung in Höhe von rund 250 Millionen Euro zuzüglich Zinsen wegen der Gewährung unzulässiger Steuervorteile für Amazon. Dadurch habe das Unternehmen seit 2003 drei Viertel seiner Gewinne nicht versteuern müssen. Eine lächerliche Strafe angesichts der enormen Summen, die der Konzern durch die Politik Luxemburgs sparen konnte.

Seit 2015 verbucht Amazon seine in Deutschland gemachten Gewinne auch in Deutschland. Das hat nicht viel geholfen, denn der Konzern vermischt immer wieder Zahlen verschiedener Sparten, um echte Gewinne zu verschleiern. 2019 wurden Gesamteinnahmen aus allen Aktivitäten in Deutschland in Höhe von 19,9 Milliarden Euro (22,323 Milliarden US-Dollar) erwirtschaftet. Amazon beschäftigt hierzulande rund 20 000 Mitarbeiter. Das niedrigste Gehalt liegt bei 1998 Euro für einen einfachen Versandmitarbeiter. Die direkt anfallenden Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge beliefen sich laut Amazon auf insgesamt 261 Millionen Euro. Wie viel davon Sozialversicherungsbeiträge waren, gibt das Unternehmen aber nicht bekannt. Gewinne werden möglichst umgehend reinvestiert. Steuern hat Amazon in Deutschland bezahlt. Wie hoch diese waren, ist unbekannt.

In einem Blog-Beitrag des Unternehmens heißt es, Amazon leiste einen „steuerlichen Gesamtbeitrag von 1,6 Milliarden Euro“ in Deutschland. Allerdings berücksichtigt das Unternehmen außer den Sozialabgaben in dieser Rechnung auch die von den Kunden gezahlten Umsatzsteuern und von den Mitarbeitern gezahlte Lohnsteuern.(!) Unterm Strich, so berechnete Steuerexperte Christoph Trautvetter für „Plusminus“, dürften die Steuern auf Erträge in Deutschland noch unter 100 Millionen Euro liegen.

Bisher hat es der Onlinehändler geschafft, Gewerkschaften fern zu halten. Nun könnte sich das ändern. In Bessemer, Alabama, gab es erstmals eine Abstimmung. Zurzeit wird noch ausgezählt. Im Vorfeld wurde ein weiteres unrühmliches Detail der Arbeitsbedingungen bekannt: Seit Jahren kursieren Berichte über Amazon-Lieferfahrer, die aus Zeitdruck nicht zur Toilette gehen können und deshalb in Flaschen urinieren. Der Konzern schoss in zurück: „Sie glauben nicht wirklich die Sache mit dem in die Flasche pinkeln? Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten.“ Das US-Portal „Buzzfeed“ veröffentlichte wenig später Dienstanweisungen einer für Amazon tätigen Lieferfirma, in denen Fahrer dazu aufgerufen wurden, „Urinflaschen“ nach Schichtende aus ihren Vans zu entsorgen. Das Investigativportal „The Intercept“ postete Dokumente einer Amazonlogistics-Managerin: In Lieferzentren würden keine Tüten mit „menschlichen Fäkalien“ geduldet. In den sozialen Medien wurde eine Flut von Beweisfotos gepostet.

Das führte dazu, dass Amazon am Karfreitag kleinlaut zurückrudern musste. Der Handelskonzern kündigte an, das Urinflaschen-Problem lösen zu wollen.

Auch in Deutschland hat Amazon seit Jahren Ärger wegen der Arbeitsbedingungen. Hier gibt es zwar Betriebsräte, aber die Gewerkschaft Verdi fordert einen Tarifvertrag für die Beschäftigten. Seit 2013 wird deswegen immer wieder gestreikt, und immer mit überschaubaren Auswirkungen.

Im Oktober 2020 berichtete das Magazin Panorama im Ersten über die permanente Überwachung der Amazon-Mitarbeiter: Dokumente, die dem NDR vorliegen, belegten erstmalig: Genutzt wird dafür eine Software des Warenwirtschaftssystems. Am Ende entscheide auch die durch die Software gemessene Schnelligkeit, wer beschäftigt wird oder nicht, so der Vorarbeiter. Die Schnellen bleiben, die eher Langsamen müssen gehen. Die Folge: eine kontinuierlich steigende Durchschnitts-Rate, an der sich die Beschäftigten zu orientieren haben. Wer heute noch schnell genug ist, um weiter beschäftigt zu werden, kann schon morgen zu langsam sein – und damit vor dem Aus stehen.

An sogenannten Freisetzungstagen wird den Mitarbeitern mitgeteilt, ob ihr befristeter Vertrag ausläuft oder verlängert wird. Der Vorarbeiter berichtet: „Man hat die Unterlagen vor sich, die Security steht bereit, falls es Probleme gibt. Denn wenn mehrere Leute gleichzeitig gehen mit schlechter Laune, kann es natürlich auch mal zu verbalen Auseinandersetzungen oder auch zu Handgreiflichkeiten kommen.“

Gegen dieses Messungs-Verfahren geht die zuständige niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz vor und hat Amazon in einem Teilbescheid vom 28. Oktober 2020 die Nutzung untersagt, der Bescheid ist allerdings noch nicht bestandskräftig. Amazon Winsen dürfe demnach nicht „ununterbrochen jeweils aktuelle und minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsleistungsdaten ihrer Beschäftigten erheben und diese nutzen.“ „Anders als die Behörde sind wir der Meinung, dass auch die Art und Weise der Datenerhebung rechtmäßig ist“, äußerte sich ein Amazon-Sprecher. Man wolle die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen.

Das gesamte Prüfverfahren gegen Amazon – unter anderem zu Fragen im Hinblick auf die Datenübermittlung an Drittländer und zum Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten – sei noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher der Datenschutz-Behörde. „Bislang wurde noch kein Bußgeld verhängt, die LfD Niedersachsen geht aber davon aus, dass sie voraussichtlich ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten wird.“

Netzpolitik.org detailliert die Maßnahmen, denen Amazon-Mitarbeiter ausgesetzt sind:

  • Mitarbeiter in den Logistikzentren dürfen keine persönlichen Gegenstände mit in das Gebäude nehmen und müssen ihre Sachen inklusive Handy abgeben. Geld dürfen sie in einem klaren Plastikbeutel aufbewahren.
  • Die vielerorts installierten Kameras sollen nicht nur unter anderem Diebstähle verhindern, sondern auch jede Form der Absprache und Organisation der Beschäftigten (etwa in Gewerkschaften). Große Bildschirme in Lagerhallen sollen außerdem Aufnahmen von Beschäftigten zeigen, die beim Klauen erwischt worden sind.
  • Scanner messen die Leistung der Logistik-Mitarbeiter, etwa wie viele Sekunden eine Beschäftigte für das Füllen eines Regals braucht. Verstößt ein Mitarbeiter zu oft gegen die straffen Vorgaben, erhält er Warnungen und wird gekündigt. Dieses Verfahren wurde bereits mehrfach beschrieben und kritisiert – auch in österreichischen Amazon-Lagern. In Großbritannien sollen Amazon-Arbeiter 2018 aus Zeitdruck sogar den Gang zur Toilette vermieden und stattdessen in Flaschen uriniert haben.
  • Amazon analysiere mit einer speziellen Software verschiedene Kriterien, um herauszufinden, in welchen Filialen seiner Lebensmittelkette Whole Foods sich womöglich Mitarbeiter gewerkschaftlich organisieren könnten. Ausgewertet wird unter anderem die Loyalität und ethnische Vielfalt der Mitarbeiter, die örtliche Nähe zu einem Gewerkschaftsbüro, die von der Arbeitsschutzbehörde registrierten Verstöße und die Arbeitslosenquote vor Ort. Auch über dieses System, das mit Heatmaps dargestellt wird, wurde schon im April berichtet.

Nicht nur nach innen, sondern auch nach außen übt der Onlinehändler Druck aus: „Amazon lockt Kunden mit günstigen Preisen. Händler stehen auf der Handelsplattform im gnadenlosen Wettbewerb und immer wieder stellen Händler fest, dass das Einkaufswagenfeld für ihre Produkte plötzlich fehlt und die so kaum zu finden sind. In der ARD-Sendung Plusminus am 7. April 2021 berichten ein Verkäufer handgemachter Taschen aus Leder und eine Frau, die ein nachhaltiges Kartenspiel erfunden hat und es weitgehend über Amazon vertreibt: Sie kann ihren UVP von 16,99€, der bei Kartenspielen dieser Art nicht hoch ist, bei Amazon nicht eingeben, weil dann ihr Einkaufskorb verschwindet und es aussieht, als sei das Produkt nicht kaufbar. Dem Taschenhändler geht es ähnlich: Er will den Verkaufspreis erhöhen, weil die Rohware teurer wurde – der Warenkorb verschwindet.

Beide probieren aus, wie sie den Warenkorb wieder bekommen und kommen zu selben Ergebnis: Sie müssen ihren Preis deutlich senken. Und ein weiteres „Problem“ wird bekannt: Manchmal komme es vor, dass Amazon Ware im Lager ‚verliere‘, berichtet der Taschenverkäufer. Dann zahle das Unternehmen eine Entschädigung in einer von ihm selbst festgelegten (niedrigeren) Höhe. Tauche die Ware dann wieder auf, verkaufe Amazon sie selbst – zu einem auch selbst festgelegten Verkaufspreis. Damit tritt der Großhändler gegen den Kleinen in direkte Konkurrenz und kann Preise bis hinein in die Ladenstraßen diktieren: „Die lokalen Abnehmer unserer Karten sehen ja auch, dass sie bei Amazon billiger sind. Das heißt, wir können auf Dauer unseren UVP nicht mehr halten.“

Bisher ist es der EU nicht gelungen, eine Digitalsteuer einzuführen, was auch am Widerstand der USA scheiterte. Jetzt gibt es vielleicht einen Weg, der allen Ländern einen Vorteil bringt: US-Präsident Joe Biden und seine Finanzministerin Janet Yellen schlagen eine globale Unternehmenssteuer vor. Die könnte Steuerschlupflöcher stopfen. Kommentar Jeff Bezos: „Wir unterstützen eine Anhebung des Unternehmenssteuersatzes“…

Siehe auch:

Forbes-Liste 2021: Covid 19 hat die Reichsten noch reicher gemacht

Amazon ist angetreten, die Handelswelt das Fürchten zu lehren

Shitstorm über Amazon: ARD berichtet zur Situation der Leiharbeiter

China, seine Nachbarn und die Welt: Ein leises Netz wird immer dichter

Schon als sehr junger Mensch war ich begeistert von China. In der Schule lernten wir viele verschiedene Denkweisen, in alle stürzte ich mich mit offenem Geist. Während wir uns mit Nihilismus und Existentialismus auseinandersetzten, kursierte unter uns die Mao-Bibel. Wir lasen die Worte des großen Vorsitzenden, denn anderen direkten Zugang zum Kommunismus gab es für uns nicht. Er wurde gelehrt, aber wir konnten ihn nicht von innen ansehen.

Als ich 18 war und das Abitur in der Tasche hatte, träumte ich von einem Studium der Sinologie, wollte Mandarin lernen und Simultanübersetzerin werden, denn mir war klar: Ein Land mit derart vielen Menschen wird expandieren und auf die eine oder andere Art mit allen Nationen dieser Erde in Kontakt sein. Es sollte nicht sein. Mein Vater verlangte, ich solle gefälligst arbeiten gehen solle, bis ich Kinder bekommen und ohnehin Hausfrau werden würde. Ich ging also arbeiten und träumte weiter vom Land der Mitte. Ich befasste mich mit Feng Shui, mit traditioneller chinesischer Medizin, mit dem Taoismus und dem frühen Buddhismus in dem Land mit dieser Jahrtausende alten Hochkultur. Als ich schließlich gutes Geld verdiente, erfüllte ich mir einen Jugendtraum: Ich organisierte zusammen mit einem Veranstalter eine Gruppenreise nach China mit einem Programm meiner Wahl.

Es war im November vor mehr als 20 Jahren, als wir schließlich nach einem ellenlangen Flug in Peking landeten. Die untergehende Sonne tauchte die Smog-Glocke über der Stadt in ein mystisches Licht, das uns während des gesamten Aufenthaltes begleitete. Ich liebte die kaiserlichen Anlagen, fotografierte wie wild die herrliche Deckenmalerei in den Wandelgängen, bestaunte die winzigen Betten der Konkubinen. Wir sahen riesige Gewürzmärkte, besuchten eine traditionelle chinesische Apotheke, ein entsprechendes Krankenhaus und die Altstadt von Peking, wo ich einem alten Hobbymaler eine Federzeichnung von Bambus mit einem Gedicht dazu abkaufte: „Der Bambus ist unzerstörbar, denn er beugt sich, wenn der Sturm kommt, statt an ihm zu zerbrechen.“ Die Eiche sei das falsche Modell, lächelte der kluge alte Mann. Heute sehe ich, in welchem Ausmaß das stimmt.

Wir bestiegen die große Mauer an einer Stelle, wo außer uns keine anderen Touristen waren – die Landschaft war trunken von goldenem Licht und bunten Herbstfarben. Wir bestaunten die Terrakotta-Armee, bei der jeder der tausenden Tonsoldaten ein anderes Gesicht hat; wir fuhren durch weite Felder, auf denen Bauern arbeiteten, wir machten eine Flussfahrt bei Guilin, begleiteten die Kormoran-Fischer, schlenderten durch die abendlichen Straßen mit dem bunten Trubel und den unzähligen Garküchen. Wir aßen merkwürdiges Fleisch von kleinen Körpern, die Hunde oder Katzen gewesen sein mögen – Fleisch von lebendigen Schlangen wollten wir lieber nicht aussuchen. Wir lernten alles über die Kunst der gefüllten, dampfgegarten Nudeln, wir lebten wie „Götter in Frankreich“. Gespräche mit unseren jungen Reiseführern machten uns deren Lebenswirklichkeit deutlich; wir sahen, dass sie unter Zwängen standen. Ein Gespräch mit einem unsympathischen Teilzeit-Führer in China (oben), der uns Langnasen sichtbar verachtete, macht mich bis heute ärgerlich. Der Mann behauptete steif und fest, der Buddhismus komme aus China, und China habe Tibet „befreit“. Überhaupt sei die chinesische Rasse die beste der Welt und werde früher oder später die Welt auch beherrschen. Ich war froh, als wir den Mann wieder los waren, aber vergessen habe ich seine Worte nie. Unser liebenswerter Langzeit-Führer, der junge Shu (unten), hätte uns gern eine weitere Reise organisiert. Ich wäre so gern wieder gekommen. Aber jeder Versuch, mit ihm nach der Heimkehr Kontakt aufrecht zu halten, lief ins Leere.

Hongkong, damals noch unter britischer Krone, war der Abschluss einer herrlichen Reise. Ich war fasziniert davon, wie in dieser Stadt althergebrachtes chinesisches Leben und westlicher Protz aufeinander trafen und eine spannende Verbindung miteinander eingingen. Natürlich waren wir auf dem Jademarkt, spazierten durch Straßen, in denen Lebensmittel wie vor 100 Jahren verkauft wurden, sahen die westlichen Läden mit schwerem Goldschmuck und dicken Klunkern, bewunderten das goldene Abendlicht im Hafen, wo zwischen modernen Schiffen eine kleine rote Dschunke daran erinnerte, dass Hongkong eine Metropole des alten China war.

Seit 1843 war Hongkong Kronkolonie der Briten. 1997 wurde ein Vertrag zur Rückgabe an China vereinbart, der laut Idee Deng Xiaopings nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“ ablaufen sollte. China musste einige Bedingungen akzeptieren, die in der chinesisch-britischen gemeinsamen Erklärung zu Hongkong festgelegt wurden, wie die Ausarbeitung und Annahme der Miniverfassung Hongkongs vor seiner Rückkehr. Das Grundgesetz stellte sicher, dass Hongkong sein kapitalistisches Wirtschaftssystem und seine eigene Währung (den Hongkong-Dollar), das Rechtssystem, das Gesetzgebungssystem sowie die Rechte und Freiheit der Menschen für 50 Jahre, als Sonderverwaltungszone von China, behalten könne. Im Jahr 2047 sollte dies ablaufen, bis dahin erlaubte die Vereinbarung Hongkong, in vielen internationalen Umgebungen (z.B. Welthandelsorganisation und Olympische Spiele) als eigene Entität und nicht als Teil von China aufzutreten.

Riot police officers clash with protesters in Hong Kong, on Wednesday, May 27, 2020. China officially has the broad power to quash unrest in Hong Kong, as the country’s legislature on Thursday nearly unanimously approved a plan to suppress subversion, secession, terrorism and seemingly any acts that might threaten national security in the semiautonomous city. (Lam Yik Fei/The New York Times)

Wie wir heute wissen, war China nicht bereit, diesen Vertrag einzuhalten. Im Juni 2020 wurde das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong durch den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses verabschiedet. Die örtlichen Parteien lösten sich umgehend auf, denn sie fürchteten politische Verfolgung. Diese findet nun gnadenlos statt. Bereits seit 2014 hatten Studenten gegen die zunehmende Einflussnahme Chinas in Hongkong protestiert; heute sitzen die maßgeblichen Organisatoren, die nicht geflüchtet sind, in Haft. Lange vor dem Ende des Übergabevertrages hat China die Wirtschaftsmetropole mit eiserner Hand zurück ins Reich geholt.

2020 war China mit rund 1,44 Milliarden Einwohnern das Land mit der weltweit größten Bevölkerungszahl. Nur Indien hat mit 1,382 Milliarden Menschen ähnlich viele Einwohner. Chinas Wirtschaft ist die größte der Welt und ihr Motor. Ökonomen schätzen, dass Chinas BIP von Oktober bis Dezember 2020 im Jahresvergleich um fünf bis sechs Prozent wachsen wird, die Wirtschaft damit wieder auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückkehrt und das Wirtschaftswachstum im Jahr 2021 etwa acht bis neun Prozent erreichen wird. Laut IMF-Prognosen könnte Chinas Wirtschaft im Vergleich zu den USA dann um mehr als 75 Prozent an Größe gewinnen. Zurzeit arbeitet die Volksrepublik daran, ihre Importabhängigkeit von Hightech-Produkten, sowie von Lebensmitteln, Agrartechnologie und Biotechnologie sowie Energieträgern wie Öl, Gas und den wichtigsten Mineralien, die in neuen Energiespeichern verwendet werden, zu reduzieren. Auf der Exportseite will das Land weiterhin in globale Märkte vordringen, um seine neuen Elektrofahrzeuge, 5G-Dienste und Technologien im Zusammenhang mit neuer Infrastruktur, intelligenten Fabriken und intelligenten Städten zu exportieren.

Das sind keine guten Nachrichten für europäische Unternehmen, die in China tätig sind. Laut einer Studie der Europäischen Handelskammer in China und des Berliner China-Thinktanks Merics, die im Januar 2021 in Peking vorgestellt wurde, sagen 96 Prozent der europäischen Firmen in China, dass sie von der Entflechtung, also dem Decoupling, betroffen sind. „Decoupling-Maßnahmen sowohl seitens der USA wie auch Chinas bergen Risiken für globale Lieferketten“, heißt es in einer Stellungnahme von Volkswagen China an das „Handelsblatt“. „Ein besonderes Risiko sehen wir zudem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, die insbesondere für Anwendungen wie das vernetzte Fahren von Bedeutung ist.“

Anfang der 1990er Jahre avancierte das Südchinesische Meer zu einem global beachteten Konfliktherd. Dort prallen die territorialen und maritimen Ansprüche von bis zu sieben Staaten aufeinander, von denen jedoch nur drei, die VR China, Vietnam und die Philippinen, in größerem Ausmaß in Konflikte vor Ort involviert waren. Die anderen Länder, Malaysia, Brunei, Indonesien und die Republik China auf Taiwan, die alle auch Ansprüche geltend machen, blieben in westlicher Wahrnehmung eher im Hintergrund. Auslöser war die 1982 verabschiedete und 1994 in Kraft getretene Seerechtskonvention (United Nations Convention on the Law of the Sea; UNCLOS). Sie ermöglichte es Küstenstaaten, alle unterseeischen Ressourcen in einer bis zu 200 Seemeilen breiten Zone vor ihren Küsten zu kontrollieren. Die „Festlandssockelregelung“ erlaubte zudem eine Ausdehnung entsprechender Anrechte bis zu insgesamt 350 Seemeilen ins Meer. Im Südchinesischen Meer führte dies zu einer Vielzahl überlappender Ansprüche. Schon in den 1970er und 1980er Jahren hatten die Konfliktparteien, allen voran Vietnam, die Philippinen und schließlich auch China, eine Reihe von Inseln und Atollen militärisch besetzt. Ein zunehmend selbstbewusst und aggressiv auftretendes China, versucht kontinuierlich, seine Maximalforderungen (80 Prozent des betroffenen Gebietes) in kleinen Schritten gegen andere, weitaus schwächere Anspruchsteller durchzusetzen. Diese versuchen, ihre Position durch Rückgriff auf die Regionalorganisation ASEAN und die mit
eigenen Interessen in der Region aktive hegemoniale Militärmacht USA zu stärken.

Der Taiwan-Konflikt hat zwar in den vergangenen Jahren zu keinen militärischen Scharmützeln geführt, aber die Drohungen Pekings Richtung Taiwan haben zugenommen – samt den diese begleitenden Militärübungen. Das demokratische Taiwan ist de facto unabhängig, wird aber von China als abtrünnige Provinz angesehen. Wenn China einmal in Zukunft seinen Großmachtanspruch militärisch unter Beweis stellen will, dann droht Taiwan das Opfer zu sein. Schutzmacht Taiwans sind aber die USA – was China von Abenteuern abhalten, aber auch dazu führen könnte, dass die beiden Großmächte militärisch aufeinanderprallen.

Was es bedeutet, im Griff Chinas zu sein, zeigt nicht nur das Drama der Uiguren, das sich seit 1990, nur am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit, im Westen der chinesischen Volksrepublik in einer Region, die an Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan grenzt, abspielt. Die islamische Minderheit wird seit Jahren in Umerziehungslager gesteckt und zu Zwangsarbeit verpflichtet, mit dem Ziel, sowohl ihre Religion, als auch ihre Identität auszulöschen und ein chinesisches Volksbewusstsein zu implementieren.

Bereits 1950 besetzte China das Nachbarland Tibet und nannte das „Befreiung des tibetischen Volks vom Feudalismus.“ Der religiöse Führer der Tibeter, der Dalai Lama, und 80 000 Landsleute flohen 1959 nach einem niedergeschlagenen Volksaufstand nach Indien. Peking reagierte mit einer Politik der verbrannten Erde. Bis 1966 wurden mindestens 6000 Klöster und Tempel zerstört. Bauern und Nomaden wurden zum Leben in Volkskommunen gezwungen, Tausende Tibeter starben in Arbeitslagern und durch Hungersnöte. Seit den 1980er Jahren setzte eine rücksichtslosen Ausbeutung der Bodenschätze in der ökologisch sensiblen Hochlandregion ein. Durch die systematische Ansiedlung von Millionen Chinesen wurden die Tibeter zur Minderheit in ihrer Heimat. Genauso lange wie der Konflikt zwischen China und Tibet laviert auch die internationale Staatengemeinschaft hin und her. Einerseits gibt es Sympathien für das Autonomie-Streben des kleinen Volks im Himalaya-Gebirge. Andererseits will es sich wegen knallharter geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen niemand mit der kommunistischen Führung in Peking verscherzen.

1995 entführte China Tibets 11. Panchen Lama, Gedhun Choekyi Nyima, im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit seinen Eltern. Seither wurde er nicht wieder gesehen. Unmittelbar nach der Entführung von Gedhun Choekyi Nyima hat China einen anderen tibetischen Jungen zum eigenen Panchen Lama erklärt. Dieser vertritt seither öffentlich die ideologische Linie der KP und wird von vielen Tibetern als „Panchen Zuma“, „falscher Panchen“, bezeichnet. . Zuletzt hatten sich im August 2020 fünf Menschenrechtsexperten und Expertengremien der Vereinten Nationen mit einem öffentlichen Schreiben an die chinesische Regierung gewandt und den freien Zugang unabhängiger Beobachter zu dem Entführten und seiner Familie gefordert. In ihrer Erklärung äußern die UN-Menschenrechtsexperten auch ihre Besorgnis über die von der chinesischen Regierung erlassenen „Reinkarnationsregeln“ für den tibetischen Buddhismus. Diese stellten eine Verletzung der Religionsfreiheit der Tibeter dar, erlauben sie doch unter anderem staatliche Einmischung in die Bestimmung eines Nachfolgers des Dalai Lama.

Die Macht des Milliarden-Volkes wird zum Drama aller, die ins Augenmerk ihres Interesses geraten; so gesehen zuletzt in Hongkong. Niemand wird einen Finger rühren, um sie zu retten, weil alle Mächte der Welt vom Wirtschaftsmotor Chinas abhängig sind. Um sich weiteres wirtschaftliches Ansehen zu verschafften, baut China zurzeit an der neuen Seidenstraße, die durch zahlreiche Länder bis nach Europa führt. Die beteiligten Nationen hoffen auf Arbeitsplätze und neue Einnahmen. Tatsache ist aber: Neun von zehn Projekten werden durch chinesische Firmen ausgeführt. Dabei merken besonders die Europäer erst spät, wie sie sich selbst Nachteile bereitet haben: Chinesische Unternehmen können bisher in Europa investieren, ohne diskriminiert zu werden. Andersherum funktioniert das aber nicht. Gleichzeitig nutzt China das Projekt zu bilateralen Verhandlungen mit den Ländern, durch die die neue Seidenstraße führen wird, wie etwa Italien und unterminiert damit die gemeinsame europäische Politik.

Experten befürchten, dass im Falle von Zahlungsschwierigkeiten China großen Einfluss in den betroffenen Ländern bekommen könnte – sei es über Deals, die dann geschlossen werden, oder dadurch, dass Peking gleich ganz die Kontrolle über wichtige Projekte wie Häfen und Bahnstrecken bekommt. Damit könnte das Regime, das unter Xi immer weiter in Richtung Diktatur driftet, die Westmächte in den Regionen noch mehr zurückdrängen. Kleine Länder, die sich moderne Straßen, Häfen oder Eisenbahnstrecken selbst nicht leisten könnten, heißen die Initiative willkommen und geraten damit in eine Schuldenfalle: Die Kredite, die China gewährt, werden sie kaum zurück zahlen können.

In Afrika präsentiert sich China bereits seit Mitte der 1950er Jahre als ein prominenter Partner im anti-kolonialen Kampf. Die Unterstützung umfasste nicht nur die Ausbildung und Ausrüstung von Milizen, sie gipfelte auch im Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Sambia und Tansania, die es dem Binnenland Sambia erlaubte, das damalige Rhodesien und das Südafrika der Apartheid zu meiden, die den Zugang zu Schiene und Hafen kontrollierten. Deng Xiaoping drängte Chinas Staatsunternehmen, externe Märkte und Rohstoffquellen zu erschließen. Diese konzentrierten sich zunächst auf den Rohstoffsektor, um Erdöl und andere Ressourcen für den boomenden Produktionssektor des Landes zu sichern, und stießen in Afrika auf offene Arme. Die Beziehungen entwickelten sich rasch und wurden im Jahr 2000 durch das Forum für die Zusammenarbeit zwischen China und Afrika (FOCAC) formalisiert. Das FOCAC diente in der Folge als Plattform für die rasche Ausweitung der Beziehungen. China wurde schnell zu einem wichtigen Infrastrukturbetreiber auf dem afrikanischen Kontinent und 2009 zu seinem größten Handelspartner.

Insgesamt entfallen etwa 22 Prozent der Schulden Afrikas auf China. Diese Darlehen sind gebunden, was bedeutet, dass die Ausführung der Projekte durch chinesische Auftragnehmer verlangt wird. Bei den Neuverhandlungen mit den afrikanischen Partnern beharrt Peking jedoch auf dem undurchsichtigen Ansatz, jeden Schuldner als Einzelfall zu behandeln. Die rasche Zunahme der afrikanischen Staatsschulden bei China wird langfristige Folgewirkungen haben. Peking hat bereits breite afrikanische Unterstützung etwa in der UNO aufgebaut und festigt dieses Verhältnis durch die aktive Teilnahme an UNO-Friedensmissonen auf dem Kontinent. Chinesische Investitionen beispielsweise in Äthiopiens Schuh- und Bekleidungsindustrie haben dem Land ermöglicht, sich als Exporteur auf dem europäischen Markt zu etablieren, westliche Marken wie H&M haben ebenfalls begonnen, in Äthiopien zu produzieren. China überrundet auch westliche Konkurrenten, wenn es um den aufstrebenden afrikanischen Verbrauchermarkt mit 1,2 Milliarden Menschen geht. Der chinesische Mobilfunkhersteller Transsion erzielt mit dem Verkauf preiswerter Handys, die auf die Bedürfnisse der afrikanischen Verbraucher zugeschnitten sind, beträchtliche Gewinne. Die Beteiligung von Huawei auf allen Ebenen der Internet-Lieferkette, von Unterwasserkabeln bis hin zum Verkauf von Mobiltelefonen, hat das Unternehmen zu einer gewaltigen Marktpräsenz in Afrika geführt, die durch die engen Beziehungen zu staatlichen chinesischen Finanzinstituten noch zusätzlich gefestigt wird.

Und Europa? Von Angela Merkel ist bekannt, dass sie eine fundamentale Verschiebung der globalen Machtverhältnisse in Richtung Asien für unabwendbar hält. China steigt auf, und Europa steigt ab. Sieben Jahre lang hatten Brüssel und Peking das Investitionsabkommen verhandelt, das am 30. Dezember 2020 besiegelt wurde; zu einer Zeit, in der die USA wegen des Präsidentenwechsels politisch gelähmt waren. Dieser Abschluss am vorletzten Tag des Jahres 2020 trägt klar die Handschrift von Angela Merkel. Sie hatte bereits vor der Corona-Pandemie die Beziehungen zwischen China und der EU zu einem zentralen Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gemacht. Daran hat sie trotz Corona festgehalten und den Abschluss mit China bis zuletzt vorangetrieben.

Brüssel betont zwar, dass die Beziehung zu den USA erneuert werden müsse, auch um gegenüber China zusammenzuarbeiten. Wenige Tage vor der Amtseinführung von Präsident Biden einen Vertrag mit China zu schließen, kommt allerdings einem ausgestreckten Mittelfinger gleich, der signalisiert: Im Zweifel ist der Marktzugang so wichtig, dass wir auf Biden nicht warten können. Dass Merkel den Abschluss vorangetrieben hat, obwohl die EU China zum systemischen Rivalen erklärt hat, zeigt auch, dass sie in der Politik mit China eine dezidiert eigene Linie verfolgt. Der deutschen Autoindustrie dürfte das recht sein. VW verkauft jedes zweite Auto in der Volksrepublik, und für Daimler ist China der wichtigste Markt. Dank des Abkommens dürfen sie dort künftig auch bei Elektrofahrzeugen mitmischen. Mit der strategischen Entscheidung, so stark auf den chinesischen Markt zu setzen, hat insbesondere Volkswagen sich in eine Abhängigkeit manövriert, die der Bundesregierung kaum noch die Wahl lässt, China kritisch gegenüber zu treten. 

Ob das Abkommen der EU die erwünschten Vorteile bringt, darf bezweifelt werden: Die Entkopplungsstrategie der chinesischen Regierung von den Weltmärkten hat bundesdeutschen Unternehmen bereits erhebliche Nachteile gebracht. Im Januar 2021 sagte Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking vor Journalisten: „Wir sind an einem Wendepunkt“. Die Probleme bei Halbleitern hätten gerade erst wieder deutlich gemacht: „Man kann untergehen, wenn in der Produktionskette nur ein einziges Teil fehlt, denn dann kann ein Produkt möglicherweise nicht auf den Markt gebracht werden.“ Umgekehrt ist China seit Jahren in Europa auf Dauer-Einkaufstour. Gekauft wird alles, was strategisch nützlich sein könnte: Beginnend mit Wald und landwirtschaftlichen Flächen über Immobilien bis hin zu innovativen Unternehmen. In Tschechien landete ein Investor einen Coup der besonderen Art: Die staatliche Finanzierungsgesellschaft CITIC übernahm mehrheitlich die Medea-Gruppe, Teil eines großen Medienunternehmens, zu dem auch die Zeitschrift „Tyden“ und Barrandov-TV gehören. Wer mehr als 250 000 Euro investiert, erhält eine Eintrittskarte für den Schengenraum. Von den 15 369 „goldenen Visa“ bekamen Chinesen bisher den größten Anteil, ebenso von den 5302 Dauer-Aufenthaltsgenehmigungen.

Bei den Gesellschaften, die in Europa investieren, ist nicht alles Gold, was glänzt. Eins der jüngsten Beispiele ist die Pleite des Großkonzerns HNA, der den Flughafen Frankfurt/Hahn in der rheinland-pfälzischen Provinz gekauft hat (82,5 Prozent; der Rest gehört dem Land Hessen). Die ursprünglich rein chinesische Fluggesellschaft kaufte zwischen 2015 und 2017 weltweit rund 2000 Unternehmen für mindestens 50 Milliarden Dollar. Unter anderem hielt der Konzern auch 9,9 Prozent Anteile an der Deutschen Bank. Ab 2018 geriet er in Zahlungsschwierigkeiten, im Januar 2021 meldete er Insolvenz an. In den sozialen Medien tummeln sich inzwischen tausende mittlere und kleine chinesische Unternehmen, die alles vermarkten, was man sich vorstellen kann. Darunter sind Textilien, deren Schnitte oft im Westen kopiert wurden und in den buntesten Farben genäht werden. Kommen die Waren dann nach bis zu vierwöchiger Lieferzeit an, sind sie meist minderwertig. Elektroteile funktionieren nicht oder haben andere Mängel. Reklamationen für Privatkunden unmöglich – es gibt keinerlei Handhabe. Vermarktet werden auch Dinge wie original Apple Produkte auf Webseiten, die der von Apple täuschend ähnlich sehen und innerhalb kurzer Zeit wieder verschwinden. Wer keinen Paypal-Käuferschutz genießt, hat dabei das Nachsehen. Daneben gibt es Unternehmen wie Alibaba, das chinesische Pendant zu Amazon, die sich anschicken, im nächsten Zug aktiv den Westen zu erobern.

Parallel dazu ist China in allen sozialen Medien aktiv, um das Land so positiv wie möglich darzustellen. Dazu gehören kleine Videos von Pandababies, wunderschöne Naturaufnahmen, Landschaftsfotos und vor allem Fotos der zahlreichen kulturellen Minderheiten im Land, wie etwa die Menschen aus Nepal, die angeblich rundum glücklich sind. Versuche, in Kommentaren darauf hinzuweisen, dass das so nicht stimmen kann, werden von den Autoren mit Beschimpfungen beantwortet.

Betrachtet man die weltweiten Aktivitäten des Reichs der Mitte, wirken sie wie ein lautlos fein gesponnenes Netz, das sich langsam, aber sicher immer weiter verdichtet. Dazu braucht das Land im Gegensatz zum lauten, oft empathiefreien Auftreten der USA keinen einzigen Krieg. Umso nachhaltiger sind dafür die Ergebnisse einer Politik, die seit inzwischen rund 70 Jahren verfolgt wird. Auch überall in Europa sind chinesische Einkäufer unterwegs, bilden sich kleine chinesische Kolonien, die widerum Ware vertreiben. So kommt es beispielsweise, dass der Markt seit einigen Jahren massenweise von billigen Kleidungsstücken überschwemmt wird mit der Aufschrift „Made in Italy“. Sie werden in Italien von Chinesen hergestellt und vertrieben.

3440 Kilometer Grenze haben China und Indien gemeinsam. Seit den 1950er Jahren gibt es immer wieder Streit darum, besonders auf den Bergen im Himalaya. Peking beansprucht etwa 90.000 Quadratkilometer eines Gebiets für sich, das sich unter indischer Kontrolle befindet. Auch dort geht China aggressiv vor, etwa mit dem Bau neuer Dörfer. Indien versucht, dem mit neuer, besserer Infrastruktur entgegen zu wirken. Ein weiteres Krisengebiet, Sikkim, liegt an einer Engstelle, die die einzige Verbindung zwischen dem Westen und Osten Indiens darstellt. Immer wieder Truppen beider Länder gegenüber, genau wie im Krisengebiet Ladakh.

Im Himalaya führt China einen erbitterten Krieg um Wasser: Am Fluss Yarlung Tsangpo, der in Tibet entspringt, sollen Turbinen mit einer Rekordleistung von 60 Gigawatt installiert werden – fast dreimal so viel wie im bisher weltgrößten Wasserkraftwerk, dem Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse. Der Yarlung Zangbo ist der größte Hochgebirgsfluss der Welt. Er fließt 1 700 Kilometer über das Tibet-Plateau auf einer Höhe von etwa 4 000 Metern und folgt dabei der Nahtstelle zwischen Indien und Eurasien. Im Ost-Himalaya bricht er aus dem Hochplateau in der weltbekannten, hufeisenförmigen Zangbo-Schlucht nach Indien durch. Der Fluss, der in Indien Brahmaputra heißt, ist der wasserreichste Fluss Asiens, auf den hunderte Millionen Menschen angewiesen sind. Die Wasserstände dort sind zuletzt auf ein „besorgniserregend niedriges Niveau“ gefallen, wie die Mekong-Flusskommission – eine zwischenstaatliche Organisation von Mekong-Anrainern, an der China nicht beteiligt ist – mitteilte.

Auch der Mekong entspringt auf chinesischem Territorium. Der größte Fluss Südostasiens setzt seinen Weg fort durch Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam. China hat ihn mit insgesamt 11 Dämmen gestaut, ein wichtiger darunter ist der Jinghong-Damm in der Provinz Yunnan. „Die chinesischen Staudämme haben verheerende Folgen für die Menschen, die flussabwärts leben“, kritisiert die Umweltschutzorganisation International Rivers. Der Mekong tritt jedes Jahr zur Schneeschmelze im Himalaya und in der Monsunzeit in den Anrainerstaaten über die Ufer und befruchtet das Land mit wertvollen Sedimenten. Von 2019 bis April 2020 wurde der Nuozhadu- Damm mit Wasser gefüllt.2019 fiel der Fluss an der Grenze zwischen Thailand und Laos weitgehend trocken. Millionen von Fischen erstickten in kleinen übrig gebliebenen Pools. Die Situation war so dramatisch, dass Thailand seine Armee mobilisierte, um für Entspannung zu sorgen. Im selben Jahr gab es im Mekong-Delta keinen Monsun-bedingten Anstieg des Wassers. Millionen von Menschen im Delta sind immer wieder ohne Zugang zu Trinkwasser, weil von China so viel davon zurück gehalten wird. Zwischen Thailand und Laos wurden dagegen wiederholt zwischendurch plötzlich kurzzeitig enorme Überflutungen registriert. Das Wasser stieg innerhalb kürzester Zeit um mehrere Meter, richtete in den anliegenden Orten enorme Schäden an und sank ebenso plötzlich wieder. Peking behandelt seine Wasserpolitik als Staatsgeheimnis und teilt nichts dazu mit. Beobachtungen von Außen werden als Diffamierungen durch die USA behandelt.

Wir sollten niemals und zu keinem Zeitpunkt vergessen, aus welchem Beweggrund heraus China so konsequent agiert: Das Land will die nächste Supermacht werden. Die einzige Supermacht. Die Macht, die ihre Ansprüche im Zweifelsfall ohne Rücksicht auf Andere durchsetzen wird. Und die, die allen anderen diktiert, wie sie handeln; ja, was sie denken sollen.

Dabei kann das Land auf fast 1,5 Milliarden Menschen zurück greifen, die vom politischen System überzeugt sind; gar nicht anders können, als überzeugt zu sein. „Die Kommunistische Partei Chinas, die befürchtet, die Gewährung politischer Freiheit könnte ihre Macht gefährden, hat einen Orwellschen Hightech-Überwachungsstaat und ein ausgeklügeltes Internet-Zensursystem errichtet, um öffentliche Kritik zu überwachen und zu unterdrücken,“ vermerkt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem Jahresbericht 2020. „Peking hat lange Zeit die Kritik im eigenen Land unterdrückt. Nun versucht die chinesische Regierung, diese Zensur auf den Rest der Welt auszuweiten“, schreibt HRW-Chef Kenneth Roth in dem Bericht. Sollte China daran nicht gehindert werden, drohe eine „dystopische Zukunft“, in der sich niemand außerhalb der „Reichweite chinesischer Zensoren“ befinde. Zudem drohe das internationale Menschenrechtssystem so stark geschwächt zu werden, dass keine Überprüfung der Repression durch nationale Regierungen mehr möglich sei, warnte Roth. Dies zeigt sich laut dem HRW-Bericht bereits jetzt in den Gremien der Vereinten Nationen. Peking setze immer ausgefeiltere Technologien zur Unterdrückung ein und greife dadurch massiv in die Privatsphäre der Menschen ein. DNA-Proben würden unter Zwang gesammelt und große Datenanalysen sowie künstliche Intelligenz eingesetzt. „Ziel ist es, eine Gesellschaft frei von Dissens zu schaffen“, so die Menschenrechtler.

Human Rights Watch appellierte an die demokratischen Staaten, gemeinsam gegen Pekings Strategie vorzugehen. Sie sollen dafür etwa Alternativen zu chinesischen Krediten zur Verfügung stellen und das Vermögen chinesischer Regierungsvertreter einfrieren, die sich an der Unterdrückung der Uiguren beteiligten. HRW-Chef Roth wollte den Jahresbericht eigentlich in Hongkong vorstellen, doch wurde ihm am Flughafen der chinesischen Sonderverwaltungsregion die Einreise verweigert

Wie es aussieht, wenn sich ein Volk den chinesischen Eingliederungsbemühungen widersetzt, berichtet jedes Jahr die „Interntional Campaign for Tibet“ (ICT). Das Tibet-Jahr 2020:

Januar: Chinesische Behörden zerstören historische Gebäude in Lhasa und ersetzen sie durch Beton und Glas. Die ICT fordert die UNESCO auf, dagegegn einzuschreiten.

Februar: Wegen Corona findet das tibetische Neujahrsfest Losar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

März: Chinesische Drohgebärden zum Tag der Tibet-Solidarität am 10. März: Peking inszeniert einen marzialischen Truppenaufmarsch in Lhasa, während die Tibeter des Aufstands vom 10. März 1959 gedenken, nach dem ihr geistlicher Führer flüchten musste.

April: Der Mönch Gendun Sherab erliegt den langfristigen Folgen seiner schweren Folter in chinesischer Haft, Er hatte ein Dokument des Dalai Lama in die sozialen Medien weiter geleitet.

Mai: Wegen Corona erteilt der Dalai Lama am 16. Mai erstmals buddhistische Unterweisungen via Internet. Vor dem bedeutendsten Heiligtum des tibetischen Buddhismus, dem unter UNESCO-Schutz stehenden Jokhang-Tempel in Lhasa wurden zwei neue Pavillons im chinesischen Stil errichtet.

Juni: Im Rahmen einer „Umweltsäuberung“ befehlen Behördenvertreter und Polizisten der tibetischen Bevölkerung, ihre Gebetsfahnen in den Dörfern und auf Bergspitzen zu entfernen. Bilder des Dalai Lama dürfen sie schon lange nicht mehr besitzen.

Juli: Der Dalai Lama wird 85. Der Komponist Khadro Tseten wird zu sieben, der Sänger Tsego zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Beide haben ein Lied zu Ehren des Dalai Lamas eingespielt und verbreitet.

August: Hochrangige Menschenrechtler der UNO kritisieren Pekings „Reinkarnationsregeln“ für tibetische Lamas und fordern Zugang zum verschwundenen Panchen Lama Gendum Choekyi Nyima. Schwer krank wird die Tibeterin Dolkar aus chinesischer Haft entlassen, wo sie gefoltert und zu Schwerarbeit gezwungen wurde.

September: Zehn Mitglieder des Unterstützungskommitees für das örtliche Kloster werden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die chinesischen Behörden zwingen hunderttausende Tibeter in ein staatliches „Arbeitspogramm“ mit militärischen Umerziehungszentren und Transfers in chinesische Provinzen. Wenn sie vorgegebene Arbeitsquoten nicht erreichen, drohen Strafen.

Oktober: Der Tod der 36jährigen Lhamo wird bekannt. Sie starb in chinesischer Haft und wurde sofort eingeäschert, was eine Untersuchung unmöglich machte.

November: ICT-Geschäftsführer Kai Müller spricht bei einer Expertenanhörung im deutschen Bundestag. Er übergibt auch eine Petition im auswärtigen Amt. 2500 Menschen fordern die Bundesregierung auf, die Arbeitsprogramme in Tibet zu verurteilen und das Thema in Gesprächen mit der chinesischen Regierung auf den Tisch zu bringen.

Dezember: Der „Tibetan Policy and Support Act“ wird rechtskräftig. Das neue US-Gesetz ermöglicht persönliche Sanktionen gegen chinesische Funktionäre, die versuchen, sich in die Nachfolge es Dalai Lama einzumischen. Die chinesische Regierung teilt mit, die „Zentralregierung“ habe den religiösen Status und die Titel des Dalai Lama, sowie von Panchen Lama festgelegt. Offenbar sieht sie sich in deren Nachfolge. Die Stellungnahme der UN-Experten sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Der tibetische Schriftsteller Gedrun Lhundrup ist verschwunden. Der tibetische Mönch Rinchen Tsultrim wird seit über einem Jahr ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten.

Im Januar 2021 ging es genau so weiter: Der 19jährigen Tenzin Nyima hatte im November 2019 für die Unabhängigkeit Tibets protestiert und wurde in der Folge mehrfach inhaftiert. Im Oktober 2020 wurden seine Angehörigen aufgefordert, den Mönch aus dem Gefängnis abzuholen. Er war so schwer geschlagen worden, dass er nicht mehr sprechen und sich nicht mehr bewegen konnte. Seine Familie brachte ihn noch in mehrere Krankenhäuser, aber man konnte ihm nicht mehr helfen.

Das Spendenkonto der International Campaign for Tibet, in deren internationalem Beirat unter anderem Harrison Ford und Desmund Tutu sitzen, deren internationaler Vorsitzender Richard Gere ist, ist bei der Bank für Sozialwirtschaft: IBAN DE20 1002 0500 0003 2104 00. Spenden können steuerlich abgesetzt werden.

Siehe auch:

Tibet: Ein Volk im Würgegriff protestiert mit immer mehr Selbstverbrennungen

Gesundheits-App und Sozialkredit: China ist ein Überwachungsstaat

Updates:

China – Indien: Unless a Complete Disengagement at Depsang and Demchok, Consider Doklam is Repeated

Hongkong wird nie mehr demokratisch wählen: China moves to overhaul Hong Kong’s electoral system

China can share with the world opportunities and experience

Volkskongress beschließt Stärkung des Militärs und  Konzept der „zwei Kreisläufe“

China will in Hongkong „Einfluss prodemokratischer Kräfte“ beschränken

China gegen die USA: Alle Zeichen stehen auf Konfrontation

US-Außenpolitik: Wer zieht mit gegen China?

„Evidence of Beijing’s ‚intent to destroy‘ Uyghur people“

Top US commander fears Chinese invasion of Taiwan by 2027

China bestätigt Analtests gegen Corona an Flughäfen

Diplomatentreffen USA-China: Konfrontation mit Ansage

A Taiwan Crisis May Mark the End of the American Empire

Apple warns Chinese apps not to dodge its new privacy rules

U.S. Spy Plane Sets Record With Close Flight Off Chinese Coastline

Wer Pekings Lied nicht singt, wird bestraft

Calls for boycotts in China against Nike and H&M over Xinjiang cotton

Appels au boycottage en Chine contre les marques qui refusent l’utilisation du coton du Xinjiang, lié au travail forcé des Ouïgours

US military cites rising risk of Chinese move against Taiwan

Erpressung: Impfstoff gegen Aberkennung der Souveränität Taiwans

Scientists call for new probe into COVID-19 origins: with or without China

Chinesische Geschäftsleute: „Spionage-Abwehr-Training“ gegen ausländische Einflüsse

„If China wins with its central bank digital currency, that’s the end of the American hegemony.”

Beijing takes pointers from Mao in protracted power struggle with US

Updates:

Tibet und der Preis für Olympia in China

Ein Fünftel der Kredite aller afrikanischen Staaten kommen aus China

China: Börseninterventionen, Produktionsstillstand, Verschuldung: Die Zweifel wachsen

Sorge um Chinas Entwicklung: Selbst die Häfen sind im Lockdown

Putin, Xi to discuss European security amid Ukraine standoff

Chinas Luftwaffe betreibt „Grauzonen-Kriegsführung“ in Taiwans Luftraum

Naval association rejects Taiwanese members after pressure from China

China droht den USA mit Krieg, falls sie weiter für die Unabhängigkeit Taiwans eintreten

Chinesischer Milliardär hat In Texas viel Land gekauft, um Windfarm zu errichten: Hintergrund

Singapore’s largest ETFs to be excluded from China connect scheme

China pledges ‚purification‘ of the internet ahead of the Beijing Winter Olympics

Sportler und Offizielle bei Olympiade 2022 in Peking müssen App laden, die sie ganz leicht ausspionieren könnte

Chinese Panchen Lama visit to Nepal a political gimmick

Bundesregierung lehnt Investitionsgarantien für ein deutsches Unternehmen ab

China is pursuing a Pacific-wide pact with 10 island nations 

China baut Verbindungen in den Südpazifik aus

China will help us weather financial crisis, says Sri Lanka

Nasa-Chef Nelson warnt vor chinesischem Weltraumprogramm: «China will den Mond»

Unipolar vs Multipolar. G7 vs BRI. US vs China. EU vs Russia. China & Taiwan. Russia & Ukraine. What Is Going On?

China Has Urged The West To Read The New 14th BRICS Summit Declaration Carefully. This Is What It Says:

Spanien-Urlaub trotz Corona- Reisewarnung

Was für ein hässliches Jahr 2020 doch ist: Ein Virus hat dafür gesorgt, dass viele Menschen sogar Freunde und Familienangehörige als potentielle Überbringer des Todes sehen und wir mit angsterfüllten Blicken aufgefordert werden, bloß nicht zu nah zu kommen. Abstand und Maske werden wohl zu den Unwörtern des Jahres werden. Bei mir persönlich gehört ein weiteres dazu: Panikmache.

Nach Mexico wäre ich gern geflogen im Frühjahr. Keine Chance: Der Flugverkehr war weltweit praktisch eingestellt. Gut, dass ich nicht gebucht hatte: Ich würde, wie tausende Andere trotz EU-Gesetz der Erstattungspflicht innerhalb von zwei Wochen auch nach Monaten noch auf mein Geld warten – so wie ich auch noch immer darauf warte, dass die Bundesregierung wie versprochen die Kosten für die Thomas-Cook-Anzahlung für Ägypten von vor einem Jahr erstattet. Der Sommerurlaub gehört dem Hund, deshalb suche ich dann, wenn möglich, ein günstiges Ferienhaus mit Garten und Pool. So hatte ich schon im Januar für den September ein schönes Haus im Süden Kataloniens gefunden und gebucht.

Wochen vor Reisebeginn kam sie: Die erneute Reisewarnung der Bundesregierung für Spanien. Die zweite Welle habe das Land erwischt, alles sei ganz furchtbar, die Bürger sollten Rücksicht üben und zuhause bleiben. Parallel dazu kam die Mail des spanischen Vermieters: Man habe inzwischen so viele Verluste gemacht, dass man auch aus Kulanzgründen auf keinen Fall Stornierungen zustimmen werde. Da war das Haus dann schon für zwei Wochen bezahlt. Was tun?

Einige meiner Facebook-Freunde sind derart von den Maßnahmen der Bundesregierung überzeugt, dass sie einen Shitstorm über jeden loslassen, der versucht, selbst zu denken. Ich sehe das differenzierter: Man kann Abstand halten, ohne auf alles verzichten zu müssen. Außerdem: So viel Geld habe ich nun auch nicht, dass ich bereit wäre, es einem Vermieter in Spanien zu schenken. Da es sich um keine Pauschalreise handelt, habe ich kein Recht auf Erstattung bei Stornierung. Also fahre ich. Basta.

Vorher gibt es noch Kopfzerbrechen: Bis 15. September gilt zwar die Möglichkeit, sich als Reiserückkehrer kostenlos testen zu lassen. Aber es dauert bis zu zehn Tagen, bis das Ergebnis da ist, das geht gar nicht. Außerdem sind die Testzentren oft nur vormittags geöffnet, an Wochenenden nur bis Samstag mittag oder gar nicht. Sie liegen auch nicht etwa an den Autobahnen, sondern irgendwo in anliegenden Städten. Was für ein Unsinn. Welcher Rückkehrer ist denn samstags mittags schon zurück, oder sucht nach einer langen Fahrt noch umständlich irgendwo das Zentrum? Ich finde schließlich ein privates Unternehmen, das am Flughafen Frankfurt rund um die Uhr sieben Tage die Woche testet und verspricht, bei kostenlosen Tests innerhalb von 12, bei kostenpflichtigen innerhalb von 8 Stunden das Ergebnis mitzuteilen. Ok, das geht. Also los.

Nach all den Warnungen vor strengen Kontrollen erwarte ich an den Grenzen zu Frankreich und Spanien Posten, die Fieber messen oder ähnliches. Weit gefehlt: Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg sind an den deutschen, französischen oder spanischen Grenzen irgendwelche Kontrolleure zu finden, das freie Schengen-Europa funktioniert wie immer. Aber die Autobahnen sind leerer. 14 Stunden für 1400 Kilometer trotz Pausen: einzigartig. Die Autoroute du Süd, auf der ich in über 40 Jahren zu jeder Tages- und Nachtzeit nie ohne Stau unterwegs war, ist auf dem nächtlichen Hinweg wie leer gefegt. Das, so denke ich mir, scheint tatsächlich eine Folge der vielen Corona-Verbote zu sein.

In Spanien angekommen stelle ich fest, dass die Regeln hier strenger sind als bei uns: Auch auf der Straße hat man Maske zu tragen, egal wie heiß es ist. Das gilt sogar auf dem Weg zum Strand. Erst ab Handtuch ist es erlaubt, das Teil endlich abzulegen. Das Ferienhaus in L’Amletlla de Mar liegt in einer dieser Villengegenden, die in Katalonien überall die alten Fischerorte umgeben. Dort wohnen nur ganz wenige Einheimische, fast alle Häuser werden an Touristen vermietet. Das Viertel ist so gut wie leer, es herrscht eine merkwürdige, dumpfe Stimmung. Beim Einkauf im Supermarkt und beim Spaziergang durch die Stadt wird klar: Ich bin ausschließlich unter Spaniern. Nur zweimal sehe ich eine deutsche Familie in diesem Urlaub. Trotz zahlreicher Ausflüge kann ich die deutschen Autos zählen: Es sind genau fünf in zwei Wochen.

In den kleinen Städtchen, wo die Einwohner unter sich sind, herrscht reger Betrieb. Aber es ist anders als in Deutschland. Obwohl 98 Prozent der Spanier die Masken- und Abstandsregeln strikt einhalten, wird nicht ständig darüber diskutiert. Man trifft sich auf der Straße, auf dem Markt, im Restaurant, hält den gebotenen Abstand, verzichtet aber nicht auf fröhliche Gespräche und Lachen. Das wirkt sehr erleichternd auf mich: Endlich mal raus aus der verbissenen, panischen Stimmung zuhause.

Die Hundestrände sind hier, wie überall, wo es sie in Spanien überhaupt gibt, eine Zumutung. Klein, felsig oder voller Kies, trotz des schönen klaren Wassers kein Vergnügen. Gott sei Dank gibt es das Ebro-Delta! Hier herrscht eine zauberhafte Stimmung. Man fährt lange über schmale Sträßchen durch die weite Ebene, in der die Reisfelder grüngolden leuchten. Dazwischen viele Bewässerungskanäle, vereinzelt Eukalyptusbäume und Palmen. Dazwischen gewürfelt und weit verstreut Pumphäuschen und Wohnhäuser. Das letzte Stück ist eine Sandpiste. Nur ein kleines Schild weist auf das Ziel hin: Platja Marquesa. Hier erreicht einer der vielen Arme des Ebros das Meer. Und hier ist endlich, was ich gesucht habe: Ein ewig langer Strand aus feinem Fluss-Sand mit einem rauschenden Meer. Es sind kaum Menschen hier: An Wochentagen liegt der Mindest-Abstand bei 500 Metern und mehr. Das sorgt dafür, dass auch der Hund toleriert wird: Herrlich. Lucy holt stundenlang Stöckchen aus den Fluten, ich sammele Muscheln und Schneckenhäuser.

Wie im Flug vergehen die beiden Wochen, der lange Rückweg steht an. Es ist ein heißes Wochenende mit etwas mehr Verkehr auf der Autoroute du Sud; Franzosen nutzen die Gelegenheit für ein Wochenende am Meer. Auch diesmal nirgendwo eine Kontrolle: Nach 14 Stunden ist es überstanden. Kaum empfängt das Autoradio wieder deutsche Nachrichten, höre ich neue Panikmeldungen über Corona in Frankreich und Spanien. Weiß unsere Regierung eigentlich, was sie diesen Ländern mit ihren Reisewarnungen antut? Mal ganz zu schweigen von den vielen Bundesbürgern, die dieses Jahr nicht fahren konnten…

Sonntag: Test am Flughafen FFM: Rechts werden die zahlenden Kunden von Firmenpersonal betreut, links die Gratis-Reiserückkehrer von der Bundeswehr. Von Stau keine Spur. „Hinsetzen. Mund auf. Gleich fertig.“ So unangenehm es ist, sich von einem Fremden im Mund herumstochern zu lassen, muss ich fast lachen: Soldaten…

Ok, das mit den 12 Stunden war nichts, es hat 24 gedauert. Ich bin natürlich negativ. Wo hätte ich mich auch anstecken sollen…. ?

Covid 19-Pandemie: Wird die Menschheit die Botschaft verstehen?

Viren (Singular: das Virus, außerhalb der Fachsprache auch der Virus, von lateinisch virus‚ natürliche zähe Feuchtigkeit, Schleim, Saft, Gift‘) sind infektiöse organische Strukturen, die sich als Virionen außerhalb von Zellen (extrazellulär) durch Übertragung verbreiten, aber als Viren nur innerhalb einer geeigneten Wirtszelle (intrazellulär) vermehren können. Sie selbst bestehen nicht aus einer oder mehreren Zellen. Alle Viren enthalten das Programm zu ihrer Vermehrung und Ausbreitung (einige Viren auch weitere Hilfskomponenten), besitzen aber weder eine eigenständige Replikation, noch einen eigenen Stoffwechsel und sind deshalb auf den Stoffwechsel einer Wirtszelle angewiesen. Daher sind sich Virologen weitgehend darüber einig, Viren nicht zu den Lebewesen zu rechnen – sagt Wikipedia.

Ein Virus ist also ein Etwas – eine Struktur – die etwas Lebendes benötigt, um sich zu vermehren. Ein Etwas, das so archaisch ist, wie der Staub, aus dem die Menschen entstanden. Wenn das archaische Etwas sich vermehrt, tut es das auf Kosten anderer, komplexerer Strukturen, zum Beispiel der Lungen von Menschen. Damit kann so ein Virus Tausende, vielleicht sogar Millionen von Menschen töten.

Unglaublich, oder?

Was will uns Mutter Erde wohl sagen, indem es uns so ein archaisches Etwas schickt, das uns in aller Deutlichkeit klar macht, wie verletzlich, wie leicht auszurotten wir sind?

Diese Frage treibt mich nun seit einigen Wochen um – seit das neue Coronavirus Covid 19 unser aller Leben, das wir bisher als so selbstverständlich betrachtet haben, völlig auf den Kopf gestellt hat.

Menschenrechte werden außer Kraft gesetzt, indem Ausgangssperren verhängt, Gruppen von mehr als zwei Personen verboten, Reisen auch nur in Nachbarländer unmöglich geworden sind. Offline einzukaufen ist auf den täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln und Kosmetika begrenzt, die Weltwirtschaft bricht von oben nach unten in Windeseile ein. Erstes Warnzeichen war die Panik der Märkte – inzwischen bangen Einzelhändler, kleine Selbstständige und Arbeitnehmer mit unzureichendem Kurzarbeitergeld um ihre Existenz.

Und die Menschen sterben. Vor allem dort, wo nicht schnell genug Kontaktverbote eingehalten wurden und das Gesundheitssystem nicht im Top-Zustand ist. Covid 19 verbreitet sich über Tröpfchen. Und über Oberflächen. Vielleicht auch über die Luft. So genau hat man das alles noch nicht herausgefunden. Es wird drei Viertel der Menschheit befallen, mindestens. Wie schnell das geschieht, ist inzwischen zur Überlebensfrage geworden. Denn das Virus, dieses archaische Etwas, wandert in die Lunge, wo in der Folge eine Fibrose entsteht, an der überdurchschnittlich viele Menschen sterben werden – vor allem dann, wenn sie nicht rechtzeitig an ein Beatmungsgerät kommen. Genügend Beatmungsgeräte für die zu erwartende Vielzahl von Kranken gibt es nicht – und so sehen wir gerade eine Vielzahl von Toten. Zunächst in China, jetzt in Italien und Spanien, als nächstes vermutlich in den USA – und auch bei uns? Man wird sehen.

Eine kurze Chronik der bisherigen Ereignisse: Ende Dezember gab es die ersten Erkrankten in Wuhan/China. Man vermutet den Ursprung des Virus auf einem Tiermarkt, möglicherweise in Fledermäusen, vielleicht auch im seltenen Gürteltier Pangolin, beides Spezialitäten im Land der Mitte. Man vermutet es – aber man weiß es nicht.

Neun Tage vor der WHO warnte am 31. Dezember 2019 der Algorithmus des kanadischen Seuchenspezialisten Bluedot vor einem massiven Virus-Ausbruch in Wuhan. Im Verlauf der Januars stieg die Zahl der Erkrankten dort bedrohlich. Ein junger chinesischer Arzt, der den neuen Virus öffentlich machte, wurde verhaftet. Wenige Wochen später starb er daran – nun ist er plötzlich ein chinesischer Volksheld. Ein paar Tage später das Gleiche in Kurdistan: Ein Mann, der aus dem Iran zurück kam, berichtete von dem Virus. Man zwang ihn, seine Aussage öffentlich zurück zu nehmen und sperrte ihn ein. Inzwischen hat Iran öffentlich die Weltgemeinschaft um Hilfe im Kampf gegen Covid 19 gebeten.

In kürzester Zeit lernte die Welt, was eine exponentielle Kurve ist: Schon Mitte Februar zählte China über 70 000 Infektionen und 1900 Tote. Massive Auswirkungen auf die Wirtschaft zeichneten sich ab: Der chinesische Einkaufsmanager-Index des verarbeitenden Gewerbes für den Monat Februar 2020 sank um 14,3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat. Wuhan baute im Eiltempo Not-Krankenhäuser. Da war der Virus schon unterwegs um die Erde.

Am 24. Januar betritt das Virus Europa. Drei Franzosen haben es mitgebracht. Im TV sieht man die ersten Fotos von leeren Supermarkt-Regalen. Trotzdem heißt es in einem Marktkommentar zum Februar noch: „Das Corona-Virus sehen wir als Auslöser einer Marktkorrektur, aber nicht mehr. Die Konjunktur läuft weiter rund und wir setzen auf eine Mischung aus Wachstums- und Value-Werten.“

Die nachfolgenden Meldungen haben teilweise nur noch eine Halbwertszeit von Tagen, ja Stunden.

Das Großmanöver „Defender Europe 20“ endet vorzeitig. Nach bisherigen Planungen sollten insgesamt 20.000 Soldaten über den Atlantik geschickt werden. Insgesamt waren 37.000 Teilnehmer vorgesehen, bis zu 5500 amerikanische Soldaten sind über Deutschland eingereist. Dann werden die Schiffe auf dem Weg nach Deutschland umgelenkt. Auch von deutscher Seite sind „alle aktiven Übungsanteile“ abgesagt. Abgesagt werden jetzt auch reihenweise Großveranstaltungen. Die Leipziger Buchmesse, der Autosalon in der Schweiz sollen nur Beispiele sein.

Am 26. Februar heißt es aus dem Corona-Krisenstab im Weißen Haus: „Let’s pray against the #coronavirus„. Da hat die WHO einen Test zur Erkennung bereit, den die USA aber nicht nutzen wollen. Dort soll ein eigener Test entwickelt werden. Fatalerweise schleicht sich ein Fehler ein, den zu korrigieren Wochen dauert. So beginnt die größte Volkswirtschaft der Welt um Wochen zu spät damit, ihre Einwohner zu testen. Viel beten hilft viel, denkt der Präsident – und ruft den 15. März zum nationalen Gebetstag aus. Das ist der Tag, an dem der französische Präsident Macron eine dramatische Rede an die Nation hält: „Wir sind im Krieg. Im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind, der sich unter uns verbreitet.“

Am 16. März gibt es in Deutschland 4838 morgens bestätigte Corona-Fälle, abends sind es 6000. Bayern ruft den Notstand aus. In ganz Deutschland werden die Schulen für zwei Wochen bis zum Beginn der Osterferien geschlossen. Die Bevölkerung wird aufgerufen, zuhause zu bleiben. „Flatten the curve – die Kurve abflachen“ wird zum Schlachtruf. Spanien schottet das Land ab. Der Fußball muss nach einigen Geisterspielen ganz pausieren. Die EM wird wenig später abgesagt, die olympischen Spiele, die im Sommer in Japan stattfinden sollen, geraten in Gefahr. Die Bundesregierung rät von Auslandsreisen ab, empfiehlt, Geschäfte, die nicht für den täglichen Bedarf benötigt werden, zu schließen und sagt der Wirtschaft unbegrenzte Hilfe zu. Das Epizentrum des Covid 19-Befalls etabliert sich in Europa. Die Pandemie ist da.

Und die Weltwirtschaft begibt sich in den Sturzflug. Nach Opel schließen BMW und Mercedes ihre Werke in Europa. Weil die Lieferketten nicht mehr funktionieren, weil der Absatz stagniert, weil die Zahl der Neuinfektionen gesenkt werden muss. Die Airlines sagen massenweise Flüge ab, Deutschland holt über 100 000 Reisende aus aller Herren Länder zurück. Im Tourismus regiert die schiere Panik, die Kreuzfahrtindustrie ist tot, Hotellerie und Gastronomie haben keine Gäste mehr. Schlecht besonders für die Mitarbeiter. Wer das Glück hat, statt gefeuert zu werden, Kurzarbeitergeld zu bekommen, bekommt zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Trinkgelder beispielsweise werden ja nicht in den Lohn eingerechnet, der in der Branche traditionell extrem niedrig ist.

Die Welt denkt an die letzte Pandemie: Die spanische Grippe vor rund 100 Jahren, die als schreckliches Ereignis in Erinnerung geblieben ist, konnte sich nur deshalb so stark verbreiten, weil nicht rechtzeitig Kontakte unterbunden wurden. Daraus will man jetzt lernen – wenn es noch nicht zu spät ist. Zwischenmenschliche Kontakte einschränken, um Leben zu retten: Flatten the curve…

Bloomberg titelt: „Wall Street gets blindsided by the coronavirus meltdown: “Most people were like me. They were like, ‘Yeah, whatever, it’s not that big a deal.’”… FED und EZB versuchen zu retten, was zu retten ist. Sie versprechen unbegrenzte Anleihekäufe und fluten die Märkte mit Milliarden. Und dann, mitten im Corona-Chaos, entspinnt sich ein Krieg zwischen der OPEC und Russland um die Öl-Fördermengen. Die OPEC will sie begrenzen, um die Preise hoch zu halten, Russland, das nur 29 Dollar/Barrel zur Rentabilität braucht (Saudi-Arabien: 80 $/B), will amerikanisches Fracking-Öl vom Markt drängen und flutet die Märkte mit Öl. Notgedrungen zieht Saudi-Arabien nach. Der Ölpreis sinkt dramatisch auf teilweise unter 30 $/B – der Diesel-Preis in Europa pendelt sich bei knapp über 1 €/Liter ein. Ein kleiner Lichtblick für die Verbraucher, der aber kaum bemerkt wird: Alle hamstern, was das Zeug hält. In Deutschland Klopapier und Nudeln, in Frankreich Rotwein und Kondome, in den USA Waffen – und mit Verzögerung ebenfalls Klopapier. Psychologen sagen: „Wer für Sauberkeit sorgen kann, hat das Gefühl, die Kontrolle zu behalten“.

Ich brauche auch Klopapier und erstehe mit viel Mühe eine der letzten Packungen. Küchenrolle ist schon mehr als eine Woche aus. Das ist doof, ich habe nur noch eine. Ich kaufe statt dessen billige Servietten – was für ein Luxus-Problem. Nudeln, Mehl, überhaupt Grundnahrungsmittel, habe ich immer gut bevorratet. Hamstern überflüssig. Gott sei Dank. Hoffentlich fällt der Strom nicht aus. Dann würden alle Vorräte in der Truhe vergammeln. Ich informiere mich über Stromerzeuger. Die benötigte Größe würde ca. 1800 € kosten. Zu teuer. Das Risiko muss ich eingehen. Aber ich habe ja auch eine Menge Konserven – es lebe die Eichhörnchen-Mentalität, die ich seit meiner Hungerzeit in der Ausbildung über 45 Jahre lang bewahrt habe. Desinfektionsmittel für Wasser muss ich noch besorgen – falls die Wasserversorgung ausfällt, reicht das Trinkwasser höchstens für zehn Tage. Im nahen Flüsschen ist genug Wasser. Ich bin milchallergisch – Milchprodukte werden mir nicht fehlen. Frisches Obst dafür sehr. Also noch schnell eine Ladung Obstkonserven heim holen – die teuren, weil die billigen ausverkauft sind. Möglichkeiten zum Kochen und Heizen sind mehrfach vorhanden – der Krieg kann kommen…

Das medizinische Material wird weltweit knapp. Die deutsche Regierung, die normalerweise mit sowas nichts zu tun hat, bestellt unter anderem 10 000 Beatmungsgeräte. Es gibt zu wenig Atemmasken. Die zahlreichen Gruppen von Hobbynäherinnen in Facebook haben nur ein Thema: Atemmasken nähen. Es gibt wilde Debatten darüber, was wie viel schützt. Ein leitender Oberarzt eines Görlitzer Klinikums stellt eine Anleitung ins Netz, wie man sich aus Laminierfolie mit Hilfe einer Schere, eines Tackers, etwas Gummi und Isolierschaum ein Klarsicht-Schutzschild bauen kann. „In den 80er Jahren hatten wir Baumwoll-Masken“ sagt mir ein Anästhesist, „die wurden dann immer ausgekocht.“ Und: „Wenig hilft mehr als gar nichts.“ Ich studiere Schnittmuster und beschließe, ebenfalls Masken zu nähen. Solche, die man auskochen kann und mit denen man noch atmen kann – ich kann auch ohne Corona nie gut atmen…

Die dritte Märzwoche wird sonnig und frühlingshaft warm. Europas Menschen – allen voran die Jugend – zieht es ins Freie. Menschenmassen picknicken in Parks, besonders in den Großstädten, und missachten den Aufruf, genügend Abstand voneinander zu halten. Schreckliche Meldungen aus Nord-Italien berichten von Militär-Transportkolonnen, die Särge in weiter entfernte Krematorien bringen und von Ärzten, die entscheiden müssen, wer eine lebensrettende Beatmung bekommt und wer nicht. 600 Tote an einem Tag. Ähnlich sieht es in Madrid aus. Einigen Regierungen wird es zu bunt. Am Ende der Woche sprechen Bayern und das Saarland eine Ausgangssperre aus. Am Wochenende telefonieren sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten zusammen. Jetzt gilt: Rausgehen darf nur noch, wer arbeiten will oder einkaufen muss. Spazieren gehen und Sport im Freien sind erlaubt, aber maximal in Zweiergruppen. Überall sonst ist ein Abstand von 1,5 Metern zwischen Menschen einzuhalten.

In den Supermärkten sind jetzt Plexiglasscheiben vor den Kassen und Abstandshalter für die Kunden. Das macht die Schlangen sehr lang. Jetzt endlich müssen auch Friseure, Tattoo- und Nagel-Studios schließen, ebenso Restaurants und Straßencafés – mit Ausnahme von Lieferservice. Nur in den verbleibenden Inlandsflügen sitzen noch zwei Menschen auf weniger als zwei Metern Breite und drängen sich in Zubringerbussen. Das öffentliche Bewusstsein für Abstand wächst: „Social distancing“ ist das neue Schlagwort. Immer diese Anglizismen.

Die Zahl der Kritiker wächst. Manche finden, die Regierung kann gar nichts – andere regen sich über die extreme Beeinträchtigung der Menschenrechte auf. Merkel hat sich gegen Pneumokokken impfen lassen und dann erfahren, dass der Arzt positiv auf Covid 19 getestet wurde. Jetzt regiert sie von zuhause aus. Im Radio kommen Vorschläge, wie man im Home-Office mit gehorteten Klopapierrollen Sport machen kann. Ich bin gefrustet: Kein Eiscafé, keine Sauna. Tanzen fällt aus, Wassergymnastik auch. Die schönen Mittelalterfeste, auf die ich gehen wollte, sind abgesagt. Jammern auf hohem Niveau: Ich kann jederzeit in meinen großen Garten gehen. Und eigentlich war ich auch vorher meistens zuhause. Aber wenn die Möglichkeiten von oben weggenommen werden, sorgt das für Frust. Am schlimmsten ist, keine Reise planen zu können. Ich habe solche Sehnsucht nach dem Meer. Und ich wollte doch nach Mexico.

29 000 Infizierte am Abend des 23. März in Deutschland. Die Zahl der Neuinfektionen scheint leicht zu sinken. Von den bestätigten Fällen sind mindestens 2809 genesen“, sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Aber noch keine Entwarnung. In den USA steigen die Zahlen massiv an. Allein in New York sind es jetzt fast 10 000. Auch in Südamerika gibt es jetzt Ausgangssperren. In Spanien steigt bei rund 33 000 Infizierten die Zahl der Toten auf knapp 2200. Im Osten Frankreichs brauchen so viele Kranke Beatmung, dass sie in den Süden ausgeflogen werden. Und in die benachbarten deutschen Bundesländer. Noch haben unsere Krankenhäuser Kapazitäten. Die sind im Alarmzustand. Sie sollen die Hälfte ihrer Intensiv-Kapazitäten räumen für die zu erwartenden Patienten und schulen in Rekordzeit Mitarbeiter in der Bedienung der intensiv-medizinischen Geräte. Der Bund will ihnen für entgangene Einnahmen Tagespauschalen zahlen. Eigentlich geplante Operationen, die Intensiv-Kapazitäten blockieren könnten, werden verschoben.

Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts könnte die Corona-Krise mehr als eine halbe Billion Euro und mehr als eine Million Jobs kosten. Die Bundesregierung hat schon wieder ein „beispielloses Hilfspaket“ geschnürt, diesmal auch für die ganz Kleinen und die Familien. Der Nachtragshaushalt umfasst stattliche 156 Milliarden Euro. Die Helden der Nation sind die Mitarbeiter der Supermärkte. Sie verdienen sehr wenig, arbeiten im Akkord, schlagen sich mit meckernden Hamsterkäufern herum und bleiben überwiegend sehr freundlich. Supermärkte dürfen jetzt sonntags öffnen. Die meisten tun es nicht, um den Mitarbeitern Zeit zum Atmen zu geben. Hut ab. Sonntags einkaufen muss eigentlich auch kein Mensch.

China behauptet, seit einer Woche keine Neuinfektionen mehr zu verzeichnen und inszeniert sich zusammen mit Russland als rettender Helfer mit Ärzten und medizinischem Material für das arme Europa. Donald Trump, der sich seit Ausbruch der Krise als verwirrendster Präsident weltweit präsentiert, hat einen neuen tollen Plan: Nach einem Shutdown von zwei Wochen will er zu Ostern die US-Wirtschaft wieder hoch fahren. Und das, wo in den USA die Infektionszahlen steil in die Höhe schnellen und die Beschäftigten im Gesundheitswesen in voller Panik wegen fehlender Ausrüstung sind. Die gesamte Nachschubkette sei zusammengebrochen, heißt es. In zehn Tagen sei die Grundversorgung am Ende.

Der Dax hat erneut deutlich nachgegeben. Mit einem Verlust von 2,10 Prozent auf 8741,15 Punkte geht er am 23. März ins Ziel. Ebenso bergab geht es in den USA. Ein umfangreiches Notpaket der US-Notenbank Fed ist an den US-Börsen verpufft. Der Dow Jones Industrial verlor im frühen Handel 2,39 Prozent auf 18.715,03 Punkte. Er weitete die Verluste der schwachen Vorwoche aus und fiel auf den tiefsten Stand seit November 2016. Forscher arbeiten weltweit fieberhaft an einem Impfstoff. Die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg ist nur bedingt realistisch: Es gibt Viren, die sich seit Jahrzehnten verbreiten, für die immer noch nichts gefunden wurde, siehe HIV oder Dengue-Fieber.

Es gibt Unmengen von Gerüchten: Biowaffe Covid 19, die Todeszahlen in Italien seien so hoch, weil vorher massenweise gegen Meningokokken geimpft worden sei, die Regierungen nutzen die Ausnahmelage, um die Kontrolle über die Menschen dauerhaft zu etablieren, und so fort. Es gibt auch Unmengen kleiner Initiativen der Menschlichkeit, die ungemein rühren: Die Tafeln in Deutschland, die bisher weitestgehend von älteren Ehrenamtlichen betreut wurden, sind geschlossen, weil diese Älteren Hochrisikogruppe sind. Zunehmend übernehmen junge Menschen ehrenamtlich diese Arbeit, damit die Ärmsten weiterhin Nahrungsmittel über die Tafel beziehen können. Es gibt zahlreiche Initiativen für Nachbarschaftshilfe beim Einkaufen. Musiker, die nicht mehr konzertieren können, streamen ihre Darbietungen online, und so fort. Spanier klatschen jeden Abend für ihre Gesundheitsdienste, Italiener singen gemeinsam auf ihren Balkonen. Es gibt Frauen, die im Abendkleid den Müll raustragen – in Quarantäne zu sein, ist nicht automatisch gleichsetzbar mit Jogginganzug und strähnigen Haaren. In den sozialen Netzwerken gibt es Verabredungen zu Massen-Meditationen, Schamanen stimmen sich weltweit ab, um zu bestimmten Uhrzeiten gemeinsam zu trommeln. Die Tagesschau gibt einen Termin heraus, an dem alle Deutschen gemeinsam die Ode an die Freude singen sollen.

In Deutschland ärgern sich viele, die sich gern testen lassen würden und nicht dürfen. Meine Schwester ist schon seit drei Wochen schwer erkältet und krank geschrieben. Einen Covid-Test lehnte der Hausarzt ab. Inzwischen wurde eine Covid 19-Hotline eingerichtet (08009900400), weil die Notrufnummer 112 wegen der vielen Anrufe ständig zusammenbricht. Wer sich in einem der „Abstrichzentren“ in Deutschland testen lassen will, muss zwingend vorher diese Nummer angerufen haben, um sich das ok dafür zu holen. Mit zwei weiteren Nummern kann man einen Arzt für einen Hausbesuch anfordern (116 und 117). Derweil zeigt Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin, der Welt im Video, wie man sich richtig die Hände wäscht.

Einen Tag später erneut schockierende Nachrichten. In Madrid hilft jetzt das Militär dem Gesundheitsdienst. Die Soldaten finden ältere Menschen verlassen in ihren Wohnungen, teilweise schon tot. Im Pentagon ist die Zahl der erkrankten Mitarbeiter seit gestern um 41 auf 174 gestiegen. New York City hat heute morgen schon 23 300 Erkrankte, der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo berichtet, dass sich die Zahl alle drei Tage verdoppelt. Im Staat New York zählt man insgesamt mehr als 25 000 Infektionen. Präsident Trump, der im Herbst wiedergewählt werden will, platzt dennoch der Geduldsfaden: „Unsere Menschen wollen wieder arbeiten gehen. Sie werden social distancing und alles andere praktizieren, die Älteren werden sorgfältig und liebevoll überwacht. Es kann nicht sein, dass eine Behandlung schlimmere Auswirkungen hat, als die Krankheit! Der Kongress muss handeln“, twittert er. Unglaublich, wie dieser Mann denkt und handelt.

Der indische Präsident Narendra Modi schlägt vor, die Wirtschaft des Landes für drei Wochen herunter zu fahren, um das Virus unter Kontrolle zu bekommen. Die olympischen Spiele in Japan werden endgültig abgesagt, die Bundesliga soll jetzt mindestens bis zum 30. April ruhen. Die Wall Street erholt sich angesichts der extremen Stabilisierungsbemühungen etwas und stürzt dann wieder ab. Erneut muss der Handel zeitweise ausgesetzt werden. Am Abend ist sie um 11,37 Prozent gestiegen. Die amerikanische Regierung hat ein massives Hilfspaket beschlossen. Ist das die Wende? Was für eine Zerreißprobe für die Trader. In Ischgl/Tirol, von wo aus sich ein Corona-Hotspot über Wochen ungehindert in alle Welt verteilen konnte, weil niemand einschritt, ermittelt jetzt der Staatsanwalt.

Die amerikanische John-Hopkins-Universität sammelt seit Januar in Echtzeit weltweit Zahlen und Daten zu Infektionen und Toten. Hier ist die Karte vom Abend des 24.3.2020:

25. März: Als ich den Baumarkt betrete, räumt gerade eine Mitarbeiterin die wenigen verbleibenden Pakete Klopapier irgendwohin, wo niemand mehr dran kommt. Sie tut, als sieht sie mich nicht. Befremdlich. So wie vieles in diesen Tagen. Dafür sehe ich plötzlich ein Päckchen mit zwei Atemschutzmasken incl. richtigem Luftfilter. Offenbar für Maler. Ich kaufe es: Es kostet stattliche 6,99: mein lieber Herr Gesangverein… Auf der Weiterfahrt Überraschung im Supermarkt: Heute ist eine Lieferung eingetroffen. Es gibt um 18 Uhr noch etwas Klopapier, Papiertaschentücher und sogar Küchenrollen. Der Einkauf ist auf zwei Pakete pro Person begrenzt. Mehr Küchenrolle brauche ich in den nächsten Monaten gewiss nicht – zumal sich bei mir inzwischen eine ganz neue Spar-Mentalität bei Papier breit gemacht hat.

Merkwürdig zu sehen, wie schon seit über einer Woche der riesige Parkplatz vor dem Gebäude fast leer ist. Ganz zu schweigen von diesen leeren, leblosen Innenstädten. Täglich hört man von Kleinunternehmen, die vor dem Ruin stehen. Schlimm. So gut es für die Umwelt ist, dass der Verkehr auf der Straße, den Meeren und der Luft teilweise richtig zum Erliegen gekommen ist: Für die Wirtschaft ist es eine Katastrophe. Ganz direkt betroffen ist der Tourismus.

Deutsche Mediziner sind schockiert von einem Besuch in Straßburg zurückgekehrt. Dort sind derart viele Schwerstkranke, dass entschieden wurde, über 80jährige nicht mehr zu beatmen, sondern ihnen „schnelle Sterbehilfe“ mit Opiaten und Schlafmitteln zu verschaffen. Deutschland müsse vorbereitet sein, wenn es bei uns so weit komme, sagen die Ärzte, und beschließen, ein möglichst gerechtes Konzept zu entwickeln, was zu tun ist, wenn die Beatmungsgeräte nicht ausreichen sollten. In den Medien werden die Fragen lauter, wann denn alles wieder hochgefahren werden kann. Bevor überhaupt irgendwas klar ist, gibt es schon Gemecker über mögliche Ungleichbehandlung. Ich staune: Erst so ein Riesen-Theater, dann, nach gerade mal einer Woche und keinerlei Besserung, wird das Hochfahren diskutiert? Ich habe heute erst von meinem derzeitigen Auftraggeber ein Papier erhalten, das mich legitimiert, in seiner Stadt umher zu fahren. Immer wieder macht sich dieses Gefühl breit, im falschen Film zu sein. Sicher wachen wir bald auf, und alles ist wieder wie vorher…

Schnappatmung bei den Spargelbauern. Das Innenministerium hat die Einreise aller osteuropäischen Erntehelfer verboten. Die schöne, ehrgeizige Julia Glöckner, ihres Zeichens Landwirtschaftsministerin, verweist auf ein neues Job-Portal. Die gerade arbeitslosen Mitarbeiter aus Hotellerie und Gastronomie, wie auch alle anderen, die Arbeit suchen, können sich dort als Erntehelfer verdingen. Sie findet, das sei auch eine gute Idee für die vielen Migranten. Die Landwirte schütteln verzweifelt den Kopf. Was für Träumer sitzen da in der Regierung… Tschechien und Polen schließen ihre Grenzen für deutsche Pendler. Man spricht von tiefer menschlicher Enttäuschung. Jetzt geht in Deutschland die bange Frage um, wer die vielen Pflegebedürftigen versorgen soll, wenn nicht die polnischen Kräfte. Vor lauter Beschäftigung mit uns selbst treten die in den Hintergrund, bei denen das Virus zur Hölle werden kann: Die schutzlosen Menschen in den vielen Flüchtlings- und Migrationslagern.

26.3. Den ganzen Tag über versuchen die G20-Staaten in einer Schalte, einen Kompromiss auszuhandeln, der solidarisch alle EU-Ländern finanziell unterstützen soll. Sehr tief sitzt bereits die Enttäuschung bei vielen Mitgliedsstaaten darüber, dass in den letzten Wochen jedes Land sich selbst der nächste war. Am Abend steht es beinahe fest: Vorsorgliche Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM sollen ausgehandelt werden. Die stünden Staaten zur Verfügung, die wegen der enormen Unterstützungspakete für die heimische Wirtschaft in Bedrängnis geraten könnten. Der ESM hat rund 410 Milliarden Euro für Darlehen frei. Dann stellen sich Italien und acht weitere Staaten quer: Sie wollen nicht die vielen Reglementierungen des Rettungsschirms, sondern Coronabonds. Europa steht da wie immer: Ein vielsprachiges Durcheinander vieler verschiedener Interessen. In Deutschland stürmt der Mittelstand die KFW, um die versprochenen Kredite in Anspruch zu nehmen. Die Zeit drängt, der nächste erste steht bevor. Aber ganz so einfach geht der Geldhahn nicht auf: Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie vor der Krise stabil waren – und die Hausbanken wollen das Rest-Haftungsrisiko nicht so einfach übernehmen. Das Geschrei ist groß.

Die Zahl der bestätigten Infektionen in den USA übersteigt jetzt die von China. Die Wall Street verzeichnet die drei besten Tage seit 1933 – dank massivem Hilfspaket der Regierung – und trotz massiv steigender Infektionen. Allein in New York City sind es jetzt 21 873 bestätigte Fälle, in den Vereinigten Staaten insgesamt 82.404. America first…

Weltweit wird inzwischen die Überwachung von Risikogruppen mittels Handytracking diskutiert. Die SPD erklärt sich ausdrücklich dafür, Gesundheitsminister Spahn ebenfalls. Schon jetzt stellen die Mobilfunkanbieter anonymisierte Daten von Handynutzern zur Verfügung, was nun auf die ganze EU ausgeweitet werden soll. Zu verlockend scheinen die Überwachungsmöglichkeiten, die China und Südkorea ermöglicht haben, sehr schnell sehr viele Cluster zu identifizieren. Aber ist das wirklich eine Frage von Gesundheit oder Freiheit? Nein, ist es nicht. Es ist ein Versuch, mehr Überwachung einzuführen, ohne von den verängstigten Bundesbürgern Widerstand fürchten zu müssen. Das werden wir nie wieder los – und lernen daher je schneller, desto besser, das Handy zuhause zu lassen.

Die Angst in Deutschland nimmt zu. Ich war heute bei einem vor Monaten vereinbarten Vorsorgecheck beim Hautarzt und weiß seitdem, wie sich Aussätzige fühlen. In der Praxis regierte die nackte Paranoia. An der Anmeldung wurden mir von der Arzthelferin zwangsweise die Hände desinfiziert. Ihr Blick sagte: „Du bist schmutzig, halte dich fern“… Im Wartezimmer Patienten mit Gummihandschuhen und Masken, so weit wie möglich auseinander sitzend, die jeden Neuankömmling mustern, als sei er die personifizierte Lebensgefahr. Als ich mich bei der Untersuchung umdrehe, streift mein Ellenbogen versehentlich die Hand des Arztes. Sofort rennt der zum Desinfektionsmittel, um seinen gesamten Unterarm abzureiben. Ich will eine Warze entfernen lassen und bekomme zur Antwort: „Kommen Sie wieder, wenn die Krise vorbei ist. Ich setze mich doch jetzt nicht einer solchen Gefahr aus“….

Weltweit gibt es jetzt über eine halbe Million bestätigter Infizierter. Die Dunkelziffer ist nach wie vor hoch. Bei uns sind es laut Johns Hopkins Universität um 23 Uhr 43.646  Infizierte. Deutschland nimmt 47 Patienten aus Italien auf. Dort scheint die Kurve im Norden etwas langsamer anzusteigen, dafür steigt sie jetzt im Süden schnell. Insgesamt sind in Italien jetzt 80.589 Menschen infiziert. Die dort anwesenden chinesischen Ärzte benennen als Hauptproblem, dass nicht genug getestet und infizierte Personen nicht genügend kontrolliert werden. In Spanien sind es zur selben Zeit 56.347 bestätigte Infektionen. Die höchste Sterblichkeitsrate verzeichnet Italien mit über zehn Prozent. In Deutschland sind es bisher 262 Verstorbene, bzw. 0,6 Prozent. Unsere Sterblichkeitsrate liegt so vergleichsweise niedrig, weil wir sehr viel mehr testen als andere Länder und daher wahrscheinlich eine kleinere Dunkelziffer haben, erklären diverse Wissenschaftler.

27. März: Widersprüchliche Nachrichten zum Thema Masken und Schutzausrüstung. In den Nachrichten werden gleich mehrfach leitende deutsche Mediziner gezeigt, die über eklatanten Mangel an Schutzkleidung und Masken klagen. Nachschub sei kaum noch aufzutreiben, der von der Regierung angekündigte Nachschub komme auch nicht herbei (kein Wunder: Eine Riesenlieferung ist zum Beispiel bei der Zwischenlandung in Kenia auf dem Flughafen verloren gegangen). In den Facebook-Nähgruppen herrscht fast sowas wie Maskenhysterie. Alle nähen, was das Zeug hält – die meisten quietschbunt und aus Stoffen, die kaum bei 30 Grad waschbar sind. Es kommen immer mehr Bitten um Masken von Familien und Menschen, die im Kontakt mit vielen anderen arbeiten müssen. Die eifrigen Näherinnen bringen ihre Ergebnisse zu Krankenhäusern, Altenheimen, Pflegeeinrichtungen, obwohl die meisten Masken nicht gekocht und damit keimfrei gemacht werden können. Eine hat sogar 23 Stück an’s Robert-Koch-Institut nach Leipzig geschickt… 😀 Ein Rechtsanwalt warnt vor den Folgen des Vertriebs von Mundschutz durch handwerklich Begabte. Ich stelle den Beitrag in die Gruppe „Mundschutz“. Er wird erst umgehend als Hassrede gelöscht, dann doch wieder freigegeben.

Nach langem Suchen habe ich selbst endlich kochfesten weißen Vlies gefunden, der mir zusagt – im Agrarhandel. Aus den vielen Schnittmusterangeboten habe ich eins ausgesucht und nähe jetzt aus weißer, kochfester Baumwolle Masken für Menschen, die mir nahe stehen, wahlweise mit Baumwollbändchen oder kochfestem Gummi. Ich selbst werde sie wohl nur tragen, wenn es gar nicht anders geht. Puh.

In Italien sind in den letzten 24 Stunden fast 1000 Menschen gestorben. Der Regierungschef ist stocksauer auf das hässliche Europa, das dem Land keine unbegrenzte Verschuldung erlauben will und Deutschland, das erst seine Masken nicht schicken wollte und sich jetzt gegen die Vergemeinschaftung der europäischen Schulden sperrt. Der britische Thronfolger, Prinz Charles, und Regierungschef Boris Johnson sind infiziert. In Spanien werden deutlich weniger Menschen getestet als andernorts. Jetzt musste die Regierung auch noch zehntausende fehlerhafte Tests an einen chinesischem Hersteller zurückschicken. Man weiß also nicht wirklich, wie schlimm die Lage ist. In den USA sind jetzt über 100 000 Menschen krank. Trump beschließt, ein Gesetz aus dem Korea-Krieg anzuwenden (Defense Protection Act) und General Motors zu zwingen, jetzt Beatmungsgeräte herzustellen. Deutschland hat noch freie Intensivbetten und will 127 schwer Kranke aus Italien und Frankreich aufnehmen.

Die Statusmeldung der Johns-Hopkins-Universität für Deutschland heute: 49 344 Infizierte und 304 Tote. Die Zahlen sind relativ: Der Tagesspiegel hat selbst gezählt und kam auf 52 806 Infizierte. Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermeldet 42 288. Die Arbeit des Instituts wird zunehmend zum Ärgernis. Die Ergebnisse sind zeitverzögert, die Pressekonferenzen werden immer weiter reduziert, es gibt keine Antworten auf drängende Fragen. Die kommen vor allem aus den Bereichen der Wirtschaft, denen durch den Lockdown von einem Tag auf den anderen jedes Einkommen entzogen wurde. Man will wissen, wann die strengen Regelungen gelockert werden können. Aber es gibt schlicht noch keine Erkenntnisse dazu. Kanzleramtschef Helge Braun sagt, bis 20. April dürfe man keine Lockerung der Maßnahmen erwarten. Wenn man vergleicht, in welcher Geschwindigeit die Infektionszahlen steigen, ist weltweit keine Entspannung in Sicht:

Das bedingungslose Grundeinkommen wird wieder neu diskutiert. Inzwischen gibt es Missbrauch des neuen Hilfspaketes der Bundesregierung. Im Gesetz steht unter anderem, dass niemand, der wegen Corona keine Miete mehr zahlen kann, seine Wohnung verlieren darf. „Vorbeugend“ zahlt deshalb unter anderem der Adidas-Konzern für keine seiner Filialen mehr Miete und erntet einen Shitstorm. Wirklich in Not ist die Reisebranche. Die Kunden wollen das Geld für stornierten Urlaub zurück. Das bringt auch große Unternehmen in Insolvenz-Nähe.

In meinem Landkreis sind 77 Menschen infiziert, in meinem Städtchen keine. Es ist ein wahres Glück, auf dem Land zu leben. Mein Alltag ist im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit bis auf die geschlossenen Geschäfte praktisch unverändert. Ich verfüge nicht nur über einen großen Garten, sondern bin auch mit wenigen Schritten im Wald. Aber auch in meinem Landkreis ist der Mangel an medizinischen Hilfskräften offenbar. Hier wie in ganz Deutschland werden Menschen mit medizinischer Erfahrung gesucht, die sich einbringen wollen. Auch die Bundeswehr, die 15 000 Soldaten zur Unterstützung in der Krise mobilisiert, sucht unter ihren Reservisten nach solchen Fachkräften. Der Höhepunkt der Welle ist ja noch nicht da. Das gilt für ganz Europa und die meisten Länder der Welt. So spendet heute der Papst, mitten in der Fastenzeit, auf einem Podest vor einem menschenleeren Platz den Segen Urbi et Orbi. Das tut er sonst nur zu Weihnachten und Ostern.

29. März: Nach einer Woche mit mehrheitlich geschlossenen Geschäften wird die Frage immer lauter, wann man mit einer Rückkehr zur Normalität rechnen kann. Die Regierung legt sich fest: nicht vor dem 20. April. Genauer gesagt: Die Verdoppelungsrate der Infizierten muss auf über zehn Tage steigen. Das wird noch dauern. CNN sagt: „Amerika muss der unbequemen Wahrheit ins Auge sehen: Die USA sind auf dem Weg zur schlimmsten Corona-Epidemie unter den wohlhabenden Staaten – vor allem wegen der Ineffizienz ihrer Regierung“. Wenigstens ist der Präsident inzwischen von einer Rückkehr zur Normalität bis Ostern abgekommen; er verlängert die Schutzmaßnahmen bis zum 30. April. Am Abend sind es in den USA über 137 000 registrierte Erkrankungen. Italien verzeichnet jetzt knapp 98 000, Spanien 80 000, Deutschland 62 000 Infektionen. Es gibt auch Länder, die in der Statistik der Johns Hopkins-Universtität ganz unten auftauchen; etwa Madagaskar. Dort lebt ein ehemaliger Kollege, der hahnebüchenes zu berichten weiß: 43 Infizierte mit dem heutigen Tag (Johns Hopkins zählt 39). Als im Lande lebender Ausländer tue man gut daran, sich täglich in der Öffentlichkeit zu zeigen, damit jeder sehe, dass man bei guter Gesundheit sei, schreibt er. Anderenfalls riskiere man sein Leben: Ein infizierter Ausländer werde unter Umständen als Träger des Bösen von der Bevölkerung gelyncht.

In Deutschland werden jetzt insgesamt 525 Verstorbene gezählt, das ist weniger, als Spanien und Italien innerhalb der letzten 24 Stunden registrierten. Besonders Italien macht Deutschland bitterste Vorwürfe, weder mit Ausrüstung, noch mit Geld zu helfen. Es gibt kein Land mehr, das jetzt noch genügend Masken und Schutzanzüge zur Verfügung hat. „Was nützen uns Beatmungsgeräte, wenn es keinen Schutz für das medizinische Personal gibt“, sagt die Epidemiebeauftragte der Ärzteschaft im TV. Überall springen einheimische Unternehmen ein: Destillerien stellen medizinischen Alhohol für Desinfektionsmittel her, andere Unternehmen schneidern Masken. Deren Preise sind inzwischen ins Astronomische gestiegen: Das deutsche Unternehmen Trigema kassiert beispielsweise satte 120 Euro für zehn Stück. Gute Verkaufschancen für all die Hobbynäherinnen der quietschbunten Teile. Mangels erprobter Medikamente wird in den Krankenhäusern wild experimentiert: Malariamittel, Mittel gegen Ebola, gegen Aids – was hilft, hat Recht.

Die „Helden des Alltags“ in Kliniken, Pflege und Supermärkten verdienen zu wenig. Dieses Bewusstsein beginnt, sich überall durchzusetzen. Die Regierung verspricht, dass Sonderzahlungen der Firmen an ihre Mitarbeiter bis zur Höhe von 1500 € steuerfrei bleiben. Auch die Soforthilfen für kleine Firmen, Solo-Selbständige und Freiberufler sollen jetzt umgehend anlaufen. Es wird auch Zeit, nur noch drei Tage bis zum Monatswechsel. Das Wildfreigehege Wildenburg, wo das Wolfsrudel beheimatet ist, das ich regelmäßig besuche, bittet dringend um Spenden. Ich bin traurig, nicht reich zu sein, um mehr zu geben, als ich nun überwiesen habe. Bayern führt die kommunalen Stichwahlen diesmal ausschließlich als Briefwahl durch.

In Moskau gilt ab Montag eine Ausgangssperre. Schweden zählt 3 700 Infizierte. Aber hier geht das Leben entspannt weiter. Ähnlich ist es in Brasilien: Dort fordert die Regierung die Menschen auf, arbeiten zu gehen. Präsident Bolsonaro sagt, er sei ein ehemaliger Athlet. Also könne das Virus ihm nichts anhaben. Auch in Paris, nicht nur im Osten Frankreichs, haben die Kapazitäten der Intensivstationen jetzt ihre Grenzen erreicht. In Indien hat der Lockdown zu einer Katastrophe geführt: Tausende von Wanderarbeitern können jetzt nicht mehr überleben und machen sich auf den Weg in ihre Heimatorte. Die Menschen fürchten den Hunger viel mehr als das Virus. Die Leiterin der Notaufnahme im Zentralkrankenhaus von Wuhan ist verschwunden. Vor zwei Wochen war sie an die Öffentlichkeit gegangen, um mitzuteilen, dass die Regierung verboten habe, weiterhin vor dem Virus zu warnen. Auch ein ZDF-Kameramann in China ist nicht mehr aufzufinden.

30. März: Unglaublich, was so ein paar Tage Lockdown ausmachen. Nicht nur kamen innerhalb einer Woche die Delphine zurück in Venedigs Kanäle, nein: In Indien wurde mitten in besiedeltem Gebiet eine seltene Malabar-Zibetkatze gesehen. Die Tiere galten schon fast als ausgestorben. Wie nah doch das Hässliche und das Schöne beieinander liegen können…. Im Garten blühen trotz immer noch eisiger Nächte die Tulpen, die Pflaumen, ja sogar der Weinbergspfirsich – und die Hunsrück-Fotografen in Facebook behaupten steif und fest, der Himmel unter der strahlenden Sonne habe durch weniger Flüge jetzt ein tieferes Blau. Deshalb heute die Corona-Zahlen nur als Bild:

Als neue Deadline für Entscheidungen über das Lockern der derzeitigen Beschränkungen kristallisiert sich weltweit der 19./20. April heraus. Die Tracking App zur Überprüfung von Risikogruppen wird weiter diskutiert. Im Schatten der Krise stimmt die Regierungsmehrheit im ungarischen Parlament dessen Entmachtung zu: Der rechte Regierungschef Victor Orban kann jetzt auf unbestimmte Zeit allein mit Hilfe von Erlassen regieren. Erste Zahlen über die Rezession, die uns je nach Länge des Shutdowns erwartet, kursieren. Die Aktienmärkte haben sich heute etwas erholt. Larry Fink, Chef des weltgrößten Investors Blackrock, ist zuversichtlich, dass sich die Wirtschaft stetig erholen wird. Die Sorgenfalten in den Gesichtern derer, die jetzt kein Einkommen haben, werden tiefer: Noch 24 Stunden bis zum nächsten 1. Alle, die jetzt zur Ruhe mahnen, verfügen selbst über ein sicheres Einkommen.

Der Gesichtsmaskenstreit verschärft sich. Zwar hat die Bundesregierung 20 Millionen davon beschafft, der Bedarf ist aber viel höher. Die freiwilligen Näherinnen sind erbost darüber, dass ihre Werke nicht nur in vielen Krankenhäusern, sondern auch in großen Kaufhäusern abgelehnt werden. Die Mitarbeiterinnen meiner Bäckerei tragen aber welche, in schwarz, passend zur gelb-schwarzen Berufskleidung. Meine eigene Produktion stockte wegen Schwierigkeiten beim Nachkauf von Schrägband. Morgen geht es weiter. Die Stoffverkäufer arbeiten auf Hochtouren: Kochfeste Baumwolle, kochfester Gummi und Schrägbänder sind kaum noch zu finden. Jena führt als erste deutsche Stadt die Maskenpflicht ein. Die Einwohner sollen ihre Masken selbst nähen.

31. März: Wissenschaftler stehen in der Regel selten im Fokus der Öffentlichkeit. Aber jetzt gibt es neue Medienstars, zum Beispiel Christian Drosten, den Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin. Kennzeichen: Verwuschelte Haare und sehr erschöpfter Gesichtsausdruck, aber auch große Sachlichkeit und gut verständliche Erklärungen. Nachdem er mehrere Wochen lang ständig in den Medien präsent war, lernt er die unangenehme Kehrseite der Medien kennen und ist sauer. Ein neuer Fachmann taucht auf: Virologe Prof. Hendrik Streeck lehrt an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, leitet das Institut für Virologie und hat das für HIV-Forschung gegründet, beide ebenfalls in Bonn. Auch er ist ein ruhiger, sehr klar denkender Mann. Er leitet die beispielhafte Forschung im Kreis Heinsberg, dem ersten Corona-Cluster der Republik, der jetzt seit fünf Wochen im Ausnahmezustand ist und kritisiert immer wieder das Robert-Koch-Institut scharf. In der Tat wirkt die Behörde im Vergleich zu den beiden Virologen wenig engagiert.

In meinem Landkreis gibt es jetzt 108 Infizierte. Sieben davon sind im Krankenhaus, keiner wird beatmet. Und: Heute wurde der erste Erkrankte in meinem Städtchen registriert. Das fast 100 Jahre alte Caféhaus, in dem es einzigartig gute Torten und selbstgemachte Trüffel gibt, hat heute bekanntgegeben, nach der Krise nicht mehr zu öffnen. Es gibt noch zwei andere Cafés, mit 0/8/15-Kuchen, die viel besser besucht sind, weil die Gebäude große Glasfassaden haben und man das Leben auf der Straße beobachten kann. Ich bin traurig und hoffe, dass es wenigstens unser preisgekröntes Eiscafé schafft, die Notzeit zu überstehen. Ausgerechnet jetzt, wo es Frühling wird…. Eine schöne Nachricht kommt aus Indien: Da die Strände gesperrt sind, können Tausende Meeresschildkröten ungestört ihre Nester bauen.

Weltweit wurden zur Mittagszeit 855 0077 infizierte Menschen gezählt, davon 186 265 in den USA, 105 792 in Italien, 95 923 in Spanien, 74 690 in Deutschland, 52 827 in Frankreich, 44 605 im Iran. Schweden ist das einzige Land in Europa, das nur leichte Beschränkungen im Alltag verzeichnet: Ältere und Risikogruppen sollen zuhause bleiben, die Menschen sollen Abstand halten – das war’s. „Wir hatten so eine Situation bisher nicht. Wir wissen also nicht, welcher Weg letztlich der Richtige ist,“ sagt Professor Streeck dazu. Das wird die von der Insolvenz bedrohten Menschen im Land aber beruhigen….

„Wir brauchen endlich saubere Corona-Zahlen“ sagt Open Petition und sammelt Unterschriften für eine Baseline-Studie. In der Tat verleitet es zu irrtümlichen Schlussfolgerungen, wenn alle Verstorbenen, die auch Corona hatten, als Corona-Tote gezählt werden, ohne dass klar ist, woran sie nun wirklich verstorben sind. Bei einer Baseline-Studie wird eine demografisch repräsentative Gruppe wiederholt getestet, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit und die Aggressivität des Virus sicher feststellen zu können. Die linke Wochenzeitung „Der Freitag“ führt aus, „Corona hat dieselbe strukturelle Ursache wie die ökologische und soziale Krise, zu der der Klimawandel, die Naturzerstörung wie die maroden Gesundheitssysteme gehören. Sie ist in der kapitalistischen Produktion und Ausbeutung der Natur zu suchen, in der imperialen Lebensweise der reichen Länder des Nordens, in der neoliberalen Ideologie.“ Dazu zeigt man nebeneinander eine Ultradünnschicht von Corona-Viren (rot) im Inneren einer Wirtszelle und ein Luftbild gerodeter Amazonas-Flächen (Foto oben). Das Thema Mundschutz beschäftigt inzwischen die ganze Republik: Mehrere Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen Nähanleitungen. Dazu gehört auch eine super-einfach-Maske aus einem Stück Küchenrolle, einem Papiertaschentuch, zwei Klebestreifen, und etwas Gummi. Die Bildzeitung meint, man könne die Masken doch einfach bei 80 Grad im Backofen desinfizieren und dann wiederverwenden. Die vielen Hobbynäherinnen in Facebook werden von Hilfeanfragen überschwemmt.

Meine Freundin berichtet von Videokonferenzen ihres Gurus mit seinen Followern. Es sei ein Kampf des Lichtes gegen das Dunkel, sage der Guru. Man dürfe sich nicht emotional hineinziehen lassen, müsse sich statt dessen konsequent für das Licht entscheiden. 5G ist ebenfalls immer wieder Thema bei den Spirituellen. Manche vermuten direkte Einflussnahme auf die Gehirne, bzw. Körper der Menschen. Einige behaupten, es gebe zwei Arten von 5G: Die auf der Erde mit jeweils geringer Reichweite, eine weitere, die aus dem All gesendet werde, mit Hilfe derer die ganze Menschheit kontrollierbar sei. Ich denke, dass die Bestrahlung jedenfalls das Immunsystem schwächen dürfte.

Ich lese, dass mein Lieblingshotel auf Yucatan mit dem Korallenriff und den Meeresschildkröten am Strand jetzt auch geschlossen wurde. Auch dort haben jetzt die Schildkröten den ganzen Strand für sich. Ich bin traurig. Ich möchte an ein warmes Meer fahren, am liebsten auf eine Insel. Ich möchte schorcheln und mit den Fischen spielen. Ich möchte Wärme und Nähe spüren, Zusammengehörigkeit wahrnehmen.

1. April: Schreckliche Bilder kursieren in den Medien. Es sind Ausschnitte aus einem Video der New York Post, das zeigt, wie Leichen per Gabelstapler in Kühllaster befördert werden. US-Präsident Trump benachteiligt offenbar seine politischen Gegner bei der Zuteilung von Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten. Der Staat New York gehört dazu. Inzwischen hat der Populist erneut seine Haltung geändert und spricht nun von bis zu 240 000 zu erwartenden Toten in den USA. Man hört, dass er sich hinter den Kulissen darüber lustig macht, wie leicht er in seiner neuen Rolle das Gehör der Medien finde. Die Debatte um die unsicheren Corona-Zahlen nimmt Fahrt auf. Statistiker vermuten, dass es in Deutschland in Wahrheit 222 000 Infizierte gibt. Die selbstgenähten Masken haben es inzwischen auch in die Talkshows geschafft; ihr Für und Wider wird heftig debattiert. Die Näherinnen ärgern sich derweil über Abmahn-Anwälte, die ihnen das Leben zur Hölle machen. In ganz Deutschland sind Schrägbänder und Einziehgummis ausverkauft.

In einer Studie haben Forscher 100 000 Menschen in 15 Ländern dazu befragt, wie zufrieden sie mit den Maßnahmen ihrer Regierungen und dem Verhalten der eigenen Bevölkerung in der Krise sind. Die meisten ärgern sich mehr über uneinsichtige Mitbürger als über ihre Regierung. Nicht so in der Türkei, den USA, Russland, Weißrussland und Großbritannien: Hier ärgern sich die Menschen besonders massiv über ihre Regierung. Adidas hat sich nach einem Shitstorm und Boykottaufrufen in den sozialen Medien entschuldigt und zahlt jetzt doch Miete für seine Filialen. Galeria Kaufhof/Karstadt, schon vor der Krise stark angeschlagen, setzen alle Mietzahlungen aus und beantragen ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren, um sich zu sanieren. Die Märkte rauschen nach einigen besseren Tagen wieder nach unten. In Deutschland gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer: Im Kreis Heinsberg, dem ersten festgestellten Cluster, ist die Verdoppelungsrate jetzt bei 16 Tagen. Die Infektionswelle war nach einer Karnevalssitzung losgegangen. Man bekommt langsam eine Idee davon, wie lange das alles noch dauern wird. Kanzlerin und Länderchefs haben sich darüber abgestimmt, dass alle Beschränkungen mindestens bis nach Ostern weiter gehen.

2. April: Man höre und staune: Das Robert-Koch-Institut ändert seine Meinung zu Schutzmasken. Nachdem 57 Prozent der Deutschen eine Maskenpflicht befürworten, sagt es nun, das vorsorgliche Tragen könne das Risiko, andere anzustecken, mindern, auch wenn sie dem Träger selbst keinen Schutz bieten. Siemens Healthineers, eine Tochter des Siemens-Konzerns, hat einen Schnelltest entwickelt, der innerhalb von drei Stunden Ergebnisse bringen soll. Es wurde eine sogenannte Notfall-Zulassung bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sowie bei der US-Gesundheitsbehörde FDA für den klinischen Einsatz beantragt, damit der Test schnell zur Verfügung stehen kann. Schon jetzt wurde er zu Forschungszwecken ausgeliefert. Auch sonst profitiert das Unternehmen von der Krise: Seine medizintechnischen Produkte sind stark gefragt.

Das Bundesinnenministerium hat ein Einsehen: Asylsuchende können die Spargelernte nicht retten. Jetzt dürfen doch südosteuropäische Erntehelfer einreisen: Je 40 000 im April und im Mai. Den Bauern dürften Wagenladungen von Steinen vom Herzen fallen. Nicht so den vielen Reisenden, die wegen Corona nicht in Urlaub können: Sie sollen nun statt ihres Geldes Reisegutscheine zurück bekommen, deren Verwendung auch noch zeitlich befristet werden soll. Eine Unverschämtheit, der die EU hoffentlich einen Riegel vorschieben wird. Nach der Thomas Cook-Pleite und dem jetzigen Corona-Desaster sollte der Reisebranche dringend auf die Finger geschaut werden: Das Geld der Touristen muss besser abgesichert werden. Bedauerlicherweise steht die Bundesregierung immer auf Seiten der Industrie, statt auf der ihrer Bürger. Genau wie beim Diesel-Skandal.

Es gibt neue Vorwürfe gegen die USA, sich ohne Rücksicht auf Andere Vorteile zu verschaffen. Diesmal sagen die Franzosen, dass von ihnen bestellte Schutzmasken nicht ankommen, weil auf dem Rollfeld Amerikaner auftauchen und die Bestellung für die dreifache Kaufsumme in ihr Land umleiten. Donald Trump hat letzte Woche mit großem Tamtam und der Hilfe eines Kriegsgesetzes angekündigt, dass er General Motors zwingen werde, Beatmungsgeräte zu bauen. Bis jetzt ist dort aber kein offizieller Auftrag eingegangen. Die Erstanträge auf Arbeitslosengeld in den USA erreichten mit 6,65 Millionen in der zurückliegenden Woche ein nie dagewesenes Niveau und schockieren das Land. Sie sind vielleicht jedoch erst der Beginn einer großen Rezession. Inzwischen sind im Land 242 000 Menschen infiziert; mehr als doppelt so viele wie in Italien und Spanien. Allein im Staat New York sind es 92 506. Trump ist stolz auf 100 000 Tests am Tag. Bei knapp 330 Millionen Einwohnern ist die Zahl jedoch viel zu niedrig. Sogar ein russisches Flugzeug mit Schutzausrüstung ist in den USA geliefert. Die überprüfen jetzt, ob die Ware ihren Standards entspricht 🙂 – kläglicher Versuch, das Gesicht zu retten. Deutschland zählt 84 788 Erkrankte.

Eine Aufsehen erregende Studie macht deutlich, wie unsicher all die Angaben über Sterbefälle infolge von Covid 19 sind. Besonders in Italien sind viele Menschen zuhause oder in Heimen gestorben, ohne getestet worden zu sein. Deshalb wurde dort die durchschnittliche Sterberate verschiedener Corona-Zentren mit der diesjährigen verglichen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Die jetzige Sterberate ist teilweise doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass weitaus mehr Menschen infiziert sein müssen/mussten, als die Zahlen widerspiegelten. Am Beispiel von  Nembro, wo vermutlich alle 11.500 Bewohner den Virus in sich tragen, konnte aber auch etwas „positives“ festgestellt werden: Offenbar tötet das Virus maximal ein Prozent der Bevölkerung. Bisher wurden weltweit 52 863 Tote gezählt – wobei nicht klar ist, ob diese am Virus oder evtl. durch eine vorhandene Vorerkrankung gestorben sind (siehe weiter oben). 210 186 Menschen haben sich weltweit von der Infektion inzwischen erholt. Ein Prozent von 83 Millionen Menschen in Deutschland sind… ?

3. April: Der IWF hat einen interaktiven Tracker erstellt, mit dessen Hilfe man blitzschnell nachschauen kann, welche Maßnahmen gegen die Krise insgesamt 193 Staaten in Gang gesetzt haben.

Deutschland hatte bei einer US-Firma, die in China produziert, Atemschutzmasken der Schutzklassen FFP2 und FFP3 bestellt (links im Bild). Die USA haben die Lieferung abgefangen und in ihr Land umgeleitet.  Was sich hier abspielt, erinnert an Krieg. Der deutsche Automarkt bricht ein: Wie der Verband der Automobilindustrie mitteilte, sanken die Neuzulassungen im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 38 Prozent auf 215.100 Pkw. Im ersten Quartal wurden 701.300 Pkw neu zugelassen, das war ein Minus von 20 Prozent. Die Pkw-Produktion sackte ebenfalls deutlich ab, im März brach sie um 37 Prozent auf 287.900 Pkw ein. Im ersten Quartal wurden von den deutschen Autobauern eine Million Einheiten hergestellt und damit 20 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Exportiert wurden im März 234.000 Autos, das war ein Rückgang um knapp ein Drittel.

Die Kanzlerin ist nach der Quarantäne zurück im Amtssitz. Sie wirkt erholt, bedankt sich beim Volk für die Disziplin und bittet um Verständnis dafür, dass die Ausgangsbeschränkungen über Ostern andauern werden. Die vielen Beschränkungen, die jetzt seit fast zwei Wochen gelten, zeigen Wirkung. Die Verdoppelung der Infektionszahlen ist schon bei nur noch zehn Tagen. Die Politik will jetzt aber mehr als 14 Tage erreichen, bevor die Maßnahmen gelockert werden können. Eine sympathische Infektiologie-Professorin erklärt im TV, dass ohnehin rund 10 Prozent der vermeintlichen Erkältungen einem der vielen Corona-Viren geschuldet sei, und dass mit der Zeit quasi über bewusst in Kauf genommene Infektion automatisch eine gewisse Immunisierung in der Bevölkerung eintreten werde. Spannend, wie wir nach und nach die deutschen Wissenschaftler kennen lernen.

Leise Warnsignale aus China: Mitten in den Feiern zum Sieg über das Virus werden in Wuhan wieder Absperrungen errichtet; es wurden Neuinfektionen festgestellt. Die Angst vor einer zweiten Infektionswelle wird klein gehalten, soweit es geht. Viele deutsche Mittelständler verzweifeln an ihren Hausbanken. Diese müssen bei der Weiterleitung von Kreditanfragen auf dem Förderpaket an die KWF zehn Prozent des Risikos übernehmen, lehnen daher viele Anträge ab mit dem Argument, man wisse ja nicht, ob das Unternehmen nach der Krise wieder auf die Füße komme. Wirtschaftsminister Altmaier bekommt einen öffentlichen Wutanfall: Genau deshalb gebe es ja das Paket, damit die Unternehmen eben nicht untergehen. Die EU diskutiert, das letzte Restrisiko auch noch zu übernehmen. Ist auch schon egal bei all den Milliarden. Wer zum Schluss wohl die Rechnung bezahlt?

Die Brauerei „Corona“ in Mexico stellt vorübergehend ihre Produktion ein, hofft aber, sie wieder aufnehmen zu können. Furchtbar, war so ein Name anrichten kann. Während die Zustimmungsraten anderer Staatenlenker in der Krise steigen, fällt die von Donald Trump. Inzwischen sind 52 Prozent der US-Bevölkerung der Meinung, dass der Präsident die Krise nicht im Griff hat. Auch das Firmenimperium der Präsidenten leidet. Wie die Unternehmen anderer Politiker können auch die von Trump nicht vom staatlichen Unterstützungspaket profitieren. Jetzt hat die Deutsche Bank ein Problem. Das Geldhaus, das Trump zeitweilig bis zu zwei Milliarden Dollar geliehen hatte, sieht sich jetzt mit Fragen seines Konzerns konfrontiert, ob Mietzahlungen und Kreditraten ausgesetzt werden können. Egal was die Bankt nun unternimmt: Es wird ihr schaden.

Nach TUI bekommt nun auch der Reisekonzern FTI, der schon vorher schwach auf der Brust war, staatliche Kreditbürgschaften aus dem Förderpaket. Riesige Probleme haben Deutschlands Verlage: Zwar verzeichnen sie ein Leserinteresse, das so stark ist, wie seit langem nicht mehr. Aber die Werbeeinnahmen brechen weg. Große Sparpakete sind in Arbeit, Kurzarbeit ist angemeldet. Axel Springer zieht sich am 6. April von der Börse zurück. Die quietschbunten Masken-Näherinnen erleben eine hässliche Kehrseite ihres Einsatzes: Es gibt Kritik an ihrer bunten Stoffauswahl, es gibt Sonderwünsche, wie etwa Masken in den Farben des Fußballvereins, und immer wieder wollen Privatleute, denen Masken gespendet werden, das Porto für den Versand nicht überweisen. Stoffe und Gummi müssen aber bezahlt werden, Porto ebenfalls. Viele Näherinnen haben selbst wenig Geld und verarbeiten deshalb einfach ihre Reste. Die engagierten Frauen vermissen Anerkennung für ihre Leistung. Ich habe endlich wieder dezent farbiges Schrägband und nähe weiter meine kochfesten weißen Masken mit Filter.

5. April: Was für ein schönes Wetter! Endlich warm genug, sich draußen länger aufzuhalten, auch wenn der Wind noch keine leichte Kleidung zulässt. Deutschland zieht es ins Freie, Menschenmassen sind unterwegs. Aber diszipliniert: in kleinen Gruppen und mit Abstand. Die meisten jedenfalls. Die Polizei ist zufrieden. Zwei Wochen Shutdown sind heute zuende. Die Bevölkerung erwartet Antworten. Nicht auf die Frage, wann der Shutdown endet – es herrscht allgemeines Einsehen, dass das schwer vorhersehbar ist. Aber die Regierung vermeidet auch quer durch alle Parteien eine Diskussion zur Frage, WIE denn die Beschränkungen gelockert werden sollen, wenn es soweit ist. Das ist nicht gut. Im ZDF heute erstmals ein kritisches Extra, Tenor: Wenn die Regierung nicht sagt, wo es lang geht, werden andere die Deutungshoheit übernehmen. Man verzeichne zum Beispiel erhebliche Versuche der Einflussnahme über die russischen und chinesischen Staatsmedien mit Hilfe von Fakes News, die Angst und Unsicherheit schüren sollen. Gar nicht beruhigend wirkt da ein geleaktes Papier aus dem Innenministerium vom Anfang der Krise. Darin heißt es, man müsse die Bevölkerung mit Hilfe eines maximalen Angstszenarios zu Ruhe und Disziplin zwingen. Dies sei ein Geheimpapier, das man nicht kommentiere, heißt es dazu von der Regierung.

Nicht gut. Gar nicht gut… Dazu diese Diskussionen mit der Kontrolle der Menschen über Handy-App. Das hier ist ein riesiger Reality-Test zur Frage, wie lange und mit welchen Mitteln sich die Bevölkerung am besten kontrollieren lässt.

Die EU-Kommisson twittert: „We called on the industry to ramp up production of protective equipment. They answered: Textile companies – masks & gloves cosmetics, sanitizers engineering – ventilators will soon reach hospitals across Europe. This is #EUsolidarity #StrongerTogether#coronavirus„. Na, das sind wir mal gespannt, wann der Notstand bei der Schutzausrüstung endet. „Wir brauchen einen Marshall-Plan für Europa“ sagt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Welt.  „Europe has to establish a wartime economy and put in place measures for the defense, the reconstruction and the economic recovery of Europe,“ sagt der spanische Premier Pedro Sánchez. Immer diese Kriegsrhetorik!

Deutschland hat jetzt fast 200 000 Urlauber heim geflogen. Einige Tausend sitzen aber noch fest, vorwiegend in Peru, Neuseeland und Südafrika. „Es ruckelt“ bei der Rückführung, sagt der Außenminister. Es ruckelt noch viel mehr in den total überfüllten Migrantenlagern auf den östlichen Ägäisinseln. Die Stadt Berlin will jetzt in Eigenregie 1 500 aus dem Camp Moria auf Lesbos nach Deutschland holen, eine Unterbringung in Hotels wird diskutiert. Es gibt kuriose Sehnsuchtsgeschichten, wie die von dem Ehepaar, das im Anschluss an seine Hochzeitsreise jetzt in einem Luxus-Ressort auf den Malediven fest steckt. Die beiden sind die einzigen verbleibenden Gäste – zusammen mit dem gesamten Personal. Im Bild sieht man eine schöne Frau, gebräunt, mit langen schwarzen Haaren, die einem kristallklaren Meer entsteigt…

Zum erst fünften Mal in ihrer 68jährigen Regierungszeit richtet sich die Queen aus der Quarantäne an ihr Volk. Die Botschaft: „Das ist nicht die erste Krise in unserer Geschichte. Wir werden auch diese überstehen: Mit Disziplin und dem selben Kampfgeist wie im Zweiten Weltkrieg.“ Premier Boris Johnson, seit zehn Tagen infiziert und mit hartnäckigem Fieber zuhause, wird ins Krankenhaus gebracht. Die USA sehen sich rasant steigenden Infektionszahlen gegenüber. Nach New York, wo die Zahl der Verstorbenen mit 594 gestern zum ersten Mal ein wenig gesunken ist, entwickelt sich Lousiana zum nächsten Hotspot. Sogar „Flotus“ Melania Trump twittert jetzt Apelle zu social distancing. Der Kapitän eines Kriegsschiffes vor Guan, Brett Crozier wurde gefeuert, weil er öffentlich um Hilfe für seine 5000 Beatzungsmitglieder gebeten hat. Nun ist der Kommandeur, der beim Abschied von seinen Männern als Held gefeiert wurde, selbst infiziert, 155 seiner Crewmitglieder sind es ebenfalls. Börsenguru Mr. Dax warnt angesichts einer hochgradig bewaffneten Bevölkerung vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen in den USA, wenn ein Shutdown zu lange dauert.

Der deutsche Klopapier-Kuchen findet reißenden Absatz und Eingang in ein Video der Nachrichtenagentur Reuters. Der Ölkrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien verschärft sich weiter. In den Altenheimen rund um die Erde hat das Besuchsverbot für Angehörige schlimme Folgen. In Texas kam man auf die Idee, dass Senioren sich ja per Bild mitteilen könnten (siehe unten). Netter Versuch, gegen die große Traurigkeit anzukämpfen.

Die Diskussion um die Art der Ermittlung von Infizierten und Corona-Toten nimmt an Intensität zu: Nicht nur wird in jedem Land unterschiedlich viel getestet – unter anderem mangels genügender Mengen an Test-Kits – vor allem wird falsch getestet. Wir haben doch gelernt, dass für repräsentative Zahlen auch eine repräsentative Menge scheinbar gesunder Einwohner getestet werden muss, um einen Überblick über den Grad der Durchseuchung, sowie bereits vorhandener Immunität zu bekommen. Mit Hilfe von Antikörpern bereits Gesundeter verspricht man sich gute Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankte: Zumindest könne der Verlauf der Infektion stark abgemildert werden, habe man in China gesehen. Ich bemerke bei mir selbst aufkeimende Aggression, wenn ich Nachrichtensprecher mit dramatischen Gesichtern über hohe Infektionszahlen reden sehe. Es wurde so unglaublich viel im Vorfeld versäumt, und jetzt wird so unglaublich viel falsch gemacht… Wieso zum Beispiel wurde nicht genügend Vorrat an Schutzkleidung für ein Katastrophenszenario angelegt, obwohl es detaillierte Pandemiepläne gab, die jetzt 1:1 wahr werden? Was für ein Durcheinander veranstaltet das zuvor hoch renommierte Robert-Koch-Institut mit seinen wechselnden Einschätzungen? Jetzt hat es mitten in der Krise die Zahl seiner Pressekonferenzen von einer täglich auf zwei wöchentlich reduziert. Warum wird die Corona-Sterberate nicht mit dem Durchschnitt an Sterblichkeit der Vorjahre in Vergleich gesetzt? In Schweden darf die Bevölkerung weiterhin in Biergärten sitzen und den Frühling genießen. Ich ärgere mich.

Eurobonds und damit die Vergemeinschaftung der Schulden aller EU-Mitgliedsländer – das ist seit Jahren das Schreckgespenst der Netto-Einzahler. Jetzt wird der Ruf danach immer lauter: Nicht nur Italien und Spanien; insgesamt neun EU-Länder fordern diese Anleiheform als solidarische Maßnahme aller Staaten. Deutschland ist strikt dagegen, man habe schließlich den ESM. Aber wird es sich auf Dauer entziehen können? Nach dem Corona-Desaster steht das ganze Konstrukt Europa nicht nur in Italien auf der Kippe. Strenge ESM-Auflagen sind bei den hoch verschuldeten Ländern nach dem Beispiel Griechenland gefürchtet.

„Kauft Blumen, nicht Toilettenpapier“ ruft eine verzweifelte Blumenindustrie in den Niederlanden und in Afrika. Die Tulpen sind jetzt schnittreif und können nicht abgesetzt werden. Mit Schaufelbaggern werden die Pflanzen in den Schredder befördert. Aber in Deutschland sind alle Blumenläden geschlossen. Es gibt nur wenige Pflanzen in Super- und Baumärkten. Vor diesem Hintergrund nervt das Geschrei der Berufsfußballer nur noch. Mich ärgert schon lange, dass es in diesem Sport nur um Geld und nochmal Geld geht.

In Afrika könne es durch das Virus zu einer Katastrophe kommen, dann zur Bürgerkriegen, dann zu riesigen Flüchtlingskolonnen via Europa, warnt Entwicklungsminister Müller. Eine Studie der afrikanischen Union warnt vor dem Verlust von 20 Millionen Jobs. Wie wäre es also, wenn man mal etwas tut, damit dort genügend Menschen getestet werden können? Wir brauchen einen Plan, wie wir medizinisches Gerät und Schutzkleidung dorthin bringen, wenn die Infektionswelle kommt, denn sie wird kommen. Der Minister will die Region durch internationale Hilfe stabilisieren. Mit Geld – wie immer? Das dann in irgendwelchen dunklen Kanälen versinkt? Afrika hat jedenfalls mal Einreisesperren für den Westen verfügt. Zu Recht.

6. April: Zwischen Kreuzlingen und Konstanz an der deutsch-schweizerischen Grenze gibt es einen Zaun. Dort können sich durch Corona voneinander getrennte Familien oder Paare treffen. Seit einigen Tagen können sie sich dort nicht einmal mehr berühren: Die Schweiz stellte einen zweiten Zaun auf, der zwei Meter Abstand garantiert. Es spielen sich herzzerreißende Szenen ab. Paare berichten von Hochzeiten, die abgesagt wurden, zum Geburtstag kann nicht mehr angestoßen werden. Sowas von surreal…

356.942 Infizierte in den USA heute. 135.032 in Spanien, 132.547 in Italien, 101.806 in Deutschland, 98.957  in Frankreich, 52.274 in Großbritannien, 60.500 im Iran, 30.217 in der Türkei. Der britische Premier Boris Johnson, der seit gestern wegen Covid 19 im Krankenhaus ist, wurde auf die Intensivstation verlegt. Donald Trump sagt, ganz Amerika bete für ihn. Irans Führung fordert globale Solidarität und denkt dabei an Europa. Japan (3654 Infizierte) will den nationalen Notstand ausrufen. In den USA werden allein 130.689  Infizierte im Staat New York registriert. Die US-Botschaft in Deutschland attackiert die Bundesregierung: Niemand habe eine Maskenlieferung umgeleitet. Aber heute kommen die Vorwürfe aus Kanada (16 500 Infizierte): Die USA haben verhindert, dass knapp drei Millionen Masken nach Kanada exportiert werden. Die Alliierten Amerikas beklagen Wildwest-Methoden. China twittert: „Wir sind bei euch, bleib stark Kanada…“ China hat auch 2000 Beatmungsgeräte, 170 000 Mundschutz-Masken, je 1.3 Millionen KN95 und OP-Masken in die USA geschickt. Der US-Regierung scheint das Wasser bis zum Hals zu stehen. Die französische Regierung beschlagnahmt in Basel zwei Millionen Masken, die für die Region Bourgogne-Franche-Comté bestimmt waren, um sie „gerechter“ zu verteilen. Auch bei uns besteht der Notstand an Schutzausrüstung weiter. Weil es zu wenig davon gibt, so erfährt man in den Nachrichten, könne keine Maskenpflicht beim Einkauf vorgeschrieben werden. Weil es nicht genug Masken gibt, spielt sich in Altenheimen und Hospizeinrichtungen ein stilles Drama ab: Angehörige und ehrenamtliche Hospitzmitarbeiter dürfen nicht hinein, viele alte Menschen müssen ganz alleine sterben.

Die Bundesregierung reagiert auf die scharfe Kritik von gestern: Natürlich denke man über eine Strategie zum Hochfahren der Wirtschaft hoch. Zu gegebener Zeit werde man über die Schritte informieren. „Selbstverständlich kehren wir wieder zu den gewohnten Freiheiten zurück“, beruhigt die Bundeskanzlerin. Finanzminister Scholz erklärt erneut, dass Deutschland keine Notwendigkeit für Eurobonds sehe. In den ESM seien inzwischen 80 Milliarden Euro eingezahlt, damit können 400 Milliarden ausgeliehen werden, sagt er in den Nachrichten. Außerdem habe die EZB für 12 Milliarden italienische Staatsanleihen aufgekauft, um dem Land liquide Mittel zu verschaffen. Auch der ESM befreit Deutschland nicht wirklich vor einer riesigen Haftung. Aber man kann die Länder, die unter den Schirm kommen, zu strengen Auflagen verpflichten. Beim Beispiel Griechenland hat Deutschland satt davon profitiert. Von den gewährten Hilfen konnte der Staat seine Kreditzinsen an Deutschland weiter bedienen. Der Verkauf des staatlichen „Tafelsilbers“ sorgte zum Beispiel dafür, dass der Hafen Thessalonikis nun einem deutschen Konsortium gehört. ESM oder Corona-Bonds? wird auch morgen bei der Videokonferenz der europäischen Finanzminister Thema sein. Zwischenzeitlich hat sich der DAX etwas beruhigt und ist wieder über 10 000 Punkte gestiegen. Die Bundesregierung will bei den KfW-Krediten für den leidenden Mittelstand jetzt die komplette Resthaftung übernehmen, damit die Hausbanken schnell handeln. Es gibt eine Lücke bei den Finanzhilfen: Unternehmen mit zwischen 10 und 50 Mitarbeitern können bisher nicht darauf zugreifen, sagt die KFW zum wiederholten Mal.

Ich habe heute keine Masken genäht, sondern mich als Friseurin betätigt. Bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Ich wollte schon als Kind Friseurin werden ;). Draußen wird es immer wärmer, man kann endlich wieder in der Sonne sitzen. Nachbarn grillen. Ich träume von einer einsamen Inseln in einem warmen Meer, freue mich an den blühenden Obstbäumen und versuche, meine elende Pollenallergie einfach zu ignorieren. Ich bin so dankbar, auf dem Land wohnen zu dürfen. Hier gibt es keine Enge. In den Städten steigt die Zahl häuslicher Gewalt deutlich an. Die WHO hat heute mitgeteilt, dass sich in manchen Ländern die Zahl Schutz suchender Frauen verdoppelt habe.

7. April: Die EU-Finanzminister können sich nicht einigen. Die Entscheidung darüber, wie in Sachen ESM, bzw. Eurobonds den Mitgliedsländern nun am besten geholfen werden kann, soll jetzt morgen fallen. Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Nach wochenlangen Ankündigungen, 1600 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Griechenland zu holen, werden es nun 50 kranke Kinder. Mehr habe das Betreuungspersonal nicht auswählen können, heißt es in den Nachrichten. WhatsApp schränkt die Weiterleitungsfunktion in Deutschland ein, um die Verbreitung von Fake News zu hemmen. Die EU-Kommission schlägt Alarm: Die Medikamente für Intensivpatienten werden knapp – auch in Deutschland.

Zehn Millionen Atemschutzmasken wollte das Land NRW kaufen, überwies bereits 14,7 Millionen Euro. Dann kam heraus: Die Masken gibt es gar nicht. Die Täter hätten die Identität einer Firma im europäischen Ausland gekapert, berichtete die Staatsanwaltschaft. Das Geld konnte gerade noch rechtzeitig sichergestellt werden. Donald Trump hat ein neues Feindbild: Die WHO sei in der Corona-Kriste zu China-lastig. Er will die US-Beiträge einfrieren. Das RKI präsentiert eine neue App, die die Vitalfunktionen des Körpers misst.

Im Rewe-Markt meines Städtchens ist die Salatbar geschlossen. Drumherum stehen Kerzen und ein Hinweis der evangelischen Kirchengemeinde: Da dieses Jahr keine Osternachtsfeier mit Weitergabe des Lichts von Person zu Person stattfinden kann, kann jeder, der es möchte, eine Kerze mitnehmen und in dieser Nacht zuhause das Osterlicht, das Symbol der Auferstehung von den Toten, anzünden. Draußen ist nach einem herrlichen Frühlingstag eine milde Nacht mit dem größten und hellsten Supermond des Jahres angebrochen.

8. April: 1,5 Millionen Corona-Virusträger weltweit. 2000 Corona-Tote innerhalb von nur 24 Stunden in den USA. 420 000 Infizierte allein dort, davon knapp 150 000 im Statt New York. Afro-Amerikaner sind überproportional stark betroffen. Es sind jetzt 55 Prozent der Amerikaner, die finden, dass ihre Regierung die Krise schlecht handelt. Präsident Trump war von seinem Handelsberater bereits Ende Januar vor einer Krise gewarnt worden, behauptet aber, das entsprechende Memo erst heute gelesen zu haben. Der Geheimdienst hatte sogar noch in 2019 auf eine mögliche kommende Pandemie hingewiesen. Immerhin hat General Motors jetzt einen Vertrag, nachdem das Unternehmen 30 000 Beatmungsgeräte für 500 Millionen Dollar herstellen soll.

In Spanien sind es heute 147 000, in Italien 139 000, in Frankreich 114 000, in Deutschland 110 700, in Großbritannien rund 61500 registrierte Erkrankte. PM Boris Johnson verbringt seine dritte Nacht auf der Intensivstation, wird jedoch nicht künstlich beatmet. Es soll ihm etwas besser gehen. Die europäischen Finanzminister haben sich auch heute nicht geeinigt, auf welchem Weg den Ländern günstiges Geld zur Verfügung gestellt werden soll. Alte Ressentiments zwischen den Staaten leben wieder auf. Die Zentralbanken kaufen derweil jede Menge Staatsanleihen auf, um die Länder liquide zu halten. Der Milliardär und Hedge Fond Manager Ray Dalio (Bridgewater Associates) glaubt, die Welt bewegt sich auf eine Rezession in einer Größenordnung wie in den 1930er Jahren zu.

Eine alarmierende Studie wird in Shanghai veröffentlicht: Eine repräsentative Studie unter von Covid 19 Genesenen stellt fest, dass etwa ein Drittel von ihnen so gut wie keine Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Das kann ja heiter werden. Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie abgelehnt. Der Antragsteller hielt die Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue Menschen kennen zu lernen, für zu weitgehend. Begründung: Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit.

Die Bundesregierung beschließt, dass es für ausgefallene kulturelle Veranstaltungen kein Geld zurück gibt; sondern nur Gutscheine. Ein TV-Kommentator sagt, das dürfe eigentlich auch kein Problem für ärmere Menschen sein: Das Geld für die Karten wäre ja auch weg gewesen, wenn die Veranstaltung stattgefunden hätte. Auch in meinem Städtchen wird professionelle Schutzkleidung hergestellt: Eine der Kleinlederwarenfirmen vermeldet, dass sie die Produktion umgestellt hat. Die Apotheke verkauft selbst hergestelltes Hand-Desinfektionsmittel aus 3% Peroxyd, Äthanol und gereinigtem Wasser; die 0,25 Liter-Flasche für 7,99 €. Das gleiche Zeug habe ich im Sommerurlaub in Spanien 2019 für 1,15 € die 0,5 Liter im Supermarkt gekauft. Die Familien und ihre Kinder sind von schulfrei in die Osterferien gewechselt. Das macht das Problem aber nicht kleiner: Die Kinder müssen einen stattlichen Satz an Aufgaben bewältigen, die sie von den Schulen übermittelt bekommen. Das gelingt ganz unterschiedlich gut. Wie geht es mit dem restlichen Schuljahr weiter bis zu den Sommerferien? Ist das Pensum im Heimunterricht überhaupt zu schaffen?

23 Grad und heller Sonnenschein draußen; die Natur explodiert regelrecht. In der sehr milden Nacht ein noch immer voller Supermond in leichter Bewölkung. Was für ein Kontrast zur Stimmung unter den Menschen!

9. April: Gründonnerstag abend: Das lange Osterwochenende hat begonnen. Keine Lockerung der Beschränkungen, obwohl die Verdoppelungsrate bereits gestern bei 14 Tagen lag. Ich habe heute mit meiner Freundin im Raum München telefoniert: „Unmut greift um sich,“ sagt sie, und ich fühle, dass sie auch sich selbst meint. Hat sie doch heute, als sanftmütige Veganerin, in einem Akt zivilen Ungehorsams drei kleine Tüten sorgsam getrennten Wertstoffmülls aus dem Korb ihres Radls in einfache Mülltonnen entsorgt, weil sie vor dem Wertstoffhof in einer langen Schlange von Autofahrern warten sollte, bis sie dran war. Das passt so gar nicht zu ihr, die sogar ihre Yoghurt-Becher spült, um die Sortierer am Band nicht mit dem Gestank vergammelnder Reste zu stressen… Eine weitere Bekannte lebt mit Mann und zwei kleinen Kindern in Bonn. Ihre alten Angstzustände sind zurück: Sie fürchtet, dass ihre Kleinen sich draußen beim Spielen anstecken könnten, dass sie selbst sich anstecken könnte, dass sie Andere anstecken könnte… Sie will unbedingt auf’s Land, dorthin, wo Platz ist, wo die Kleinen in Ruhe draußen sein können. Ich habe heute mit dem Leiter des für den Publikumsverkehr geschlossenen Ordnungsamtes telefoniert. Man habe jede Menge zu tun wegen Corona, stöhnte der.

Die Nerven sind angespannt, zumal immer klarer wird: In Deutschland gibt es sehr viele freie Intensivbetten. Von 115 523 Infizierten gab es zwar 2451 Sterbefälle. Aber war das Virus wirklich die Todesursache? Der renommierte Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel und sein Team haben beispielsweise die Hamburger Toten obduziert und festgestellt: Keiner von ihnen ist ursächlich an Covid 19 gestorben. „Alle, die wir bisher untersucht haben, hatten Krebs, eine chronische Lungenerkrankung, waren starke Raucher oder schwer fettleibig, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.“ Das Virus sei in diesen Fällen der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Sein Team habe gerade die Leiche der ersten 100-Jährigen untersucht, die mit Covid-19 gestorben sei. Hier sei es der allerletzte Tropfen gewesen.

Die Kanzlerin und die Landeschefin von Rheinland-Pfalz halten mütterliche Reden, mahnen, in der Disziplin nicht nachzulassen. Es werde noch sehr lange dauern, bis wir wieder zum normalen unbefangenen Umgang miteinander zurück kehren können, sagt Angela Merkel: Bevor es keinen Impfstoff gegen das Virus gebe, jedenfalls nicht. Professor Hendrik Streeck und sein Team forschen seit zwei Wochen im Kreis Heinsberg (NRW), dem ersten Cluster in Deutschland und berichten. An der Studie nahmen 1000 Menschen teil, etwa die Hälfte der Ergebnisse liegt vor. In der besonders betroffenen Gemeinde Gangelt wurde bei 15 Prozent der über 500 Probanden eine aktuelle oder bereits überstandene Infektion nachgewiesen. Bislang geht die renommierte Johns Hopkins Universität davon aus, dass in Deutschland 1,98 Prozent der Infizierten sterben. Dadurch, dass in der Heinsberger Studie nun auch bislang unentdeckte Infizierungen hinzukommen und die Gesamtzahl der Corona-Betroffenen damit höher ist, liegt die Todesrate für Gangelt nur bei 0,37 Prozent. Unter der Voraussetzung, dass die Abstandsregeln und die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen weiter eingehalten würden, so der Virologe, könne man die ersten Lockerungen angehen.

Jetzt endlich kommt auch das Robert-Koch-Institut auf den Trichter: Nachdem Städte wie München in Eigenregie mit Studien begonnen haben, will das RKI jetzt auch gleich drei davon durchführen: Vermutlich bereits in der kommenden Woche starten Tests mit Blut von Blutspendern, kündigte Lothar Wieler an. Alle 14 Tage sollen 5.000 Blutproben untersucht werden. Ebenfalls in Kürze sollen zudem Proben von Menschen in vier noch nicht näher benannten Ausbruchsgebieten analysiert werden, sagte der RKI-Chef. Ergebnisse dieser beiden Studien werden bereits im Mai erwartet. Eine dritte, aufwendigere und bundesweite repräsentative Studie mit 15.000 Teilnehmern an 150 Orten solle im Mai starten, so Wieler. Und wann werden nun die durchschnittlichen Sterberaten mit den aktuellen in Bezug gesetzt? Grrrrrr….. Manchmal könnte man schreien. Diese Beamten!

Boris Johnson wurde heute aus der Intensivstation zurück in die normale Krankenstation verlegt. Die Studie aus Shanghai (s.o.) wurde erneut bestätigt: Wer einmal Covid 19 hatte, ist nicht automatisch dagegen immun. In NRW wurde heute die Auszahlung der Corona-Hilfen gestoppt, weil mutmaßlich bereits einige Tausend nicht Anspruchsberechtigte unter Verwendung von Fake-Websites und der Daten von Berechtigten versucht haben, Geld zu erschleichen. Die EU-Finanzminister haben sich endlich geeinigt: Auf ein 500 Milliarden Euro-Paket, das aus drei Elementen besteht: Vorsorgliche Kreditlinien des Euro-Rettungsschirms ESM von bis zu 240 Milliarden Euro, könnten besonders von der Pandemie betroffenen Staaten zugute kommen. Ein Garantiefonds für Unternehmenskredite der Europäischen Investitionsbank EIB soll 200 Milliarden Euro mobilisieren, das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kurzarbeiter-Programm namens „Sure“ wird einen Umfang von 100 Milliarden Euro haben. Später werde ein Wiederaufbaufonds für die Wirtschaft folgen. Also von allem etwas, aber keine allgemeinen Eurobonds.

Aus Indien kommt eine freudige Nachricht: Schon nach kurzer Zeit des Lockdowns (der jetzt verlängert werden soll) ist die Luftqualität so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Im Norden des Landes können die Gipfel des Himalaya-Gebirges schon aus etwa 200 Kilometern Entfernung gesichtet werden. Vielleicht verhindert diese bessere Luft mehr Sterbefälle als jede Impfung…

10. April: Der Karfreitag ist für mich mit einer noch immer sehr schmerzhaften Erinnerung belastet. Welches Datum könnte also besser geeignet sein, um die Frisur zu ändern? Also erst ein Sonnenbad bei 24 Grad im Schatten, und dann beherzt zur Schere gegriffen.

Alle Gotteshäuser aller Religionen sind geschlossen. Der Papst geht Kreuzwegstationen auf einem menschenleeren Petersplatz und betet vor einem uralten Pestkreuz im menschenleeren Petersdom. In Jerusalem ist die Grabeskirche geschlossen und die Via Dolorosa menschenleer. Im TV gibt es mangels politischer Neuigkeiten viele kreative Beispiele, wie Menschen versuchen, trotz Kontaktverboten Gemeinschaft im Glauben zu leben. Die geheimen Träume des CSU-Vorsitzenden Markus Söder, Kanzlerkandidat zu werden, rücken durch sein Agieren in der Corona-Krise der Wirklichkeit näher: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur wünschen sich 27 Prozent der Befragten, dass der bayerische Ministerpräsident bei der nächsten Bundestagswahl für die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) antritt. Weit abgeschlagen dahinter liegen der zuvor am höchsten gehandelte frühere Bundestags-Fraktionschef Friedrich Merz mit 12 und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet mit 8 Prozent. Gesundheitsminister Jens Spahn kommt auf 7 Prozent und der Außenpolitiker Norbert Röttgen nur noch auf 3 Prozent.

In Frankreich haben Regierungskreise eingestanden, dass die ablehnende Haltung gegenüber dem Tragen von Schutzmasken dem Mangel an Vorräten geschuldet war. Muhuhuhahahaha… Das ist vermutlich auch bei uns so. „Jetzt verschwindet das Bargeld“ titelt die Welt und berichtet, dass bargeldloses Zahlen in Krisenzeiten immer beliebter wird. So erreicht Corona, was die Politik gerade bei den Deutschen bisher vergeblich versuchte. Saudi-Arabien und Russland haben ihren Ölkrieg beendet und sich auf eine Senkung der Fördermengen um 10 Millionen Barrel geeinigt. Durch die Krise wird jedoch viel weniger Erdöl benötigt. Die übrigen Erdöl produzierenden Staaten, auf die mehr als die Hälfte der täglich geförderten 100 Millionen Barrel entfällt, haben sich bisher nicht auf geringere Fördermengen eingelassen, so dass die Wirkung am Markt verpuffen könnte. Die WHO warnt davor, die Alltagsbeschränkungen wegen Corona zu früh aufzuheben. In New York kommen die vielen Toten jetzt in Massengräber. Die deutsche Polizei will wie die in den Nachbarländern auch Drohnen haben, um die Ausgangsbeschränkungen zu überwachen.

11. April: Die Osternachtsmesse im Dom zu Mainz wird live übertragen. Zuvor hat der Papst im fast leeren Petersdom eine Messe zelebriert. Die Christenheit feiert die Vergebung der Sünden und Auferstehung von den Toten – vielleicht noch etwas lauter als sonst, weil sie gezwungen ist, digital zu feiern. Ganz sicher wird nach dieser Pandemie so manches wieder auferstehen: Die Wirtschaft in ihrem ständigen Drängen nach mehr Wachstum, die Politik in ihrem ständigen Wunsch nach mehr Macht und noch mehr Kontrolle über die Einzelnen; Neid, Missgunst, Lug und Trug… Draußen endet eine sommerliche Woche mit für die Jahreszeit viel zu hohen Temperaturen. Ich registriere in diesem Frühjahr besonders viele durstige Bienen. Sie fallen in Scharen über die Wasserschalen im Garten her.

Ich habe keine Lust mehr auf Masken, social distancing und das ganze Zeug. Damit liege ich offensichtlich im Trend. Die Verdoppelungszahl der Neuinfektionen hat in Deutschland 17,5 Tage erreicht. Noch vier Tage, bis unsere Mächtigen aus dem Osterurlaub zurückkehren und sich Gedanken über den Neustart machen wollen. Die Mächtigen in der Türkei haben letzte Nacht ihren Bürgern mal einen Riesen-Schrecken eingejagt: Um 22 Uhr erfuhren die Einwohner von 31 großen Städten, dass sie ab 24 Uhr ihre Wohnungen bis zum Ende des Wochenendes nicht mehr verlassen dürfen. Die Folge: Alle rannten raus, um noch schnell einzukaufen. Was für ein Unsinn. Erst stecken sich alle gegenseitig an, dann sitzen sie geschlagene zwei Tage in Quarantäne… Italien hat die Ausgangsbeschränkungen um weitere drei Wochen verlängert, will aber nächste Woche einige wenige Geschäfte wieder öffnen. 1,761 Millionen Menschen sind jetzt weltweit infiziert, 520 000 davon in den USA; dort wieder 181 000 im Staat New York. Aber die Kurve scheint dort endlich etwas abzuflachen – auch wenn das Elend damit noch lange nicht vorbei ist.

Sachsen hat Betten in der Psychiatrie freigeräumt: Dort sollen Menschen kaserniert werden, die sich nicht an das Ausgehverbot halten. Das Land sieht seine Maßnahme durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt. Wenig später nimmt das Bundesland nach einem Shitstorm diese Maßnahme wieder zurück. Die deutschen Krankenhäuser melden keinerlei Notstand in den Intensivabteilungen; überall ist reichlich Platz. Ich frage mich, wieweit die Gängelungen noch gehen, bevor sich eine spürbare Auflehnung dagegen zeigen wird. Und: Werden wir all diese Kontrollen jemals wieder los? Der Bundespräsident sieht die Notwendigkeit, angesichts der Krise außerplanmäßig neun Minuten lang das Wort an die Bürger zu richten. Dies sei eine Herausforderung unserer Menschlichkeit, sagt er. Sie bringe in den Menschen das Beste und das Schlechteste hervor. Ja, so ist es wohl. Und jetzt hat der Albtraum lange genug gedauert. Ich möchte aufwachen.

12. April, Ostersonntag: JU-Chef Tilman Kuban verlangt automatische Installation der Corona-App auf allen Handys. Interessant, wie kleine Politiker das Thema Macht angehen. Sollte er durchkommen, wären wir auch nicht demokratischer als China, und mein Handy bekäme dauerhaften Heimaturlaub. Der CSU-Digitalpolitiker Hansjörg Durz sieht eine Möglichkeit, Druck auf potentielle App-Verweigerer auszuüben. „So könnten Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit denen wieder gewährt werden, die die App installiert haben“, sagte der Vize-Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag dem Handelsblatt. Schaunmer mal.

Die EU drohnt Ungarn mit einem Verfahren wegen seines Notstandsgesetzes. Boris Johnson ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ursula von der Leyen rät, den Sommerurlaub jetzt noch nicht zu buchen: Man könne keine verlässliche Aussage für Juli und August machen. Auf welchem Planeten lebt die Frau? Wer jetzt erst anfängt zu buchen, bekommt nur noch Restplätze. Ich habe schon im Januar ein Ferienhaus in Spanien für September gebucht. Auch in den USA gibt es Betrugsversuche, hier mit 39 Millionen Schutzmasken. Donald Trump versucht mit allen Mitteln, seine desaströse Krisenpolitik zu verschleiern. Dr. Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Allergie und Seuchen und heimlicher Corona-Präsident, sagt, das Land könne ab Mai langsam wieder an eine Öffnung denken. Zuvor hatte er in einem Interview eingestanden, dass frühzeitigere Gegenmaßnahmen gegen das Virus viele Menschenleben hätten retten können. Das wird ihn vermutlich den Kopf kosten. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu tritt nach dem verunglückten Start der kurzfristig angekündigten Ausgangssperre an diesem Wochenende von seinem Amt zurück. Präsident Erdogan lehnt den Rücktritt ab, drei Stunden später ist der Minister wieder im Amt.

UN-Generalsekretär António Guterres sorgt für einen weltweit vernehmbaren Knall nach langem Schweigen der Vereinten Nationen zur Corona-Krise. Er warnt – wie aus dem Nichts – vor Angriffen durch Bioterroristen. „Die Schwächen und mangelhafte Vorbereitung, die durch diese Pandemie offengelegt wurden, geben Einblicke darin, wie ein bioterroristischer Angriff aussehen könnte – und erhöhen möglicherweise das Risiko dafür“, sagt der Portugiese bei einer Videokonferenz des Sicherheitsrats, der erstmals wegen der Corona-Krise getagt hatte. „Nichtstaatliche Gruppen könnten Zugang zu virulenten Stämmen erhalten, die für Gesellschaften auf der ganzen Welt eine ähnliche Verwüstung bedeuten könnten.“ Nach Meinung des Politikwissenschaftlers Gunnar Jeremias malt der UN-Generalsekretär einen virtuellen Teufel an die Wand, erst recht im Zusammenhang mit dem Coronavirus. „Es ist alles andere als einfach, eine Biowaffe herzustellen nach dem Prinzip: Da sollen Erreger zum Einsatz kommen, die sich – im Sinne der Angreifer – wirksam, gezielt und kontrolliert verbreiten“, erklärt der Experte, der die Forschungsgruppe zur Analyse biologischer Risiken an der Universität Hamburg leitet.

13. April, Ostermontag: Gott sei Dank ist das lange Wochenende endlich vorbei. Deutschland hat ein weitgehend ruhiges, innerlich sehr gereiztes Osterwochenende verbracht. Keine Staus auf den Autobahnen, die Ostsee-Strände gehörten allein wenigen Spaziergängern aus Mecklenburg-Vorpommern, allenthalben hielten Spaziergänger den vorgeschriebenen Abstand ein. Aber so langsam werden das Zurückgeworfensein auf die eigenen vier Wände und damit vielerorts Einsamkeit ein Problem. Das Wetter ist auch umgekippt. Draußen ist es bedeckt und ausgesprochen kühl. Weltweit gibt es jetzt 1,86 Millionen Erkrankte. In den USA sind jetzt 572 169 Menschen infiziert und 23 070 gestorben. 195 261 Infektionen und 10 060 Sterbefälle wurden allein im Staat New York registriert. Governor Cuomo kündigt ab Mai erste Lockerungen der Beschränkungen an, da die Kurve sich leicht abgeflacht habe. Die Wissenschaftler raten zur Vorsicht. Präsident Trump sagt, er allein entscheide, was wann passieren werde. Spanien liegt mit 169 496 bestätigten Infektionen an der Spitze in Europa, gefolgt von Italien (159 516), Frankreich (137 875) und Deutschland (128 208 Infizierte, 3043 Verstorbene). Der französische Präsident hat die strenge Ausgangssperre bis 11. Mai verlängert.

Die Verdoppelungsquote in Deutschland liegt heute bei 20,8 Tagen. Die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, hat eine 16seitige Stellungnahme vorgelegt, in der sie vorschlägt, wie die Beschränkungen behutsam gelockert werden können. Seitdem diskutiert die ganze Republik wie ein aufgeregter Bienenschwarm. Die Wissenschaftler schreiben:

  • Das öffentliche Leben kann schrittweise unter folgenden
    Voraussetzungen wieder normalisiert werden: a) die Neuinfektionen stabilisieren sich auf niedrigem Niveau, b) es werden notwendige klinische Reservekapazitäten aufgebaut und die Versorgung der anderen Patienten wieder regulär aufgenommen, c) die bekannten Schutzmaßnahmen (Hygienemaßnahmen, MundNasen-Schutz, Distanzregeln, zunehmende Identifikation von Infizierten) werden diszipliniert eingehalten.

Kernpunkte des Papiers:

  • Repräsentative und regionale Erhebung des Infektions- und Immunitätsstatus mit Nutzung von freiwillig bereitgestellten GPS-Daten in Kombination mit Contact-Tracing
  • Daten zu schweren Krankheitsverläufen und Todesfallzahlen müssen in Relation zu denen anderer Erkrankungen gesetzt und auf das zu erwartende Sterberisiko in einzelnen Altersgruppen bezogen werden
  • Die Vermittlung eines realistischen Zeitplans und eines klaren Maßnahmenpakets zur schrittweisen Normalisierung erhöhen die Kontrollier- und Planbarkeit für alle. Dies hilft, negative psychische und körperliche Auswirkungen der aktuellen Belastungen zu minimieren
  • Vorbeugende Segregation einzelner Bevölkerungsgruppen, beispielsweise älterer Menschen, allein zu deren eigenem Schutz als paternalistische Bevormundung ist abzulehnen
  • Zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe I in reduzierten Gruppengrößen bis maximal 15 Kinder und Schulfächern wieder schrittweise öffnen; Kitas und Kindergärten mit Gruppen zu maximal 5 Kindern wieder eröffnen
  • Einzelhandel und Gastgewerbe wieder öffnen, allgemeinen geschäftlichen und behördlichen Publikumsverkehr wieder aufnehmen, außerdem dienstliche und private Reisen unter Beachtung entsprechender Schutzmaßnahmen erlauben.

Der IWF gibt den sofortigen Schuldenerlass für folgende 15 ärmsten Länder bekannt: Afghanistan, Benin, Burkina Faso, Central African Republic, Chad, Comoros, Congo, D.R., The Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Haiti, Liberia, Madagascar, Malawi, Mali, Mozambique, Nepal, Niger, Rwanda, São Tomé and Príncipe, Sierra Leone, Solomon Islands, Tajikistan, Togo, and Yemen. Das Volumen: 500 Millionen US-Dollar insgesamt – macht etwa 20 pro Land. Das reicht gerade, um die Schulden dieser Länder beim IWF weiter abtragen zu können. Zynisch, wie die Reichen mit den Armen umgehen. Und dann wundern wir uns, wenn sie unsere Welt stürmen…

14. April: Eine Sympatheträgerin ist sie nicht unbedingt. Wenn man die Heidelberger Anwältin Beate Bahner auf Youtube erzählen hört, wie man sie am Ostersonntag in die Psychiatrie verfrachtete, ist man erstmal zwiespältig berührt. Diese Frau klingt überkandidelt.

Aber: Beate Bahner ist seit 25 Jahren Fachanwältin für Medizinrecht und Autorin mehrerer Fachbücher. Als solche hat sie sich einer Frage angenommen, die zurzeit nicht wenige Bundesbürger umtreibt: Wie weit darf eine Regierung in der Beschränkung der Grundrechte gehen, um der Ausbreitung eines Virus entgegen zu wirken? Bahner spricht in Sachen Coronavirus von „grässlichen Lügengeschichten“ und „Coronoia“. Sie hält die Beschränkungen für den „größten Rechtsskandal“ in der Geschichte der Bundesrepublik und hat deshalb einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht dagegen eingereicht. Dieses hat den Antrag abgelehnt; aus formalen, nicht aus inhaltlichen Gründen. Am Ostersonntag nun fühlte sich die Anwältin nach eigenen Angaben verfolgt und bat zwei junge Autofahrer, die Polizei zu rufen. Die kam dann auch – und nahm Beate Bahner nach deren Angaben ziemlich unsanft fest, um sie erstmal gegen ihren Willen und ohne ärztliche Einweisung in der Psychiatrie Heidelberg in einer Zelle ohne Toilette und ohne Dusche die Nacht verbringen zu lassen. Am folgenden Tag wurde sie umquartiert in ein normales Zimmer, wo sie – nach eigenem Bekunden immer noch gegen ihren Willen – wohl die kommenden Wochen verbringen wird. Sie habe einen verwirrten Eindruck gemacht und körperliche Gewalt gegen die Polizisten aufgeübt, gaben diese zu Protokoll.

Nun geht es nicht um die Frage, wie sympathisch eine Beate Bahner ist. Weil sie zu einer Demonstration gegen die bundesweiten Corona-Schutzmaßnahmen aufgerufen hat, ermittelt der Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg wegen Aufruf zu einer Straftat gegen sie. Auch ihre Homepage wurde deshalb zeitweilig zwangsweise vom Netz genommen. Durch den Vorfall am Ostersonntag ist jetzt ein ungeheuerlicher Verdacht entstanden: Kommt in der Bundesrepublik Deutschland ein Mensch, der in seiner freien Meinungsäußerung der Ansicht des Staates entgegen steht, in die Psychiatrie??? Wird er dann festgesetzt, so wie in Russland, oder in China, oder der Türkei? Wie weit geht unser Staat, wenn er dafür sorgen will, dass seine Bürger ruhig bleiben und die Maßnahmen, die die Grundrechte erheblich einschränken, ohne Murren befolgen? Was bedeutet das für die Demokratie? Diese Fragen haben heute meinen Tag extrem belastet. Wenn dieser Verdacht nicht gründlich ausgeräumt wird, entsteht ein irreparabler Schaden für diese Regierung und unseren gesamten Staat. Nach dem geleakten Papier aus dem Innenministerium (siehe weiter oben) ist mir heute zum zweiten Mal intensiv klar geworden, dass eine Demokratie nur so stark ist, wie die, die sie verteidigen.

Es gab heute noch mehr Gründe, sich ausführlich zu ärgern. Erwartungsgemäß hat das Robert-Koch-Institut den Vorschlägen der Leopoldina widersprochen. Sein Chef, Professor Wieler, dessen Haltung mir zunehmend auf die Nerven geht, erläuterte, die Gefahr sei noch lange nicht vorbei, und überhaupt sei es unverantwortlich, gerade die Kleinsten zuerst wieder zur Schule gehen zu lassen. Gleichzeitig hat das Robert-Koch-Institut eine Studie veröffentlicht, wonach die Kontaktsperrmaßnahmen ab 23. März offenbar so gut wie gar keine Auswirkungen auf den Verlauf der Fallzahlen hatten. Dazu kommen die immer viel zu spät gemeldeten echten Fallzahlen und die seltsame Zählweise. Dieses Institut hat aus meiner Sicht seinen Ruf auf lange Zeit verspielt. Auf der Statistik-Seite des RKI kann man unter anderem die saisonalen Influenza-Zahlen von 2020 abrufen. Das waren geschlagene 188 784 Fälle seit Januar – trotz vorhandener Impfmöglichkeiten. Kein Wunder, dass Lothar Wieler heute stolz verkündete, das Ziel, die Überschneidung von Influenza- und Corona- Viruserkrankungen zu stoppen, sei nach dem Ende der Influenza-Saison nun erreicht, und man müsse nach derzeitigem Stand nicht mit Engpässen in den Intensivstationen rechnen. Wer hat da wohl die meisten Intensivbetten belegt: Die Grippe-Patienten oder die mit Covid 19 ???

Präsident Trump wird von einer Jorunalistin hart angegriffen

Noch ein paar Nachrichten aus dem Rest der Welt: Eine satte Anzahl von Gouverneuren in den USA will sich untereinander abstimmen, wann und wie Lockerungen des Shotdowns angegangen werden sollen. Donald Trump beansprucht das alleinige Entscheidungsrecht für sich. Anwälte des Weißen Hauses belehren ihn, dass er dazu kein Recht hat. Der beeindruckende Governor des Staates New York, sagt: „Wir haben keinen König Trump, sondern eine Verfassung.“ In einer Live-Pressekonferenz wird Trump, der ein Video mit seinen Erfolgen in der Krise vorstellt, von einer weiblichen Journalistin auseinander genommen und ist not amused. Dr. Anthony Fauci spricht sich gegen eine zu schnelle Öffnung in der Krise aus. Trumps neuer Corona-Kommission gehört der Wissenschaftler nicht an. Aber Tochter Ivanka und ihr Mann Jared Kushner sollen dabei sein.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn informiert sich an der Uni Gießen über den Stand der Corona-Lage und steigt dazu mit elf Personen in einen Fahrstuhl. So geht social distancing in der Praxis… Der Ölpreis fällt trotz Beschränkung der Fördermengen wieder unter 20 Dollar/Barrel. Israel und Deutschland führen nach einem Ranking der britischen Deep Knowledge Group die weltweite Liste der sichersten Staaten in der Krise an. Die türkische Regierung will 90 000 Gefangene freilassen, politische sind aber nicht dabei. Eine Umfrage der Bank of America ergibt, dass die Anleger zunehmend Bargeld horten und von den Unternehmen fordern, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Melania Trump hat heute bei Elke Büdenbender, der Frau von Bundespräsident Steinmeier angerufen, um sich nach der Corona-Situation in Deutschland zu erkundigen und zu betonen, dass die USA in der Krise fest an der Seite Europas stehen. Ich bin endlich mit den Masken fertig und werde mir als nächstes ein schönes Sommerkleid nähen. Damit gehe ich dann ins Eiscafé – wenn es endlich wieder öffnet.

15. April: Es wurde geschlagene 18 Uhr, bis das Gezänk der Länderchefs und Möchtegern-Kanzlerkandidaten in einen Kompromiss gemündet war, der in einer langen Live-Pressekonferenz öffentlich vorgetragen werden kann. Kurz zusammengefasst lautet die Nachricht: Erstmal ändert sich kaum etwas. Das Kontaktverbot bleibt bis 4. Mai unverändert bestehen. Ab diesem Datum sollen die Schulen teilweise wieder öffnen – zunächst für die Abschlussklassen in reduzierter Klassenstärke. Bis dahin sollen entsprechende Ablauf- und Hygienepläne erstellt werden. Hm. Hätten nicht wenigstens die Hygienepläne schon fertig sein können?

Großveranstaltungen bleiben bis Ende August verboten. Es gibt vorerst keinerlei Lockerung für die Gastronomie. Aber ab kommenden Montag dürfen „kleinere“ Geschäfte wieder öffnen. Darüber, was nun klein ist, gab es hinter den Kulissen erheblichen Streit. Bei 800 Quadratmetern Fläche soll die Grenze liegen – damit nicht zu viele Menschen in die Innenstädte gelockt werden und die Abstandsregeln auch gut durchgesetzt werden können. Auch Friseure dürfen wieder öffnen, diese sollen Schutzausrüstung tragen. Kaum ist die Nachricht bekannt, gibt es ein wildes Geschrei unter den Einzelhändlern. In der Tat ist schwer einsehbar, wieso ausgerechnet in kleinen Läden ein Kontaktverbot leichter einhaltbar ist. Bis Montag sollen nun Pläne vorliegen, wie die Abstandsgebote durchgesetzt werden können. Hm. Wieso sind die nicht längst fertig?

Kein Wort gibt es in der Pressekonferenz zum Thema Fußball, bzw. überhaupt zum Sport. Auch Gottesdienste sollen nach wie vor nicht stattfinden, was auf entsprechende Kritik der Kirchen stößt. Kitas, Kindergärten und Grundschulen bleiben weiterhin geschlossen. Tierparks dürfen öffnen – für die meisten Rettung in letzter Minute. Für Auto- und Fahrradhändler gibt es keine Flächenbegrenzung der Läden. Und dann haben wir noch etwas ganz wichtiges gelernt:

Community-Masken – wie die Kanzlerin sie nennt – bzw. Alltagsmasken, werden dringend empfohlen beim Einkauf und bei der Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs. „Die bekommt man ja jetzt wieder recht gut“, meinte die zu diesem Thema sichtlich uninformierte Angela Merkel. Wie auch immer: Die selbst genähten Masken sind jetzt plötzlich öffentlich anerkannt. Entsprechend wird der Bedarf steigen und das, wo viele von uns Nähmaschinenbesitzerinnen keine Masken mehr sehen können. Alle Politiker betonen unisono, man dürfe jetzt auf keinen Fall das Risiko eingehen, dass die Fallzahlen wieder steigen. Die Verdoppelungsrate liegt heute bei 25,2, bzw. die Ansteckungsquote R bei knapp über 1 (ein Mensch steckt auch nur einen neu an). Angela Merkel rechnet vor, was es bedeutet, wenn diese Quote auch nur auf 1,2 steigt und wie schnell das Gesundheitssystem immer noch überlastet werden kann. Es sei ein zerbrechlicher Erfolg errungen worden, den es zu schützen gelte.

Schweden geht während dessen immer noch seinen Sonderweg. Verboten sind nur Besuche in Altenheimen und Versammlungen von mehr als 50 Personen. Ansonsten geht das Leben im Land seinen gewohnten Gang. Die Regierung hat an die Bürger appelliert, Hygienemaßnahmen einzuhalten und sich verantwortlich zu benehmen. Das Gesundheitsministerium Schwedens hat letzte Woche mitgeteilt, dass rund 40 Prozent der insgesamt 1000 in Verbindung mit dem Virus im Land Verstorbenen in Einrichtungen für ältere Menschen registriert wurden. Laut Johns-Hopkins-Universität zählt Schweden mit seinen 10,3 Millionen Einwohnern heute abend 11 927 Infizierte und 1 203 Verstorbene. Die EU-Kommission bemüht sich um Abstimmung der Mitgliedsländer bei den Lockerungsmaßnahmen, um Wanderbewegungen zu vermeiden. Bisher fahren die Länder recht unterschiedliche Strategien.

Ich werde jeden Tag ärgerlicher. Dieses ganze politische Theater löst einen irrationalen Wunsch nach Umarmung meiner Freunde in mir aus.

16. April: Wie der Bundespräsident sagte: Corona holt das Beste und das Schlechteste aus den Menschen heraus. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wird jetzt regelrecht Jagd auf Menschen gemacht, deren Nummernschilder indizieren, dass sie sich evtl. an der Küste „verstecken“ wollen. Im Magazin Kontraste sagte die dortige Polizei, man werde von einer Fülle denunzierender Anrufe überschwemmt. Menschen aus anderen Bundesländern, die an der Ostseeküste arbeiten, hätten zurzeit nichts zu lachen. In solchen Sachen bin ich ausgesprochen nachtragend. Heute ist ein möglicher Urlaub an der Ostsee bei mir für sehr lange Zeit gestrichen worden.

Im selben Magazin wird berichtet, wie die Polizei in Frankfurt am Main eine Demonstration gegen das Versammlungsverbot mit Gewalt auflöst. Eine Journalistin, ebenfalls von dieser Gewalt betroffen, sagt: „Ich habe Angst, dass die Polizei sich an ihre zurzeit stark erweiterten Befugnisse gewöhnt. Und dass die Bevölkerung sich daran gewöhnt, Einschränkungen ihrer Grundrechte klaglos hin zu nehmen. Oh ja: Diese Befürchtungen treiben auch mich um. Daher ist die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für mich ein echter Lichtblick: Demonstrationen sind in der Corona-Krise nicht automatisch verboten, hat dieses am Beispiel von Gießen entschieden. Dort hatte die Stadt  zwei Versammlungen verboten, die unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ angemeldet worden waren. Dies, obwohl laut Veranstaltern die Zahl der Teilnehmer auf etwa 30 Personen begrenzt werden sollte. Außerdem sollte ein ausreichender Abstand zwischen den Teilnehmern gewährleistet werden – dazu war ein ausgeklügeltes System erdacht worden. Wie gut, dass es Richter gibt, die nicht erlauben, dass Grundrechte so einfach kommentarlos gestrichen werden.

Der unsägliche Unternehmer Wolfgang Grupp, Inhaber des Textilunternehmens Trigema, findet 12 Euro pro wiederverwendbarer Behelfsmaske „angemessen“. Ja, schon klar. Dieser Mann war schon immer die beste Werbung für sich selbst. Die Maske ist ein einfaches Stück weißen Stoffes, mit der Overlock versäubert und umgenäht, die Herstellung für Profis an Profimaschinen eine Sache von höchstens zwei Minuten. Für diesen Preis bieten andere Hersteller weit mehr Masken an, zum großen Teil mit besserem (auch medizinisch nachweisbarem) Schutz. Unbekannte stehlen zehn Klopapierrollen aus einem Keller in Halberstadt, meldet der MDR. Die Polizei ermittelt wegen Diebstahls im „besonders schweren Fall“ und kommentiert: Das sei in Tagen wie diesen nicht lustig. Nach der gestrigen Einigung zwischen Kanzlerin und Länderchefs über erste Ausstiegsschritte aus dem Shutdown gab es heute das erwartete vielstimmige Durcheinander. Jedes Bundesland passt seine Schritte jetzt an die eigene „Sonderlage“ an. „Och, nicht schlimm“, lächelt der regierende Bürgermeister von Berlin. „Wir bleiben doch alle ungefähr in einem Korridor von zwei Wochen…“ Die Kirchen sind empört, dass Geschäfte öffnen dürfen, Gotteshäuser aber nicht. Berufstätige Eltern verzweifeln daran, dass gerade die besonders betreuungsintensiven kleineren Kinder immer noch zuhause bleiben müssen. Das Gaststättengewerbe kommt in eine immer schwierigere Lage, weil sich hier auch kein Geschäft nachholen lässt. Kurzum: So langsam geht allen die Geduld aus.

In den USA bahnt sich eine wirtschaftliche Katastrophe an. Allein in der letzten Woche gab es 5,2 Millionen neuer Anträge auf Arbeitslosenunterstützung. Insgesamt hat die Arbeitslosenzahl jetzt 22 Millionen erreicht. Präsident Trump lässt tatsächlich mitten im Wahlkampf auf die Hilfsschecks für die ärmere Bevölkerung seinen Namen drucken, als sei er selbst der Gönner – und äußerst sich öffentlich sehr zufrieden über sein Vorgehen. Die Zustellung der ersten Schecks verzögert sich durch die Maßnahme um mehrere Tage. Die Hilfspakete mit Schutzausrüstung aus Russland für die USA wurden zu einem großen Teil von Firmen produziert, die auf der US-Sanktionsliste stehen. So führt man den politischen Gegner vor – ganz ohne lautes Geschrei. Andrew Cuomo, Gouverneur des Staates New York, teilt mit, dass die Ausgangsbeschränkungen noch mindestens bis 15. Mai andauern werden, während der Präsident einen Plan vorstellt, wie die Wirtschaft schnell wieder angeworfen werden kann – am liebsten ab 1. Mai. US-Wissenschaftler teilen mit, dass es keinerlei Hinweis dafür gibt, dass der Corona-Virus einem chinesischen Labor entsprungen sein könnte.

Die Frühlingswärme ist wieder da. Jetzt blühen auch die Apfelbäume, und überall hört man die Rufe junger Vögel. Ich habe mir heute eine Umarmung meiner Freundin abgeholt, als ich dort war, um mit ihrer Tochter französisch zu üben. Es gibt auch schöne Momente in diesen Tagen.

17.April: Ich bin dankbar, dass das Thema Grundrechte nun in den Medien zunehmend Beachtung findet. Dies vor dem Hintergrund, dass auch in meinem Nachbarkreis drei Personen in die Psychiatrie gesteckt wurden, weil sie die neuen Regeln nicht beachten wollten. Jeden Tag erschreckt mich mehr, was diese Regeln aus den Ordnungskräften, aber auch allen anderen Deutschen machen. In deutsch-französischen Grenzregionen wird Hatz auf einreisende Franzosen gemacht. Das Denunziantentum nimmt jeden Tag zu. Die Ordnungskräfte gehen sehr großzügig mit ihren Rechten um, wenn es darum geht, Mitmenschen in Schach zu halten. Ich wünschte, ich hätte nicht erkennen müssen, warum unsere Bevölkerung im Dritten Reich so gehandelt hat, wie sie es eben tat – und fürchte inzwischen ernsthaft, dass sie auch wieder so handeln würde…

In den USA läuft ein Hauen und Stechen des Präsidenten gegen seine Gouverneure. Da wirkt es fast schon komisch, dass CNN Donald Trump empfiehlt, sich Angela Merkel als Beispiel zu nehmen. Indien verbraucht seit dem Lockdown nur noch die Hälfte der sonst üblichen Treibstoffmenge. Japan schenkt jedem Bürger umgerechnet 850€, um die Folgen des Notstandes abzufedern. Bundestagspräsident Schäuble regt an, die Sommerferien zu verkürzen, da ohnehin nicht klar sei, ob man dieses Jahr in Urlaub fahren könne. Die Ansteckungsquote sinkt jeden Tag: Jetzt steckt ein infizierter Deutscher statistisch nur noch 0,7 weitere an. Gesundheitsminister Spahn verkündet daher in den Nachrichten: „Stand heute haben wir den Virus im Griff.“ Hoffen wir das Beste…

Die deutschen Möbelhäuser verstehen nicht, wieso sie geschlossen bleiben sollen, die Autohäuser hingegen nicht. Ich verstehe es auch nicht – wie so viele dieser merkwürdigen Regeln. Die Kirchen werden langsam ernsthaft sauer, dass sie nicht öffnen sollen und wollen nicht verstehen, dass es um den Ramadan geht: Wenn die Moscheen wieder öffnen und das abendliche Fastenbrechen mit der ganzen Familie erlaubt wird, ist social distancing Geschichte. Einige Politiker machen mich wütend, wenn ich nur ihr Gesicht sehe: Statt die Fragen der Journalisten zu beantworten, wiederholen sie mantrahaft, wie sorgfältig und vorsichtig sie vorgehen. Man sollte sie Bußgeld zahlen lassen, jedes Mal wenn ihre Antworten das Thema verfehlen. Die Heute-Show lacht sich kaputt: „Wenn es eine Maskenpflicht gäbe, müssten sie endlich zugeben, dass es nicht genug Masken für alle gibt:“ Immerhin: Heute hat die BASF dem Staat allein 100 Millionen der begehrten Stoff-Fetzen gespendet. Ich werde zwar noch ein paar Masken nähen, aber nur, bis mein neuer Stoff eintrifft: Ich habe wundervolle Seide in kunstvollen Farben bestellt und sehe jetzt schon die herrlichen Kleider für hochsommerliche Temperaturen vor mir, die daraus entstehen werden.

Hurghada und Sharm el Sheik am Roten Meer sind zu Geisterstädten geworden. Die einheimischen Ärzte und Pfleger haben nichts zu lachen: So sehr fürchten sich ihre Mitbürger vor Ansteckung, dass sie ausgerechnet die, die für ihre Gesundheit im Dienst sind, auch noch angreifen. Im Land verbliebene Deutsche haben die größten Schwierigkeiten, noch auszureisen, da der internationale Reiseverkehr eingestellt ist. Die deutsche Botschaft hat jetzt für den 23. April einen kommerziellen Flug angekündigt – heißt: Kostenlos gibt es gar nichts. In den Facebook-Gruppen teilen einige Reiseveranstalter mit, dass sie freiwillig Geld zurück erstatten und werben schon für die Zeit nach Corona.

Die schönste Nachricht des Tages: Island hat seine Einwohner ermutigt, statt anderer Menschen Bäume zu umarmen, und zwar mindestens fünf Minuten lang pro Tag. Die Ranger machen darauf aufmerksam, dass es in den Wäldern sehr viele Bäume gibt: Es bestehe also keine Notwendigkeit, dass jeder den selben umarme. Es sei auch egal, ob der Baum dick oder dünn, jung oder alt sei: Es geht allein um die Umarmung.

19. April. In Wuhan ist nicht nur offiziell das Corona-Virus erstmal aufgetreten; hier gibt es auch ein Hochsicherheits-Labor, das mit Viren experimentiert. Der wegen schlechten Krisenmanagement unter Druck stehende Donald Trump beschuldigt China nun, dass das Virus aus dem Labor ausgebrochen sein könnte und beklagt, dass das Land keine amerikanischen Kontrolleure zugelassen hat. Hm. Würde Amerika in so einem Fall chinesische Kontrolleure ins Land lassen? Der Leiter des betroffenen Labor zeigt sich in einem Interview beinahe hysterisch und betont, man habe alle Sicherheitsvorschriften eingehalten. Aus dem Labor sei gar nichts entwichen, und mit Viren als Waffen experimentiere man ebenfalls nicht.

Meine Klassenkameradin vom Gymnasium, die jetzt in den USA lebt und arbeitet, postet empörte Nachrichten über „die Idioten, die gegen die Ausgangssperre protestieren. Wenn ihr rausgehen wollt, um zu sterben, tut das, aber lasst die anderen Leute in Ruhe!“ Mein ehemaliger Arbeitskollege berichtet von ersten Aufständen in Madagaskar: Die Bevölkerung darf nur noch vormittags das Haus verlassen, um einzukaufen. Sehr viele Menschen haben aber keine Möglichkeit mehr, Geld zu verdienen. Angekündigte staatliche Hilfen kommen nicht, Hilfen von anderen Staaten in Höhe von 400 Millionen Dollar seien irgendwo versickert, und die Lage werde täglich gefährlicher. Ich habe heute vier Stunden telefoniert, und es ging fast nur um das Virus. Das Virus und die ständig wechselnden Argumentationen der Regierung. Die werden heute auch in den Nachrichten thematisiert: „Die Regierung fährt auf Sicht und uns in den Nebel“ sagt Theo Koll im Bericht aus Berlin. Ein Beispiel dafür, wie wir immer länger hingehalten werden, sind die Vermehrungszahlen der Infektionen, deren Sinken Bedingungen für Lockerungen sind: Nachdem die als Bedingung geforderten Verdoppelungszahlen um ein Vielfaches unterschritten waren wurde auf den „Reproduktionsfaktor“ gewechselt, der unter 1 sein sollte. Das ist nun seit letzten Freitag der Fall.

Nun wird diskutiert, die Kitas bis zum Sommer geschlossen zu halten. Wie viele Regierungsmitglieder haben eigentlich Kinder und wissen, was sie da tun? Die Welt postet einen engagierten Kommentar. Morgen beginnen nun die ersten Lockerungen, und die Fragen, ob und wann wir wieder zum Normalzustand zurückkehren, werden intensiver. „Wir werden alles dafür tun“, sagt kryptisch Justiziministerin Christine Lambrecht. Gesundheitsminister Jens Spahn ist da konkreter: So lange es keinen Impfstoff gebe, werde gar nichts normal, sagt er. Ohne Tracking Apps auf dem Handy auch nicht. Das sind ja tolle Aussichten. Die spanische Regierung kündigt an, dass wohl die gesamte Urlaubssaison 2020 ins Wasser fallen wird. Na toll.

Nicht nur die deutsche Gastronomie steht am Rande ihrer Existenz: Das gilt auch für die Medienbranche. Obwohl qualifizierte Nachrichten so gefragt sind wie lange nicht mehr, sind die Werbeeinnahmen in einem Ausmaß eingebrochen, dass auch Redaktionen renommierter Verlage kurzarbeiten müssen. Ein ehemaliger Kollege jammert sich bei mir aus: Alles sei regelrecht unerträglich geworden. Die wahre Abhängigkeit der Medien wird überdeutlich: Sie leben von bezahlter Werbung. Kann man in so einem Konstrukt wirklich unabhängig berichten?

Weltweit sind laut Johns-Hopkins-Universität jetzt knapp 2,4 Millionen Menschen infiziert: 755 533 davon in den USA (40 461 Tote), 196 664 in Spanien (20 595 Tote), 178 972 in Italien (23 660 Tote), 154 097 in Frankreich (19 744 Tote), 145 184 in Deutschland (4 586 Tote), 121 172 in Großbritannien (16 095 Tote). Es folgen die Türkei, China, Iran, Russland und Brasilien. Ein Drittel der Infizierten in den USA (247 698) kommen aus dem Staat New York (40 461 Tote), gefolgt von 85 301 in New Jersey (4 623 Tote). Der Präsident twittert wilde Unflätigkeiten über seine politischen Widersacher und preist sich selbst als großen Krisenmanager.

20.April: Angela Merkel hat einen kurzen Blick hinter Muttis Maske offenbart: In einer Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums kritisierte sie heute in schroffem Ton „Öffnungsdiskussionsorgien“. Ein kleiner Vorfall mit großer Bedeutung: Diese Kanzlerin hat viele Jahre lang all ihre Widersacher still und leise aus dem Weg geräumt. Wird sie nun ähnlich auf alle reagieren, die ihr demokratisches Recht auf Diskussion über das Ende des Lockdowns nutzen wollen? Mit der Macht ist es so eine Sache: Irgendwann denkt der/die Mächtige, alleiniges Denk- und Bestimmungsrecht zu haben… Später am Tag hält Mutti eine Ansprache an die Kinderlein und warnt davor, übermütig zu werden: Es dürfe keine zweite Infektionswelle risikiert werden. Virologenpapst Christian Drosten bläst in das gleiche Horn. Interessant auch: Ausgerechnet heute, zu Hitlers Geburtstag, findet in Dresden eine genehmigte Pegida-Demonstration statt. Die Stadt hat sehr scharfe Auflagen gemacht, die eingehalten werden.

Der erste Tag der Lockerungen sorgt allenthalben für Ärger. Bayern öffnet die Geschäfte erst eine Woche später, in Hessen und Rheinland-Pfalz können große Ketten öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche bis auf 800 Quadratmeter absperren, in NRW dürfen Möbelhäuser öffnen, egal wie groß sie sind. Das Geschrei im Handel wird immer lauter – ist manchmal aber auch nicht ganz glaubthaft: Wie kann es sein, dass ein Schuhgeschäft, das einen Monat lang schließen muss, dabei gleich 30 Prozent seines Jahresumsatzes einbüßt? Da muss ich sogar mal lachen. Obwohl lustig wirklich anders geht. Insgesamt vier Bundesländer haben bis zum Abend eine allgemeine Maskenpflicht angekündigt, bzw. umgesetzt – weitere werden wohl folgen. Die Menschen sollen einkaufen gehen, damit der Handel Umsatz macht, aber lieber zuhause bleiben, um niemanden anzustecken. Sehr witzig. Draußen hat es seit Wochen nicht mehr geregnet. Heute muss die Feuerwehr mehrfach zu großen Waldbränden ausrücken.

Der Beginn des Sommersemesters an den Universtitäten erfolgt ausschließlich digital – was manchen Professor sichtbar begeistert; kann man doch jetzt mal richtig experimentieren und neue Möglichkeiten entdecken. Die Verzweiflung von Eltern mit kleinen Kindern wird immer größer. Da nützen auch angekündigte weitere Finanzhilfen wenig: Es ist ausgesprochen schwierig, die lieben Kleinen den ganzen Tag zu beschäftigen und dabei auch weiteren Pflichten gerecht zu werden. Ausgerechnet jetzt setzt sich der Tagesspiegel mit der Frage auseinander, ob es rechtlich möglich ist, besonders gefährdete Gruppen, hier speziell ältere Menschen, weiter zu verpflichten, zuhause zu bleiben. Es ist rechtens, so die Quintessenz. Ich habe einen Wutanfall. Dieses Thema dürfte gar nicht diskutiert werden. Wir haben alle die gleichen Rechte, auch die Älteren. Keine Gruppe der Gesellschaft darf ausgegrenzt werden. Basta. Leise, aber nachdenklich stimmend heute diese Nachricht: Das Helmholtz-Institut verlässt das Corona-App-Konsortium wegen Datenschutz-Bedenken. Man findet es äußerst bedenklich, dass alle gesammelten Daten auf einem zentralen Server gespeichert werden sollen. Ich auch.

Auf den Märkten ist die Hölle los: Der Ölpreis stürzt ins Bodenlose. Die Lager der Welt sind voll, und neues Öl flutet täglich herein. Die USA wollen die staatliche Reserve vergrößern, damit nicht alles zusammen bricht. Der Goldpreis legt auf 1695$/Unze zu. Auch in den USA geht es rund: Der Präsident, der trotz der enormen Infektionszahlen auf ein schnelles Ende des Lockdowns dringt, agitiert öffentlich gegen die demokratischen Gouverneure und fordert deren Mitbürger auf, ihre Staaten „zu befreien“. In der Folge gibt es lautstarke Proteste der Lockdown-Gegner und Zusammenstöße mit den Befürwortern. Manchmal fragt sich, wie man in so einem falschen Film landen konnte… A propos Film: In den Bezahl-Programmen läuft am Abend Matrix – beim ZDF ein Teil des zweiten Films „50 Shades of Grey“… Eine wohl durchdachte Inszenierung gegen Deutschland veranstaltet zurzeit Italien. Die Regierung, die unbedingt Eurobonds durchdrücken will, verschweigt die deutschen Hilfsleistungen in der Krise und stellt „Hitlers Enkel“ als Diktatoren hin.

21. April: In meinem Städtchen ist noch immer nichts los, obwohl die Läden öffnen dürfen. Die Eisdiele verkauft jetzt am Tresen. Aber es ist verboten, das Eis auf dem Marktplatz zu verzehren. Was für ein Unsinn, da ist wirklich genug Platz. Ich esse es ein paar Meter weiter auf einer Bank unter den Linden am Bach. Danach Fahrt in die Kreisstadt zwecks Erstehens günstiger Baumwollstoffe: Was für ein Betrieb in dem Laden! Abstandhaltung nur unter Schwierigkeiten möglich, dafür aber eine gute Ausbeute. Ich ärgere mich über einen jungen Vater, der mit einem Säugling im Arm dessen Mutter beim Einkauf beobachtet, sinnlos vor den Stoffen im Weg herum steht und mich auch noch anraunzt, ich solle gefälligst 1,50 Meter von ihm entfernt bleiben. So geht es natürlich auch… Mein heißgeliebter Asia-Imbiss schließt Stunden früher als sonst: Keine Kundschaft, bedauert der junge Vietnamese.

Jetzt ist auch das Oktoberfest abgesagt – was an sich auch sein Gutes hat. Dass es dieses Jahr so gar keine Feste geben wird, macht mich dennoch traurig. Es wären auch wirklich schöne dabei gewesen. Der ganze Hickhack um das Virus macht sowas von müde… Als Konsequenz aus der Corona-Krise will der Bund auch in künftigen Notfällen umfangreiche Sonderrechte beanspruchen. Patienten können ebenso wie Reisende zu Auskünften gezwungen werden, wie das Kabinett auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag beschloss. In zahlreichen Branchen wird das Arbeitszeitgesetz aufgrund des Corona-Virus aufgeweicht. 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche und Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist nun erlaubt. Angeblich nur bis zum 30. Juni 2020. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bekommt zusätzlich fast acht Milliarden Euro, um Masken, Handschuhe, Kittel und andere Schutzausrüstung für Arztpraxen, Krankenhäuser und Bundesbehörden zu beschaffen. Den Betrag von 7,8 Milliarden Euro hat das Bundesfinanzministerium bereits genehmigt.

Die WHO betont erneut, dass es noch lange dauern wird, bis alles besser wird, zumal das mit der Bildung von Antikörpern nicht immer klappt wie erwünscht. Das unsägliche Robert-Koch-Institut findet nun endlich auch, dass eine höhere Zahl von Autopsien klären müsse, woran die „Corona-Toten“ nun wirklich gestorben sind. Die Ärztezeitung weist darauf hin, dass das Virus systemische Gefäßentzündungen hervorrufe, bzw. verstärke. Professor Luc Montagnier, der 1983 das HI-Virus entdeckte, behauptet, Covid 19 sei von Menschen gemacht und stamme aus dem Hochsicherheitslabor in Wuhan. Dortige Forscher hätten mit damit gearbeitet, um einen Aids-Impfstoff zu entwickeln. Dabei sei es Ende 2019 versehentlich entwichen. „Wenn wir so weitermachen, stirbt unsere Spezies aus,“ sagt der Neurobiologe Stefano Mancuso. Ich persönlich denke schon lange, dass das für den Planeten das Beste wäre.

In Los Angeles wurden 4,1 Prozent der Einwohner auf Antikörper gegen Covid 19 getestet. Aus dem Ergebnis schließt man, dass die Zahl der Infizierten möglicherweise um 40 Prozent höher ist als die der derzeit registrierten. Die Firmen von US-Präsident Trump und seines Schwiegersohns Jared Kushner sind in großen Schwierigkeiten. Die von Kuschner zahlen bereits seit November (!) ihre Kreditraten nicht. Die Deutsche Bank zaudert weiter, in der Sache zu entscheiden. Derweil droht US-Justizminister Barr den Gouverneuren damit, dass der Staat einschreiten werde, falls die Lockdown-Maßnahmen übertrieben werden. Der Präsident selbst will seinen persönlichen Erfolg an den Todeszahlen messen lassen. Frankreich verlangt von Apple, die Software der Handys so zu verändern, dass Bluetooth dauerhaft eingestellt bleibe. Bisher wurde das aus Datenschutzgründen verhindert. Der Streit um die Speicherung der ermittelten Daten setzt sich fort. Edward Snowden warnt vor einer Architektur der Unterdrückung. Keinerlei Entspannung auch beim Ölpreis-Kollaps. Heute kostete Diesel an den Tankstellen meines Städtchens 93,9 cents – kaum zu glauben. Ich will sofort auf eine Insel in einem warmen Meer. Mit dem Mann meines Herzens und meinen Tieren. Dafür ohne Internet.

22. April: Ab Montag gilt die Maskenpflicht beim Einkaufen und im ÖPNV in allen Bundesländern; es sind auch Schals und Selbstgenähtes willkommen – ahahahaaaaaa…. Aber Vorsicht: Wer kein Busfahrer ist, darf im Fahrzeug keine Maske tragen, das kostet. Im Netz sprießen die Angebote für wiederverwendbare Baumwollmasken wie Pilze nach warmem Regen. Kein Wunder: Genügend Einmalprodukte wird es noch auf lange Zeit nicht geben. Der Bund will Prämien an Pflegekräfte bis 1500 Euro steuerfrei stellen, aber niemand will die Prämien selber zahlen. Und das, während ein unvorstellbarer Geldregen produziert wird: Rund 3,4 Billionen Euro, also mehr als 3 400 Milliarden Euro, haben die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten bislang offiziell eingeplant, um der Wirtschaft in Europa zu helfen und die Folgen des Corona-Crashs abzumildern. Diese Summe nannte die EU-Kommission am Montag ganz konkret. Eher ungefähr weiß man bisher, wie das alles bezahlt werden soll. Eurobonds noch nicht eingerechnet. Nachdem allgemeine Eurobonds – im Gegensatz zu solchen für den Wiederaufbau in Europa zurzeit keine Chance haben, werden die Töne in Italien etwas leiser. Aber ob nun mit oder ohne Eurobonds: Wie Europa und seine Währung diese Entwicklung überstehen sollen, ist derzeit völlig offen. Davon unbeeindruckt, will die EU-Kommission jetzt auch noch milliardenschwere Kredite an EU-Nachbarländer vergeben: Am meisten soll die Ukraine bekommen.

Die deutschen Profi-Fußballer wollen unbedingt Geisterspiele durchsetzen. Um das Hygienekonzept einzuhalten, würden aber bis Saisonende 20 000 Tests benötigt. „Damit testen wir besser medizinisches Personal,“ ätzt der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, hat die erste klinische Prüfung eines Impfstoffs gegen Covid 19 in Deutschland genehmigt. Die verläuft in drei Phasen und wird vermutlich dieses Jahr nicht mehr fertig. Aber dann kann es ganz schnell gehen mit einer Massenproduktion. Bei dem Impfstoffkandidaten des Mainzer Biotechnologieunternehmens BioNTech handelt es sich um einen sogenannten RNA-Impfstoff, der die genetische Information für den Bau des sogenannten Spikeproteins des CoV-2 oder Teilen davon in Form der Ribonukleinsäure (RNA) enthält. Bei der Impfung mit einem RNA-Impfstoff wird die genetische Information für den Bau eines ungefährlichen Erregerbestandteils mittels Injektion beispielsweise in den Muskel verabreicht. Die RNA wird in einige Körperzellen der geimpften Person aufgenommen. Diese Körperzellen nutzen die genetische Information der RNA zum Bau des Erregerbestandteils. Die so im geimpften Menschen produzierten Erregerbestandteile sind nicht infektiös und lösen auch keine Erkrankung aus.

Derweil verklagt der US-Bundesstaat Missouri China wegen seiner Verschleierungspolitik in den Anfängen der Epidemie. Der China-Korrespondent des ZDF gibt einen Vorgeschmack dessen, was auf uns zukommt: Zur Einreise in Peking muss ein QR-Code gescannt werden, in Wuhan ein anderer, im Hotel ein weiterer. Wenn die nicht grün leuchten, bedeutet das Quarantäne. Wer eine Stadt verlassen hat und wieder dorthin zurück kehrt, muss automatisch in Quarantäne – jetzt für drei Wochen, weil man auch am 14. Tag noch erkranken kann. Im Hotel muss täglich unter Aufsicht Temperatur gemessen werden. Der Mann wirkt gestresst. Der Präsident Madagaskars, Andry Rajoelina, präsentiert einen Kräutertrunk, der das Virus abwehren und heilen soll. „Es wurden Tests durchgeführt – und zwei Menschen wurden durch diese Behandlung mittlerweile geheilt. Dieser Kräutertee liefert innerhalb von sieben Tagen Ergebnisse“, versicherte der Präsident. Das Getränk, das „Covid-Organics“ getauft wurde, besteht laut madegassischen Institut für Angewandte Forschung (IMRA) zum Großteil aus Artemisia (eine Beifuß-Art) – einer Pflanze mit nachgewiesener Wirksamkeit bei der Malariabehandlung – und anderen madegassischen Kräutern. Jeder tut halt grade, was er/sie für besonders sinnvoll hält.

Meine neu erstandenen Baumwollstoffe sind gewaschen und gebügelt. Dann nähe ich halt in Gottes Namen noch ein paar Masken. Und dann reicht es für das nächste Jahrhundert. Mein aufblasbarer Whirlpool für die Gartensaison ist angekommen. Je nachdem, wie lange man nicht mehr reisen darf, reicht das Geld ja vielleicht bald auch für ein wetterfestes medizinisches Exemplar, das ganzjährig draußen bleiben kann. Wenn der Sommer so wird, wie der April bisher war, werden wir viel Gießwasser brauchen: Gerade mal zwei Prozent der durchschnittlichen Regenmenge sind bisher gefallen. Seit Wochen erlebt Deutschland fast durchgehend strahlende Frühlingssonne – was nicht nur am heutigen Tag der Erde für viele Stirnfalten sorgt. Ich habe noch nie Freiland-Tulpen gießen müssen, damit sie nicht vertrocknen, so wie dieses Jahr. Sogar der Flieder blüht schon.

23. April: Die Krise hat zur Gründung einer neuen Partei geführt. Sie nennt sich ‚Widerstand2020‘ und wäre nach meinem Empfinden besser eine Bürgerinitiative geworden. Gegründet wurde sie von Dr. Bodo Schiffmann, dem Leiter der Schwindel-Ambulanz Sinsheim und dem Rechtsanwalt Ralf Ludwig. „Widerstand2020 entstand als eine Idee und Vision. Aus dem Willen heraus, sich nicht mehr machtlos zu fühlen“, heißt es in der Homepage, die noch kräftig erweitert werden soll. Im Kern geht es den Gründern  um „Widerstand gegen den politischen Umgang, den wir gerade erleben, gegen das Außerkraftsetzen unserer Grundgesetze und gegen die Machtausnutzung unserer Regierung. Wir machen jetzt etwas anders.“ Bisher wurden einige Videos ins Netz gestellt und ein Blog begonnen. Dort erläutern die Gründer, wofür sie stehen. Bereits am ersten Tag nach Parteigründung, so Bodo Schiffmann, habe man über 7000 neue Mitglieder gewonnen. Der Hickhack um die Öffnungswege und die teilweise logisch nicht begründbaren Entscheidungen einzelner Bundesländer wird schärfer. Das veranlasst die Kanzlerin, in einer Regierungserklärung zu sagen, dass sie das Vorgehen einiger zu forsch findet.

Nach dem heutigen Gipfel der EU-Staatsschefs betonte die deutsche Seite wortgleich, dass eine Stärkung Europas im deutschen Interesse liege. Das 540 Milliarden schwere Hilfspaket wurde zwar verabschiedet, aber in Sachen Eurobonds gab es keine Einigung. „Im Kern ruht das deutsche Hilfsangebot nach allem, was zu hören ist, auf zwei Säulen: Der europäische Haushalt soll vergrößert werden, damit mehr Geld für Wirtschaftshilfen in den von der Krise besonders betroffenen Ländern zur Verfügung steht. Und die EU soll in die Lage versetzt werden, Kredite aufzunehmen. Mit dem geliehenen Geld wird ein so genannter Wiederaufbaufonds befüllt, der dann seinerseits Kredite an die Mitgliedsländer ausreicht. Dieser Fonds ist gewissermaßen das, was von der Idee der Coronabonds übrig geblieben ist“, schreibt die Zeit.

Nord-Japan war sehr früh zur Normalität zurückgekehrt und steht nun vor einer zweiten Infektionswelle. Ein Antikörpertest mit einer repräsentativen Zahl von Einwohnern ergab, dass im Staat New York mutmaßlich 20 Prozent aller Menschen infiziert waren und die meisten gar nichts davon wussten. In Kalifornien ergab ein vergleichbarer Test, dass in Santa Clara County vier Prozent der Einwohner vom Virus befallen waren. Nachdem die USA ihre 400 Millionen Jahresbeitrag an die WHO nicht mehr zahlen wollen, leistete China seine jetzt zweite Sonderzahlung an die Organisation. Der offizielle Jahresbeitrag des Landes liegt bei 44 Millionen Dollar. Im März zahlte China außerdem 20 Millionen für den Kampf gegen die Pandemie, jetzt will es mit weiteren 30 Millionen dazu beitragen, den ausfallenden US-Anteil auszugleichen. Die WHO hat einen Jahresetat von rund 4,4 Milliarden Dollar. Nur etwa 25 Prozent davon kommen aus den Mitgliedsbeiträgen der beteiligten Staaten, der Rest von freiwilligen Spendern, die ihre Zuwendungen oft an bestimmte Projekte binden.

In den USA ist die Arbeitslosenzahl um weitere 4,4 auf jetzt über 26 Millionen Menschen in nur fünf Wochen gestiegen. Die USA haben knapp 330 Millionen Einwohner, davon waren laut Statista im Jahr 2018 155,8 Millionen erwerbstätig. Man hatte ursprünglich mit einem Anstieg auf 158,1 Millionen in 2020 gerechnet. Ein neuen Anti-Trump-Song wird auf Youtube gerade zum Hit: „Vote him away“

26. April: Heute lernen wir Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble mal von einer ganz anderen Seite kennen: „Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig“, hat er in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt. „Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen. Der Staat muss für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten. Aber Menschen werden weiter auch an Corona sterben“, sagt Schäuble. Wie wohltuend in dieser zunehmend scharfen Diskussion um die Lockerungen des Lockdowns! Genau so ist es: Menschen werden weiter sterben. An Krebs, An Herz und Kreislauf, an Aids, an Malaria, an der Grippe und an Corona. Aber sehr viele werden auch weiter leben!

Die Nachricht, dass Kitas für mehr als drei Millionen Kinder unter Umständen bis zum Sommer nicht mehr öffnen, bringt viele Eltern zu echter Verzweiflung. Die widersprüchlichen Anweisungen der Regierung schüren Ärger. In Grevenbroich wurde am Wochenende ein ganzes Hochhaus mit 450 Bewohnern abgeriegelt, weil zwei unter Quarantäne stehende Familien nicht zuhause geblieben waren und Kontakt mit anderen Hausbewohnern hatten. Jetzt darf keiner mehr raus, bevor nicht alle getestet sind. Unter anderem in Berlin, München und Stuttgart gehen hunderte von Menschen für die Grundrechte auf die Straße. Sie finden kaum Erwähnung in den Medien. Mein Test auf Facebook verläuft aber immer noch gleich: Die geringste Andeutung, dass nicht jede Regelung der Regierung sinnvoll ist, führt dazu, dass meine „Freunde“ mich zur Ordnung rufen. Morgen beginnt nun die Maskenpflicht beim Einkauf und im ÖPNV, ohne dass man genügend Masken kaufen könnte, geschweige denn zu einem vernünftigen Preis. Wenn ich daran denke, dass noch vor wenigen Wochen alle, die etwas zu sagen haben, Masken als völlig unsinnig bezeichneten, könnte ich schreien.

Der US-Präsident hat passend zum Wochenende einen gar nicht komischen Kalauer vom Stapel gelassen: Ihm erscheine es interessant, Desinfektionsmittel direkt in den Körper zu verabreichen, da diese doch Viren töten, tönte der geniale Mediziner in einer seiner täglichen Pressekonferenzen, die er zum Wahlkampf nutzt. Obwohl er anschließend zurückruderte und seine Aussagen als Sarkasmus bezeichnete, nahm das Unheil seinen Lauf, und die Giftnotrufzentralen in den USA bekamen richtig Arbeit. Sogar Hersteller von Desinfektionsmitteln warnten öffentlich davor, ihre Produkte zu trinken. Weltweit nähert sich die Zahl der Infizierten jetzt den 3 Millionen, ein Drittel davon entfällt auf die USA, wo inzwischen 54 500 Tote registriert wurden. Chefvirologe Dr. Fauci sagt, die Zahl der Tests müsse mindestens verdoppelt werden, bevor die Einschränkungen gelockert werden können. Bisher wurden in den USA etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung getestet. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates arbeitet mit Hilfe von Dr. Fauci an einem Impfstoff. Die USA und Dr. Fauci haben übrigens auch das Hochsicherheitslabor in Wuhan mit Geldern für die Forschung am Coronavirus unterstützt….

Eine tickende Zeitbombe ist der afrikanische Kontinent: Dort gibt es nicht nur zu wenig Wasser, um sich ständig die Hände zu waschen, zu wenig medizinische Ausrüstung, um Kranke richtig zu versorgen, sondern auch keinerlei soziales Netz, das den Hunger einer Bevölkerung abfedern könnte, der ohne Arbeit umgehend kommt. Da dort überdies mangels Ausrüstung kaum getestet wird, gibt es auch keine realistischen Infektionszahlen. Madagaskar diskutiert noch immer über die Wirksamkeit des magischen Kräutertrunks. Schweden geht nach wie vor seinen Sonderweg: Schulen, Geschäfte und Restaurants sind geöffnet, wobei jedoch auf Abstandsregeln geachtet werden soll. Beraten wird die Löfven-Regierung vom Staatsepidemiologen Tegnell, der nichts von den Lockdown-Maßnahmen anderer Länder hält, auch die Schließungen der Kindertagesstätten und Grundschulen sei nicht notwendig. „Wir glauben, wir erreichen mit Freiwilligkeit genauso viel wie andere Länder mit Restriktionen“, hat der 64-Jährige wiederholt gesagt. Zwar ist in Schweden die Sterberate pro Einwohner höher als in anderen Ländern, weshalb es auch scharfen Widerspruch gegen den Weg der Regierung gibt. Diese plant bisher jedoch keine wesentlichen Änderungen. Der britischen Premier Boris Johnson nimmt morgen wieder seine Amtsgeschäfte auf.

Stockholm am Wochenende

Ich habe weitere Masken genäht und das herrliche Frühlingswetter im Garten genossen. Zwischen Fliederduft und Baumblütenschnee werde ich in meiner heimischen Idylle dennoch immer gereizter und verbringe viel Zeit damit, darüber nachzudenken, warum das so ist. Immer wieder fallen mir dabei die Augen der Menschen ein, die ich in den letzten Wochen getroffen habe. Die irrationale Panik, die ich darin gesehen habe. Die Furcht, mir körperlich zu nahe zu kommen. Da wird mir klar, was mich so ärgerlich macht: Diese Strategie der Angst, mit der die meisten Länder der Welt zurzeit ihre Bevölkerung zum Gehorchen bringen, wird langfristige Folgen haben. Wie sollen wir uns je wieder nah sein können, wenn jeder andere Mensch als potentieller Überträger des Todes wahrgenommen wird? Ich will so nicht leben!

27. April: Man sieht immer im TV, wie kreativ die deutschen Schulen beim „Home-Schooling“ sind. In der Realität sieht das ganz anders aus. Ich bin heute zum dritten Mal als Nothilfe bei meiner Freundin. Deren 14jährige Tochter wird schier erschlagen von Schulaufgaben. Montags bekommen die Neuntklässler der Integrierten Gesamtschule eine Mail ihrer Schule mit einem Link. Wenn sie den öffnen, gelangen sie auf einen Server mit Ordnern für alle Klassen. In ihrem Ordner finden sie die Aufgaben für alle Fächer, die während der Woche erledigt werden sollen. Die sind nicht nur kurios, sondern teilweise richtig unverschämt. So heißt beispielsweise eine Physik-Aufgabe: „Zeichne ein Geothermiekraftwerk auf, erläutere seine Funktionen und gestalte passende Diagramme“. Im Physikbuch kein Wort zu Geothermie-Kraftwerken; dort finden sich andere Beispiele zu Energiegewinnung und -verteilung. Was tun also Mutter und Tochter? Sie suchten das Gewünschte aus Wikipedia heraus. Das soll betreutes Home-Schooling sein? Wozu brauche ich eine Schule – und einen Lehrer – wenn ich in Wikipedia suchen muss, was ich lernen soll? Also bitte…

Meine Hilfe ist gefragt, weil meine Freundin kein französisch spricht und ihre Tochter das Fach nicht nur hasst, sondern auch mit den Aufgaben überfordert ist. Die bestehen hier aus Kopien von Arbeitsblättern, die sich wahlweise auf ein Lehrbuch, ein Arbeitsbuch oder ein Grammatikbuch beziehen. Beim Versuch, gemeinsam aus den komplett in französischer Sprache gehaltenen Büchern heraus zu filtern, was zu tun ist, scheitern wir komplett. Die 14jährige kennt nach fast vier Jahren französisch nicht nur kaum Vokabeln: Sie kann sie schon gar nicht beugen oder in Zeiten einordnen; dies teilweise nicht einmal auf deutsch. Das bedeutet: Sie kann nicht mal herausfinden, was sie eigentlich tun soll. „Wenn ihr eine Frage zu den Aufgaben habt, schreibt mir gern eine Mail“, schreibt pseudo-freundlich der Lehrer. Was soll man denn da fragen? Hier fehlt es an allem, nicht nur an den Vokabeln. Das Mädchen kann die Wörter nicht phonetisch korrekt aussprechen, hat keine Ahnung von der Bedeutung der Akzente.“Wir haben noch nie Vokabeln auf bekommen“, behauptet die 14jährige. Kann ich mir zwar nicht vorstellen. Aber wie kann es sein, dass eine Schülerin nach vier Jahren Unterricht in einer Fremdsprache nicht einmal die einfachsten Regeln der Aussprache beherrscht? Was machen die da eigentlich die ganze Zeit in den Klassen???

Ok. Jetzt versuchen wir, das Unmögliche irgendwie in den Griff zu bekommen. Wir nehmen die jeweilige Lektion, schreiben die Vokabeln raus, üben das Lesen, das Beugen und die Zeiten. Die Tatsache, dass die Lehrbücher besonders modern sein wollen, macht es dabei nicht einfacher. Statt Texte grammatikalisch korrekt bereit zu stellen, sind regelmäßig umgangssprachliche Formulierungen eingebaut. Ja toll: So ist es besonders einfach, Grammatikregeln zu lernen! Wieso bringen die den Kindern nicht erstmal bei, wie es richtig geht, bevor sie lehren, wie das einfache Volk im Alltag spricht? Gebildete Franzosen nutzen ihre Sprache übrigens korrekt. Ich kann da nach einem Leben, das elf Jahre lang in französischer Sprache stattfand, recht gut mitreden… Als ich nach vier Stunden Stress mit einer weinenden Schülerin, einer zornigen Mutter und nicht vorhandener Unterstützung durch Lehrer wieder nach Hause fahre, frage ich mich, wann die Richtung in unserem Bildungssystem eigentlich so schrecklich schief gelaufen ist.

Ansonsten lernen wir heute noch, dass die Kultusminister weiterhin an einem Konzept laborieren, wie die Schulen sinnvoll wieder geöffnet werden können. China hat versucht, die internationale Berichterstattung zu manipiulieren. Die Reproduktionsrate in Deutschland ist wieder auf 1 gestiegen – oh weh, Gefahr im Verzug… Bei der Corona-Tracking-App wird jetzt der Ansatz einer dezentralen Datenspeicherung verfolgt. Nach dem Gesundheitsminister im vollgestopften Aufzug zeigt uns heute, am ersten Tag der Maskenpflicht, die Verteidigungsministerin, dass solche banalen Dinge wie Masken und Abstand für manche Teile der Bevölkerung nicht gelten. Die weisen Worte Schäubles finden in dem einen oder anderem Artikel Widerhall, in Frankreich und Spanien steigen die Infektionszahlen wieder an. Ach ja, und unser wunderbarer Außenminister will die Reisewarnungen verlängern und bereitet die Bevölkerung darauf vor, dass sie noch lange nicht ins Ausland fahren können wird. Oh, what a perfect day… Mein Ärger nimmt täglich neue Ausmaße an.

28. April: Erneut zur Französisch-Nachhilfe. Dabei die gesammelten Ausdrucke der Aufgaben für diese Woche besichtigt: Etwa 60 Blatt Papier, teils schön bunt, damit es auch ordentlich Druckertinte kostet. Darin unzählige Links: Zu Youtube-Videos, zu Museen, zu Nachschlageportalen. Aufgaben, Aufgaben, Aufgaben. Um sie zu bewältigen, müsste die Schülerin mindestens sechs Stunden täglich daran arbeiten. Von zuhause aus? Ein Ding der Unmöglichkeit. Und der Laptop funktioniert auch dauernd nicht. Zum Geburtstag soll es einen neuen geben – alle Familienmitglieder werden zusammenlegen. Aber der Geburtstag ist erst im August… Die ganzen Aufgaben müssen nirgendwo eingereicht werden. Statt dessen kommt zwei Wochen später ebenfalls per Mail die Lösung. Irgendwelches Feedback von der Schule: Fehlanzeige.

Das Lesen der französischen Texte klappt schon etwas besser. Mit dem Rest brauchen wir gar nicht anzufangen ohne Kenntnis der Vokabeln. Wir machen also ab, dass ich nächste Woche wieder komme. Bis dahin hat sie die Vokabeln einer der Lektionen gelernt. Ich bin sehr gespannt… Im TV viel Gejammer der Lehrer über das Chaos der Schulöffnung. Es werden geradezu unverschämte Aufgaben an die Pädagogen herangetragen. Man stelle sich vor: Da hat doch eine Schule verlangt, dass die Lehrer Tücher mitbringen, um die Tische in der Klasse vor dem Eintreffen neuer Schüler zu desinfizieren. Unzumutbar, oder? Ohhhhhhhhhh, Lehrer…. Am Abend erstmals mit Maske einkaufen gegangen. Gruselig. Besonders, wenn man sich wegen Heuschnupfens dauernd die Nase putzen muss. Alle, sogar die Verkäuferinnen, lassen das blöde Teil bei jeder Gelegenheit runter hängen, um frische Luft zu schnappen. Um es wieder hoch zu schieben, muss man es aber anfassen. Was für eine lächerliche Pseudo-Schutzmaßnahme.

Das Robert-Koch Institut wird nach zweiwöchiger Repräsentation durch einen wohltuend sachlichen Vizepräsidenten Lars Schaade wieder durch den unsäglichen Professor Wieler vertreten. Die Reproduktionszahl R ist wieder bei 0,9. Aber auch sie wird jetzt relativiert: Es ist schließlich nicht das selbe, wenn 1000 Menschen jeweils einen anderen anstecken, oder wenn es 10 000 sind… Was nicht gesagt wird: Es ist auch ein Unterschied, ob die 1000 Infierten weitere 1000 innerhalb einer Woche oder innerhalb von vier Wochen anstecken. Die Verdoppelungsquote ist sang- und klanglols in der Versenkung verschwunden. Der Medienzirkus wendet sich einem neuen Thema zu: Wenn die Wirtschaft dann wieder anzieht, darf es aber nicht so weiter gehen wie bisher: Dann muss unbedingt mehr für das Klima getan werden, und zwar schneller, als geplant. Die Kanzlerin findet das auch. Da bin ich aber mal gespannt…. Nachdem Deutschland seine Intensivbetten mit Beatmungsmaschinen von 20 000 auf 30 000 aufgestockt und sie nicht gebraucht hat, sind ab nächster Woche wieder Plan-Operationen erlaubt.

Deutschland zählt heute 159 431 Infizierte. Das ist, wohlgemerkt, die Zahl aller bisher registrierten Infekte. 6 280 Menschen, die auch Corona hatten, sind gestorben. 117 400 sind wieder gesund. Summa summarum sind also aktuell genau 35 701 von 83 Millionen Deutschen infiziert und derzeit auch noch krank. Jeder, der rechnen kann, sieht also, dass es dringend an der Zeit ist, die Zahl R zu relativieren. Es handelt sich überdies um eine Lungenkrankheit, die in den meisten Fällen mild verläuft, nicht um Ebola oder die Pest. Muss man dafür wirklich einen derartigen weltweiten Schaden anrichten? Na sicher sehe ich, wie viele Tote es in anderen Ländern gab. Und wo bleiben die Angaben zur Ausstattung der Krankenhäuser dort? Kein anderes Land der Welt hat offenbar so viele Intensivbetten wie Deutschland.

Es bahnen sich Katastrophen ganz neuer Art an, zum Beispiel in der Viehzucht. Da in den USA die Lieferketten zusammenbrechen, keulen die Farmer ihre Tiere. In Osteuropa ist die Vogelgrippe ausgebrochen und mit ihr das Keulen von Geflügel. Nein, keine Links dazu. Ich mag nicht mehr.

29. April: Nachdem die Welle an Corona-Intensiv-Patienten partout nicht die deutschen Krankenhäuser überschwemmen will, sollen diese langsam zum Normalbetrieb zurückkehren. Jetzt ist es amtlich: Die Reisewarnung der Bundesrepublik wird bis zum 14. Juni verlängert. Eine der klugen Begründungen des Außenministers ist, dass es ja ohnehin kaum noch Flüge gebe… So kann man die Welt verdrehen: Dürften die Bundesbürger reisen, gäbe es auch Flüge. Die Reisebranche demonstriert lautstark in Berlin. Es droht eine riesige Pleitewelle. Der Bürgermeister von Venedig ruft die Welt auf, so bald wie möglich die Stadt zu besuchen. Man brauche dringend Touristen. Noch letztes Jahr hallte es von dort genau umgekehrt. Die Bundesregierung erwartet mit einem noch optimistisch berechneten Minus von 6,3 Prozent die schwerste Rezession der Nachkriegszeit. Nach Schätzungen des Münchner Ifo-Instituts ist die deutsche Wirtschaft jetzt schon um 16 Prozent eingebrochen. Den größten Einbruch meldeten Reisebüros und -veranstalter (minus 84 Prozent), die Luftfahrtbranche (minus 76 Prozent), das Gastgewerbe (minus 68 Prozent), das Gesundheitswesen (minus 45 Prozent), Kunst, Unterhaltung und Erholung (minus 43 Prozent) sowie der Fahrzeugbau (minus 41 Prozent). Die Bundesregierung denkt laut über einen Corona-Immunitätsausweis nach. Die R-Zahl liegt heute bei 0,75. Aber seit gestern wissen wir ja, dass uns das gar nichts nützt, weil es Regionen im Land gibt, wo sie viel höher ist. Deutschland nutzt nur die Hälfte seiner Testkapazitäten und folgt dabei strikt den Vorgaben des RKI. Wer denen nicht entspricht, kann sich auf den Kopf stellen: Er wird keinen Test bekommen. Dennoch sollen noch mehr Kapazitäten aufgebaut werden, sagt der Gesundheitsminister.

Der Auto- und Raumschiffbauer Elon Musk lässt einen seiner berühmten nächtlichen Tweets los: Er fordert „Freiheit für Amerika“ und hält die Krise offenbar für beendet. Auch Donald Trump betont, die Regierung werde die bestehenden Beschränkungen nicht erweitern, obwohl die USA mittlerweile über 60 000 Corona-Tote zählen. Man habe nur deshalb so hohe Infektionszahlen, weil das Land soooo viel besser teste als alle anderen Staaten der Welt, twittert er zum wiederholten Mal. Interessant, wie wenig Widerhall in den Medien die Tatsache findet, dass die USA erst letztes Jahr auch das Hochsicherheitslabor in Wuhan mit Geldern für die Forschung am Coronavirus unterstützt haben. Jetzt setzen sie China unter Druck, amerikanischen Kontrolleuren Zugang zu diesem Labor zu verschaffen. Der US-Vizepräsident hat ein Krankenhaus besichtigt und dabei als Einziger keine Maske getragen, „weil er das nicht brauche“. Das denken offenbar viele Politiker, darunter alle deutschen.

Was noch passiert ist: Es hat ein paar Millimeter geregnet, gerade genug, um den Blütenstaub vom Auto abzuwaschen. Das US-Verteidigungsministerium bestätigt die Existenz von Ufos. Ein riesiger Asteroid namens „1998 OR2“ ist heute morgen an der Erde vorbei geflogen. Aber 16 mal weiter von ihr entfernt als der Mond. Und: Heute vor 75 Jahren wurde das KZ Dachau befreit.

30. April: Heute ist wieder so ein Tag, auf den viele gewartet haben: Die Kanzlerin will sich mit den Ministerpräsidenten über weitere Lockerungen abstimmen. Und wieder kommt nach langem Kreißen des Berges eine Maus heraus: Gottesdienste dürfen unter strengen Auflagen wieder stattfinden. Perspektiven für das Gastgewerbe? Keine. Für die Schulen: auch nicht. Wenigstens die Spielplätze dürfen wieder geöffnet werden. Was für ein Glück für die gestressten Eltern! Eine weitere nicht nachvollziehbare Entscheidung ist, dass ab Montag Friseure wieder öffnen dürfen, Fußpfleger aber nicht. Die stets extrem abwartende Haltung der Kanzlerin wird in Zeiten wie diesen zur Katastrophe. Inzwischen haben deutsche Betriebe für über zehn Millionen Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet – so viele wie noch nie. Am kommenden Mittwoch gibt es die nächste Abstimmung. Nicht, dass dann gleich etwas passieren würde. Aber man will Perspektiven geben. Ahahahaaaa – Hoffentlich leben sie noch, wenn sie wieder öffnen dürfen…. Rheinland-Pfalz geht einen kleinen Sonderweg: Ab nächster Woche dürfen auch Geschäfte über 800 Quadratmeter wieder ohne Einschränkungen öffnen. Und wieder steht ein langes Wochenende bevor; diesmal kühl und nass. Ich war heute zum Wocheneinkauf – mit Panik- und Erstickungsanfällen, obwohl ich die dünnste meiner Masken benutzt habe. Einfach nur schrecklich.

Weitere 3,5 Millionen Amerikaner haben Arbeitslosengeld beantragt – ingesamt sind es seit Mitte März jetzt 30 Millionen – oder 18,6 Prozent der werktätigen Bevölkerung. Der US-Vizepräsident absolviert heute all seine Termine mit Maske. Der Zauber-Heiltrunk Madagaskars hat offenbar stramme Nebenwirkungen. Mittlerweile ist er kontraindiziert für Kinder unter zwei Jahren, schwangere Frauen und Allergiker.

4. Mai: „Nicht der Bürger muss sich rechtfertigen, warum er ein Grundrecht ausübt, sondern der Staat muss rechtfertigen, warum und für welche Dauer er in Grundrechte eingreift,“ hat der Verfassungsgerichthof des Saarlandes am 30. April erklärt. Je länger die Freiheitsbeschränkungen andauerten, desto höher müssten die Anforderungen an ihre Rechtfertigung sein. Maßnahmen, die „in der Stunde der Not“ möglicherweise dringend geboten seien, müssten mit fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnissen „neu bewertet“ werden. Es war auch an der Zeit, dass das mal klar ausgesprochen wird. Leider sehe ich überall, wie massiv die Gehirnwäsche mit der Angst wirkt. Immer noch akzeptiert die Mehrheit – vor allem die, die keine finanziellen Einbußen hat – offenbar die Restriktionen. Bei Diskussionen auf Quora bin ich als zynisch und menschenverachtend beschimpft worden, weil ich den schwedischen Weg bevorzuge, sowie als unerträglich arrogant, weil ich der Hoffnung Ausdruck verliehen habe, dass ein Bodensatz von Menschen verbleibe, der sich weiterhin seines Verstandes bedient. Aber immerhin: Der Widerspruch nimmt zu.

Eine internationale Geberkonferenz hat heute 7,4 Milliarden Euro Fördergelder für die Corona-Forschung zusammengebracht. Russland und die USA haben sich nicht beteiligt. Das Geld soll auch dafür sorgen, dass Medikamente zu bezahlbaren Preisen gleichberechtigt an alle verteilt werden können. Allein 380 000 Afrikaner sterben jedes Jahr an Malaria, teilte die Afrika-Direktorin der Weltgesundheitsorganisation, Matshidiso Moeti, kürzlich mit. Malaria ist nur eine von zahlreichen epidemisch auftretenden Krankheiten, mit denen der Erdteil konfrontiert ist: Masern, Pocken, HIV-Aids, Dengue- und Lassafieber oder Ebola heißen einige der anderen. Die westliche Medizin entdeckte die Artemisia-Pflanze als Grundlage eines wirksameren Heilmittels gegen Malaria, Forscher standen sogar kurz vor der Einführung eines Impfstoffs. Ahaaaa…. deshalb also der Artemisa-Trunk in Madagaskar… Auf jeden Fall ist es fatal für Afrika, wenn sich jetzt alle Forschungen auf Corona konzentrieren: Das könnte böse Rückschläge bei Malaria und Ebola nach sich ziehen.

Nachdem die Reproduktionszahl noch immer bei 0,75 verweilt, hat das wunderbare Robert-Koch-Institut erneut seine Berechnungsgrundlagen geändert: Nowcasting heißt das neue Codewort. Das ist eine Methode, bei der die Fallzahlen geschätzt werden und gleichzeitig der Meldeverzug berücksichtigt wird. Es soll die Realität so besser abbilden und zeigen, wann sich Infizierte angesteckt haben. Bisher zeigten die Zahlen, wann eine Neuinfektion bekannt wurde. Jetzt rechnet das RKI den Zeitverzug heraus – und die Nowcast-Zahl gibt an, wie viele Neuinfektionen aktuell vorliegen würden. Sie berechnet, wann ein Covid-19-Infizierter tatsächlich erkrankt ist. Das kann Tage bis Wochen vor der offiziellen Meldung sein. Deswegen werden im Nowcast auch noch nicht gemeldete Fälle durch eine Schätzung ergänzt. Darum weißt die Kurve weniger Schwankungen auf. N beziffert das Level der Neuinfektionen, R zeigt den Trend an. „Die Reproduktionszahl R bestimmt also, wie sich die Anzahl der Neuinfektionen N in der Zukunft entwickelt“, erklären die Experten. Was in dieser Berechnung noch fehlt, ist jedoch die Dunkelziffer. Hier kommt nun der vielgeschmähte Professor Streeck zum Zug, der seine Heinsberg-Studie inzwischen abgeschlossen und heute seine Ergebnisse präsentiert hat. Nach Schätzungen seiner Wissenschaftler liegt die Dunkelziffer der Infizierten in Deutschland bei 1,8 Millionen. Offenbar verlaufe jede fünfte Infektion symptomfrei. Ansonsten hat der Wissenschaftler aus den Fehlern der letzten Präsentation gelernt: Keine Politiker dürfen sich auf seine Ergebnisse setzen, er selbst gibt auch keine Handlungsempfehlungen an die Politik.

Berkshire Hathaway, das Unternehmen des legendären US-Investors Warren Buffet, hat sämtliche Anteile an US-Airlines mit großem Verlust verkauft. Warren Buffet glaubt nicht, dass eine schnelle Erholung in Sicht ist. Auch die Lufthansa braucht die Hilfe des deutschen Staates zum Überleben. Dass der Staat dafür auch mitredet, will sie aber nicht. Ähnlich unverschämt verhalten sich die deutschen Autobauer, die nun zum zweiten Mal eine Kaufprämie des Staates für ihre Erzeugnisse fordern. Die drei Bundesländer mit den meisten Standorten werden zur Stimme der Konzerne.

18 der 30 Dax-Konzerne sind laut Analyse der Fraktion der Linken im Bundestag mit 110 Töchtern in Staaten aktiv, die auf der Schwarzen (Steuer-)Liste der EU stehen. Allein die Deutsche Bank hält 47 Firmen, die bis auf eine Ausnahme alle auf den Kaiman-Inseln angesiedelt sind. Es ist bezeichnend, das diese Praxis in der Regierung kein Thema ist – Lobbyisten leisten hier gute Arbeit. „Fast alle großen deutschen Unternehmen nutzen Steueroasen und verschieben einen Teil der Gewinne dort hin“, sagt Ralf Krämer von der Gewerkschaft Verdi. Die Öffentlichkeit müsse erfahren, „wo Konzerne ihre Gewinne machen, wohin sie diese verschieben und wie viel Steuern sie zahlen“, erklärt Karl-Martin Hentschel vom Sozial- und Öko-Bündnis Attac. Die Befürworter von mehr Transparenz setzen auch darauf, dass eine Offenlegung dieser Daten öffentlichen Druck auf Unternehmen ermöglichen würde, die bei den Steuern tricksen. Bei Staatshilfen, wie sie jetzt geleistet werden, müsste das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein….

Zwischen den USA und China bahnt sich ein neuer Handelskrieg an. Diesmal lautet der Vorwurf der USA, China verhindere eine Untersuchung, ob das Virus von Menschenhand gemacht oder natürlichen Ursprungs sei. Die USA behaupten, es sei dem Labor entsprungen, China behauptet, es sei von US-Bürgern eingeschleppt worden. Die Financial Times befürchtet inzwischen sogar einen bewaffneten Konflikt. Das hätte uns grade noch gefehlt. US-Präsident Trump spricht auf einmal von 100 000 möglichen Corona-Toten in den USA.

Mecklenburg-Vorpommern, wo die Infektionszahlen besonders niedrig sind, hätte gern zu Pfingsten seine lebenswichtigen Touristen zurück. Ohne mich… Die erste und zweite Bundesliga hat alle maßgebenden Menschen getestet und zehn Infizierte gefunden Wer und wo wird geheim gehalten. Hallo? Wieso wird das akzeptiert? Die Fußballer wollen am Mittwoch unbedingt das ok für Geisterspiele haben. „Die Corona-Testreihe ist sinnlos“, kritisiert die Virologin Prof. Melanie Brinkmann vom Helmholtz-HZI-Institut bei Hart aber Fair, denn aktuell werde nicht dargelegt, woher die Infizierten der Bundesliga stammen. Diese Woche beginnt schrittweise die Schule wieder. Die Tochter meiner Freundin muss von Dienstag bis Freitag hin und hat dann wieder zehn Tage homeschooling. In den letzten Tagen hat sie wie verrückt an den verbleibenden Hausaufgaben geschuftet. Neue Links für diese Woche sind trotz Schule auch noch gekommen. Vokabeln hat sie aber nicht gelernt.

5. Mai: Morgen ist Schaltkonferenz der Kanzlerin mit den Länderchefs. Heute zeigen alle Mutti mal, dass sie schon alleine können und kündigen in einem regelrechten Wettlauf Lockerungen an. Wie kindisch. Andererseits wird die Lage für manche Branchen immer kritischer. Bei Markus Lanz sehen die Zuschauer Fernsehkoch Tim Mälzer in Tränen ausbrechen, als es um Perspektiven für seine gastronomischen Betriebe geht. Er brauche eine klare Sprache mit klaren Zeitlinien, damit er entscheiden könne, wie er verfahren müsse, macht Mälzer eindrucksvoll klar. Die Autobranche ist mit ihrem Versuch, die Regierung zu einer erneuten Kaufprämie zu bewegen, vorerst nicht weiter gekommen. Nach einer Videokonferenz wird die in weiten Kreisen umstrittene Entscheidung auf Juni vertagt. Unterdessen stampfen die Autobauer ihre Gewinnprognosen ein und kündigen Entlassungen an.

Einen gesonderten Beitrag wert ist die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes: Es legt sich mit dem Europäischen Gerichtshof an, der billionenschwere Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) als rechtens erkannt hat. Geklagt hat unter anderem der Rechtsanwalt und langjährige CSU-Politiker Alexander Gauland. Die Europäische Zentralbank hatte zur Bewältigung der Eurokrise mehrere Kaufprogramme für Wertpapiere aufgelegt, die das Ziel haben, Zinsen zu drücken und Geld leichter verfügbar zu machen. Damit sollten die Wirtschaft und die Inflation angekurbelt werden. Im jetzigen Rechtsstreit ging es um ein Teilprogramm namens PSPP zum Erwerb von Wertpapieren des öffentlichen Sektors, das im März 2015 startete. Monat für Monat wurden dabei an den sogenannten Sekundärmärkten Anleihen für zweistellige Milliardenbeträge gekauft. Mittlerweile hat die EZB rund 2,5 Billionen Euro investiert. Die Beschlüsse der Notenbank seien kompetenzwidrig ergangen, entscheiden die Karlsruher Richter heute. Bundesregierung und Bundestag hätten durch ihr tatenloses Zusehen Grundrechte verletzt. Die EZB hat jetzt drei Monate Zeit, ihr Handeln zu begründen. Sollte die Begründung nicht zufriedenstellend ausfallen, muss die Deutsche Bundesbank aus dem Programm aussteigen. Die Bundesbank ist der größte Anteilseigner der EZB, mit etwas mehr als 26 Prozent. Entsprechend groß ist ihr Kaufvolumen. Fällt der deutsche Beitrag aus, hat das auch direkte Auswirkungen auf die Corona-geschädigten Volkswirtschaften.

US-Präsident Donald Trump will unbedingt China für den Schaden zahlen lassen, den das Virus in den USA anrichtet. Er behauptet, es sei aus dem Viren-Forschungslabor Wuhan entwichen. Seine neuste Idee: Eine Art Reparationen. Fraglich, wie weit er damit kommt. Deshalb spekulieren amerikanische Medien jetzt darauf, dass die USA ihre Schulden in China nicht mehr bedienen könnten. Die Zustimmungsraten zu Trumps Corona-Management fallen weiter. Die Zeit widmet sich der Lage in den USA in einer langen Analyse. Die NewYorkPost berichtet von ersten klinischen Versuchen eines Impfstoffes aus einer Gemeinschaftsproduktion des Pharmariesen Pfizer und dem deutschen Startup BioNTech SE. Man hoffe auf einem fertigen Impfstoff noch in diesem Jahr. Auch in Deutschland sind die Versuche mit diesem Impfstoff angelaufen. Ein Braunschweiger Forschungsteam testet die Wirkung von Antikörpern aus Blutplasma und kann Antikörper nachweisen, die das Eindringen des Virus in Zellen verhindern. Dies sei ein echter Durchbruch. Der schwedische Sonderweg wird weiter aufmerksam beobachtet. Auch dort fällt inzwischen die Zahl der Neuinfektionen. Für die zweite Welle, die im Herbst erwartet ist, scheint das Land besser gerüstet als die Staaten mit dem Lockdown. Das Anonymous-Kollektiv hat sich mit dem angeblich massenhaften Zulauf zu „Widerstand 2020“ auseinander gesetzt und Fake-Zahlen ermittelt. Ich hatte heute absolut keine Lust, mich weiter mit Anderen über Corona zu streiten und habe mich statt dessen mit Schnittmustern für meine Sommer-Garderobe auseinander gesetzt. Manchmal fällt es mir richtig schwer, diesen Blog fort zu führen.

6. Mai: Sooooo, Mutti hat fertig gebremst, die Länder sind nicht mehr zu stoppen. Künftig soll regional reagiert werden, wenn die Infektionszahlen 50 pro 100 000 Einwohner überschreiten – was zum Beispiel im Landkreis Rosenheim noch der Fall sein soll… Ein vielstimmiger Öffnungschor freudig lächelnder Politiker teilt mit, was die Bundesbürger alles wieder dürfen:

  • Die Kontaktbeschränkungen werden zwar grundsätzlich bis zum 5. Juni verlängert. Allerdings einigten sich Bund und Länder darauf, dass sich künftig wieder Angehörige von zwei Haushalten treffen dürfen – also etwa zwei Familien, zwei Paare oder die Mitglieder aus zwei Wohngemeinschaften. Sie sollen weiterhin einen Abstand von 1,50 Metern zueinander einhalten.
  • Für Kliniken, Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen werden die Einschränkungen der Besuchsregeln bundesweit gelockert. Demnach soll jedem Patienten oder Bewohner wiederkehrender Besuch durch eine bestimmte Person ermöglicht werden.
  • Alle Geschäfte in Deutschland sollen unter Auflagen wieder öffnen dürfen – ohne Quadratmeterbegrenzung der Verkaufsfläche.
  • Trainingsbetrieb im Breiten- und Freizeitsport unter freiem Himmel wird wieder erlaubt. Freizeitsportler müssen sich aber an bestimmte Auflagen halten. So muss eine Distanz von 1,5 bis 2 Metern gewährleistet und der Sport kontaktfrei ausgeübt werden.
  • Die Fußball-Bundesliga darf die unterbrochene Saison ab der zweiten Mai-Hälfte mit Geisterspielen fortsetzen.

Regional gibt es bei den Bundesländern Unterschiede in den Lockerungen. In meinem darf man zum Beispiel ab 13. Mai wieder essen gehen. Sehr schön. Werde ich machen. Zuerst im Eiscafé. Mutti sagt, Deutschland gehe einen „sehr offenen und mutigen Weg„. Alle betonen, dass wir erst am Beginn der Pandemie stehen und weiter verantwortungsvoll sein müssen. Na dann. Vielstimmiges Tönen auch der Wissenschaftler: Alexander Kekulé, Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, findet das Konzept der Eingriffe in Intervallen „brandgefährlich“. Ganz viele Bundesbürger meinen das auch … Es gibt aber auch renommierte Ärzte, die behaupten, dass es nie eine Pandemie gab, zum Beispiel Professor Sucharit Bhakdi. Er kritisiert auch, dass die Bundesregierung sich nicht mit Wissenschaftlern verschiedener Meinung beraten hat. Tja, dafür ist es jetzt zu spät, der Schaden ist nicht mehr abzuwenden. Die EU-Kommission warnt vor einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in Europa um 7,7 Prozent, rechnet aber mit einer starken Erholung im kommenden Jahr.

Interessante Studie in New York: Zwei Drittel aller Corona-Patienten waren arbeitslos oder Rentner. Sie hatten also bereits relativ wenig Kontakt mit anderen Menschen und unternahmen auch keine Reisen, wie Gouverneur Andrew Cuomo mitteilt. Nur 24 Prozent der Krankenhaus-Patienten waren weiß, 25 Prozent Afro-Amerikaner, 20 Prozent Lateinamerikaner. Und: 96 Prozent hatten eine Vorerkrankung. Mittlerweile sind mehr als 1,22 Millionen US-Amerikaner infiziert.

Ich habe heute viel genäht, unter anderem ein Shirt-Kleid mit der Aufschrift „believe in magic“. Draußen leuchtet ein Super-Vollmond im Sternenhimmel. Im Garten singt lauthals die Nachtigall das uralte Lied von der Sehnsucht nach Liebe und Nähe, das frisch gemähte Gras duftet mit dem Flieder um die Wette – magisches Geschenk der Natur an eine gestresste Seele. Der alte Garten ist herrlich entspannt und kein bisschen panisch…

7. Mai: Das Robert-Koch-Institut, vertreten durch Vizepräsident Lars Schaade, teilt mit, dass es seine Corona-Briefings nun ganz einstellt, warnt vorher aber noch vor einer zweiten Welle. Die Antipathie zwischen den Zuschauern und Professor Wieler beruht offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Zwei CDU-Hinterbänkler aus dem rheinland-pfälzischen Landtag empören mit dem Vorschlag, Menschen, die sich nicht an ein Quarantäne-Gebot halten, eine elektronische Fußfessel anzulegen. Die Bundesliga hat sich festgelegt: Am 16. Mai geht es wieder los. 54 Prozent der Bundesbürger sind für mehr Lockerungen, 41 dagegen, hat der ZDF-Deutschlandtrend ermittelt. In der selben Umfrage geht Söder vor Merz, Laschet und Röttgen als aussichtsreichster kommender CDU-Vorsitzender hervor; sein Corona-Management hat gefallen. 39 Prozent für die Union – bester Wert seit August 2017 – auch hier ein Kompliment der Wähler. Die SPD kann nicht profitieren: 16 Prozent. Geschlagene 9 Milliarden Euro will die Lufthansa vom Staat haben – der verlangt dafür 25,1 Prozent der Anteile, Mitsprache und dass keine Dividenden ausgezahlt werden. Zwei Tage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt sich die EZB entschlossen, ihre Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Viruskrise nötigenfalls auszubauen. Im Bundestag hat das Verfassungsgerichtsurteil zur EZB-Staatsanleihenkäufen unterdessen eine hektische Debatte ausgelöst, wie die eingeforderte Prüfung der Aktivitäten der Europäischen Zentralbank umgesetzt werden kann.

Das Dossier der „Five Eyes“ genannten Geheimdienstallianz der USA, Großbritanniens, Australiens, Kanadas und Neuseelands, das China der Vertuschung in der Corona-Krise bezichtigt, gibt es möglicherweise gar nicht. Nach Informationen des NDR berichtete der Bundesnachrichtendienst (BND) am Mittwoch den Obleuten des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag über eigene Erkenntnisse zu China im Rahmen der Corona-Pandemie. Der Nachrichtendienst habe bei den fünf Partnern nachgefragt. Diese hätten daraufhin mitgeteilt, dass man keine Kenntnis von einem gemeinsamen Papier habe. Wer profitiert davon, eine solche Falschinformation in die Welt zu setzen? Dreimal dürfen wir raten. Oder vielleicht viermal? Russland tut alles, um seine eigene Corona-Krise zu verharmlosen. Systemkritische Ärzte fallen dabei auch schonmal aus Krankenhausfenstern. Die Nachbereitung der Krise in den hiesigen Medien hat begonnen. Sie wird noch Jahre dauern – spätestens wenn wir alle die milliardenschweren Hilfen bezahlen müssen. Man wird sich an millionenschweren Betrug bei den Corona-Hilfen erinnern. Auch Absurditäten werden im weltweiten Gedächtnis bleiben, wie etwa Frauen, die gezwungen werden, mit einer Maske im Gesicht zu gebären. Der italienische Fotograf Allesandro Gandolfi hat das eindrucksvoll dokumentiert.

Mein Schwager ist sauer: Er wäre jetzt auf Teneriffa – super Angebot für zwei Personen und 16 Tage. Tja. Viele Menschen bangen zurzeit um ihren Sommerurlaub. Ein deutscher Wissenschaftler hat in Frankreich ein Konzept erdacht, das über rote und grüne Zonen wenigstens teilweise Urlaub möglich machen wird. Vorerst hat die Grande Nation aber beschlossen, ihre Grenzen bis mindestens 15. Juni dicht zu halten. Hier haben wir für drei Tage wieder warme Mittelmeerluft. Dann kommen erstmal die Eisheiligen. Die Falken, die auf dem höchsten Baum im Garten brüten, füttern emsig ein lauthals schreiendes Küken. Die Menschen direkt unter ihnen stören sie nicht.

8. Mai: Heute vor 75 Jahren endete der zweite Weltkrieg. Ein besonderes Datum in besonderen Zeiten, das besonders zum Nachdenken über Leben oder Tod manchen Gedankenguts anregt… Das Statistische Bundesamt hat eine vorläufige Auswertung der Sterbezahlen der letzten vier Jahre vorgelegt. In der 13. und 14. Kalenderwoche wurde eine Steigerung im Vergleich zu den Jahren 2016 bis 2019 verzeichnet. Die Abweichung der Sterbefallzahlen nach oben ist in der 15. Kalenderwoche mit knapp 2 000 Fällen beziehungsweise 11 % über dem vierjährigen Durchschnitt am größten. Betrachtet man allerdings die Kurven als Ganzes, scheinen bisher nur begrenzte Abweichungen zu verzeichnen: Bis KW 10 lag die Sterblichkeitsrate 2020 deutlich unter dem Durchschnitt. 2018 gab es offenbar einen extremen Grippewellen-Peak, der in der Öffentlichkeit gar nicht beachtet wurde. Wie es 2020 letztlich endet, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Das Amt unterhält auch eine Sonderseite Corona mit weiteren Informationen.

In drei Kreisen in Deutschland wurde heute die Grenzzahl von 50 Infizierten pro 100 000 Einwohner überschritten. Nur der Kreis Coesfeld hat reagiert und die Lockerungen um eine Woche zurückgestellt. 300 rumänische Werkvertragsarbeiter von Müller Fleisch in Pforzheim haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Die Leute sind unter unwürdigen Bedingungen eng beisammen untergebracht. Im Landkreis Coesfeld liegt eine Fleischfabrik des Unternehmens Westfleisch, in dem nach einem Ausbruch umfangreich getestet wurde. Dabei stellten sich 129 Mitarbeiter als infiziert heraus, 13 von ihnen kamen ins Krankenhaus. Es gibt immer mehr Ärger an den innereuropäischen Grenzen. Die Anwohner fordern vehement Öffnungen. Im ZDF sieht man einen wütenden Außenminister von Luxemburg, der darauf hinweist, dass ein deutsches Polizeiauto auf der Brücke von Schengen Gefühle wecke, die man in Europa schon fast vergessen geglaubt habe. Deutschland sei der stärkste Staat in der EU und habe eine Vorreiterrolle zu spielen, erklärt er. Innenminister Seehofer hält jedoch daran fest, dass Kontrollen zunächst weiterhin nötig seien. Laut einer französischen Studie gab es schon im November erste Hinweise auf das Virus in Europa.

Die Arbeitslosenquote in den USA ist im April auf 14,7 Prozent gestiegen – der höchste Wert seit 1948. 20,5 Millionen Arbeitsplätze gingen allein im April verloren. Besonders betroffen ist das Gastgewerbe. Eine Studie in den USA hat herausgefunden, dass Vitamin D bei der Bewältigung der Infektion offenbar besonders hilfreich ist. Drei Tage nach dem Karlsruher Urteil zu den Anleihekäufen der EZB hat Notenbankchefin Christine Lagarde die EU-Staaten aufgefordert, in der aktuellen Krise finanziell zusammenzustehen. Niemand sei Schuld an der aktuellen Coronakrise. Daher müsse jedes Land den Spielraum haben, um angemessen darauf zu reagieren. „Das unterstreicht, weshalb eine gemeinsame finanzpolitische Reaktion Europas so nötig ist“, sagte Lagarde. Nach einem Bericht der Agentur Reuters prüfen EZB-Experten angesichts der Coronakrise Insidern zufolge auch den Ankauf von Unternehmensanleihen mit Ramschstatus durch die Euro-Notenbank.

Ich habe so eine Angst, unter der blöden Maske keine Luft zu bekommen, dass ich nicht einkaufen war. Statt dessen habe ich diese Klarsichtteile mit der 3D-Drucker-Halterung bestellt. Damit wird es dann hoffentlich endlich gehen. Aber eigentlich muss ich auch nicht einkaufen. Ich könnte wochenlang von meinen Vorräten leben.

10. Mai: Einen Tag vor den Lockerungen ist die R-Zahl auf 1,13 gestiegen. Das hat auch mit den vielen Infektionen unter den rumänischen Arbeitern deutscher Fleischfabriken zusammen, deren Unterbringung endlich ins öffentliche Bewusstsein kommt. Aber es gibt kein Halten mehr – zumal inzwischen Tausende in den großen Städten gegen die Beschränkungen protestieren. Einen Protestbrief haben sogar internationale Kleriker – Gegner des amtierenden Papstes – verfasst. In dem umstrittenen Papier heißt es unter anderem: „Es sind Tatsachen, dass unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie in vielen Fällen unveräußerliche Rechte der Bürger verletzt und ihre Grundfreiheiten unverhältnismäßig und ungerechtfertigt eingeschränkt wurden, einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Freizügigkeit“. Man habe Grund zu der Annahme, „dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen“. Auf diese Weise wollten sie dauerhaft „Formen inakzeptabler Freiheitsbegrenzung und der damit verbundenen Kontrolle über Personen und der Verfolgung all ihrer Bewegungen! durchsetzen. „Diese illiberalen Steuerungsversuche sind der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht.“ Zu den Unterzeichnern gehört auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Die deutsche Bischofskonferenz distanziert sich von dem Schreiben.

Je mehr Öffnung, desto mehr Chaos in den Schulen. Die Landesregierungen überlassen es den Einrichtungen weitgehend selbst, für Sicherheit und Hygiene zu sorgen – man kann auch sagen, sie lassen sie allein. Und eine maßlos inkompetente Bildungsministerin ist abgetaucht. Der TÜV hat chinesische Schutzmasken überprüft und – wie zuvor auch Prüfinstitutionen anderer Länder – jede Menge Schrott gefunden. Jetzt soll ein Gütesiegel her. Der Bedarf an selbstgenähten Masken ist weitgehend gedeckt – in den Facebookgruppen werden massenweisse nicht mehr benötigter Stoff und Gummi zum Kauf angeboten. Der Klopapier-Absatz ist auf ein unterdurchschnittliches Niveau abgesackt.

Die Nachrichtenagentur Reuters hat 48 afrikanische Staaten zum Thema Corona befragt und veröffentlicht einen ausführlichen Bericht, in dem die erwartete schwierige Lage dokumentiert ist: Kaum Tests, kaum Möglichkeiten, medizinisch adäquat auf eine Pandemie zu reagieren. Europa könnte ein Verfahren gegen Deutschland eröffnen, weil EU-Recht über deutschem Recht stehe, teilt ebenfalls Reuters mit. Das wird ein Machtkampf, auf den manche schon lange warten. Dabei könnte der Schuldenberg, den Europa in der Pandemie zusätzlich angehäuft hat, auch noch krasser gelöst werden: Durch einen Schuldenschnitt beispielsweise. Heiße Zeiten kommen auf uns zu.

13. Mai: Erst heute die Zeit gefunden, das Papier von Stephan Kohn zu lesen. Der Mitarbeiter des Innenministeriums, der inzwischen von seinem Posten entfernt wurde, hat veritable Whistleblower-Arbeit geleistet, über die noch ausführlich zu reden sein wird. Er listet unglaubliche, schwerwiegende Fehler im Innenministerium und im Handeln der gesamten Bundesregierung auf. Um seine Analyse anzufertigen, hat er neun Mediziner und einen Sozialwissenschaftler als externe Experten befragt. Diese wundern sich in einem gemeinsamen Schreiben ausdrücklich über die Reaktion des Innenministeriums, das sich von der Analyse distanziert hat, und die Entfernung des „couragierten Mitarbeiters“. Hier ist ein ausgewachsener Skandal, und was passiert: Die Medien versuchen, Kohns brisante Aussagen zu verharmlosen. Selbst Magazine wie der Spiegel nennen alle Andersdenkenden Irre und Verschwörungstheoretiker. Mir wird jeden Tag ein Stück mehr klar: Eine Demokratie ist nur so lange eine Demokratie, wie alles gut läuft. Gibt es ernste Probleme, lernt man Freund und Feind kennen. So geht es im Übrigen auch mit den lieben Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantik: Sanofi hat mitgeteilt, dass die USA dafür gezahlt haben, einen möglichen Impfstoff als erste zu bekommen. In den USA tritt vermehrt eine mysteriöse Kinderkrankheit im Zusammenhang mit dem Virus auf: Es entstehen schwere Entzündungen kleiner und mittlerer Arterien.

Der Druck der Grenzanlieger zeigt langsam Wirkung: Die Übertritte von Deutschland zu den westlichen Nachbarn werden deutlich erleichtert. Mitte Juni sollen sie ganz wegfallen. Die Reisebranche hofft verzweifelt auf einen wenigstens noch teilweise stattfindenden Urlaubs-Sommer. Tui kündigt schonmal an, 7 000 von 80 000 Mitarbeitern zu entlassen, während es für die vielen tausend Reisebüros in Deutschland bisher keinerlei Hilfe gibt. Streit, wohin man schaut: USA und China verhindern bisher eine Corona-Resolution des UN-Sicherheitsrates. Aus einer spanischen Studie geht hervor, dass rund fünf Prozent der Bevölkerung das Virus in sich tragen, das sind zehnmal so viele Menschen, wie die bisherigen Testergebnisse vermuten ließen. Die EU-Kommission will ein Wiederaufbau-Paket von bis zu zwei Billionen Euro schnüren. In dem ganzen Corona-Chaos geht völlig unter, dass in Ostafrika noch immer Milliarden von Heuschrecken den Menschen die Ernte wegfressen und sich eine riesige Hungernot anbahnt. Ich schiebe Frust.

14. Mai: Peter Michael Huber, als Berichterstatter im Zweiten Senat für das Verfahren zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank zuständig, hat sich gegen den Vorwurf verwahrt, das Urteil schädige die europäische Rechtsordnung. Die Europäische Union sei nun mal kein Bundesstaat, das Unionsrecht habe keineswegs absoluten Vorrang vor den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, sagt Huber der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochsausgabe). „Der Satz der Kommissionspräsidentin von der Leyen, das Europarecht gelte immer und ohne jede Einschränkung, ist, so gesehen, falsch“, sagt er. Die Quarantäne-Regeln sollen bei Einreise aus EU-, bzw. Schengen-Staaten aufgehoben werden.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, wurden nach einem lokalen Virusausbruch Zug- und Busverbindungen aus der nordostchinesischen Stadt Jilin (1,49 Millionen Einwohner) gestoppt. Mit neuen Erkrankungen kämpft auch die Millionenmetropole Wuhan, das einstige Epizentrum des Corona-Ausbruchs. Die zentralchinesische Stadt will Medienberichten zufolge sämtliche ihrer elf Millionen Einwohner in Rekordzeit einem Coronavirus-Test unterziehen. Das französische Biotechunternehmen Abivax entwickelt ein neues Medikament gegen das Coronavirus. Klinische Tests mit über 1000 Patienten in Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien und Spanien sollen in den nächsten Tagen und Wochen starten.  Hartmut Ehrlich, CEO von Abivax, sagt: „Wir wollen zeigen, dass unser Mittel ABX464 das Coronavirus im Körper abtötet und gleichzeitig gegen durch Corona ausgelöste Entzündungen hilft sowie zerstörtes Gewebe wieder heilen kann.“

Heinz Hermann Thiele ist einer der zehn reichsten Deutschen und Mehrheitsaktionär bei Knorr-Bremse. Ende März stieg der Milliardär zudem bei Lufthansa ein – und ist nun der größte Einzelaktionär der Fluglinie. Ein Investment, das laut Experten zu diesem Zeitpunkt nur Sinn macht, wenn man auf die Lufthansa-Rettung durch den Staat spekuliert. Die TV-Sendung Panorama zeigt beispielhaft auf, wie sich Großaktionäre an den Miliardenhilfen der Regierung bereichern. Sehr unsympathisch. Im Bundeshaushalt wird ein 100 Milliarden-Loch erwartet, und Vermögensabgaben sind im Gespräch. „Wir brauchen endlich wirksame Regeln, welche den Fußball zurück zu den Menschen bringen, die ihn lieben und ihn überhaupt erst so populär gemacht haben“, erklären die „Nordwestkurve“-Fans der Eintracht Frankfurt. Der derzeitige Fußball in Deutschland sei „Spekulationsobjekt“ und „reine Geldmaschinerie“. Der deutschen Profibereich müsse neu ausgerichtet werden. Endlich, denke ich, sagen mal Fans ihrem Verein Bescheid.

Wegen massiver Hacker-Attacken auf deutsche Forschungsunternehmen, die sich mit Corona beschäftigen, werden Chinesen verdächtigt. China habe das Coronavirus im November „wahrscheinlich in diesem Waffenlabor in Wuhan“ erschaffen, sagte Donald Trumps Handelsberater Peter Navarro am Donnerstag dem Sender Fox News. Anschließend habe das Land das Virus „zwei Monate lang hinter dem Schutzschild der Weltgesundheitsorganisation versteckt“, Schutzausrüstung aus aller Welt „aufgesaugt“ und „gehortet“, Menschen getötet und schließlich Profit aus der Krise geschlagen. „Jetzt versuchen Hacker der chinesischen Regierung, Informationen über die Impfung zu stehlen, damit sie sie zuerst herstellen können.“ Die Nierenexperten, Mikrobiologen und Rechtsmediziner des Universitätsklinikums Eppendorf analysieren in ihrer Studie die Autopsieergebnisse von 27 an einer Sars-CoV-2-Infektion Verstorbenen. Konkret konnten die Wissenschaftler den Erreger in der Lunge, im Rachen, im Herz, in der Leber, im Gehirn und in den Nieren nachweisen. Die höchsten Konzentrationen des Virus pro Zelle fanden sie in den Atemwegen, gefolgt von Niere, Herz, Leber, Gehirn und Blut. Besonders die Nieren seien stark gefährdet, und man müsse unbedingt für genug Dialysegeräte sorgen. „Aktuell gibt es in Deutschland offiziell 16.300 Menschen die mit Corona infiziert sind, bei einer Bevölkerung von 83.020.000.

15. Mai: Nach vorläufigen Ergebnissen sind in der 16. Kalenderwoche (13. bis 19. April 2020) in Deutschland mindestens 18 693 Menschen gestorben. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, sind die Sterbefallzahlen damit im Vergleich zur Vorwoche (6. bis 12. April) um 1 343 Fälle gesunken, sie liegen jedoch noch immer etwa 8 % über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Im europäischen Vergleich ist das Ausmaß der sogenannten Übersterblichkeit in Deutschland vergleichsweise gering. Das nationale Statistische Amt Italiens (Istat) berichtet beispielsweise von einer um 49 % erhöhten Sterbefallzahl für den März 2020 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Für den Ballungsraum Stockholm meldet das nationale Statistische Amt Schwedens (SCB) für die Kalenderwochen 14 bis 16  sogar doppelt so hohe Sterbefallzahlen wie im Durchschnitt dieser fünf Vorjahre. Auch aus Belgien, Frankreich, Großbritannien den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Spanien werden erhöhte Sterbefallzahlen gemeldet. Dagegen werden für Norwegen und Tschechienkeine auffälligen Veränderungen aufgezeigt.

Göttinger Mediziner haben herausgefunden, dass man schon Tage vor einer lebensgefährlichen Verschlimmerung der Infektion mit Covid 19 die Anzeichen dafür im Urin finden kann. Der französische Pharmariese Sanofi hat Stress mit der Regierung bekommen und tritt von seiner Aussage zurück, dass die USA als erste von einem möglichen Impfstoff profitieren werden. Donald Trump sieht die Entwicklung eines Impfstoffs als größte Anstrengung nach dem zweiten Weltkrieg. Die deutschen Politiker werden sich langsam darüber bewusst, was für eine Kostenwelle auf uns zu rollt: Um knapp 82 Milliarden Euro brechen die Steuereinnahmen in diesem Jahr im Vergleich zu 2019 ein, bis 2024 müssen Bund, Länder und Kommunen nach jüngster Schätzung mit gut 315 Milliarden Euro weniger auskommen als angenommen. Dem gegenüber stehen laut Finanzministerium Kosten von etwa 453 Milliarden Euro für Corona-Hilfspakete allein in diesem Jahr, dazu kommen Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro. Streit ist programmiert. Heute hat er schon begonnen: Teile der CDU stellen die eigentlich schon beschlossene Grundrente wieder in Frage.

Die EU-Länder sehen die Finanzlage völlig anders: Sie befürchten Wettbewerbsverzerrungen, weil Deutschland seine Wirtschaft viel stärker stützt, als es alle anderen Staaten können. So könnte die deutsche Wirtschaft von der Krise durch den Wettbewerbsvorteil auch noch profitieren. Ein hochrangiger Vertreter der spanischen Regierung sagt dazu: „Deutschland hat haufenweise Geld, um seine Unternehmen bei Bedarf zu finanzieren“, sagt er. „Das Mindeste, was wir tun können, ist zu verlangen, dass es sich solidarisch zeigt.“ China ist zunehmend genervt von den ständigen Beschimpfungen und Drohungen aus Washington und arbeitet an konkreten Gegensanktionen. Dazu gehört, große US-Firmen auf die „Liste unzuverlässiger Unternehmen“ zu setzen.

Heute ist der letzte Tag der Eisheiligen. In Zukunft können wir mit frostfreien Nächsten rechnen, mein Zimmerpflanzen-Urwald kann also in den Garten verlagert werden. Das wird mich ablenken von den jüngsten Schock-Forderungen des Finanzamtes. Es ist zum Schreien: Großen Konzernen wird umso mehr Geld in den Rachen geworfen, je unverschämter sie auftreten. Die Kleinen sind transparent bis auf die Knochen und werden gnadenlos geschröpft.

17. Mai: Weder Baumwollmasken noch chirurgische Masken sind eine sichere Barriere für SARS-CoV-2, wenn ein Patient mit COVID-19 hustet. Dies zeigen aktuelle Experimente in den Annals of Internal Medicine. Das wussten wir vorher schon, als die Politik uns eingehämmert hat, dass Masken keinen Sinn machen – bevor sie ihre Meinung änderte und uns zum Tragen zwang. In insgesamt 50 Ländern herrscht inzwischen Maskenpflicht. Nichtbefolgen wird teilweise drastisch bestraft: In Katar zum Beispiel mit bis zu drei Jahren Haft. Im Tschad drohen bei Verstößen gegen die Maskenpflicht bis zu 15 Tage Haft, in Marokko bis zu drei Monate. Zurzeit entwickelt sich Brasilien zum nächsten Zentrum des Ausbruchs. Regierungschef Bolsonaro hatte die Gefahr lange verharmlost. Seitdem sind zwei Gesundheitsminister deswegen zurück getreten. US-Präsident Trump, der alles dafür tut, die USA als erste in Besitz eines Impfstoffs zu bringen, spricht doppelzüngig davon, dass es jetzt nicht um nationale Egos gehen dürfe.

Der Paketzusteller DPD hat einen Standort im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen wegen eines Corona-Ausbruchs vorübergehend geschlossen. Bislang seien 42 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden, erklärte ein Unternehmenssprecher am Samstag. Es seien aber noch nicht alle Proben ausgewertet worden. Alle 400 Mitarbeiter aus dem Standort in Hückelhoven sind demnach in zweiwöchiger Quarantäne. Der Außenminister erklärt, die Chancen stehen gut, dass die Bundesbürger im Sommer auch im Ausland Urlaub machen können. EU-Justizkommissar Didier Reynders ist dagegen skeptisch. Warten wir es ab – etwas anderes bleibt ohnehin nicht übrig.

Weltweit steigt die Zahl der Infektionen noch immer an – auf inzwischen 4 702 603 bestätigte Fälle. 1 484 804 davon wurden in den USA registriert, 281 752 in Russland, 244 995 in Großbritannien, 236 131 in Brasilien, 230 698 in Spanien, 225 435 in Italien, 179 693 in Frankreich, 176 369 in Deutschland, 149435 in der Türkei, 120 198 im Iran. Da viele, besonders ärmere Länder kaum testen und einige Staaten versuchen, die wahre Zahl der Infektionen geheim zu halten, ist den Zahlen der Johns-Hopkins-Universität jedoch nicht zu trauen. Weltweit wurden 314 950 Sterbefälle in Verbindung mit dem Virus gezählt. 1 722 804 Menschen haben sich bereits wieder erholt.

18. Mai: Nun also doch: Die EU soll ein Wiederaufbau-Paket für die Corona-geschädigten Länder in Höhe von 500 Milliarden Euro auflegen, haben Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Macron vorgeschlagen. Die EU soll 500 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen und dieses Geld als Zuschuss, nicht also als rückzahlbaren Kredit, an die am stärksten von der Krise getroffenen Regionen und Branchen weiterreichen. So jedenfalls wirkt es de facto, wenn die „Schulden“, die nun doch gemacht werden, erst über Jahrzehnte hinweg zurückgezahlt werden. Auch der deutsche Anteil an dem 500-Milliarden-Fonds von 135 Milliarden Euro würde über einen entsprechend langen Zeitraum gestreckt. Die EU-Kommission muss noch zustimmen. Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, findet das natürlich gut: „Die Vorschläge der Kanzlerin und des Präsidenten sind ehrgeizig, gezielt und willkommen. Sie öffnen den Weg zu langfristigen Anleihen der EU-Kommission und erlauben es, umfangreiche direkte Hilfen des EU-Haushalts zugunsten der am stärksten von der Krise betroffenen Staaten zu leisten.“ Zum Widerspruch der Bundesbank gegen das Programm, das unter der Abkürzung PSPP bekannt ist und zurzeit Zukäufe von Staatsanleihen für monatlich 20 Milliarden Euro vorsieht, sagt die ehemalige Präsidentin des Internationalen Währungsfonds: „Nach dem Vertrag müssen alle nationalen Zentralbanken in vollem Umfang an den Entscheidungen und der Durchführung der Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets teilnehmen.“ Damit werden nun alle Befürchtungen der Anlieger bei Gründung der EZB Wirklichkeit.

Geradezu grotesk mutet eine Sammelklage in den USA vor einem dortigen Gericht gegen China an: 20 Billionen Dollar wollen die Kläger als Entschädigung für Corona-Schäden erstreiten. Das ist mehr als das Bruttosozialprodukt des Asiatischen Wirtschaftsgiganten. Geht das wieder so aus, wie schon oft? Ein US-Gericht oder die Regierung erklären irgend etwas als Recht – zugunsten ihrer eigenen Interessen – und bauen dann kriegerische Auseinandersetzungen auf Basis dieses „Rechts“ auf? Solche Dinge gehören, wenn überhaupt, vor ein internationales Gericht. Selbstredend hat China alle Vorwürfe der USA zurück gewiesen. China hat passend zum Beginn der heutigen Hauptversammlung der WHO angekündigt, zwei Milliarden extra zu geben, um Finanzierungslücken der Organisation zu schließen. Wäre das Thema nicht so traurig, müsste man über diesen Kindergarten lachen.

Das US-Unternehmen Moderna und Schweizer Pharmafirma Lonza treffen Vorbereitungen, einen neuen Impfstoff gegen Covid 19 in großen Mengen herzustellen. Die Wall Street reagiert begeistert. Twitter ist voll der Nachrichten über den US-Präsidenten, der seit zehn Tagen das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin prophylaktisch gegen das Virus einnimmt, obwohl es starke Nebenwirkungen haben soll. Ebenso voll sind die Medien unisono mit einem neuen Begriff: Andersdenkende in Sachen Corona heißen nicht mehr Verschwörungstheoretiker, sondern Verschwörungserzähler. Solche Gleichschaltung in den Begriffen verstärkt das inzwischen breit vorhandene Misstrauen in der Bevölkerung noch mehr. Dieses Misstrauen laut zu äußern kann man niemandem mehr raten, denn es wird Folgen haben: Joseph Wilhelm, Chef der Biokostanbieter Rapunzel und Zwergenwiese (Bild oben), sorgt mit „Verschwörungsmythen“ rund um das Coronavirus  für stark herabwürdigende Berichterstattung über sich selbst und sein Unternehmen. Eine erste Handelskette hat daher die Produkte der Firma aus den Regalen genommen. Auf Twitter ist ein Shitstorm über Wilhelm hereingebrochen.

Nachdem am Wochenende in den Großstädten Tausende gegen die Beschränkungen demonstriert haben, werden sie querbeet von allen Medien als Verwirrte bezeichnet. Ganz vorn dabei: der Spiegel. Unter die Demonstranten haben sich auch Radikale verschiedenster Couleur gemischt. Aber auf die Ängste der Normalbürger, die auf der Straße sind, wird nur unzureichend eingegangen. Immerhin hat die Bundesregierung betont, ein Impfzwang gegen Covid 19 sei nicht beabsichtigt. Braucht man ja auch nicht, wenn man einen Immunitätsausweis einführt… Dutzende auf die Auswertung von Datensätzen spezialisierte Journalistinnen und Journalisten fordern vom Robert Koch-Institut (RKI) eine Art Super-Datenbank zu Corona – auch, um Verschwörungsphantasien eindeutige Fakten entgegenzusetzen.

19. Mai: Heute erst gelesen: Ohne eine rechtsstaatlichen Prinzipien genügende Begründung beschloss der Bundestag mit dem zweiten Pandemieschutzgesetz, dass künftig u.a. bundesweit personenbezogene Daten von nicht infizierten Bürgern nach erfolgter negativer Testung (SARS-CoV und SARS-CoV-2) staatlich erfasst und an das Gesundheitsminister Spahn unterstellte Robert-Koch-Institut weitergeleitet werden müssen (Spahn will auch Daten von Nicht-Infizierten). Trotz erheblicher rechtlicher Bedenken, vorgetragen durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Professor Ulrich Kelber – einer Koryphäe auf seinem Gebiet – wurde das Gesetz im Eiltempo durch das Parlament gebracht. Kelber zieht ein vernichtendes Fazit: „Die Ausführungen in der Begründung lassen nicht ansatzweise erkennen, auf welcher Grundlage hier in die Grundrechte einer eklatanten Anzahl von Betroffenen eingegriffen werden soll. Die dürftigen Angaben in der Begründung deuten darauf hin, dass eine rein statistische Erfassung den Zweck ebenso erfüllen würde. Eine Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Bürgerinnen und Bürger findet nicht statt. Offenbar wird hier verkannt, dass nach der Datenschutz-Grundverordnung auch bei Pseudonymisierung datenschutzrechtliche Maßgaben zu berücksichtigen sind… Eine generelle, bundesweite Meldepflicht für Nicht-Infizierte… ist nicht gerechtfertigt… Es entsteht der Eindruck, als solle im Zuge der aktuellen Pandemie ein (weiteres) bundesweites verpflichtendes staatliches klinisches Register eingerichtet werden. Hierfür gibt es allerdings keine datenschutzrechtlich tragfähige Grundlage.“

122 Staaten richteten heute einen Antrag an die WHO, wonach sich eine unabhängige Untersuchung mit dem Corona-Ausbruch beschäftigen soll. Die Koalition, getragen von Australien, der EU und Russland, verärgert China. Die USA sind nicht an Bord. Die Untersuchung soll so schnell wie möglich eingeleitet werden. Doch der Widerstand Chinas gegen den Vorstoß war offenbar stark. So wurde der Antrag so abgeändert, dass China nicht mehr in Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch genannt wird. Die WHO plant eine unabhängige Überprüfung des Umgangs mit der Coronavirus-Pandemie. Sie solle zum frühestmöglichen Zeitpunkt starten, kündigte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus an. Donald Trump setzte seine Drohungen gegen die Weltgesundheitsorganisation fort: Sollte sich die WHO innerhalb der kommenden 30 Tage nicht zu „wesentlichen Verbesserungen“ verpflichten, werde er die US-Zahlungen an die Organisation endgültig einstellen und die Mitgliedschaft der USA in der Organisation überdenken, heißt es in einem Schreiben Trumps an Tedros Adhanom Ghebreyesus. Es gehe dem US-Präsidenten lediglich darum, Chinas Reaktion auf die Pandemie zu verunglimpfen, von der „eigenen unzureichenden Reaktion“ der USA abzulenken und sich vor den Verpflichtungen seines Landes gegenüber der WHO zu „drücken“ sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking dazu.

Ich war heute erneut unterwegs in Sachen Nachhilfe. Nach vier Tagen Schule hat die Tochter meiner Freundin jetzt wieder erstmal drei Wochen frei. Bis zu den Sommerferien sind es überhaupt nur noch sechs Schultage, Da wird zwar Bildende Kunst und Musik unterrichtet, nicht aber französisch. Die Jahresendnote, so erfuhr das Mädchen, werde sich zusammensetzen aus der Note des Halbjahreszeugnisses, den vor der Krise geschriebenen Arbeiten und der Qualität der eingereichten Hausarbeiten. Vokabeln hat sie immer noch nicht gelernt. Dafür warten seitenweise Aufgaben auf uns; teilweise auch gleich mit den Lösungen. Also werden die erstmal erledigt, damit sie fotografiert und per Mail abgegeben werden können. Der Opa hat sich erbarmt und ein neues Laptop finanziert. Das Teil mit dem Drucker kabellos zu verbinden, hat uns auch noch geraume Zeit gekostet. In den nächsten Tagen werde ich im heimischen Garten schöne und warme Frühlingstage genießen. Der junge Falke ist flügge, genauso groß wie seine Eltern und schreit immer noch wie am Spieß nach Futter. Heute sind die jungen Meisen aus dem Nistkasten neben der Haustür ausgeflogen – verfolgt von den glühenden Augen der Miezen. Der ganze Garten ist voller Jungvogel-Gepiepse, und der große alte Ahorn, der gerade blüht, brummt wie ein riesiger Bienenkasten. Ich bin einmal mehr dankbar für das Geschenk der Natur um mich herum. Sie verrät niemanden, sie mobbt nicht und sie erfindet nur nützliche Zwänge. Sich in ihr aufzuhalten beruhigt Leib und Seele.

26. Mai: Ich bin so Covid19-müde. Selten ist es mir so schwer gefallen, einen Text fortzuführen. Aber ich will mich erinnern können, muss also weiter schreiben. Thüringen will die Corona-Lockerungen nicht mehr landesweit koordinieren, sondern den Gesundheitsämtern der Kreise überlassen – was angesichts sehr niedriger Infektionszahlen sinnvoll erscheint. Trotzdem erregen sich alle Profilneurotiker lauthals. Sogar die Kanzlerin meldet sich zu Wort und besteht auf Mundschutz und Sicherheitsabstand. Darum ging es gar nicht, aber egal: Hauptsache, irgendwas wichtiges zum Thema beigetragen… Ähnlich geht es unter den Wissenschaftlern zu. Professor Schreeck erwartet keine zweite Welle, Professor Drosten ist der Mahner vom Dienst. Jetzt hat die Bild Wissenschaftler zitiert, die behaupten, Drostens Studie zu Kleinkindern als stark viruslastig sei falsch. Der, inzwischen mehr als dünnhäutig, beschwert sich über tendenziöse Berichterstattung. Die zitierten Wissenschaftler dementieren, von der Bild befragt worden zu sein, nicht jedoch die ihnen in den Mund gelegten Aussagen. Was für ein Affentheater! Es gab mehrere neue Infektionscluster. Eine Fleischfabrik an der holländisch-deutschen Grenze wurde geschlossen. Eine Frankfurter Baptistengemeinde hat vor zwei Wochen einen Gottesdienst gefeiert, in dem ohne Mundschutz gemeinsam gesungen wurde. Anschließend waren 107 Menschen infiziert, weitere Infektionen werden erwartet. Schuld sind die Aerosole. Das ist sehr feiner Sprüh-Staub, der beim einfachen Sprechen entsteht und im Gegensatz zu Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen, minutenlang in der Luft verweilen kann. Auch darin sind Viren enthalten, soviel ist sicher. Darin, wie ansteckend diese sind, sind sich die Wissenschaftler nicht sicher. Es geht mir alles nur noch auf die Nerven. Das Leben an sich ist lebensgefährlich. Mit jedem Schritt, den wir tun, können wir tödliche Fehler begehen. Aber das war schon immer so, nicht erst seit März 2020.

Das Wetter bewegt sich Richtung Sommer, die nächste Wärmewelle ist im Anmarsch. Meine Zimmerpflanzen sind draußen, die Fenster frisch geputzt. Mehr Hausputz steht an. In den duftenden Frühlingsnächten lausche ich der Nachtigall, die nach wie vor bis zum Morgengrauen singt, und träume von Unerreichbarem. Eines wenigstens scheint in erreichbare Nähe zu rücken: Spanien will im Juli seine Grenzen wieder öffnen. Dann werde ich, wie es aussieht, das Meer doch noch wieder sehen.

26. Mai: Zwei Monate schreibe ich jetzt schon an diesem Text – mit zunehmenden Ärger und fortschreitender Desillusionierung. Heute wieder Telefonkonferenz der Länder mit Angela Merkel. Die Kanzlerin ist endgültig zur Zuschauerin degradiert. Einzige Gemeinsamkeit bei den Beschlüssen: Die Kontaktbeschränkungen werden bis Ende Juni fortgesetzt. Die Gruppen dürfen größer werden, die Zahl der beteiligten Haushalte auch. Alles andere bleibt wie gehabt unübersichtlich: Die Länder regeln die Dinge nach jeweiligem Augenmaß und den vorhandenen Möglichkeiten. Alle sind bestrebt, Sommertourismus zu ermöglichen. Weniger gut sind die Aussichten für Schulen, Kindergärten und Tagesstätten: Man kann nur hoffen, dass den Herrschaften wenigstens für den Herbst etwas zur Rückkehr zum Regelbetrieb einfällt. Ich war heute wieder zur Nachhilfe und habe nach kurzer Zeit abgebrochen: Ohne Vokabeln zu lernen, wird aus dem Unternehmen nichts. Ich bin doch nicht dafür da, dem Kind seine Hausaufgaben zu machen, damit es seine Note noch auf vier bringen kann, auch wenn meine Freundin das noch so gern möchte. Man merkt, wie sich die Monate ohne Schule auswirken: Die gesamte Disziplin bricht zusammen – bis hin zu Kleidung und Körperpflege. Bei Kritik gibt es Tränen, aber keine Verbesserung; egal wie freundlich die Kritik verpackt ist. Ich bin genervt und fühle mich benutzt.

Im TV heute ein langer Bericht dazu, wie die Versicherungen die Gastronomie prellen: Betrieben, die sich im Wortlaut gegen verordnete Schließungen auf Basis des Pandemiegesetzes versichert haben, werden Auszahlungen mit der Begründung verweigert, dass der Name des Virus nicht im Vertrag benannt sei. Dann versuchen große Unternehmen, wie etwa die Allianz, einen Vergleich auf Basis von 15 Prozent der Versicherungssumme zu erzielen. Was für eine Unverschämtheit! Ein Vertreter des Versicherungsverbandes erklärt im Interview, wie diese Rechnung zustande kommt: Die Versicherer gehen von 70 Prozent Staathilfen aus. Von den verbleibenden 30 Prozent sind sie bereit, die Hälfte zu zahlen. Aber Beiträge kassieren sie für die ganze Summe. Wohin man schaut: Überall Lug, Betrug und Profitstreben aus Kosten Anderer. Ebenfalls im TV heute Berichte „genesener“ Corona-Kranker. Es zeigt sich, dass die Rekonvaleszenz sehr lange dauern kann, ähnlich wie nach der Virusgrippe. Die Betroffenen beklagen zu Recht, dass niemand nach ihnen fragt. Statt dessen höre man immer nur die Meinung von Virologen.

Und dann diese Nebenbei-Stories, von denen man sonst nie hören würde: In der Ukraine warten hunderte von Neugeborenen auf ihre Eltern aus aller Herren Länder. Sie wurden von Leihmüttern ausgetragen und können jetzt wegen der Reisebeschränkungen nicht abgeholt werden. Oder: Deutschlands Großwildjäger werden ärgerlich, dass sie immer noch nicht nach Afrika fliegen können, um dort Giraffen, Löwen, Nashörner und ähnliche Tiere zu erschießen. Sie halten sich für einen unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor auf dem Kontinent; eine Ansicht, die in einer Dokumentation bei Frontal 21 als bestenfalls teilweise richtig entlarvt wird.

Die Lufthansa wird mit sechs Milliarden Steuergeld plus einer Bürgschaft über einen drei Milliarden-Kredit bei der KFW gerettet, der Bund wird stiller Teilhaber mit 20 Prozent der Aktien und einer Option auf mindestens fünf weitere, um notfalls feindliche Übernahmen zu verhindern. Einzige Bedingungen der Regierung: Keine Boni an die Vorstände, keine Dividenden und die Zusage, alle geplanten Anschaffungen an Fluggerät auch umzusetzen. Keinerlei Verpflichtungen dagegen in Richtung Klimaschutz oder Sicherung der Arbeitsplätze. Was für ein trauriger Verein diese Regierung ist. Der Finanzminister weist darauf hin, dass man aus der Bankenrettung etwas gelernt habe: Erreicht die Lufthansa wieder die Gewinnzone, muss sie das Geld zurückzahlen. In Europa gibt es erneut Unmut über die massive Wirtschaftshilfe der Bundesregierung, die den Wettbewerb verzerrt. Die Billigfluglinie Ryanair kündigt eine Klage an. Die EU hat wachsweiche Sicherheitsvorschriften für Flugreisen erlassen: Es müssen Plätze oder Sitzreihen frei gelassen werden, „wenn es die Buchungssituation erlaubt.“ Aber die Familie aus Stuttgart, die in zwei Gruppen unterwegs zum Friedhof war, muss 1000 Euro Strafe zahlen, weil die Menschen in mehreren Haushalten leben. Das ist so richtig typisch für die Politik in Deutschland: Milliarden in den Hals der Großen, genommen aus Taschen der Kleinen. Um das Maß voll zu machen, erinnert der Tagesspiegel heute an Robert Koch, den Wissenschaftler mit den teils mehr als zweifelhaften Methoden, der dem Robert Koch-Institut seinen Namen gab. Ach ja: In Indien gibt es jetzt auch eine Heuschreckenplage. Das sind wirkliche Sorgen.

Keine Lust mehr. Ich will auf die Insel.

27. Mai: Ursula von der Leyen, deutsche Präsidentin der EU-Kommission, arbeitet an ihrem persönlichen Denkmal. In einer Rede voller Pathos hat sie ein Paket vorgestellt, mit dem Europa die sagenhafte Summe von 750 Milliarden (750 000 000 000 !!!) Euro zur Erholung der durch Corona-Lockdowns geschwächten Volkswirtschaften bereit stellen soll. 500 davon sollen als nichts rückzahlbare Zuschüsse, 250 Milliarden als Kredite verteilt werden. Damit stellt die Deutsche den Vorschlag von Angela Merkel und Präsident Macron sogar noch in den Schatten. Das Geld soll am Kapitalmarkt aufgenommen und über Jahrzehnte von den Mitgliedsstaaten gemeinsam getilgt werden. Von der Leyen betonte, dass das Programm zusätzlich zum nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 aufgelegt werden soll. Für den Haushaltsrahmen allein schlug sie einen Umfang von 1,1 Billionen Euro vor. Zusammen seien dies also 1,85 Billionen Euro. Hinzu kommt noch das bereits beschlossene Paket an Kredithilfen für Kurzarbeitende, Unternehmen sowie Gesundheitskosten der EU-Staaten im Umfang von 540 Milliarden Euro. „In der Summe würde das unsere Anstrengungen für die wirtschaftliche Erholung auf 2,4 Billionen Euro bringen“, sagte von der Leyen.  Allein knapp 173 Milliarden Euro sind als Zuwendungen und Kredite für Italien reserviert. Spanien könnte bis zu 140 Milliarden Euro bekommen. Für Deutschland sind bis zu 28,8 Milliarden Euro vorgesehen. Jetzt müssen 27 Mitgliedsstaaten von dem Plan überzeugt werden. Dass aus Krediten stammendes Geld als Zuwendung und nicht nur als rückzahlbares Darlehen an Krisenstaaten fließen soll, stößt bei einigen EU-Ländern auf Widerstand. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark – sie gelten als die sparsamen Länder – haben gemeinsam Einspruch erhoben und einen alternativen Plan vorgelegt. Der italienische Premier Giuseppe Conte twittert prompt, der Vorschlag der EU sei „ein optimales Signal aus Brüssel“, das genau in die Richtung gehe, die Italien aufgezeigt habe. Die Kommission will gezielt staatliche Investitionen und Reformen unterstützen; die Mittel sollen die Wirtschaft in den Ländern moderner, wettbewerbsfähiger und grüner machen. Regierungen, die nicht mitziehen, erhalten nichts. Ich bin angesichts der schieren Flut von Geld erstmal sprachlos. Wird das den Euro stabilisieren oder wird es ihn endgültig zu Fall bringen?

Die Lufthansa, die doch so dringend Geld braucht, ist nicht einverstanden mit den Bedingungen des staatlichen Rettungspaketes. Der Aufsichtsrat verschiebt die Entscheidung bis zur zur Einberufung einer Sonder-Hauptversammlung. Nicht nur liegen die Kreditzinsen bei 9 Prozent, die Bundesregierung fordert auch eine Rendite ihrer Anteile von 12 Prozent. Außerdem erwartet die EU-Kommission, dass die Lufthansa (man hört von insgesamt 20) wichtige Slots an den Flughäfen Frankfurt und München abgibt, damit mehr Wettbewerb unter den Fluglinien Europas entsteht. Der Aufsichtsrat will nun nach eigenen Angaben Alternativszenarien prüfen. Die Gewerkschaften Ver.di und Ufo unterstützen indirekt die Haltung des Aufsichtsrats. Bei Ver.di heißt es, dass es in Europa harmonisierte Standards in der Luftfahrt geben müsse und Arbeitsplätze gesichert werden müssten. Ufo lehnt die Aufgabe von Slots ab, weil sonst Billigairlines wie Ryanair diese Rechte nutzen könnten. „Die EU-Kommission droht tarifierte Arbeitsplätze im Luftverkehr zu vernichten“, warnt die Gewerkschaft.

In den USA hat die Zahl der Corona-Toten die 100 000 überschritten, als Präsident Trumps harsche Tweets gegen Briefwahl erstmals von twitter mit korrigierenden Hinweisen versehen werden. Donald Trump tobt und kündigt für morgen eine executive order an. Er will social media notfalls still legen. Dass der Präsident mit Vorliebe Nebenkriegsschauplätze eröffnet, um vom eigenen Versagen abzulenken, ist mittlerweile bekannt.

28. Mai: Über 40 Millionen US-Amerikaner haben sich seit Corona arbeitslos gemeldet. Jede Menge verheerender Gründe für Donald Trump, um seine Wiederwahl zu fürchten. Auch deshalb unterzeichnet er am Abend die Executive Order zum „Erhalt der freien Rede“ in den sozialen Medien: Er braucht dringend Erfolge, egal wie und wo. Der private Konsum stützt zwei Drittel der amerikanischen Wirtschaft, und er ist im Keller.

47 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung basiert auf Ausfuhren. Wichtigste Kunden: Die USA, Frankreich und China. Markus Gürne von der Frankfurter Börse stellt in einem Beitrag „Börse vor 8“ die Zusammenhänge her: Wenn bei unseren Abnehmern die Nachfrage sinkt, leidet die deutsche Wirtschaft umgehend unter Auftragsmangel. Weniger Abhängigkeit von bestimmten Märkten müsse deshalb ein Ziel der Entwicklung nach Corona sein. Unsummen, deren schiere Menge sich niemand wirklich vorstellen kann, werden weltweit in die Wirtschaft gepumpt, um Arbeitsplätze zu erhalten und den Konsum nicht noch weiter einbrechen zu lassen. Sogar Kanzlerin Merkel setzt sich nun dafür ein.

Wie weit sollten soziale Medien kontrollieren oder aussortieren, was ihre Nutzer so verbreiten? Bisher nahm in Europa der Druck stetig zu, sie dazu zu zwingen, „Fake News“, politische Manipulationen oder Hate Speech zügig zu entfernen. Donald Trumps Wahnsinns-Kampf gegen Twitter stellt das nun auf den Kopf. Obwohl sein Tweet nicht entfernt, sondern nur mit einem Aufruf zum Faktencheck versehen wurde, unterzeichnet er eine Anordnung, die Möglichkeiten zur Regulierung der Unternehmen prüfen soll. Wir werden weiter falsche oder strittige Informationen über Wahlen überall auf der Welt kennzeichnen“, stellt CEO Jack Dorsey auf Twitter klar. Es gehe ihm nicht darum, über die Wahrheit zu urteilen. Vielmehr wolle er bei widersprüchlichen Aussagen auf weiterführende Informationen verweisen, „damit sich die Leute selbst eine Meinung bilden können“. „Ich glaube nicht, dass Facebook und andere Internet-Plattformen Schiedsrichter der Wahrheit sein sollten“, sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf CNBC. „Die politische Rede ist eine der empfindlichsten in einer Demokratie, und die Leute sollten sehen können, was Politiker sagen.“ Damit stellt er sich nur scheinbar gegen Twitter. Keiner der beiden Unternehmer will Meinungsfreiheit verhindern. Dorsey geht nur einen Schritt weiter – für das stark Nachrichten-basierte Unternehmen ein sinnvoller Weg und besser, als die hierzulande teilweise angestrebte Zensur.

29. Mai: Es wird immer klarer, welche fatale Wirkung zwei Monate Lockdown auf den Einzelhandel haben: Es hat eine starke Verschiebung via Online-Einkauf gegeben, die wohl auch nicht mehr rückgängig zu machen ist. Einzelhändler, die nicht gerade Nahrungsmittel verkaufen, bleiben auf der Strecke. Besonders hat trifft es Bekleidung und Buchhandel. Die Maskenpflicht tut das ihre, um den Spaß am Einkaufsbummel endgültig zu verhageln. Der Lufthansa-Vorstand hat nun doch das Rettungspaket angenommen. Der Kompromiss sieht vor, dass die Lufthansa insgesamt acht Flugzeuge mitsamt der dazugehörigen 24 Start- und Landerechte abgeben soll – jeweils vier Jets in Frankfurt und München. Damit könnten Wettbewerber an den beiden Heimatflughäfen von Lufthansa jeweils eine eigene Basis errichten. Zunächst hatte die EU-Kommission die Abgabe von 20 Jets gefordert. Die Lufthansa hatte die Abgabe von drei Flugzeugen angeboten, das hatte aber die EU-Kommission abgelehnt. Mitte Juni sollen die innereuropäischen Grenzen wieder öffnen. Österreich will dann angesichts niedriger Neuinfektionen praktisch alle Einschränkungen fallen lassen, auch die Maskenpflicht.

Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin. Foto: Christophe Gateau/dpa

Der kritikempfindliche Virologe Professor Drosten, der vermutlich täglich eine Stunde lang vor dem Spiegel seine Haare gekonnt verstrubbelt, hat klar gemacht, wie er seine Rolle in der Pandemie sieht: Die Arbeit seines Labors habe 50 000 bis 100 000 Menschen in Deutschland das Leben gerettet, erklärt er selbstbewusst. Inhaltlich bekräftigt Drosten in dem Interview das Ergebnis der in der Bildzeitung kritisierten Studie. „Man sieht in unseren Daten eigentlich auf den ersten Blick, dass Kinder, die keine Symptome haben, mitunter eine Viruslast haben, die genauso hoch ist wie die von erwachsenen Covid-19-Patienten.“ Viele der Anregungen, die von den Statistikexperten gekommen seien, seien trotzdem sehr wertvoll gewesen. „Inzwischen haben wir die Studie überarbeitet und wollen sie zur Veröffentlichung einreichen. Einen der Kritiker konnten wir sogar als Co-Autor gewinnen. Am Ergebnis der Studie hat sich durch die Überarbeitung nichts geändert.“ Auch, und vielleicht gerade Wissenschaftler sind sehr daran interessiert, sich selbst Denkmäler zu setzen … 37 Staaten in der WHO plädieren dafür, dass Impfstoffe und Heilmittel überall auf der Welt erhältlich sein müssen. Donald Trump teilt derweil den endgültigen Rückzug der USA aus der WHO mit. Spanien, das Land, das die zweithöchsten Hilfen der EU bekommen soll, führt ab Juni ein Grundeinkommen für die ärmste Bevölkerungsschicht ein. Es wird jährlich etwa drei Milliarden Euro kosten. Die deutsche Corona-App steht in den Startlöchern. Es gibt erste Eindrücke davon, wie sie aussehen soll.

Heute habe ich zwei meiner größten Zimmerpflanzen, die fast 40 Jahre bei mir gelebt haben, an eine Freundin mit mehr Platz abgegeben. Sowas tut richtig weh. Sie werden draußen auf einer Dachterrasse stehen, den Winter in einem hellen Wintergarten verbringen und noch größer werden. Und trotzdem… Es gibt endlich auch mal eine gute Nachricht: Ab kommender Woche findet der Tanzkreis wieder statt. Juhuuuu – ich freue mich auf einen fröhlichen Quickstepp… 😀

3. Juni: Ein 17jähriges Mädchen hat am 26. Mai gefilmt, wie der Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis auf offener Straße zu Tode gefoltert wurde. Acht Minuten und 46 Sekunden lang kniete der Polizist

Derek Chauvin auf dem Hals des Mannes, zwei weitere Polizisten auf seinem Rücken, während Floyd verzweifelt rief, er könne nicht atmen. Im Krankenhaus wurde sein Tod festgestellt. Seitdem haben sich bürgerkriegsähnliche Zustände über das ganze Land verbreitet. Der Präsident, statt beruhigend auf die Bevölkerung einzuwirken, beschimpft die Gouverneure als führungsunfähig, rät ihnen, das Schlachtfeld zu dominieren und setzt die Nationalgarde ein. Am Wochenende ließ sich Donald Trump mit Tränengas und Gummigeschossen den Weg zwischen dem Weißen Haus und der nahegelegenen St. John’s Episcopalkirche von Demonstranten freiräumen, nur um dort in einem Fototermin die Bibel in die Höhe zu halten und ein Signal für seine evangelikalen Wähler zu setzen. Er hatte nicht mal die zuständigen Bischöfe um Erlaubnis gefragt. Seitdem kursiert in den sozialen Medien ein böses Foto, das den Präsidenten mit Adolf Hitler in exakt der gleichen Pose vergleicht. Die Brand-Rhetorik des Präsidenten öffnet Spekulationen Tor und Tür. Mittlerweile wird sogar befürchtet, Trump werde mittels Kriegsrecht Wahlen verhindern oder per Staatsstreich verhindern, dass er abgewählt wird. Die wütenden und teilweise gewalttätigen Proteste erreichen, dass zuerst Chauvin, zwei Tage später auch die anderen drei Polizisten nicht nur entlassen, sondern auch angeklagt werden. Auch in Europa gibt es Demonstrationen unter dem Motto „black life matters“. Auf mich wirkt das ausgesprochen heuchlerisch: Wenn man bedenkt, wie viele schwarze Leben im Mittelmeer enden, stellt sich automatisch die Frage, ob es Unterschiede bei diesen Leben gibt…

Nach zwei Tagen Verhandlung hat sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung auf ein umfangreiches Konjunkturpaket geeinigt. Wichtige Nachricht für die Lobbyisten: Die Autoindustrie bekommt die gewünschten Kaufprämien auch für Diesel und Benziner nicht. Statt dessen wird die Prämie für Elektroautos verdoppelt (bisher werden Fahrzeuge bis zu einem Listenpreises von 40.000 Euro mit 6000 Euro gefördert, Autos mit einem Listenpreis über 40.000 Euro mit 5000 Euro). Die KFZ-Steuer soll nach Emissionswerten ausgerichtet werden. Die Mehrwertsteuer wird befristet auf sechs Monate von 19 auf 16 Prozent gesenkt. Familien bekommen einen Zuschuss von 300 Euro pro Kind.  Die Stromkosten sollen nicht weiter steigen. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt und so in diesem Jahr bei sechs Cent und 2021 bei 6,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden. Gefördert werden soll zukünftig auch die Wasserstofftechnologie. Die Kommunen sollen entlastet werden, indem Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Außerdem will der Bund dauerhaft seine Hilfen bei den Sozialkosten der Gemeinden ausweiten.

Der Bund stellt der Deutschen Bahn weiteres Eigenkapital in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). Schließlich soll es Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen geben, die von der Corona-Krise besonders belastet sind. Geplant sind „Überbrückungshilfen“ im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro unter anderem für das Hotel- und Gaststättengewerbe, Kneipen, Clubs und Bars, Jugendherbergen, Reisebüros, Sportvereine, Schausteller und Firmen der Veranstaltungslogistik. Ingesamt soll das Paket 2020 und 2021 rund 130 Milliarden Euro kosten, 120 davon trägt der Bund. Nun muss es nur noch wirken: Die Menschen müssen kaufen, die Wirtschaft muss Arbeitsplätze erhalten und investieren…

4. Juni: Der Vater meiner Freundin aus Florida macht mich zurzeit in Facebook immer wieder sprachlos. Ich habe den inzwischen fast 90 Jahre alten selbstständigen Landvermesser vor über 30 Jahren als freundlichen und freiheitlich denkenden Mann kennengelernt. Jetzt postet er abwechselnd tief christlich oder zeigt sich als radikaler Unterstützer des Präsidenten. Heute, zur Beerdigung von George Floyd, postete er gleich dreimal Fotos von amerikanischen Polizisten, die im Einsatz verletzt, bzw. getötet wurden. Sehr schwierig für mich. Meine Freundin selbst präsentiert sich zu 100 Prozent unpolitisch. Kein Wort über irgendein Zeitgeschehen. Entweder habe ich mich damals sehr geirrt – oder die Menschen haben sich seitdem sehr verändert… Ein US-Richter hat heute je eine Million Kaution für die drei anderen Beamten festgelegt. Bei Floyds Beerdigung sah man Menschenmassen und viele Leute auf den Knien. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses postete einen Tweet, in dem sie die amerikanischen Polizisten (allgemein) als Helden bezeichnete.

Heute war kein netter Tag für Donald Trump. Sein ehemaliger Verteidigungsminister und alle vier noch lebenden Ex-Präsidenten haben ihn kritisiert. Twitter hat behauptet, man werde notfalls auch sein Konto sperren – auch wenn es wohl noch lange nicht so weit sein wird.

MdB Karl Lauterbach (SPD) twittert von einer „robusten Studie“, aus der hervorgeht, dass Menschen mit der Blutgruppe A ein um 50 Prozent höheres Risiko einer scheren Corona-Erkrankung haben. 1980 Patienten mit schweren Lungenkomplikationen in Italien und Spanien sind dazu untersucht worden. Sein Tweet geht unter, weil Europa erneut mit Geld geflutet wird: Die Bundesregierung ist sehr stolz auf ihr Konjunkturpaket, das auf allen Kanälen rauf und runter diskutiert wird. Gemecker gibt es eher marginal: So hätten die Linken einen 200 Euro-Zuschuss für den Kauf neuer Fahrräder gewünscht. Andere kritisieren zu Recht den Kinderbonus von 300 Euro, der auch noch in drei Raten ausgezahlt wird. Da hätte eine schnellere Öffnung von Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten mehr bewirkt. Aber insgesamt wurden alle Teile der Gesellschaft recht gut bedacht.

Für Freude an den Börsen und Entsetzen der Wenigen, die an die Stabilität von Währungen denken, sorgt das erneute Konjunkturprogramm der EZB. Der Euro steigt umgehend im Wert auf 1,13 Dollar, den höchsten Stand seit März. Die Geldpolitik der EZB befinde sich auf den „Spuren der Reichsbank“, urteilt Thorsten Polleit von Degussa Goldhandel und spielt damit auf die enorme Ausweitung der Geldmenge in den 1920er-Jahren in Deutschland an. Die EZB erhöht das Volumen des Pandemie-Notfall-Kaufprogramms (PEPP) um 600  auf 1 350 Milliarden Euro (!!!) und verlängert seine Laufzeit von Ende 2020 bis mindestens Juni 2021. Bei der Umsetzung will sie Regeln, die sie sich selbst in früheren Kaufprogrammen gesetzt hat, nicht mehr strikt anwenden. In früheren Programmen wollte die EZB maximal 33 Prozent einer Emission und 33 Prozent aller Anleihen eines Emittenten erwerben sowie sich bei den Käufen strikt am Kapitalschlüssel der nationalen Notenbanken für das EZB-Kapital orientieren. Während in Deutschland die Sorgen über die möglichen Folgen des deutlich aufgestockten Anleihekaufprogramms wachsen, gehen die Sorgen in Italien offenbar in eine ganz andere Richtung. Warum die EZB im Rahmen ihres Notfallprogramms überhaupt deutsche Bundesanleihen gekauft habe, wollte die Journalistin einer italienischen Wirtschaftszeitung während der Pressekonferenz wissen. Italien hat am Kapitalschlüssel einen Anteil von 17 Prozent, Deutschland einen von mehr als 26 Prozent. Es ist unglaublich: Alle Bedenken, die es zum Thema EZB in der Vergangenheit gab, werden in kürzester Zeit wahr.

16. Juni: Seit heute ist die deutsche Corona App online. Beispielhaft für Europa – was sonst – und freiwillig. 2,3 der 83 Millionen Deutschen haben sie bis zum Abend heruntergeladen. Die App registriert über Bluetooth andere Geräte und speichert deren ID im Gerät des Nutzers. Nur wenn ein Nutzer in die App eingibt, dass er infiziert ist, werden die gespeicherten ID ans Gesundheitsamt weitergeleitet. Um zu vermelden, dass man infiziert ist, braucht man einen QR-Code oder eine Tan vom Arzt – Missbrauch soll so verhindert werden. Einziges Problem: Die App funktioniert nur auf Handies mit neuerer Technik. Der Datenschutzbeauftragte ist mit der Sicherheit zufrieden. Sicherer als die Zettel mit Namen, Anschrift und Telefonnummer, die man in Gaststätten jetzt ausfüllen muss, ist sie gewiss. Die Bundesregierung vertraut da auf die Wirte, dass die die Daten nach vier Wochen auch wirklich vernichten… Aufeinander abgestimmt sind die europäischen Apps bisher nicht. Der Gesundheitsminister meint dazu: Es gebe ja an den meisten Urlaubsorten viele Deutsche. Dann könnten immerhin deren Apps untereinander kommunizieren – selten so gelacht. Gestern durften die ersten Deutschen wieder nach Mallorca fliegen. Nur Deutsche, keine anderen Ausländer. Die Medien berichten, als sei es ein Naturschauspiel.

Eine repräsentative britische Studie hat herausgefunden, dass das Medikament Dexamethason bei einem von acht Corona-Patienten mit schwerstem Verlauf Leben retten kann. Das Cortison-Präparat ist weltweit kostengünstig erhältlich. Die WHO ist begeistert. Kinder infizieren sich seltener mit dem Coronavirus als Erwachsene – selbst wenn in einem Haushalt bereits jemand infiziert ist. Dies geht aus einer gemeinsamen Studie der Universitätskliniken Heidelberg, Ulm, Freiburg und Tübingen hervor, die die baden-württembergische Landesregierung vorstellt. Damit ist einer gegensätzlichen Studie des Corona Papstes Drosten der Wind aus den Segeln genommen. Vielleicht hört nun das Drama um Kitas, Kindergärten und Schulen endlich auf. Wenn sich in der Öffentlichkeit jetzt zehn Personen aus egal wie vielen Haushalten treffen dürfen, kann man die Einrichtungen für Kinder ja wieder komplett öffnen.

Die Unruhen in den USA nach dem Tod des Farbigen George Floyd ebben nicht ab. Präsident Trump gerät immer stärker unter Druck. Mit allen Mitteln versucht das Weiße Haus seit Monaten, ein Enthüllungsbuch des früheren Trump-Beraters Bolton zu verhindern, das diesen Monat noch erscheinen soll. Jetzt hat die Regierung in ihrer Not ein Gericht angerufen. Neuster Nebenkriegsschauplatz Trumps ist wieder einmal Deutschland. Heute verkündet er öffentlich, dass knapp 10 000 Soldaten abgezogen werden sollen, weil Deutschland nicht genug in die Nato einzahle – nun werde man sehen, was passiert. Ich denke: Am besten würde er die aus Ramstein zuerst abziehen… Abgesprochen ist bisher nichts, koordiniert offenbar auch nicht. Wahlkampfgetöse – wobei sehr viele Bundesbürger denken, dass ruhig noch mehr als 10 000 US-Soldaten gehen könnten – samit ihrer Atombomben.

Mein heißgeliebtes Urlaubsdomizil in Mexico plant, zum 1. Juli wieder zu öffnen. In unserer Facebookgruppe wurden insgesamt mehr als 25 000 Euro gesammelt, um das Personal in der schwierigen Zeit zu unterstützen. Noch ist die Corona-Lage in Mexico schwierig. Aber so langsam gehen die Türen zur Welt wieder auf.

17. Juni: Schon mehr als acht Millionen Deutsche haben die Corona App heruntergeladen. Jetzt machen Forscher erste Sicherheitslücken öffentlich. Im ganzen Land beginnt sich ein Konsens zu bilden, dass nach den Sommerferien alle Schulen wieder im Normalbetrieb laufen sollen. Virologe Christian Drosten ist weiterhin dagegen, diesmal aufgrund einer schwedischen Studie. Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande haben einen ersten Vertrag über bis zu 400 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus geschlossen. Vertragspartner ist das Pharmaunternehmen AstraZeneca. Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen hat dem Tübinger Unternehmen Curevac erlaubt, mit der klinischen Prüfung seines Impfstoffes zu beginnen. Dabei wird dieser im Rahmen einer sogenannten Phase-1-Studie an gesunden Freiwilligen getestet. Ende April hatte bereits das Mainzer Unternehmen Biontech diese Genehmigung erhalten. Am Montag hatte das Bundeswirtschaftsministerium bekanntgegeben, sich mit 300 Millionen Euro an dem Unternehmen Curevac zu beteiligen und rund 23 Prozent der Anteile zu übernehmen. Man wolle es so auch gegen eine mögliche Übernahme aus dem Ausland absichern, hieß es. Curevac ist das Unternehmen, das die US-Regierung zu Beginn der Pandemie kaufen wollte.

23. Juni: Covid 19 und kein Ende…. nach mehreren Ausbrüchen in fleischverarbeitenden Betrieben hat der in Europas größter Schlachterei, dem Unternehmen Tönnies, massive Auswirkungen: Mehr als 1500 Beschäftigte sind inzwischen infiziert. Ab heute befinden sich die Kreise Güterslow und Warendorf wieder im Lockdown. Durch die zahlreichen Infekte gerade in der Fleischindustrie ist es der Politik unmöglich geworden, weiter über die desaströsen Arbeits- und Lebensbedingungen der südosteuropäischen Arbeiter mit Werkvertrag hinweg zu sehen. Jetzt wissen wir, wieso Aldi und Lidl, beides Tönnies-Kunden, aber auch Rewe und Edeka, Fleisch zu Spottpreisen verkaufen können. Jetzt denkt der Bundesarbeitsminister darüber nach, Werkverträge zu verbieten. Tönnies-Chef Clemens Tönnies ist auch Chef des 1. Schalke 04 und hat sich den Zorn der Fans zugezogen. Inzwischen versuchen die Schlachthöfe selbst, mit Vorschlägen zur Verbesserung der Lage ihrer Mitarbeiter den Zorn von Politik und Bevölkerung zu mildern. Vielleicht sorgt diese Geschichte dafür, dass das auf Tier- und Menschenquälerei basierende Billigfleisch nicht mehr akzeptiert wird. Das wäre mal ein positiver Ansatz…

In den USA steigen die Corona-Zahlen weiter an; jetzt vor allem im Süden. Die EU denkt deshalb darüber nach, US-Bürgern die Einreise zu verweigern. Derweil staunt Deutschland über seinen bisher größten Finanzskandal bei einem Dax-Unternehmen: Beim Finanzdienstleister Wirecard aus Aschheim bei München kann keine Bilanz vorgelegt werden, weil 1,9 Milliarden Euro, die eigentlich auf einem Treuhandkonto auf den Philippinen liegen sollen, dort nicht sind und offenbar auch nie waren. Der zurückgetretene Vorstandschef Markus Braun wurde heute festgenommen und gegen eine Kaution von fünf Millionen wieder freigelassen. Er hat geschätzte 5 seiner 7,5 Millionen Aktien des Unternehmens für 155 Millionen Euro verkauft – angesichts des abgestürzten Börsenkurses mit einem Riesen-Verlust. Das schlimmste bei diesem Skandal: Niemand war für die Kontrolle des Unternehmens zuständig. Die deutsche Bafin kümmerte sich nur um die Aktivitäten, die im Rahmen der deutschen Bankenlizenz von Wirecard stattfanden. Aber die weitreichenden weltweiten Geschäfte, vor allem in Asien, fanden ohne jede Kontrolle statt.

24. Juni: Die hässliche Seite von Geld und Macht: Clemens Tönnies hatte bisher beides. Er beutet Menschen aus bis auf’s Blut, sitzt in wichtigen gesellschaftlichen Schaltstellen und hat für sein Unternehmen eine Extrawurst durchgesetzt: Während alle Anderen wegen Abstandsvorschriften und ähnlichem erhebliche Einkommenseinbußen hatten, setzte der Unternehmer durch, dass im Schlachthof diese Vorschriften außer Kraft gesetzt werden konnten. Ob sich da nun nachhaltig etwas ändert? Ich bin skeptisch. Auf der anderen Seite gibt es mehrere Millionen Solo-Selbstständige in Deutschland, die bisher durch alle Maschen des sozialen Netzes fallen und schiere Existenzangst haben. Keinerlei Einkommen, keine Hilfe zum Lebensunterhalt, einfach nichts. Immer wieder stelle ich mir die gleiche Frage: War es das wirklich wert? Was für ein Elend dieser Lockdown verursacht hat!

Donald Trump fährt fort, Menschen zu entlassen, die ihm widersprechen. Mal gespannt, wann es Dr. Fauci trifft. Der widerspricht dem Präsidenten grade wieder. Während Trump angesichts weiter steigender Infektions- und Todeszahlen weniger Test verlangt, will der Virologe weiter testen wie bisher. Gegenwind für den Präsidenten auch, was den Abzug der Truppen aus Deutschland betrifft: Mitglieder seiner eigenen Partei befürchten Macht- und Gesichtsverlust. Dem wahlkämpfenden Narzissten steht das Wasser bis zum Hals: Immer weniger Amerikaner finden sein Handling der Krise gut, und sein demokratischer Gegenkandidat steht in Umfragen meilenweit vor ihm.

Im Wirecard-Skandal ist ein Ex-Vorstand ins Blickfeld gerückt, der sich offenbar in die Philippinen abgesetzt hat. Auch der Aktienverkauf des zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden ist ins Visier der Bafin geraten: Offenbar hat der Mann mitten im Crash sein Paket zum noch verhältnismäßig guten Preis abgesetzt. Die EU berät, zu welchen Drittstaaten die Reisebeschränkungen aufgehoben werden können. Die USA sind nicht dabei. Die Menschen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf haben in Sachen Urlaub die Null gewählt: In Mecklenburg-Vorpommern wurden sogar bereits angereiste Urlauber ausgewiesen. Dorthin und nach Bayern dürfen Urlauber aus den beiden Kreisen nur noch kommen, wenn sie einen negativen Test nachweisen, der höchstens 48 Stunden alt sein darf. Wie müde das alles macht. Ich hatte gehofft, diesen Blog schon längst beenden zu können.

25. Juni: Wirecard hat heute Insolvenz angemeldet. Wenn der Krimi dieser Firmengeschichte verfilmt wird, wird er den Wolve of the Wall Street um Längen schlagen. Um 47 Prozent sind die Corona-Infektionen in den USA in nur 14 Tagen in die Höhe geschnellt. Nach einer kurzen Entspannung der Lage im Mai sind die Vereinigten Staaten nun wieder der Hot Spot Nummer eins in der Welt. Allein gestern wurden 36 880 neue Fälle gemeldet. Mehr als 120 000 Menschen sind inzwischen in Verbindung mit dem Virus gestorben. Auch in Großbritannien hat das Virus böse zugeschlagen. Gerade erst hat die Regierung Lockerungen möglich gemacht. Heute, am bisher heißesten Tag des Jahres, haben Menschenmassen die Strände gestürmt und sämtliche Vorsichtsregeln über den Haufen geworfen. Der erste Corona-Hotspot Europas war Ischgl in Österreich. Dort wurde nun eine großflächige Studie gemacht: Knapp 1500 der rund 1600 Einwohner ließen sich testen. Ergebnis: 42,4 Prozent haben eine Infektion durchgemacht. Kinder unter 18 waren zu einem Drittel weniger infiziert als Erwachsene. 85 Prozent der Menschen mit Antikörpern hatten von ihrer Infektion nichts gemerkt. Der deutsche Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Prof. Dr. Sucharit Bhakdi (73), hat seine regierungskritischen Thesen zur »Corona-Pandemie« in einem Buch veröffentlicht.

30. Juni: Eine Studie hat herausgefunden, dass selbst genähte Masken tatsächlich schützen sollen – wenn sie eng genug anliegen; späte Freude für die quietschbunten Masken-Näherinnen. Mich ärgert das Ganze nur noch: Hätte man uns vorher nicht das Gegenteil erzählt, wäre das deutlich glaubhafter. Mal abgesehen davon, dass einkaufen unter dem Ding einfach nur furchtbar ist. Der deutsche Virologe Professor Streeck warnt vor allzu optimistischen Hoffnungen auf das schnelle Entdecken eines Impfstoffes: Das könne im schlimmsten Fall noch Jahrzehnte dauern. Derweil geben viele Deutsche ihre lang gehegte Liebe zum Bargeld auf und nutzen vermehrt Karten zum Zahlen.

In den USA steigen die Infektionszahlen drastisch an. Mehr als 2,6 Millionen Menschen waren oder sind inzwischen infiziert, mehr als 127 000 in Verbindung mit dem Virus gestorben. Dr. Fauci, der Dr. Drosten Nordamerikas, befürchtet, dass es bis zu 100 000 Neuifektionen pro Tag werden können. „Etwas läuft sehr falsch in unserem Land“ erklärt der kleine, schmale Mann. Da sich der Präsident nach wie vor weigert, eine Maske zu tragen, wird das Tragen dieser zum politischen Statement. Der Präsident selbst muss sich einem neuen Skandal stellen: Nicht nur präsentiert er sich in Telefonaten mit anderen Staatschefs chronisch uninformiert und auf seine persönlichen Vorteile bedacht; er beleidigt sie auch immer wieder persönlich, und hier besonders die Frauen. Die deutsche Bundeskanzlerin bezeichnete er als dumm.

In China haben Wissenschaftler eine neue Art der Schweinegrippe entdeckt, die eine Pandemie auslösen könnte. Das Virus mit dem Namen G4 besitze „alle wesentlichen Eigenschaften, um Menschen infizieren zu können“, schrieben die Forscher mehrerer chinesischer Universitäten und des chinesischen Zentrums für Krankheitsbekämpfung und -prävention in Artikeln in der US-Fachzeitschrift PNAS. G4 stamme vom H1N1-Virus ab, das 2009 eine Pandemie auslöste. Puh. Ich will sofort auf eine einsame Insel. Mit der Liebe meines Lebens und meinen Tieren. Dafür ohne Internet.

30. Juli: Vier Wochen nicht geschrieben. Ich weiß nicht, was stärker ist: Der Widerwille gegen das Corona-Theater oder der, darüber zu schreiben. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Der Wirecard-Skandal bewegt sich zügig auf einen Untersuchungsausschuss zu, nachdem die gestrige Befragung der beiden zuständigen Minister Scholz und Altmaier zu vielen Widersprüchen über die Frage der notwendigen Kontrollen führte. Inzwischen ist klar, dass ein ganzes Netzwerk innerhalb des Unternehmens gezielt mit Luftbuchungen arbeitete und dass es bereits 2015 klare Anzeichen für Betrug gab. Zwei Vorstandsmitglieder sind in Untersuchungshaft, der für das Asiengeschäft zuständige Mann ist auf der Flucht; man hört, er halte sich in Russland auf.

Auch der Tönnies-Skandal ist heute in eine neue Phase eingetreten: Kungelei zwischen dem Unternehmen und der Kreisverwaltung Gütersloh führte dazu, dass rund 800 osteuropäische Mitarbeiter zu Unrecht bis zu vier Wochen in Quarantäne geschickt wurden. Man teilte ihnen bewusst fälschlicherweise mit, sie seien positiv getestet worden. Auch hier erscheint es unglaublich, wie lange die Politik zu den Arbeitsbedingungen dieser Menschen weg gesehen hat. Jetzt unternimmt Arbeitsminister Heil hektische Anstrengungen, diese zu bessern: Werkverträge in der Fleischindustrie werden ab Januar verboten. So sollen im Ausland ansässige Subunternehmer ausgeschaltet werden. Guter Anfang, aber schlecht durchdacht: Werkverträge dienen in allen Branchen dazu, Mitarbeiter auszubeuten, denn sie ermöglichen Arbeitsentgelte weit unter Tarif. Das weiß ich schon seit meiner Angestellten-Zeit, und die ist immerhin fast 20 Jahre vorbei.

Um 10,1 Prozent ist im Vergleich zum Vorjahr das deutsche BIP (Bruttoinlandsprodukt) im zweiten Quartal (Q2) 2020 gefallen; bereits in Q1 waren es zwei Prozent. Damit befindet sich Deutschland auch offiziell in einer Rezession. In Frankreich wird für Q2 ein Minus von 15 Prozent, in Italien von 14 und in Spanien um 16 Prozent erwartet. Die Bundesagentur für Arbeit meldet für den Monat Juli 2,91 Millionen Menschen ohne Job und damit 635.000 mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Selbstständigen, die wegen Auftragsausfall Hartz-IV-Leistungen beantragt haben, hat sich von April bis Ende Juni gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut 64.000 erhöht.  Von März bis zum 25. Juni haben Arbeitgeber für rund zwölf Millionen Beschäftigte Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) angezeigt, im gesamten Rezessionsjahr 2009 gab es Anzeigen für rund 3,3 Millionen Personen. Wie viel davon am Ende tatsächlich realisiert wird, ist erst bei der Abrechnung klar. Erstaunlich: Jede Menge Kurzarbeit wurde 2020 von Arztpraxen und Kliniken angemeldet, die angeblich mit den vielen Erkrankten so ausgelastet waren. Ich persönlich kenne Unternehmen, die das großzügige Kurzarbeitergeld bis zum Jahresende nutzen wollen, obwohl die normalen Umsatz haben – weil es ein tolles Sparmodell bietet… Victoria Grimm, Mitglied der Wirtschaftsweisen, erwartet im TV eine komplette Erholung der Wirtschaft erst 2022 – vorausgesetzt, dass es keine weiteren großflächigen Lockdowns mehr gibt.

Wieder einmal eine merkwürdige Rolle spielt im Umgang mit den Deutschen Corona-Zahlen das Robert-Koch-Institut. Das staatliche Institut ist die Sammelstelle für Epidemie-Daten aus ganz Deutschland und sitzt darum auf einem Datenschatz, der für die öffentliche Meinungsbildung zur Epidemie und zur Corona-Politik Gold wert wäre. Das Datenteam des NDR musste in den vergangenen Wochen jedoch erfahren, wie wenig das RKI gewillt ist, manche dieser Daten öffentlich zu machen: Mehrere Bitten um Datensätze wurden ohne stichhaltige Gründe abgelehnt, Fragen dazu beantwortete das Institut ausweichend oder gar nicht. Es geht um regionale Informationen, mit deren Hilfe Medien eigene Berechnungen anstellen könnten. Erneut denke ich, dass das RKI dringend einen anderen Präsidenten braucht.

Die mit Kosten von 20 Millionen laut Experten mehr als zehnfach überteuerte Corona-Warn App wurde von rund 16 der 83,2 Millionen Einwohner heruntergeladen. Sie brauchte inzwischen mehrere Updates, unter anderem, weil die Hintergrund-Aktualisierung nicht klappte. Auf älteren Handies läuft die App gar nicht. Gesundheitsminister Spahn sprach im TV von rund 500 Warnungen, die möglich gewesen wären. Wie weit die App dafür auch genutzt wurde, sei aber nicht bekannt.

Die Urlaubssaison ist in vollem Gang, auch die sommerlichen Temperaturen im Land nehmen endlich Fahrt auf. Die Folge: Jede Menge illegaler Parties – in Berlin beispielsweise feierten vor einer Woche rund 5000 junge Leute ohne Masken und Sicherheitsabstand. An Mallorcas Ballermann wurde bereits kurz nach dem Eintreffen der ersten ausländischen Touristen die Bier- und Schinkenstraße wieder geschlossen: Tausende junger Menschen feierten auch hier ohne Sicherheitsmaßnahmen; darunter viele Deutsche. An verschiedenen Stellen in Deutschland poppen neue kleine Cluster auf – besorgte Stimmen sprechen von einer zweiten Welle, die bereits in vollem Gang sei. Die Türkei ist erbost, weil Deutschland seine Reisewarnung weiter aufrecht erhält, plant ihrerseits aber eine strenge Regulierung der sozialen Medien und harte Strafen für Kritik an der Familie Erdogan. Für Katalonien wurde eine erneute Reisewarnung ausgesprochen, weil dort die Zahl der Neuinfektionen ständig steigt. Mein geplanter September-Urlaub zielt zwar weiter nach Süden, aber ich bin dennoch beunruhigt. Ich muss endlich mal raus und ans Meer… Die Bundesregierung will alle Urlaubs-Rückkehrer kostenlos auf Infektion testen lassen. Wie das bei Auto-Reisenden gehen soll, hat sie offen gelassen.

Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal ebenfalls dramatisch eingebrochen. Von April bis einschließlich Juni schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufs Jahr hochgerechnet um 32,9 Prozent, wie die US-Regierung am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das war der tiefste Einbruch in einem Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspräche das umgerechnet etwa einem Minus von fast zehn Prozent. In den USA werden derzeit täglich rund 60.000 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Betroffen sind vor allem Bundesstaaten im Süden und Westen des Landes, in denen rund ein Drittel der US-Bevölkerung lebt. Insgesamt gibt es Daten der Universität Johns Hopkins zufolge inzwischen 4,4 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 und rund 150.000 damit verbundene Todesfälle. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 11,1 Prozent. Vor der Pandemie hatte sie noch bei 3,5 Prozent gelegen. Angesichts der hohen Infektionszahlen befürchten Experten eine Steigerung auf bis zu 30 Prozent.

Der Präsident, dessen stärkstes Argument für eine Wiederwahl die boomende Wirtschaft war, läuft regelrecht Amok. Er eifert gegen Briefwahl als Quelle möglicher Manipulationen, bringt eine Verschiebung des Wahltermins ins Gespräch, deutet an, einen Wahlverlust nicht anerkennen zu wollen. Sein Versuch, Dr. Fauci zu diskreditieren misslingt. Daraufhin beklagt sich der Präsident öffentlich, dass ihn keiner mag… Die Unruhen in den USA lassen nicht nach. Der Präsident schickt eigene Truppen gegen den Willen der Bürgermeister und verschärft die Lage damit noch. In einem Interview mit seinem Lieblingssender Fox News blamiert sich Donald Trump unsterblich. Krönung seiner Prahlerei ist ein bestandener kognitiver Test, der normalerweise angewendet wird, um Demenz frühzeitig zu erkennen. Auch den Konflikt mit China heizt Trump weiter an: Das chinesische Konsulat in Houston muss wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage kurzfristig schließen. China antwortet mit der Schließung des amerikanischen Konsulats in Chengdu. Die Lage wird immer gefährlicher.

Aus Deutschland sollen rund 12 000 US-Soldaten abgezogen werden. 6500 davon sollen zurück in die USA, der Rest geht in andere europäische Länder. Es ist erklärtermaßen eine Strafmaßnahme, weil Deutschland nach Meinung des Präsidenten nicht genug in die Nato einzahlt. Die Meinungen dazu hierzulande sind sehr gespalten. Ich persönlich denke, dass unsere Regierung dem Herrn mal vorschlagen sollte, die Soldaten aus Ramstein abzuziehen…

Das Rennen um einen Impfstoff macht Fortschritte. Wie viel ein solcher wirklich nützen kann, bleibt dabei offen: Der erste deutsche Corona-Patient vom 27. Januar hat bereits keine Antikörper mehr. Man wird mit diesem Virus leben müssen genau wie mit der Grippe, das wird immer klarer.

In Saudi-Arabien hat die Hadsch begonnen. Diese sonst weltweit größte Massenveranstaltung ist diesmal auf 10 000 Teilnehmer begrenzt. Alles wird desinfiziert; sogar die Steine, die die Gläubigen an die Wand werfen.

Die EU-Regierungschefs haben sich auf ein Wiederaufbau-Paket geeinigt. Die sparsamen Vier haben dafür gesorgt, dass „nur“ 390 Milliarden als reine Zuschüsse verteilt werden sollen, nicht wie geplant 500. Ungarn und Polen frohlocken: Die Auszahlung wurde nicht an Rechtsstaatlichkeit gebunden. In dem viertägigen Mammutgipfel wird auch der kommende EU-Haushalt beschlossen, in dem massive Kürzungen gerade in Zukunftsbereichen geplant sind. Das ruft das Europaparlament auf den Plan, das den Zahlen zustimmen muss. Es lehnt das 1,8 Billionen (!!!)-Paket mit breiter Mehrheit ab.

Das neue Buch von Mary L. Trump „Zu viel und nie genug – Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“ über ihren Onkel Donald Trump ist ein Renner. Bereits am Erscheinungstag schnellten die Verkaufszahlen auf über eine Million. Es ist eine bittere Erinnerung der Tochter von Donald Trumps ältestem Bruder, der beim Vater in Ungnade gefallen war, aber auch eine brilliante Analyse über Ursachen, Entstehung und Wirkung von Persönlichkeitsstörungen und liest sich spannend wie ein Roman. Ein anderes Buch dagegen wird von den Medien tot geschwiegen, obwohl es auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste ist: „Corona Fehlalarm? Zahlen, Daten und Hintergründe“ von Professor Sucharit Bhakdi und Karina Reiss.

2. August: Zum ersten Mal in diesem Jahr bei öffentlichen Veranstaltungen: Im Freilichtmuseum Bad Sobernheim gab es einen Tuchmarkt, in Idar-Oberstein den jährlichen Edelstein-Schleifer-Markt. Letzterer ist ein Event, zu dem jährlich tausende Besucher aus aller Welt im Edelstein- und Schleiferzentrum Deutschlands zusammen treffen. Man sieht die neusten Kreationen junger Goldschmiedemeister/innen, erfährt alles über das Schleifen der Preziosen, kann sehr edlen Schmuck, aber auch allerlei Tünnef erstehen. Zusätzlich zu vielen Marktständen in der verkehrsfreien Innenstadt haben die Geschäfte und Edelsteinmuseen geöffnet, und es gibt ein Rahmenprogramm aus Musik und Kleinkunst zu Füßen der Felsenkirche. Diesmal war auch das völlig anders. Kleine Bereiche waren für die Marktstände abgesperrt, man musste davor Schlange stehen, weil nur ganz kleine, abgezählte Besucherzahlen eintreten durften, und das auch nur mit Maske. Deutlich mehr Besucher waren in der Fußgängerzone unterwegs, da auch im Begegnungsverkehr und ohne Maskenzwang – wie widersinnig. Insgesamt waren sehr viel weniger Besucher gekommen, als sonst. Trotzdem war ich froh, mehr oder weniger normal unter Menschen sein zu können.

Das Freilichtmuseum Bad Sobernheim ist ein kleines Dorf mit historischen Häusern, die anlässlich von Veranstaltungen geöffnet werden, einer gemütlichen Gaststätte mit einem kleinen Biergarten, mit Wiesen voller Obstbäumen, Schafen, Ziegen und Rindern. Normalerweise werden dort Feste ausgerichtet, die sich durch das ganze historische Dorf ziehen. Tausende Besucher verteilen sich auf dem weitläufigen Gelände, bewundern alte Methoden der Landwirtschaft, den historischen Kräutergarten, kaufen frisch hergestellte Marmelade, Wurst in der antiken Metzgerei oder frisch gebackenes Brot. Man kann an verschiedenen Stellen einkehren, Live-Musik hören und kilometerweit spazieren gehen. Der kleine Tuchmarkt am Wochenende nun war in wenigen Ständen auf einer Wiese am Eingang zusammengefasst. Zu betreten nur mit Maske und nicht im Begegnungsverkehr, was angesichts der winzigen Besucherzahl auf der großen Wiese regelrecht lächerlich wirkte. Trotz dem und trotz großer Hitze war ich dennoch auch hier froh, einfach mal entspannt und nicht nur zum Einkaufen unter Menschen zu sein.

In Berlin gab es heute eine Massendemonstration gegen die Corona-Regeln, die von der Polizei aufgelöst wurde. Die Zahl der Infizierten steigt auch in Deutschland wieder – wenn auch nicht stark. Kaum jemand wagt noch, etwas gegen Masken zu sagen. Ich habe heute kapituliert: Statt meiner selbst genähten, kochfesten, mit Filter versehenen Masken habe ich ein Vlies-Fähnchen vorgebunden. Federleicht, schützt vor gar nichts, aber die Ordnungskräfte sind zufrieden und ich ersticke nicht drunter.

17. August: Heute das von den Medien, wenn überhaupt wahrgenommen, platt gemachte Buch von Professor Sucharit Bhakdi und seiner Frau, Dr. Karina Weiss veröffentlichte Buch „Corona-Fehlalarm?“ gelesen und nur mal schnell ein paar Berechnungen angestellt:

USA: 331 Millionen Einwohner, 5 396 782 infiziert = 1,63 Prozent der Bevölkerung; 773 469 Menschen tot = 0,23 Prozent.

Deutschland: 83 Millionen Einwohner, 225 007 Infektionen = 0,27 Prozent, 9235 gestorben = 0,01 Prozent.

Italien: 60 Millionen Einwohner, 253 915 infiziert = 0,42 Prozent, 35 396 gestorben = 0,06 Prozent.

Schweden: 11 Millionen Einwohner, 84294 Infektionen = 0,77 Prozent; 5783 gestorben = 0,05 Prozent der Bevölkerung.

So viel zum Thema Pandemie und dem gescheiterten schwedischen Weg. Noch Fragen?

18. August: Zwei Tage vor dem Schulbeginn in Schleswig-Holstein und eine Woche vor dem in drei weiteren Bundesländern, zu einer Zeit also, als ein großer Teil der Urlauber schon lange wieder zuhause ist, kam das Gesundheitsministerium auf die glorreiche Idee, Urlaubsheimkehrer aus Risiko-Gebieten zu Corona-Tests, ersatzweise zwei Wochen Quarantäne zu verpflichten. Vorher wurden die Risikogebiete nochmal kräftig ausgeweitet: Unter anderem gehört dazu jetzt ganz Spanien. Dummerweise gibt es keine passende Software, um all die Tests schnell zu erfassen und auszuwerten. So kam es vor einer Woche in Bayern zu einer denkwürdigen Panne: Mehr als 900 Menschen wurden beim Grenzübertritt positiv getestet. Da die ehrenamtlichen Helfer alle Daten händisch zu Papier bringen mussten, gab es enorme Verzögerungen: Eine Woche später wussten die positiv getesteten noch immer nichts davon, hatten sich also in aller Ruhe weiter unter Menschen bewegt. Dumm gelaufen für Deutschlands Krisenmanager Söder. Noch schlimmer das Eingeständnis wenige Tage später: 49 der positiv Getesteten sind beim besten Willen nicht auffindbar….

Die Zahl der Neuinfektionen steigt auch in Deutschland wieder. Das hat nach erklärter Meinung der Politiker aber nichts mit Testpannen oder ähnlichem zu tun, sondern mit der Sorglosigkeit der Bürger. In NRW wurde vor einer Woche öffentlichkeitswirksam ein Bussgeldkatalog erlassen. Heute setzte die Kanzlerin beim Besuch bei Ministerpräsident Laschet noch einen drauf: Sie halte überhaupt nichts von weiteren Lockerungen, sprach Angela Merkel. Sie finde auch die Maskenpflicht im Schulunterricht in NRW gut, sagte sie. Überhaupt Unterricht: Mit dem neuen Schuljahr soll wieder Präsenzunterricht erteilt werden – sehr zum Ärger der Lehrerschaft. Zahlreiche Pädagogen wollten per Attest erreichen, weiter zuhause bleiben zu dürfen. Es gelang nicht. Wer zu viele Vorerkrankungen hat, braucht zwar nicht zu unterrichten, muss aber trotzdem antreten und dann in der Schule „andere Aufgaben“ übernehmen. Das hätte man im März schon beschließen müssen. Dann wären die Schulen wesentlich besser als jetzt auf die ganzen Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet. Es wäre auch kein Fehler gewesen, die Zeit zu nutzen, um die Pädagogen im Umgang mit PC, Internet-Kommunikation und digitalem Unterricht zu schulen, zumal die Lehrer nichtmal Kurzarbeiter-Gehalt bekamen. Aber es ist nichts passiert. Aus Österreich wird der Fall einer Deutschen bekannt, die sich wiederholt Corona-Maßnahmen nicht eingehalten hat. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro verurteilt, wobei viele die Strafe zu mild fanden und Gefängnis verlangten.

In Großbritannien und China sind inzwischen Impfstoffe in der letzten Phase vor der Zulassung, in Russland wurde ein Serum unter Überspringen der nötigen Testphasen in den Umlauf gebracht. Die „Zeit“ hat sich die Mühe gemacht, alle Firmen und Impfstoffe aufzuschlüsseln. Wer in Deutschland eine Gaststätte aufsucht, muss sich jetzt mit Namen, Anschrift und Kontaktdaten in ein Formular eintragen. Das weckt Begehrlichkeiten bei Behörden: Es wird bekannt, dass die Polizei versucht, darauf Zugriff zu nehmen. Was für ein Unsinn: Gastwirte machen keine Passkontrollen. Mögliche Kriminelle können sich also mit frei erfundenen Daten eintragen. Die Corona-App wurde von 17 der 83 Millionen Deutschen heruntergeladen. Trotz der extrem hohen Entwicklungskosten gibt es ständig Ärger mit ihr. Auf älteren Smartphones funktioniert sie überhaupt nicht.

Seit Wochen gibt es bundesweit Demonstrationen gegen die öffentlichen Hygienemaßnahmen. Da sich auch Randalierer unter die Demonstranten mischen, werden diese in der öffentlichen Wahrnehmung kaum akzeptiert. Besonders junge Menschen haben das social distancing inzwischen satt: Sie wollen feiern und tun das auch. In Berlin wurden Parties in Park mit 5000 jungen Teilnehmern vermeldet. Auch private Feiern nehmen wieder zu. Deshalb, sowie wegen der Urlauber, so das RKI, steigen die Infektionszahlen flächendeckend wieder, heute um 1390. „Diese Entwicklung ist sehr beunruhigend und nimmt an Dynamik zu. Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden. Einerseits muss der Anstieg in den jüngeren Bevölkerungsgruppen gebrochen werden, andererseits gilt es, einen Eintrag in die älteren und besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Sobald sich wieder vermehrt ältere Menschen infizieren, muss auch mit einem Anstieg der Hospitalisationen und Todesfälle gerechnet werden. Das kann nur verhindert werden, wenn sich die gesamte Bevölkerung weiterhin im Sinne des Infektionsschutzes engagiert, z.B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhält, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trägt. Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – sollten möglichst gemieden und Feiern auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränkt bleiben,“ schreibt das Institut. Informationen über die beiden großen Studien, die das RKI ab Mai tätigen wollte, sind dagegen bisher nirgendwo aufgetaucht.

Dafür nimmt die Kritik an den Coronamaßnahmen und der Berichterstattung darüber zu. Zwei Medienforscher haben insgesamt 90 Sendungen von ARD und ZDF untersucht und anschließend beiden bescheinigt, einen Tunnelblick zu haben und systematisch eine Alarmstimmung in der Bevölkerung erzeugt zu haben. Das gilt leider auch für die Printmedien. Seit Monaten wird systematisch Panikstimmung erzeugt und hoch gehalten. Andersdenkende kommen nicht zu Wort oder werden platt gemacht. Nur ganz langsam trauen sich einige aus der Deckung: „Viele nun vorliegende Studien zeigen aber, dass die Infection Fatality Rate (IFR), der Anteil der Todesfälle an allen Corona-Infektionen, in einem Bereich von 0,1 bis 0,3 Prozent liegt, also dem einer normalen Grippe. In diesen Studien wurden repräsentative Zufallsstichproben von Bevölkerungsgruppen untersucht und die Infizierten durch serologische Antikörpertests identifiziert. Dabei stellte sich heraus, dass die Zahl der mit Sars-CoV-2 Infizierten viel größer ist als die der positiv getesteten Menschen mit Symptomen. Wenn die Covid-19-Todesfälle auf diesen größeren Nenner bezogen werden, errechnen sich deutlich geringere IFR-Zahlen als vom Robert-Koch-Institut (RKI) und der WHO angegeben,“ schreibt die taz. Und weiter: „Es ist dringend notwendig, dass die politischen Entscheidungen zur Pandemiebekämpfung unter Einbeziehung eines unabhängigen interdisziplinären Expertengremiums getroffen werden, das nicht nur mit Vertretern der Biomedizin, sondern weiterer relevanter Fachrichtungen wie Public Health, Sozial-, Kultur- und Bildungswissenschaften besetzt ist. Ein interdisziplinärer Austausch zwischen Modellierern, Virologen, Immunologen und bevölkerungsbezogen arbeitenden Epidemiologen hätte aus unserer Sicht Politik und Gesellschaft astronomische Fehlrechnungen – mit ihren noch nicht absehbaren Folgen – ersparen können.“

Tja. Warum wohl haben Ärztpraxen und sogar Krankenhaus-Ärzte und -personal ausgerechnet in Corona-Zeiten Kurzarbeit angemeldet? Und nicht nur die, sondern auch Bestatter. Warum die Ärzte Kurzarbeit hatten? Weil in den Krankenhäusern alle anderen nicht notwendigen Operationen aufgeschoben werden und Bettem freigehalten werden mussten für Patienten, die nicht kamen und weil die Menschen sich nicht mehr in die Arztpraxen trauten. Ersteres hat vermutlich für zahlreiche weitere Todesfälle gesorgt; etwa bei Herz-Kreislauf-Patienten, bei Krebskranken, bei Schlaganfall-Patienten.

Hier nur ganz kurz diesjährige Influenza-Zahlen von der Arbeitsgemeinschaft Influenza: Die Grippewelle der Saison 2019/20 begann in der 2. KW 2020, erreichte in der 5. bis 7. KW 2020 ihren Höhepunkt und endete nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza in der 12. KW 2020. Sie hielt elf Wochen an. Nach Schätzung der AGI haben insgesamt rund 4,9 Millionen Personen wegen Influenza eine Haus- oder Kinderarztpraxis aufgesucht (95 % KI 3,8 bis 5,9 Millionen). Seit der 40. MW 2019 wurden nach IfSG insgesamt 188.073 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das RKI übermittelt. Bei 16 % der Fälle wurde angegeben, dass die Patienten hospitalisiert waren. Das Ganze fand ohne weiteres öffentliches Aufsehen statt.

Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass die meisten Regierenden der Erde einen furchtbaren Fehler gemacht haben, als sie dem Beispiel Chinas mit dem Lockdown gefolgt sind. Sie haben die Volkswirtschaften ihrer Länder auf Jahre und Jahrzehnte zurück geworfen und unzählige Menschen in den finanziellen Ruin getrieben. Nur können sie das jetzt nicht mehr rückgängig machen. Nach dem Prinzip des negativen Opfers werden also falsche Maßnahmen immer weiter fortgesetzt, statt zuzugeben, dass sie ein Irrweg sind und folgerichtig umzusteuern.

Während große Teile der Wirtschaft in desaströser Talfahrt sind, das Gold ungeahnte Höhenflüge verzeichnet und das dicke Ende noch gar nicht in Sicht ist, grassieren jede Menge Theorien zur Frage, warum die Regierungen sich so verhalten. 2000 Mitglieder sollen die „Ärzte für Aufklärung“ mittlerweile haben. Sie sind gegen die Corona-Maßnahmen, arbeiten auch international zusammen und werden von der Regierung massiv kritisiert. Sie sehen in der Corona-Panik den Versuch, eine Weltdiktatur einzurichten. Auch Bill Gates sieht sich mittlerweile genötigt, öffentlich zu erklären, dass er mit seinem Geld keineswegs Zwangsimpfungen initiieren will, um die Menschheit zu kontrollieren. Nachdem wir alle hautnah erleben, wie seit Monaten irrationale Ängste in der Bevölkerung geschürt werden und Corona-Maßnahmen mit teilweise drastischen Strafen durchgesetzt werden, lebt diese alte Befürchtung ganz neu wieder auf. Aber auch viele gemäßigter denkende Menschen haben durch das Verhalten der Regierenden verloren, was sie möglicherweise vorher noch hatten: Das Vertrauen, dass es in einer Demokratie demokratisch zugeht, dass dort Meinungsfreiheit herrscht und dass es freie Debatten aller Experten auf der Suche nach dem besten Weg gibt.

19. August: Typische Situation bei Maischberger: Alexander Kekulé berichtet von kleinen Testgeräten, mit deren Hilfe jeder Normalbürger innerhalb von 20 Minuten herausfinden kann, ob er Covid 19 hat oder nicht. Diese seien seien bereits auf dem Markt und zwar weniger treffsicher als die derzeit von Laboren genutzten, aber immer noch bei weitem im sicheren Bereich. Gerade für die kommende Grippesaison sei es sinnvoll, der Bevölkerung den Kauf solcher Geräte zu ermöglichen, um immer neue Lockdowns bei Schlen oder Kindergärten zu verhindern und Feiern wieder zu ermöglichen. Was passiert? Die beiden anderen Gesprächspartner, darunter der Ministerpräsident des Saarlandes, ignorieren den Beitrag, als habe Kekulé gar nicht gesprochen und reden weiter wie vorher von Vorsichtsmaßnahmen und virtuellen Konferenzen.

Sowas macht mich dermaßen wütend! Ganz offenbar ist die Politik nicht daran interessiert, den Menschen ihr Leben zurück zu geben! Zwei weitere Rednerinnen, beide Journalistinnen, machen deutlich, wie sehr die Angst vor Ansteckung sie im Griff hat. Dieses Elend wird sich so schnell nicht mehr ändern.

Und noch ein Gag heute: Dem Handelsblatt liegen die Original-Verträge der Bundesregierung mit den Entwicklern der Corona App vor. Nun wissen wir alle, wie sich die immensen Kosten zusammen setzen: Man rechnete mit 25 Millionen Nutzern der App und bis zu 10 000 Infizierten am Tag, außerdem mit 3000 Anrufen bei der Hotline am Tag während der ersten sechs Monate der Nutzung. Diese Zahlen werden bei weitem nicht erreicht. Dennoch: T-Systems soll für den „Betrieb der App“ einschließlich Wartung, Sicherheit, Netzwerk und Hotline fast 43 Millionen Euro erhalten. Für die Entwicklung der App erhält T-Systems laut der Linken-Anfrage 7,8 Millionen Euro, SAP 9,5 Millionen Euro. Für „Wartung und Pflege der App“ fallen bei SAP in den kommenden beiden Jahren 1,9 Millionen Euro an. Unglaublich, wie diese Unternehmen von Steuergeldern profitieren!

26. August: So sehr mir der verstrubbelte Professor Drosten auf die Nerven geht, so sehr beruhigt mich der sachliche, klare Professor Streeck: Es könne sein, dass die Infektionszahlen dieses Jahr noch auf 20 000 am Tag steigen, sagte der soeben bei Maischberger. Aber: „Ist eine Infektion, bei der man keine Symptome hat, schlimm?“ Die überwiegende Mehrheit der Infizierten habe wenige oder gar keine Symptome, und die Sterblichkeit in Deutschland liege bisher im Durchschnitt der vergangenen Jahre, lächelt der Virologe, der aus einem Elternhaus von Psychoanalytikern kommt. Ja sicher könne es sein, dass auch junge Menschen durch dieses Virus schwer erkranken. Hier gelte im Prinzip: Wer viele Viren abbekomme, werde bei der Erstinfektion wahrscheinlich schwerer erkranken. Deshalb seien Hygienemaßnahmen wie Abstand oder Masken sehr angebracht. Bei der Zweitinfektion könne man wesentlich weniger Symptome erwarten, da der Körper, auch wenn er nicht immun sei, doch eine Schutzreaktionen entwickele. Er persönlich finde, dass nicht Virologen allein die Politik beraten sollten, meinte der junge Professor weiter. Wenn es beispielsweise um die Frage gehe, ob Kinder im Unterricht Masken tragen sollen, wolle er zum Beispiel wissen, was Kinderärzte, Psychologen und Soziologen dazu sagen, denn „das macht ja was mit den Kindern.“

Ob es schnell einen wirksamen Impfstoff geben wird, könne man keineswegs sagen, meint Professor Streeck. Zu HIV beispielsweise habe es 700 „Aufstellungen“ gegeben, wovon sieben in klinische Tests gegangen seien. Keiner war erfolgreich. Gegen die schlimmsten Geißeln der Menschheit gebe es noch immer keinen Impfstoff, beispielsweise Malaria oder das Dengue-Fieber. Covid 19 sei einfacher strukturiert als etwa das HI-Virus. Trotzdem könne es sehr lange dauern, bis es einen wirkungsvollen Impfstoff gebe. Deshalb müsse man Corona in den Alltag integrieren und lernen, damit zu leben.

Die Infektionszahlen steigen weiter an, es wird immer öfter von einem zweiten Lockdown gesprochen. Zur Panik trägt bei, dass die Bundesregierung jeden Ort, wo die Infektionszahlen 50 pro 100 000 Einwohner übersteigen, zum Risikogebiet erklären und damit der Tourismus-Industrie und den Airlines in der Praxis den zweiten Lockdown verschafft. Nach Spanien wurden jetzt die französische Mittelmeerküste und Paris mit Reisewarnungen versehen. Mir nützt das ziemlich wenig: Ich habe Anfang Februar ein Ferienhaus in Spanien gebucht. Kostenlose Stornierung nicht möglich. Ich werde also übermorgen zu einer Nachtfahrt aufbrechen. Was danach passieren soll, wird immer unklarer. Nachdem vor kurzem vom besorgten Gesundheitsminister beschlossen wurde, dass sich Urlaubsheimkehrer aus Risikogebieten innerhalb von 72 Stunden kostenlos testen lassen müssen, sind die Labore überlastet. Nun soll das Ganze wieder in zwei Wochen Quarantäne umgewandelt werden, aber beschlossen ist es noch nicht. Das Thema macht mich täglich aggressiver. Man kann nirgendwo mehr wagen, an die Vernunft zu appellieren, ohne massiv angegangen zu werden.

Heute wurden in Berlin gleich zehn geplante Demonstrationen abgesagt; offiziell wegen Hygienebedenken. Innensenator Geisel legt zugleich eine Begründung vor, die die virologische mit der politischen Ebene verquickt. Der Sozialdemokrat ist nach eigenen Angaben „nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird“. Er erwarte „eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen“. Mir wird immer klarer, wie fragil „Demokratien“ sind. Während der Außenminister die mutigen Menschen von Belarus lobt, die sich seit Wochen gegen den Wahlbetrug des Präsidenten erheben, obwohl dieser die Armee gegen sie einsetzt, werden hierzulande Demonstrationen einfach verboten, weil es nicht genehm ist, dass sich Radikale darunter mischen. Was für eine Heuchelei! Ich bin sehr gespannt, was am Samstag in Berlin passieren wird.

Professor Drosten will erreichen, dass alle Bürger Tagebuch über ihre Kontakte führen, um eventuelle Cluster leicht finden und die Menschen isolieren zu können. Dinge, wie eine marokkanische Hochzeit letztes Wochenende in Mainz spielen ihm in die Hände. 75 Gäste waren erlaubt, weit über 100 kamen, das Fest entwickelte sich zu einem „Superspreader-Event.“ Einige Gäste weigern sich, ihre Kontakte preis zu geben. Jetzt sollen heftige Bußgelder verteilt werden.

Vor diesem Virus hätte das Ansinnen, alle Kontakte jedes Bundesbürgers zu dokumentieren, einen kollektiven Aufschrei der Entrüstung hervorgerufen. Jetzt kommt – gar nichts. Die monatelange systematische Panikmache hat die Menschen gehirngewaschen. Besonnenere Wissenschaftler kann man vereinzelt lesen – aber in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit finden sie nicht statt, oder werden Scharlatane genannt. Und die Medien mischen kräftig mit, indem sie alle Zweifler mehr oder weniger als Verwirrte kennzeichnen. Medienforscher kritisieren auch ARD und ZDF für ihren massenmedialen Tunnelblick. Aber es ist zu spät. Die Angst hat sich in den Köpfen verselbstständigt. So schnell können sich demokratische Grundwerte einfach auflösen….

27. August: Beim Packen der Koffer spitzt sich der Urlaubs-Ärger weiter zu: Heute wollte Mutti mal wieder ihre Länder-Chefs bezüglich gemeinsamer Corona-Maßnahmen unter einen Hut bringen. Bei einem Sack Flöhe scheint das leichter zu sein. Außer Sachsen-Anhalt wollen immerhin nun alle ein Bußgeld von mindestens 50 Euro erheben, wenn sich Menschen, die in Bus und Bahn unterwegs sind, weigern, Maske zu tragen. LOL … die armen Kontrolleure. Wenn sie keinen Polizeischutz bekommen, riskieren sie, zusammengeschlagen zu werden – wie es bereits mehrfach passiert ist. Seit drei Wochen können sich die Reiserückkehrer aus Risikoländern kostenfrei testen lassen. Entstanden ist ein Chaos, weil die Labore an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen, vor allem aber der digitale Unterbau für Massentests fehlt. Die Wartezeiten auf die Ergebnisse werden immer länger. Beim Hausarzt, so erfuhr ich heute, ist mit mindestens neun Tagen zu rechnen. Die beiden Teststationen entlang der französischen Grenze, die ich als Autoreisende nutzen könnte, sind samstags nachmittags und sonntags geschlossen. Ob sich Autoreisende auch an Flughäfen testen lassen können, ist nirgends zu erfahren. Die Teststation in meinem Landkreis liegt 25 Autominuten entfernt und ist nur montags, mittwochs und freitags am Vormittag geöffnet. Aaaaaaaaaaarrrggghhhhhhh! Nach einiger Recherche habe ich eine private Station am Airport FFM entdeckt. Kostenpunkt: 59 Euro, Wartezeit in der Schlange lang, nach der Testung aber maximal acht Stunden. Offen 24/7. Das bedeutet: Rückkehr in der Nacht zum Sonntag – eher am frühen Morgen – kurzer Schlaf, 1,5 Stunden nach Frankfurt/Main fahren, dort so früh ankommen, dass der Test vor 14 Uhr gemacht werden kann, denn nur so kommt das Ergebnis noch am selben Tag. Montags dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass man sich in Quarantäne befindet, irgendwann dieser Tage getestet wird um dann – womöglich erst nach zehn Tagen das Ergebnis zu bekommen, wird nämlich auf ziemlich wenig Gegenliebe treffen.

Dabei werde ich in meinem am 20. Januar (!!!) gebuchten Ferienhaus in Spanien weder wilde Parties feiern, noch massenweise Menschen treffen. Das ist in meinem Bundesland zum Beispiel nicht verboten: 75 Menschen dürfen beispielsweise zu einer Hochzeit eingeladen werden, obwohl gerade solche Feste immer wieder zu Massenansteckungen führen. Dafür sind jetzt alle Großveranstaltungen bis zum Jahresende verboten. Keine Kirmes, Kein Mittelaltermarkt, kein Konzert, nichts, gar nichts. Sogar die Fastnacht will der Gesundheitsminister absagen. Nein, ich zähle jetzt nicht auf, wie viele Menschen sich in den anderen Bundesländern zu Familienfesten treffen dürfen. Nur so viel: Es dürfen bis zu 1000 (!!!!!) sein. Dieses Theater geht mir sowas von auf die Nerven! Beim heutigen Treffen der Länderchefs wurde weiter beschlossen, dass die kostenlose Testerei am 15. September enden soll. Ab 1. Oktober sollen alle Menschen, die meinen, in Gebiete fahren zu müssen, für die es eine Reisewarnung gibt, erstmal fünf Tage in Quarantäne gehen – und zwar ohne dass die Regierung den Lohnausfall zahlt – und sich danach testen lassen – auf eigene Kosten. Wie die Zeit vom 15. September bis 1. Oktober geregelt wird, wurde in der Eile wohl vergessen. Dafür wurde bereits gestern das Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 verlängert, die Unterstützung von Unternehmen bis Ende 2020. Übrigens: Als die Bundesregierung Katalonien zum Risikogebiet erklärte, teilte der Vermieter meines Ferienhauses per Mail kurz angebunden mit, dass es keine Kulanz-Stornierungen geben werde, da man bereits zu starke Einbußen erlitten habe. Kostenfrei abgesagt oder umgebucht werden können bei Reisewarnungen nämlich nur Pauschalreisen.

Ach, noch etwas: Heute habe ich endlich gelesen, warum die Regierung so beharrlich zu den kleinen Schnelltest-Geräten schweigt, die inzwischen in mehreren Ländern entwickelt wurden und unser Problem blitzschnell verkleinern könnten: Das Labor des strubbeligen Professors Drosten in der Berliner Charité entwickelt nämlich einen Schnelltest für zuhause. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

2. September: Ich bin in meinem Leben mindestens 40 Mal die Autoroute du Sud rauf und runter gefahren. NIEMALS war sie frei von Staus, egal zu welcher Jahres-, Tages- oder Nachtzeit. 2020 ist auch in dieser Hinsicht eine Premiere: Strömender Regen von Lyon bis zur spanischen Grenze und über weite Strecken kein einziger Pkw. So war es möglich, 1400 Kilometer bis zu meinem Urlaubsort trotz dreieinhalb Stunden Pausen des Hundes wegen innerhalb von 15 Stunden zu absolvieren, und das unter Einhaltung aller Geschwindigkeitsvorschriften. Das will etwas heißen, denn im Rhonetal gelten fast überall 110 Stundenkilometer; eine Strapaze für das deutsche Autofahrergemüt.

In Spanien sind die Corona-Regeln streng: Überall im öffentlichen Raum ist Maske zu tragen – auch beim Spaziergang an der Strandpromenade. Erst wenn man auf dem Handtuch am Strand angekommen ist, kann das Teil endlich abgelegt werden. Es ist Nachsaison. Trotzdem liegen die Temperaturen bei 30 Grad, und normalerweise finden sich um diese Jahreszeit noch viele Urlauber ein. Diesmal nicht: Ein einziges deutsches Auto habe ich in den letzten vier Tagen gesehen. Die ausgedehnten Viertel, in denen fast nur Ferienhäuser stehen, sind leer, an den Stränden ist jede Menge Platz. Die Spanier verhalten sich diszipliniert: Jeder trägt Maske. Der angenehme Unterschied zu Deutschland: Das oberlehrerhafte Verhalten mit angstvollem Hinweis darauf, doch gefälligst Abstand zu halten, entfällt völlig. Auch im Supermarkt gibt es keine Probleme. Die Abstände werden eingehalten, die Masken getragen, und ansonsten hat man andere Probleme. Zu meinem Vergnügen fällt auch der Mittwoch-Flohmarkt in Cambrils nicht aus. Ich konnte endlich einmal völlig entspannt an Ständen entlang schlendern und bummeln. Das habe ich so vermisst! Ich wohne in einem geräumigen Ferienhaus mit privatem Pool auf einem Riesengrundstück – bis auf das Wetter und den Pool wie zuhause. Gut, die Reise nicht gecancelt zu haben.

„Man würde mit dem Wissen heute, das kann ich Ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch mal passieren. Wir werden nicht noch mal Besuchsverbote brauchen in den Pflegeeinrichtungen;“ erklärte heute Gesundheitsminister und Kanzlerkandidat Jens Spahn. Heißt: Mit dem heutigen Wissensstand wäre der Lockdown im Frühjahr so nicht verhängt worden… Die Politik beginnt, sich gegen die Schulzuweisungen, die unvermeidlich kommen werden, abzusichern, denke ich, und ärgere mich schon wieder. Für sowas wird man dann sogar von der Bild gelobt. Das ist klare Wahlkampfhilfe.

38 000 sollen am Samstag in Berlin protestiert haben. Drunter gemischt waren alle Formen von Bezugsgestörten: Von Nazis über Randalierer zu Esoterikern und Reichbürgern. Letzteren hatte man erlaubt, einen Stand genau vor dem Reichstag aufzubauen. Schließlich erklomm eine kleine Zahl von ihnen Flaggen schwenkend die Stufen zum Gebäude, wo wohl nur drei Polizisten dafür sorgen mussten, dass sie auch wieder runterstiegen. Prompt wurde vom „Sturm auf den Reichstag“ berichtet. Sogar der Bundespräsident verurteilte alle, die auf einer Demo weiter marschieren, wenn sie erkennen, dass neben ihnen Rechte gehen. Aha. Also können Rechte jede Demo verhindern – egal zu welchen Thema – allein durch ihre Anwesenheit? Zu Recht wurde im Netz die Frage gestellt, warum an den Brennpunkten des Tages keine Hauptstadtjournalisten standen, um über die eigentlichen Ziele der Demo zu berichten. Mich erschreckt täglich mehr, wie sehr die Medien in ihrer Sucht nach starken Aufmachern ihre eigentliche Aufgabe, die ehrliche Recherche, völlig vergessen. Das alles passiert wie gleich geschaltet quer durch Print, Funk und Fernsehen. Wo sind die mutigen investigativen Journalisten geblieben???

Alexej Nawalny, Russlands bekanntester Regimekritiker, liegt seit mehr als einer Woche im Koma in der Charité, nachdem er auf einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen war. Heute bestätigte das Speziallabor der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit der Charité, dass der Politiker mit einem Nervenkampfstoff aus der Novitschok-Gruppe vergiftet wurde. Die Bundeskanzlerin äußerte sich ungewohnt scharf und forderte Aufklärung von Russland. Von dort schallt es zurück, russische Ärzte hätten keinerlei Vergiftungszeichen gefunden, das Unheil müsse also in Deutschland passiert sein. Außerdem sei Deutschland die geforderten Beweise bisher schuldig geblieben. In seltener Einhelligkeit wird jetzt von allen Seiten gefordert, Nordstream II zu stoppen. Nur noch 150 Kilometer der Gas-Pipeline nach Russland sind fertig zu stellen. Da bekommen die USA ja doch noch ihren Willen, fällt mir dazu ein. Tweets suggerieren, dass die USA hinter dem Giftanschlag stecken müssen. Andere fragen, warum China wegen seines Verhaltens gegenüber einer Million Uiguren nicht öffentlich verurteilt wird. Deutschland will nun eine europäische Lösung anstreben.

In den USA gehen die Unruhen weiter. Biden und Trump wetteifern um das beste Erscheinungsbild. Trump-Gattin Melania hat eine engagierte Rede für ihren Mann gehalten, in der sie an seiner Stelle Mitgefühl für die von den Corona-Folgen geplagten US-Bürger ausdrückte. Insgesamt wird der Wahlkampf immer schmutziger; auch ein Thema, das mir immer mehr auf die Nerven geht.

13. September: Inzwischen braucht es Sender wie Servus TV, wenn Professor Bagdhi sich zum Corona-Thema äußern will. Seine Videos in Youtube werden kontinuierlich als Falschinformationen gelöscht, sein Buch verkauft sich zwar gut, wird aber in den Medien totgeschwiegen. An diesem Beispiel lässt sich gut erkennen, warum Gegner der politischen Corona-Maßnahmen besser nicht mehr im Erwerbsleben stehen: Sie verlieren das lebenslang aufgebaute Image der Kompetenz in ihrem Fachgebiet, werden, wenn es gut läuft, verhöhnt; wenn es schlecht läuft, als unverantwortliche Verschwörungserzähler kaltgestellt. So viel gilt mittlerweile die Meinungsfreiheit, wenn die Meinung mit der der Regierung kollidiert. Puh, mir ist übel.

Der einzige Wissenschaftler, der es wagt, sich von seinen Kollegen etwas abzusetzen und noch im Berufsleben steht, ist Professor Streeck. Der hat heute für einen Strategiewechsel im Umgang mit dem Virus plädiert: Zwar steige die Zahl der positiv getesteten Menschen in Deutschland und Europa signifikant an. „Gleichzeitig sehen wir aber kaum einen Anstieg der Todeszahlen. Je mehr Menschen sich infizieren und keine Symptome entwickeln, umso mehr sind – zumindest für eine kurzen Zeitraum – immun. Man könne „das Leben ja nicht pausieren lassen“, sagte der Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Universität Bonn der „Welt am Sonntag“. Er verwies auf die Bedeutung von Antigen-Schnelltests, mit denen es möglich sei, eine Infektion innerhalb von wenigen Minuten festzustellen. 

24. September: Corona und kein Ende; es ist zum Schreien. Frankreich verzeichnet inzwischen mehr als 13 000 Neuinfektionen am Tag, Spanien mehr als 11 000 mit Schwerpunkt in Madrid. In Israel geht ein zweiter, harter Lockdown los. Es gibt krasse Hotspots: Die Elite-Hotelschule Ecole Hotelière de Lausanne muss nach einer Party 2 500 Schüler in Quarantäne schicken. In der Stadt Hamm hat eine türkische Großhochzeit, bei der keinerlei Auflagen eingehalten wurden, dafür gesorgt, dass die Infektionszahlen sprunghaft stiegen und jetzt neue Einschränkungen in Kraft treten. Der Oberbürgermeister ist stinksauer und will Strafen prüfen. Weltweit steigen die Zahlen, wie die Agentur Reuters in interaktiven Grafiken dokumentiert.

In Deutschland gab es heute 24 880 aktive Fälle. Berliner Forscher haben nach eigenen Angaben „hochwirksame“ Antikörper gegen das Coronavirus entdeckt. Die Wissenschaftler der Charité und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen verfolgen nun die Entwicklung einer sogenannten passiven Impfung, wie die Charité am Donnerstag mitteilte. Dann könnten Antikörper verabreicht werden, um sofortigen Schutz zu bieten – präventiv oder sogar bei bereits Erkrankten. Da die Charité das Leib- und Mageninstitut der Bundesregierung ist, kann man nur hoffen, dass die Entdeckung schnell in hochwirksame Impfstoffe mündet. So wie die Lage jetzt aussieht, ist kein Ende der Beschränkungen in Sicht. Fernreisen werden weiterhin nur mit größten Schwierigkeiten möglich sein. Aaaaarrrrrgggghhhhh…..

25. September: Dieser Blog ist viel zu lang. Ich werde ihn auf das wesentliche kürzen müssen. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, worum es bei Corona geht. Da ist einerseits bewusst unverantwortliches Handeln und andererseits das bewusste Bestreben der Regierung, den Ausnahmezustand aufrecht zu erhalten, koste es, was es wolle. Heute wurde erneut die Liste der Reisewarnungen erweitert. Dabei ist es eigentlich mit nichts zu rechtfertigen, die eigenen Maßstäbe auf Andere anzuwenden, und das noch, ohne zu diversifizieren. Bestes Beispiel ist Spanien. Hotspot der Infektionen ist die Hauptstadt. Trotzdem wurde das ganze Land zum Risikogebiet erklärt. Was soll das? Manchmal wirkt das, als wolle man die Wirtschaft anderer Länder bewusst schädigen.

„Finca-Urlaub ist nicht gefährlicher, als mit der S-Bahn zu fahren“, hat sich heute verzweifelt der Verband der Reiseveranstalter zu Wort gemeldet. DRV-Chef Fiebig betonte, dass Reisen per se nicht gefährlich sei – vorausgesetzt, die Menschen hielten sich an die Corona-Regeln. Die Bundesregierung ignoriere diese Fakten und belaste die Reisewirtschaft damit unverhältnismäßig. Nicht nur die Reisebranche, auch die gesamte Wirtschaft und die verhinderten Urlauber kosten die Einschränkungen viel Geld. In Deutschland kosteten die Umbuchungen im Durchschnitt 995 Euro, mal wieder ein weltweiter Spitzenplatz. Prompt kontert unser toller Gesundheitsminister, es sei ja nun wirklich nicht nötig, ständig im Ausland Urlaub zu machen und damit andere Deutsche zu gefährden. Man habe doch im Sommer gesehen, wie viele Infektionen Reise-Rückkehrer mitgebracht hätten. Auch hier wird wieder nicht diversifiziert: Ja, Reiserückkehrer. Aber vor allem aus Süd- und Südost-Europa. Und das waren vielfach keine Touristen im üblichen Sinn, sondern Heimaturlaube Deutscher mit ausländischen Wurzeln. Kroatien, der Kosovo und die Türkei führen die Liste an.

Dazu kommt unverantwortliches Benehmen – zum einen von vorwiegend jungen Deutschen, die unbedingt Party machen wollen; sei es zuhause oder irgendwo im Billigurlaub. Da die jungen Leute in Deutschland offiziell nirgendwo mehr feiern können, wie sie es gewohnt sind, tun sie es unerlaubt in Parks oder im preiswerten Ausland. Beides wird mit den zunehmend kalten Temperaturen zurück gehen. Nicht zurück zu gehen scheinen allerdings die Feiern vornehmlich türkischer und arabischer Großfamilien, die nicht bereit sind, auf ihre Traditionen zu verzichten, ob es nun verboten ist, oder nicht.

Bei der türkischen Großhochzeit in Hamm konnten inzwischen statt der 150 erlaubten 309 Teilnehmer ermittelt werden, von denen bisher 100 positiv getestet wurden, inclusive dem Brautpaar. Noch schlimmer: Die Familie mauert massiv und will nicht mitteilen, wer nun alles dabei war. Außer einem Bußgeld für die Verantwortlichen plant NRW jetzt mal was wirklich sinnvolles: Ähnlich einem Demonstrationszug soll künftig der Veranstalter eine Person als Ansprechpartner für die Behörden benennen. Zudem muss er eine Liste mit entsprechenden Daten der Gäste vorab einreichen. Dadurch soll es leichter sein, im Falle einer lokalen Virus-Welle die Verursacher auszumachen. Zugleich sollen die zuständigen Stellen einen detaillierten Überblick über das Partygeschehen erhalten, um gegebenenfalls kontrollieren zu können, ob die Coronaschutzverordnung eingehalten wird. Die Höchstzahl für solche Events bleibt an Rhein und Ruhr auf 150 Teilnehmer beschränkt. Das sollte bundesweit eingeführt werden. Dann müssten nicht, wie jetzt in Hamm, die ganze Stadt und sämtliche Schulen büßen. Und wer nicht einverstanden ist, kann ein anderes Land finden, um zu feiern.

Überhaupt würde es Sinn machen, dieses viel zu grobe Kriterium für Einschränkungen, nämlich 50 Infektionen pro 100 000 Einwohner, so schnell wie möglich gegen realistische Betrachtungen auszutauschen. Wenn es in etwa einer Schule plötzlich 10 Infektionen gibt, macht es Sinn, die Schule für eine Woche zu schließen. Laut Corona-Guru Drosten, der jetzt auch noch das Bundesverdienstkreuz bekommt, ist man bei einer Infektion nach fünf Tagen nicht mehr ansteckend. Warum also dann ein Rückzug für zwei Wochen? Und warum muss eine ganze Stadt leiden, wenn es Probleme in einem einzelnen Unternehmen (z.B. Großschlachterei) oder bei einer einzelnen Großveranstaltung gab, deren Teilnehmer alle der gleichen Bevölkerungsgruppe zugehören?

Die ganze Planung seitens der Behörden ist ein einziges Chaos. So dauerte es beispielsweise bis zu dieser Woche, bis es einen Gipfel zur Belüftungsfrage in den Schulen und einen weiteren zur Digitalisierung der Schulen gab. Was haben diese Leute eigentlich seit März gemacht? Ach ja: Sie haben sich damit Beschäftigt, 83 Millionen Einwohner in Panik zu versetzen, damit alle brav sind und man sich nicht so viel Arbeit mit Details machen muss. Man möchte schreien.

3. Oktober: Donald Trump hatte eine schreckliche Woche. Da war zuerst eine würdelose Schlammschlacht im TV-Duell gegen seinen Herausforderer Joe Biden, in der der Präsident sein unangenehmes Wesen besonders deutlich zeigt und seinen Widersacher unter anderem wegen des Tragens einer Maske verhöhnt. Am Mittwoch erfährt Trump auf einer Wahlkampfreise, dass seine engste Mitarbeiterin, Hope Hicks, positiv getestet wurde. Trotzdem fliegt er am Donnerstag noch zu weiteren Veranstaltungen. Angeblich erst am Freitag erfahren Donald und Melania Trump, dass sie selbst infiziert sind. Vorausgegangen st ein Superspreader-Event im Rosengarten des Weißen Hauses: Ruth Bader Ginsberg, beliebte Richterin am obersten Gerichtshof, ist gestorben. Entgegen der guten Tradition, mit der Benennung oberster Richter in so einem Fall bis nach der Wahl zu warten, setzt der Präsident die konservative, tief gläubige Amy Coney, am 26. September im Rahmen einer Feier ins Amt ein. Zwar werden alle Gäste bei der Ankunft einem Corona-Schnelltest unterzogen. Dennoch werden danach zahlreiche Neuinfektionen werden dokumentiert, auch und besonders bei Gästen, die sehr weit vorn gesessen haben.

Noch am Abend des Freitag, 2. Oktober, wird Trump ins Krankenhaus eingeliefert. Dort wird er mit Remdesevir und einem noch nicht zugelassenen experimentellen Antikörper-Mix behandelt. Heute teilen seine Ärzte mit, es gehe dem Präsidenten gut. Auch er selbst twittert das. Insider berichten jedoch, dass Donald Trump in der Nacht zum Samstag zusätzlichen Sauerstoff brauchte und dass seine gesundheitliche Situation kritischer sei, als bekanntgegeben werde. Das ganze Land ist konsterniert. Vizepräsident Pence lässt sich testen und ist negativ. Ihm und Nancy Pelosy, Sprecherin des Hauses, die als Dritte an der Reihe wäre, Amtsgeschäfte zu übernehmen, wird von Ärzten geraten, sich umgehend zurück zu ziehen, um eventuelle Infektion zu verhindern. Das ganze Land lernt, was das Gesetz vorsieht, falls Donald Trump nicht mehr gesund wird – und wie sein Nachfolger als Kandidat gekürt werden muss. Die Wahl selbst am 3. November kann nicht mehr verschoben werden, weil Tausende bereits per Briefwahl abgestimmt haben.

Es wird spekuliert, dass der Präsident seine weiteren Termine nicht mehr wird einhalten können. Dazu gehören auch zwei Fernsehdiskussionen. Ich denke: Wenn er es nur irgendwie schafft, wird er sich über jede Quarantäne hinwegsetzen und seine Termine doch einhalten. Überwindet er das Virus relativ unbeschadet, wird er höhnen und lachen, und dem ganzen Land mitteilen, dass es sich nach seiner eigenen Erfahrung wirklich um nicht mehr als eine leichte Grippe handelt. Übersteht er die Erkrankung nicht, werden Unmengen von Spekulationen ins Kraut schießen, wonach man ihn möglicherweise ermordet hat, und die gespaltene Nation wird sich selbst bekriegen.

Die Bundesregierung verteilt weiter Reisebeschränkungen und hat jetzt auch die Corona-Maßnahmen im Lande wieder verschärft. Mutti hat eine neue exponentielle Kurse im Anstieg ausgemacht. Jetzt sollen alle, die in Gaststätten nicht ihre echten Personalien angeben, mindestens 50 Euro Bußgeld zahlen (nicht klar ist, wie das überprüft werden soll). Feiern im öffentlichen Raum und Alkoholverkauf in den Abendstunden werden weiter eingeschränkt, die Sperrstunde wird vorverlegt und der Alkoholverkauf eingeschränkt. Ich kann es nicht mehr hören.

4. Oktober: Nachdem Donald Trump im Krankenhaus jetzt auch noch das Cortisonpräparat Dexamethason bekommen hat, präsentiert er sich bestens gestimmt in einem Video, in dem er eine Überraschung ankündigt. Cortison macht bekanntermaßen je nach Dosierung auch euphorisch und vermittelt das Gefühl, völlig gesund zu sein. Kurz nach seiner Ankündigung verlässt der Präsident das Haus und fährt in einem Auto an den wartenden Journalisten auf der Straße vorbei. Bereits am Morgen hat der Präsident allen möglichen Menschen mitgeteilt, wie begierig er darauf sei, seine Kampagne fortzusetzen.

Derweil sind die Medien immer noch dabei, zu recherchieren, wann genau der Präsident von seiner Infektion wusste. Dies war offensichtlich bereits am Donnerstag der Fall, bevor Trump ein Interview mit Fox News hatte. Dort behauptete er aber, er erwarte sein Ergebnis noch diesen Abend oder am folgenden Morgen. Vor Trump hatte bereits seine engste Mitarbeiterin, Hope Hicks, das positive Ergebnis bekommen. In der Nacht zum Freitag (Ortszeit 1 Uhr) twitterte der Präsident dann, er sei positiv. Als sein Leibarzt, Dr. Sean Conley, am Samstag jedoch die erste Pressekonferenz gab, sprach er von „72 Stunden nach dem positiven Testergebnis“. Ebenfalls bekannt ist, dass der Präsident alle positiv getesteten Mitarbeiter anwies, mit niemandem über ihre Infektion zu sprechen. So wussten auch Mitarbeiter, die selbst eng zusammen arbeiteten, nicht, ob ihr jeweiliges Gegenüber positiv ist oder nicht. „Egal wie krank der Präsident nun ist: Die Wahrheit darüber kann nicht nachteiliger sein, als der dicke Nebel von Verwirrung, den das Weiße Haus erschaffen hat“, ärgert sich die New York Times: „Das amerikanische Volk hat ein Recht auf die Wahrheit.“

In Europa verschärfen sich die Beschränkungen weiter. Gestern wurde Madrid fast völlig abgeriegelt, heute beschloss die Stadtverwaltung von Paris, dem Beispiel von Marseille zu folgen und die Bars der Stadt zu schließen. Cafés müssen neue Hygienekonzepte vorweisen, wenn sie offen bleiben wollen. Die Türkei hat offenbar seit Juli zu niedrige Infektionszahlen gemeldet. An einem Tag im September soll es allein 30 000 Neuinfektionen gegeben haben. Die WHO reagiert mit scharfer Kritik. Rom hat eine Maskenpflicht auch im öffentlichen Raum verhängt.

5. Oktober: Der Präsident will heute noch zurück ins Weiße Haus und seine Wahlkampfarbeit wieder aufnehmen, obwohl er nach Aussage seiner Ärzte noch nicht über den Berg ist. Aber was will ein Leibarzt dagegen machen, wenn er als Militär der Befehlsgewalt des Oberbefehlshabers untersteht? Donald Trump will so schnell wie möglich zurück in den Wahlkampf. Ein Sprecher hat bereits mitgeteilt, dass er an der nächsten Fernsehdebatte teilnehmen will. Das Weiße Haus entwickelt sich inzwischen zu einem richtigen Corona-Cluster. Heute hat es auch Pressesprecherin Kayleigh MacEnany erwischt, die in einer Pressemitteilung erklärte, nichts von der Infektion Hope Hicks‘ gewusst zu haben. Sie selbst hat jedoch konsequent keine Maske getragen.

Obwohl er in Sachen Covid 19 so gut wie alles falsch gemacht hat, präsentiert sich der Präsident jetzt als starker Mann, der alles besiegt, auch den Virus. Wie sich das auf die Wahl am 3. November auswirkt, wagt derzeit niemand zu prognostizieren.

Auch im Kanzleramt Österreichs herrscht Corona-Alert: Ein Mitarbeiter aus dem engsten Kreis von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist positiv auf SARS-CoV2 getestet worden. Kurz und Vizekanzler Kogler, die beide in engem Kontakt mit ihm waren, wurden umgehend getestet, und die Republik ist in Aufruhr. In Deutschland nimmt der Wahnsinn weiter Fahrt auf. Heute wurden unter anderem drei Stadtteile Berlins als Risikogebiete definiert. In einem ARD Extra kommen mehrere Wissenschaftler zu Wort, die betonen, dass man die Gefahr nicht ausschließlich an der Zahl der Infektionen messen könne. Bisher gebe es in Deutschland keine Übersterblichkeit im Vergleich zu den Vorjahren, und auch die jüngsten Infektionen seien in der überwiegenden Mehrheit mild verlaufen. Aber die Regierung hat sich festgelegt. Da ist wohl so schnell nichts mehr zu machen.

Während in Österreich oder der Schweiz eine offene Debatte mit dem Forscherehepaar Sucharit Bhakdi und Karina Reiss gepflegt wird, das die Corona-Maßnahmen ablehnt, bestätigt SWR-Intendant Kai Gniffke einem Zuschauer, dass Bhakdis Präsenz im TV unerwünscht sei. „Dessen strittige Thesen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Plattform zu bieten, „widerspricht unserem Auftrag“. Kritik an den aktuell getroffenen politischen Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie sei zwar „zwingend notwendig“, führte Gniffke weiter aus, nicht jede Kritik habe deshalb jedoch „automatisch das Recht, von Medien aufgegriffen zu werden“.

Das ist meiner Meinung nach eindeutig Zensur. So eine Zensur, wie sie die Medien viel zu oft vornehmen, um die Meinung der Bevölkerung in eine gewünschte Richtung zu leiten. Betroffen sind hier alle Medien. Bhakdi kommt weder schriftlich, noch mündlich, noch im Bild vor. Nachdem es immer wieder vertrauliche Besprechungen der Kanzlerin mit den wichtigsten Medienvertretern gibt, in denen diese auf Sichtweisen eingeschworen werden, hege ich auch hier den Verdacht, dass die Boykottierung Bhakdis direkt auf so ein Gespräch zurückführbar ist.

Auch in Schweden steigen die Infektionszahlen stark an, und Staatsepidemiologe Tegnell kommentiert: „Es geht langsam, aber sicher in die falsche Richtung.“ Grund für den möglichen Umschwung könnte das Ende der Urlaubssaison sein, so Tegnell. Die Schulferien endeten in Schweden landesweit am 18. August. Viele seien wieder zur Arbeitsstellen zurückgekehrt und hätten sich nicht an die Empfehlung gehalten, im Homeoffice zu arbeiten. „Dies ist einer der großen Unterschiede zu früher.“ Jetzt wird laut über strengere Maßnahmen nachgedacht, auch vor dem Hintergrund, dass der Winter naht.

7. Oktober: Immer, wenn ich meine, es nicht mehr aushalten zu können, denke ich an Hawai’i. Eines Tages werde ich wieder dort sein, mit der Liebe meines Lebens an einem der wilden Strände im Norden Oahus ruhen, mit dem Rauschen des Meeres eins werden. Und Israel Kamakawiwoʻole wird lächelnd über uns schweben…

Der deutsche Wahnsinn geht weiter. Jetzt hat die Politik entschieden, dass es in den kommenden Herbstferien innerhalb von Deutschland Beherbergungsverbote von Deutschen aus deutschen Risikogebieten geben soll… Es sei denn, man hat einen höchsten 48 Stunden alten negativen Test dabei. Prompt meldet sich die Unke der Nation, Lauterbach, zu Wort und sagt, das sei eine Verschwendung von Tests: Von 1000 Gästen aus Risikogebieten sei schließlich höchstens einer positiv… Der linke Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, wir mir da richtig sympathisch. Er sagt, wir haben ein Pandemiegesetz, das müsse reichen. Er vertraue auf die Gesundheitsämter und lehne es ab, dass die Politik darüber hinaus gehende Entscheidungen nur aus politischen Gründen treffe. Wie Recht er hat! Gestern bei Lanz gab es auch mal eine ordentliche Klatsche für die Medien: FDP-Altmeister Kubicki sagte ganz klar, dass die Medien in Sachen Corona nie objektiv berichtet haben, sondern sich in Sachen Hysterie besonders hervor getan haben. Genau das wird nach diesem ganzen Albtraum übrig bleiben: Man wird die Rolle der Politik, die der Medien und ihr unheiliges Zusammenspiel genau prüfen müssen.

Heute Nacht Ist die TV-Debatte der Stellvertreter zur US-Wahl. Inzwischen läuft Donald Trump Amok. Er hat heute seine Arbeit im Oval Office wieder aufgenommen, obwohl er vermutlich noch ansteckend ist und sich zu verschiedenen Themen briefen lassen. Alles Personal muss in voller Schutzausrüstung arbeiten, während sich mehr und mehr Menschen im Weißen Haus anstecken. Er trifft täglich neue glorreiche Entscheidungen. Eine der wichtigsten: Er stellt alle Gesprächen zu neuen Hilfspaketen für kleine Unternehmer und einfache Menschen bis nach der Wahl ein. Dazu kommen allerlei Kampfaktionen gegen China u.a. Es nervt, es nervt und nervt. Ich verspreche mir selbst: Ich werde zurück kommen nach Hawai’i. Und wenn ich bis dahin 100 Jahre alt bin und hin kriechen muss. Der Mensch braucht Ziele für die Seele.

8. Oktober: Eigentlich wollte ich ja ins Bett gehen – aber dann habe ich letzte Nacht doch live die Diskussion zwischen Kamala Harris und Mike Pence gesehen. Am interessantesten sind für mich bei solchen Veranstaltungen Körpersprache, Mimik und Augenausdruck. Als deutsche Fernsehzuschauerin ist mein Bild von Mike Pence immer dies: Donald Trump erzählt irgendeine ganz großartige Geschichte, und hinter seiner rechten Schulter steht sein Vize, beglückt lächelnd und ständig mit dem Kopf nickend. So war es für mich ein Erlebnis, zu sehen, wie kalt und bösartig dieser Mann auftreten kann – wiewohl leise und, bis auf wiederholtes Dazwischenreden, relativ diszipliniert und fast ohne persönliche Angriffe. Er wiederholte die Lügen seines Meisters und fügte eigene hinzu, wobei seine Augen fast durchgehend verschlossen blieben. Nur einmal leuchteten sie: als zum Schluss die Frage eines achtjährigen Mädchens verlesen wurde. Kamala Harris ist das krasse Gegenteil dazu: Die ehemalige Staatsanwältin drückte sich klar aus, attackierte mit fundiertem Sachwissen und blieb dabei immer offen, freundlich und diszipliniert. Ihr Lächeln wirkte echt, ihre Augen waren zugewandt, ihre Körpersprache überzeugend. Sollte das Team Biden/Harris die Wahl gewinnen und Biden aufgrund seines Alters ausfallen, wäre diese Frau eine kluge, integrierende Präsidentin mit viel menschlicher Wärme. Ich würde gern sehen, wie sich die USA unter ihr verändern.

Nächste Woche soll das zweite Duell der Präsidentschaftskandidaten in Form von Beantwortung von Zuschauerfragen stattfinden. Die Organisatoren wollen aus Sicherheitsgründen die Kandidaten virtuell zuschalten. Trump ist nicht einverstanden und will nicht teilnehmen. Wie es aussieht, wird nun Joe Biden alleine Wählerfragen beantworten. Tja, dumm, wenn man dem Präsidenten einfach das Mikro abschalten und Regeln aufdrängen könnte, die er nicht einhalten will.

Die Mainzer Firma Biontech tritt mit ihrem Impfstoff in Phase III mit klinischen Tests ein. Nach überstandener Corona-Erkrankung sind die Patienten nach bisheriger Erkrankung nur etwa acht Wochen immun. Ich frage mich, ob eine Impfung eine längere Zeit der Immunisierung bringt. Das deutsche Risikogebiet-Chaos verschärft sich weiter. Niemand weiß mehr, wo er/sie noch willkommen ist oder nicht. Obwohl aktuell gerade mal 0,4 Prozent von 83 Millionen Deutschen infiziert sind, macht die Regierung samt Kanzlerin in Panik. Es macht mich hilflos wütend: 8 500 Intensivbetten stehen in diesem Land bereit, etwa 400 sind zurzeit von Corona-Patienten belegt. Also genau wie im Frühjahr: Ein Mangel ist erstmal nicht in Sicht. Statt dessen zieht die Politik Länder wie Frankreich als Beispiel heran, wo es zurzeit knapp 20 000 Neuinfektionen am Tag gibt. Wie viele Intensivbetten in Frankreich zur Verfügung stehen, erfahren wir nicht. Genauso wenig wie von Spanien. Dort hat die Regierung mittlerweile die Hauptstadt Madrid komplett abgeschottet.

Selbstverständlich trage auch ich Masken und halte Abstand. Aber was soll dieser Unfug mit verfrühten Sperrstunden und Verbot von Alkoholausschank am späteren Abend? Glauben diese Entscheider wirklich, damit auch nur irgendwen vom Trinken abzuhalten? Alkohol kann man sich rechtzeitig im Supermarkt kaufen, wenn man trinken will! Ich fürchte, dieses Theater wird so lange andauern, bis wir nächstes Jahr die Bundestagswahlen hinter uns haben. Wäre es nur endlich soweit!

14. 10. Es ist zum Schreien! Heute haben die Länderchefs zusammen mit Mutti die zu erwartende Corona-Apokalypse in Deutschland diskutiert. Vorher, um alle zu beeindrucken, hatte Mutti einen „führenden Virologen“, den die öffentlich-rechtlichen Sender nicht beim Namen nannten, gebeten, allen in einem Vortrag klar zu machen, wie ernst die Lage ist. Warum ist dieser Mensch geheim? Die FAZ hat den Namen herausgefunden: Es war der Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Michael Meyer-Hermann. Dankeschön.

Angela Merkel ging schon im Vorfeld in die Sitzung mit der Absicht, die Corona-Maßnahmen deutlich zu verschärfen. Sie sollen jetzt ab 35 Infektionen pro 100 000 Einwohnern greifen. Und so kam es dann auch. Nach stundenlanger, teilweise heftiger Diskussion war man sich bezüglich der ungerechtesten Entscheidung der jüngsten Zeit weiterhin uneinig: Einwohner von bundesdeutschen Risikogebieten dürfen künftig in die beliebtesten deutschen Urlaubsgebiete nicht mehr einreisen, wenn sie nicht einen negativen Coronatest vorweisen, der höchstens 48 Stunden alt ist. „Daniel Günther und ich sind ja die Bundesländer, die am meisten gefragt sind“, sagt gerade Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (aha…). Sie hat dieses Jahr mit Brustkrebs gekämpft und ist möglicherweise besonders sensibilisiert. Bei Sandra Maischberger verteidigt sie massiv das Einreiseverbot von Touristen aus deutschen Risikogebieten. Der führende deutsche Virologe habe ihr da auch total zugestimmt, behauptet sie. Soeben habe ich beschlossen, nie wieder nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, auch nicht, wenn sie dann wieder jammern, so wie im gerade vergangenen Sommer.

Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen, sieht das anders. Es sei ja nun bekannt, dass die meisten Infektionen nicht von innerdeutschen Reisen komme, das bestätige sogar der Bundesgesundheitsminister. Das Hotel- und Gastronomiegewerbe habe so viele kluge Hygienekonzepte entwickelt und auch durchgehalten, habe Belüftungsanlagen eingebaut und kämpfe noch immer mit den Folgen des Lockdowns im Frühjahr. Nun werde es erneut um die Möglichkeit gebracht, Einnahmen zu generieren.

Die große Drohung, die sich durch alle Meinungsäußerungen und Medienberichte zieht, ist die vor einem zweiten Lockdown, der unbedingt verhindert werden müsse. Deshalb gilt jetzt bereits als Risikogebiet ein Bereich mit mehr als 35 Infizierten pro 100 000 Einwohnern. Dann dürfen sich nur noch maximal 25 Personen aus zwei Haushalten im öffentlichen Raum treffen und 15 privat. Ab 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern gilt der Bereich als Hotspot. Dann dürfen sich nur noch maximal 10 Personen im privaten und öffentlichen Raum treffen. Es gilt dann auch eine vorgezogene Sperrstunde ab 23 Uhr, Bars und Clubs, also Betriebe, in denen es fast ausschließlich Getränke und keine Speisen gibt, werden geschlossen. Der Bund übernimmt die Kosten für regelmäßige Schnelltests von Patienten, Besuchern und Personal in Krankenhäusern, sowie Bewohnern, Besuchern und Beschäftigten in Pflege-, Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Die Maskenpflicht wird ab 50/100 000 Infektionen auch im öffentlichen Bereich erheblich ausgeweitet. Die nächste Stufe wäre dann ein partieller Lockdown.

Gleichzeitig wissen alle, dass diese Beschränkungen, besonders die, wie viele Menschen sich treffen dürfen, überhaupt nicht kontrolliert werden können. Deshalb hat man sich geeinigt, die „partywütige Jugend“ ins Visier zu nehmen, die „keinerlei Verantwortung für die Allgemeinheit übernehme, sondern nur egoistisch an sich selbst denke.“ Es ist richtig, dass unter anderem in Berlin sich im Sommer immer wieder große Mengen junger Menschen in irgendwelchen Parks versammelten, um dort herumzustehen, zu reden und zu trinken. Aber wo ist der Beweis, dass dort Infektionscluster entstanden sind? Solche Cluster gab es mehrfach bei privaten Hochzeitsfeiern, zu denen Gäste aus dem ganzen Land und dem rund ums Mittelmeer liegenden Ausland angereist waren. Warum wurde dort nicht vor Ort kontrolliert? Jeder weiß, dass manche Bevölkerungsgruppen über riesige Familien verfügen, die zu solchen Feiern traditionsgemäß anreisen! Weitere Cluster waren immer wieder Großschlachtereien. Wieso wurde dort nicht längst mit der Harke durchgefegt? Die einzigen Menschen, die in dieser Republik über keinerlei Lobby verfügen, sind Kinder und Jugendliche. Für die wurde seit Beginn der Krise zu keinem Zeitpunkt über irgendwelche Lösungen nachgedacht. Dafür hackt man jetzt auf ihnen herum, denn man weiß, dass sie sich nicht verteidigen werden. Pfui Teufel!

Gerade spricht bei Maischberger nun Professor Streeck. Er sei sicher, dass diesen Herbst eine große Zahl von Infektionen zu erwarten sei. Aber hier müsse man bedenken, dass im Frühjahr wesentlich weniger Menschen getestet wurden als jetzt, die mögliche Durchseuchung der Bevölkerung sei also bereits zu dieser Zeit viel höher gewesen. Außerdem dürfe man nicht nur auf die Zahl der Infektionen schauen, sondern müsse auch einbeziehen, wie viele Infizierte nun einen schweren Verlauf durchmachen, eine stationäre oder intensivmedizinische Aufnahme brauchen. Dies geschehe bisher gar nicht. Drittes Kriterium müsse die jeweilige Bettenkapazität sein. Aber solche Betrachtungen scheinen den werten Politikern und ihren kaputt gesparten Gesundheitsämtern zu kompliziert zu sein.

Aaaaaaaaaaaaaarrrrrggggghhhhhhhh! WANN werden endlich diese kleinen Schnelltestgeräte flächendeckend und für alle genutzt? Siemens hat grade eins vorgestellt. Innerhalb von 15 Minuten hat man ein Ergebnis. War offenbar kein Thema heute.

In Frankreich wurde nach knapp 30 000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages heute eine Ausgangssperre ab 21 Uhr verhängt. Die größten Infektionsquellen seien private Geselligkeiten, so Präsident Macron, und die könne man mit anderen Maßnahmen nicht genügend eindämmen. Bums. So kann es auch gehen…

Italien hat seine Maßnahmen erneut verschärft. Dort werden bereits wieder die Krankenhausbetten knapp – wobei wir wieder mal nicht erfahren, wie viele davon es überhaupt gibt… In Spanien nimmt der Stress ebenfalls zu. Nachdem Madrid schon seit einiger Zeit abgeriegelt ist, werden auch in Katalonien die Maßnahmen drastischer. Restaurants und Gaststätten sollen nun abends ganz schließen. Der „experimentelle Mix“ an Antikörpern, mit dem Präsident Trump behandelt wurde, ist inzwischen vorerst aus dem Rennen, weil ein Teilnehmer der Studie schwer erkrankt ist. Ähnlich erging es mehreren anderen Impfstoffen in den letzten Tagen. Professor Streeck sieht daher für absehbare Zeit keine große Chance auf einen Durchbruch.

21.10. In Deutschland gibt es ein sogenanntes „Intensivregister„, geführt von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Aktuell beteiligen sich 1285 Klinikstandorte an der Datenerhebung. Folgende Zahlen gehen unter anderem daraus hervor: 29 861 Intensivbetten stehen zurzeit zur Verfügung. Sie können innerhalb einer Woche um weitere 12 542 Betten ergänzt werden. 8 478 der sofort zur Verfügung stehenden Intensivbetten sind zurzeit frei. 943 Menschen sind zurzeit wegen Covid 19 auf Intensivstationen, 424 davon werden beatmet. Die meisten Intensivpatienten (256) gibt es in NRW, gefolgt von Bayern (101), Baden-Würtemberg (97), Berlin (94), Hessen (89), Sachsen (86) und Niedersachsen (52). Alle anderen Bundesländer liegen unter 50 Intensivpatienten. Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern stehen mit jeweils 6 Intensiv-Patienten am Ende der Liste. Insgesamt liegt die Zahl der Intensivpatienten in Deutschland derzeit sehr weit unter den Höchstzahlen im Mai, und erst recht weit unter der Zahl der Patienten, die aus anderen Gründen Intensivbetten benötigen. Aha. Deshalb hört man in den Medien und von der Politik auch nie von dieser Statistik.

Die Politik verbreitet seit Tagen wieder höchste Alarmstimmung. Demnach bewegen sich die Infektionszahlen wieder Richtung exponentieller Kurve. Sogar die Kanzlerin hält eine Ansprache an die Nation und ruft alle auf, ihre Zahl der Kontakte zu reduzieren. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich, dass das RKI doch im Frühsommer zwei ausführliche Studien angekündigt hat und schaue nach:

Die Studie „Corona Monitoring lokal“ hat sich mit vier Schwerpunktgemeinden in Deutschland beschäftigt. Von zweien stehen Eckdaten fest: In Bad Feilnbach hatten 6,0 Prozent der erwachsenen Einwohner positive Antikörper-Nachweise gegen SARS-CoV-2, darunter etwa gleich viele Frauen und Männer. 2 153 Erwachsene wurden befragt. 14,5 Prozent der positiven Personen waren ohne typische Krankheitssymptome, 85,5 Prozent hatten mindestens eins der Symptome (Fieber über 38° C, Atemnot / Kurzatmigkeit, Lungenentzündung, Schnupfen, Husten, Schmerzen beim Atmen, Halsschmerzen, Geruchs-/ Geschmacksstörung). Es wurden 2,6-mal mehr Infektionen nachgewiesen als bislang in Bad Feilnbach bekannt (Dunkelziffer).

In Kupferzell befragte das RKI 2 203 Erwachsene. 16,8 Prozent der positiven Personen waren ohne typische Krankheitssymptome, 83,2 Prozent hatten mindestens eines. Die Dunkelziffer lag hier noch höher: Durch die Studie wurden 3,9-mal mehr Infektionen nachgewiesen als bislang in Kupferzell bekannt.

„Der Anteil Verstorbener an allen bestätigten Corona-Infektionen in Deutschland ist aktuell weit niedriger als in den ersten Monaten der Pandemie. Die sogenannte Infektionssterblichkeit dürfte noch wesentlich geringer ausfallen“, berichtet heute die Welt unter Bezugnahme auf das RKI. Mit Blick auf die gesamte Pandemie in Deutschland gab das RKI die Fallsterblichkeit am Dienstag mit 2,6 Prozent an. „Der überwiegende Teil (85 Prozent) der mehr als 9800 Corona-Toten seit Beginn der Pandemie war laut RKI 70 Jahre oder älter. Unter 50 Jahre alt waren 130 Betroffene, was 1,3 Prozent der Corona-Toten entspricht. RKI-Angaben zur Sterblichkeit auf die nachgewiesenen Corona-Fälle beziehen sich auf die sogenannte Fallsterblichkeit. Da es eine Dunkelziffer bei den Neu-Infektionen gibt, dürfte der Wert der Toten bezogen auf alle Infizierten – die sogenannte Infektionssterblichkeit – niedriger liegen.“ Würde man nun die Zahl der Infektionen und die Sterblichkeit auf die Bevölkerungszahl Deutschland rechnen, wären sie verschwindend gering – weshalb das niemand tut.

Statt dessen gibt es heute die Meldung, dass die Gesundheitsämter mehr als 10 000 Neuinfektionen in Deutschland verzeichnen. Darunter ist auch Gesundheitsminister Spahn. Während sich die Kanzlerin und die Länderchefs über „Lecks“ bei ihren geheimen Besprechungen ärgern, werden die Abgeordneten nach Monaten der Schockstarre plötzlich wach und fordern Mitspracherecht. Losgetreten hat das auch Wolfgang Kubicki, der in den letzten Tagen überall vor ernsten Folgen für die Demokratie warnte, wenn weiterhin über den Bundestag hinweg regiert wird. Noch mehr Ärger erzielte ein Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums: Der ehrgeizige Herr Spahn will erreichen, dass die bisherigen Regelungen „unter der Voraussetzung, dass dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist, verstetigt“ werden.“ Das ruft sogar Altmeister Wolfgang Schäuble auf den Plan: Er betont, dass „der Bundestag seine Rolle als Gesetzgeber und öffentliches Forum deutlich machen muss, um den Eindruck zu vermeiden, Pandemiebekämpfung sei ausschließlich Sache von Exekutive und Judikative.“ Das ist die zweite, wirklich wichtige Aussage dieses einstigen Machtmenschen im Zusammenhang mit der Epidemie. Ich hoffe, dass die Dinge, wenn sie endlich im Bundestag landen, deutlich breiter diskutiert werden und dass auch verschiedene Meinungen zu Wort kommen.

A propos verschiedene Meinungen: Nachdem das Beherbergungsverbot nach seiner Verkündung verschiedentlich von Gerichten gekippt wurde, nahmen es fast alle Länder zurück – außer Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurde es zunächst bestätigt und jetzt doch gerichtlich aufgehoben – für die meisten Herbstferien-Urlauber leider wieder zu spät. Trotzdem freue ich mich diebisch. Nachdem die Fallzahlen in Berchtesgaden sprunghaft angestiegen waren, wurde dort zu Wochenbeginn ein kompletter Lockdown verhängt. Die Ursachenforschung läuft auf Hochtouren.

Frankreich hat erneut den Gesundheitsnotstand ausgerufen, der bis Februar gelten soll. In mehreren Städten gilt eine Ausgangssperre ab 21 Uhr, darunter Paris. In allen Ländern rund um Deutschland liegt die Zahl der Infektionen wesentlich höher als hier. Sogar Schweden führt nun in Uppsala etwas strengere Maßnahmen ein.

28.10. Es ist soweit: Mutti und ihr Chefvirologe haben sich in der Besprechung mit den Länderchefs durchgesetzt und erneut völlig unlogische Maßnahmen beschlossen. Nachdem es wochenlang hieß, der Virus verbreite sich vor allem im Privaten, gilt ab kommendem Montag, 1. November für den gesamten Monat folgendes: Bars und Restaurants, Schwimmbäder, Sportvereine, Fitness-Studios, Konzerte, Kunstausstellungen müssen schließen – so sind praktisch alle Freizeitaktivitäten verboten und die Politiker finden, sie haben private Aktivitäten nun sinnvoll eingeschränkt. Hotels dürfen offen bleiben, aber keine Touristen mehr beherbergen. Haha – die Herbstferien sind zwar vorbei, aber die Wellness-Nachsaison der älteren Semester ist in vollem Gang. Business-Kunden kommen kaum, weil die Unternehmen jetzt vorwiegend virtuell tagen. Das Thema dominiert alle Nachrichten und wird kontrovers diskutiert. Rund 200 000 in Verbänden organisierte Ärzte kritisieren die Beschlüsse und sagen: Damit werden private Feiern geradezu provoziert. Und dort gibt es keine Hygienemaßnahmen und Luftreiniger wie in Hotels, Gaststätten oder Fitness-Clubs. Massive Kritik kommt auch von den Wirtschaftsverbänden. Die Veranstaltungsbranche, die seit März keine Aufträge mehr hat, ist mittlerweile akut vom Untergang bedroht. Die Bundesregierung will allein im November 10 Milliarden an Unterstützungsgeldern verteilen und diesmal niemanden vergessen. Betriebe bis 50 Mitarbeiter sollen bis zu 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 bekommen, größere Betriebe weniger. Privat dürfen sich nur noch maximal zehn Personen aus zwei Haushalten treffen. Nebenbei wird bekannt, dass in einem Augsburger Labor 58 von 60 Tests falsch positiv waren.

Offiziell geht es darum, dass aufgrund der steigenden Infektionszahlen die Kontakt-Nachverfolgung über die Gesundheitsämter trotz Hilfe der Bundeswehr immer weniger funktioniert, und dass die das gesamte Gesundheitssystem absehbar überfordert sein könnte, wenn es nicht gelingt, die Infektionszahlen zu sinken. Einige Länderchefs, zum Beispiel der Hamburger Bürgermeister, drohen offen: Es gehe darum, zu verhindern, dass in den Krankenhäusern zwischen Leben und Tod entschieden werden müsse. Andere sind moderater und locken mit einem dann wieder entspannteren Weihnachtsfest, das mit vier Wochen Disziplin im November erreicht werden könne. Außerdem sollen Schulen und Kitas offen bleiben und der Großteil der Wirtschaft weiter arbeiten können. Zumindest im Einzelhandel wird das so nicht funktionieren: Die Innenstädte sind seit März deutlich leerer. Großer Gewinner ist der Online-Handel. Man darf gespannt sein, wie die Gerichte die neuen Beschränkungen sehen. Unten ein twitter-Kommentar von heute zu den neuen Regeln.

In Frankreich hat heute Präsident Macron den zweiten nationalen Lockdown ab übermorgen verkündet. Privatpersonen dürfen nur noch auf der Straße sein, um zur Arbeit oder zum Arzt zu gehen, um einzukaufen oder ihre einstündige Joggingerlaubnis pro Tag zu nutzen. Die abendliche Ausgangssperre gilt jetzt für das ganze Land. Schulen sollen offen bleiben. Die Ausgangsbeschränkungen gelten für vier Wochen, der Lockdown der Wirtschaft wird in zwei Wochen überprüft.

Die Börse reagiert auf die neuen Maßnahmen extrem nervös. Wenn ich so bedenke, wie viele Schulden weltweit gemacht werden, um die Folgen der Corona-Maßnahmen abzumildern, und wie die weltweite Geld-Druckmaschine auf Hochtouren läuft, frage ich mich, wohin das führen soll: Etwa in einem weltweiten Crash mit einem weltweiten Zusammenbruch des Währungssystems, das es dann wiederum ermöglichen würde, rund um den Globus eine nicht mehr schuldenbelastete, digitale Währung einzuführen? „Haha,“ lacht meine Freundin, als ich ihr das heute darlege; „du Verschwörungserzählerin!“

30.10. Meine Freundin hat gut Lachen: Morgen fliegt sie für vier Wochen nach Kreta, wo sie die letzten warmen Tage genießen und ihre spirituelle Familie treffen wird. Ich könnte mal wieder heulen: Ab nächster Woche darf unsere Gruppe wieder nicht mehr tanzen. Das Thermalbad, in dem ich Wassergymnastik mache, war grade mal drei Wochen offen. Im Sommer musste es geschlossen bleiben, weil im angeschlossenen Freibad wegen der Corona-Maßnahmen alles verfügbare Personal gebraucht wurde. Unsere Gruppe hatte sich so gefreut, dass es endlich wieder los geht. Pfffff … das war’s. Zum ersten Mal seit ihrer Kanzlerschaft bin ich so richtig wütend auf Angela Merkel. Mütterliche Reden halten, von wichtigen demokratischen Diskussionen plappern und in Wirklichkeit handeln wie eine Autokratin. Furchtbar. Heute durften sich tatsächlich die Parlamente mit den Corona-Entscheidungen beschäftigen – daran ändern können sie nichts mehr. Demokratie à la Merkel. Es gab viel Kritik – aber wem hilft das weiter? Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, reich zu sein. Dann hätte ich ein eigenes Flugzeug und würde fliegen, wohin ich will. Zum Beispiel endlich in mein geliebtes Hotel in Mexico, das gerade den zweiten Hurricane in drei Wochen überstanden hat und sehnsüchtig auf seine Stammgäste wartet.

Die Berliner Zeitung hat in Worte gefasst, was ich denke. Mir selber fehlt in diesen Tagen immer öfter die Kraft. Seit Wochen will ich über die Geldpolitik dieser Tage schreiben – es geht nicht, mein Kopf spielt nicht mit. Ich kann nur noch eines denken: Ich will hier weg. Ich will meine Freiheit wieder haben. Ich will an ein warmes Meer und darin eintauchen…

Die EZB steht bereit, die Geldpresse noch weiter anzuheizen. Laut eigenen Angaben will sie die Wirtschaft auch in der zweiten Welle stützen. Die Wirtschaft? Die Großen in der Wirtschaft vielleicht. Die kleinen nicht. Ich denke oft an das Hotel meiner Freundin im Münchner Speckgürtel. Vor fünf Jahren hat sie für mehrere Millionen einen Anbau mit einer tollen Tagungsetage und einer Wellness-Oase errichtet. Jetzt hat sie seit März praktisch keinen Umsatz mehr. Da sie auf Business-Gäste spezialisiert ist, bleiben die Aussichten dauerhaft schlecht: Die werden auch in den nächsten Jahren wesentlich weniger reisen, so dass sie ihre internationalen Stammgäste wohl zu einem großen Teil nicht wiedersehen wird. Was sie bei früheren Flauten immer mal gerettet hat, waren durch Überbuchungen entstandene plötzliche Gruppen von Übernachtungen. Aber ohne Flüge auch keine Überbuchungen. Es sieht schlecht aus für ihr 104 Betten-Haus, das 26 Jahre lang immer nur gewachsen war.

Eine Münchner Studie, die sich eigentlich mit Diabetes bei Kindern und Jugendlichen befassen wollte, hat den Anlass genutzt und gleichzeitig aufwendige Corona-Tests gemacht. Dabei wurde erneut festgestellt, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Würde man einen Durchschnitt der bisherigen Dunkelziffern in die wieder steigenden Infektionszahlen einrechnen, wäre die ganze Lage viel weniger dramatisch, als die Politiker sie mal wieder machen. Genau das soll aber verhindert werden. Deutschland wird über Angst beherrscht. Und jetzt kommt wieder Denunziantentum dazu: Mehrere Politiker und Instanzen haben dazu aufgerufen, Privatleute zu melden, die mehr als die erlaubten zehn Personen aus maximal zwei Haushalten in ihren Wohnungen willkommen heißen. Puh, wie widerlich! In so einer DDR-Atmosphäre will ich nicht leben!

16.11. Und schon wieder haben die Herrschaften in geheimer Runde getagt, um zu überlegen, on die Corona-Maßnahmen scharf genug sind: Mutti ging in die Runde mit einer klaren Vorstellung: Sie wollte die Landesfürsten überzeugen, dass es nötig ist, private Kontakte weiter einzuschränken: Kinder sollen nur noch mit maximal einem Lieblingsfreund spielen, Erwachsene einen befreundeten anderen Haushalt aussuchen und nur noch mit diesem Kontakt haben, und so weiter. Es gab einstimmigen Widerspruch: Die Ministerpräsidenten empfanden einiges als zu lebensfremd, anderes als zu früh und wollen erst in einer Woche entscheiden. Nach zwei Wochen im Teil-Lockdown sind wir zurzeit, wie die Unke der Nation Lauterbach es im TV ausdrückte, „auf einem Plateau, aber noch nicht bei sinkenden Infektionszahlen.“ Ich frage mich mal wieder, wie sich das mit der Inkubationszeit eigentlich verhält. Wenn es stimmt, dass Covid 19 bis zu zwei Wochen nach der Infektion erst ausbricht – dann haben wir doch jetzt erst die Infektionszahlen, die bereits vor Beginn des Lockdowns light entstanden sind. Frühestens nächste Woche können wir dann doch erst sehen, ob die Maßnahmen vom November wirken, oder ? ? ?

Ich traue keiner Aussage mehr, die Regierung oder RKI bezüglich dieses Virus machen. Und die düstere Panikmache bringt mich fast täglich zu neuen Wutanfällen. Vor zwei Wochen ging es um Disziplin für einen Monat, um Weihnachten einigermaßen normal feiern zu können. Davon ist keine Rede mehr: Inzwischen stimmt man uns darauf ein, dass es für mehrere Monate nicht besser werden wird. Und dann dieses Gerede wegen der Sicherheit in den Schulen: Solange die Schüler in völlig überfüllten Bussen dorthin transportiert werden, nützen alle schulischen Maßnahmen wenig. Aber dafür ist kein Geld da, also lässt man es unter den Tisch fallen. A propos Geld: Noch immer haben die Gastronomiegebetriebe, die schon wieder zur Schließung gezwungen wurden, kein Geld bekommen. Es wird frühstens in 9 Tagen (!!!) ausbezahlt, und dann auch nicht vollständig, sondern nur als Abschlag. Diese Regierung ist eine Schande.

Inzwischen hat sich die geheime Runde auf ein sogenanntes Bevölkerungsschutzgesetz geeinigt, sowie eine Erweiterung des erst im März 2020 neu formulierten Infektionsschutzgesetzes. Übermorgen beginnt die parlamentarische Beratung dazu. Herzstück ist der Paragraph 28. Nach Aufzählung aller Beschränkungen des Alltags, die verordnet werden dürfen, heißt es unter anderem, „dass Personen, die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen oder eingereist sind und bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie einem erhöhten Infektionsrisiko für die Krankheit ausgesetzt waren, die zur Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geführt hat, insbesondere, weil sie sich in einem entsprechenden Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet sind, ihre Aufenthaltsorte bis zu zehn Tage vor und nach der Einreise und das für die Einreise genutzte Reisemittel durch Nutzung des vom Robert Koch-Institut nach Absatz 9 eingerichteten elektronischen Melde-und Informationssystems mitzuteilen.“ Unter anderem sollen die Reisenden außerdem mit einer eine Impfdokumentation oder einem ärztliches Zeugnis bzw. einem Testergebnis beweisen, dass sie nicht krank sind. Wer beides nicht vorlegt, muss eine Untersuchung dulden. Nur unter diesen Voraussetzungen dürfen Beförderungsunternehmen Reisende befördern. Reisebeschränkungen erfassen dabei nicht nur solche Reisen, die der Erholung oder Freizeitgestaltung dienen, sondern können sich auch auf alle Reisebewegungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Toll. So zwingt man Menschen, „freiwillig“ unsinnigen Maßnahmen zu folgen. In den USA gibt es derweil eine ganz andere Diskussion: Sollte man Menschen dafür bezahlen, dass sie sich impfen lassen? Immerhin würde das erhebliche Kosteneinsparungen nicht nur im Gesundheitswesen mit sich bringen, wäre also gar nicht so abwegig. Komisch. Sowas wird hierzulande nie Thema.

Die US-Wahl am 3. November war für mich eine tolle Abwechslung von der elenden Corona-Diskussion: Nach quälenden tagelangen Zählungen steht Joe Biden als Sieger eindeutig fest. Donald Trump akzeptiert das aber nicht, obwohl inzwischen Dutzende seiner Klagen abgewiesen wurden. Er ist inzwischen so knapp bei Kasse, dass der abgewrackte Rudi Giuliani sein Anwalt bei all diesen Klagen ist. Ganz offensichtlich konstruiert Trump eine Dolchstoßlegende, während er in die Zukunft plant: Mit 70 Millionen Wählerstimmen bleibt er ein Schwergewicht in seiner Partei. Mit Romney nannte ihn den „900 Pfund-Gorilla“, mit dem sich auch künftig niemand anlegen will. Nachdem er sich von seinem Haussender Fox News verraten fühlt, plant Donald Trump offenbar ein eigenes Medienunternehmen, um seine politischen Meinungen unter’s Volk zu bringen. Vorher richtet er in den letzten Wochen seiner Amtszeit aber noch maximales Unheil an: Seine Regierung hat jetzt angekündigt, Ölbohrlizenzen im Naturschutzgebiet Alaskas zu versteigern, plant massive Wirtschaftsaggressionen gegen China, hat iranische Politiker mit Sanktionen belegt und denkt offenbar auch darüber nach, noch schnell alle Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. So manchem Schaden, den sein Vorgänger angerichtet hat, wird Biden gar nicht mehr beheben können.

13.12. Vier Wochen Shutdown light und kaum Erfolge: Die Zahl der Infizierten nimmt weiter zu, auch wenn die Welle etwas abgeflacht werden konnte. Dazu kam inzwischen die Erkenntnis, dass die Krankenhäuser zwar Förderung für eingerichtete Intensivplätze kassiert haben, aber kein Personal dafür da ist. So ist das, wenn Geldhähne aufgehen: Auch im Gesundheitswesen schämt sich niemand, unrechtmäßig Mittel anzufordern. Jetzt ist das Geschrei groß: Einige Kliniken kommen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, obwohl auf dem Papier noch einige tausend Intensivbetten bereit stehen. Die Geldverteilung dieser Regierung ist ohnehin mehr als zweifelhaft: Alle Mitarbeiter in Berlin bekommen eine Corona-Prämie. Wofür nochmal schnell? Dafür, dass sie zuhause waren? Die Tui hat inzwischen die dritte Milliardenspritze bekommen, während sich in den Schulen Kinder und Jugendliche durch den Unterricht zittern. TV-Kommentar der Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz auf die Frage, warum für die Schulen keine Luftfiltergeräte angeschafft werden: „Lüften ist laut Fachleuten das Mittel mit der besten Wirksamkeit; warum sollten wir das also ändern?“ In den Facebook-Nähgruppen berichten angestrengte Mütter von ihren Kindern, die den ganzen Tag nicht mehr warm werden und beraten, was man sinnvolles dagegen nähen könnte. Mutti Angela hat besonders gute Tipps für die Schüler: Einfach etwas wärmer anziehen, zwischendurch Kniebeugen machen und in die Hände klatschen. Man weiß nicht mehr, was man sagen soll…

Ganz vorsichtig haben sich in den zurückliegenden Adventswochen kleine Versuche entwickelt, der Tristesse entgegen zu wirken: In den Innenstädten sind statt der Weihnachtsmärkte einzelne Buden aufgetaucht, die Speisen und Glühwein anboten. Das hat die Politiker erregt: Die Menschen seien einfach zu wenig bereit, sich an die Empfehlungen zu halten, deshalb müsse man nun Strenge walten lassen, erschallte es diese Woche quer durch die Parteien, allein voran vom liebenswerten RKI-Chef Wieler. Heute nun die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin hinter verschlossenen Türen und ein ganz schnelles Ergebnis: Shutdown ab Mittwoch. Diesmal werden auch die Baumärkte geschlossen, basta. Hier der gesamte Wortlaut der Erklärung. Wenn in den Städten nichts los sei, ziehe es auch niemanden mehr dorthin, lautet die einfache Erklärung. Erneut werden Milliarden für Ausgleichzahlungen in die Hand genommen, die bei weitem die Verluste nicht decken. Das wird übel enden: Ich bin mal gespannt, was im Frühjahr von den Innenstädten noch übrig ist.

Bei dem ganzen Stress habe ich noch „Glück“: Passend in der Nacht zum Samstag ist die Heizung ausgefallen. Was der Allesbrenner am Wochenende nicht schafft, müssen zwei E-Heizgeräte leisten. Der Baumarkt ist noch offen, heissa… Mein Auto braucht einen Austauschmotor und ist in der Werkstatt. Die darf weiter arbeiten. Nochmal heissa… Wegen der ganzen Reparaturen ist mein Geld für die Karibikreise 2021 Geschichte. Das war das Ziel, auf das ich mich freuen wollte. Statt dessen herrschen Kälte, Dunkelheit und immer weiter Perspektivlosigkeit. Und diese unfähige Regierung beschimpft ihre Bürger, die sich angeblich nicht an Empfehlungen halten. Wieso durfte eine AfD vor kurzem mit 600 Mitliedern einen Präsenzparteitag abhalten? Was ist mit den prall gefüllten Bussen und Flugzeugen?

Dabei hatte ich mich sogar entschlossen mich impfen zu lassen, damit ich reisen kann. Zwei Argumente haben mich überzeugt: Als ich 1988 in Nigeria war, habe ich mich, ohne weiter darüber nachzudenken, gegen Gelbfieber und Hepatitis impfen lassen. Bedenken gegen Impfungen waren damals gar kein Thema. Außerdem halte ich nach der Lektüre von Quarks-Infos die Impfungen mit mRNA-Informationen für weniger bedenklich als die anderen Versionen. Aber da haben wir nun auch ein Problem: Zwar stehen inzwischen massenweise Impfzentren bereit, aber nun sollen bis Ende Januar nur vier Millionen Impfdosen eintreffen. Ähnlich schwierig ist es mit den Schnelltests: Es gibt sie zwar, aber nur für Altenheime und Krankenhäuser. Und für die hoch bezahlten Fußballer, die immer noch spielen und deshalb dauernd getestet werden müssen. Ich möchte am liebsten schreien!

17.12. „Nein, es ist kein Microchip im Impfstoff versteckt“, schreibt die New York Times und listet die Bestandteile des BionTech/Pfizer-Wirkstoffs auf: In der Mitte die mRNA-Information, die den Zellen aufzeigt, woran der Virus erkennbar ist, damit sie reagieren können. Drumherum liegen vier Lipidschichten, deren fettige Masse das mRNA schützt. Außerdem enthalten sind Zucker und vier Salze: „potassium chloride, monobasic potassium phosphate, basic sodium phosphate dihydrate and sodium chloride (table salt)“. Eine Grafik verdeutlicht die Anordnung. Die Zeitung erntet einen Shitstorm: Toller Journalismus, der mehrere Bestandteile auslasse… kein Mensch denke, dass der Chip bereits im Impfstoff sei, der werde erst später im Rahmen der globalen Überwachung implantiert… und so weiter.

In Deutschland hat die ständige Impfkommission beim RKI die Reihenfolge der Impfungen festgesetzt und hält sich dabei weitgehend an die Empfehlungen der Leopoldina. Zuerst werden die Bewohner der Altenheime und alle Senioren über 80 geimpft. Erst danach folgt akut gefährdetes medizinisches Personal. Die Mitarbeiter im Lebensmittelhandel kommen zuletzt in Stufe 5. Letztere Logik ist mir völlig unverständlich. Was würden wir denn tun, wenn die Lebensmittelmärkte wegen Personalmangels schließen müssten? Im TV erfahren geneigte Zuschauer, was alles zu Lebensmitteln, bzw. dringend benötigten Dingen des Alltags gehört. So dürfen etwa Tee-Läden öffnen, oder solche für Spielzeug. Der gezeigte Inhaber des Berliner Spielzeugladens behauptet, dass Läden mit gemischten Sortiment außer Lebensmitteln ja auch weiter Spielzeug verkaufen dürften. Hm: In meinem Bundesland nicht. Hier wird das gemischte Sortiment klar von den Lebensmitteln getrennt und abgesperrt.

In Sachsen großes Theater: Im Bergland-Klinikum Zittau behauptet ein Arzt, man sei zur Triage gezwungen gewesen. Will heißen: Man habe entscheiden müssen, wer nun Sauerstoff bekomme und wer nicht. Am nächsten Morgen heftiges Zurückrudern des Klinikums und der zuständigen Behörden: Es gebe keine Triage. Es habe sich vielmehr um einen Hilferuf des Klinikums gehandelt. In Hanau nahe Frankfurt a.M. gibt es nicht genug Platz in den Leichenhallen der sechs Friedhöfe. Es müssen Kühlcontainer aufgestellt werden. Furchtbar, dieses Spiel mit der Angst. Ja, inzwischen ist die Situation angespannter als im Frühjahr. Aber mit dem Bild der Kühlcontainer wird suggeriert, dass als nächstes womöglich bald Massengräber gebraucht werden… Ich bin heute sehr dankbar für Teil 1 des satirischen Jahresrückblicks von Dieter Nuhr, der sich unter anderem mit der Rolle der Medien in der Krise und der Unkerei des unsäglichen Karl Lauterbach auseinander setzt.

Immer deutlicher sichtbar wird der Mangel an Pflegekräften in den Kliniken und Altenheimen. Nun kommt dazu, dass sich zunehmend Pflegekräfte infizieren oder in Quarantäne müssen. Dramatischer Hilferuf heute Morgen aus dem Altenheim Haus Waldblick in Marburg: Nachdem praktisch alle Mitarbeiter erkrankt oder in Quarantäne sind, konnten tagelang die alten Menschen nicht versorgt werden. Sie lagen nicht nur in ihren eigenen Fäkalien: Eine verstorbene Person soll tagelang im Bett geblieben sein, eine andere sei ohne die notwendige Palliativversorgung gestorben. Als der Hilferuf veröffentlicht wird, eilen Mitarbeiter des Fachbereiches Gefahrenabwehr des Landkreises sowie der Betreuungs-und Pflegeaufsicht des Regierungspräsidiums Gießen zu Hilfe. Diese Pflegekräfte werden je nach Nähe zu Patienten teils erst in Stufe vier geimpft. Mit welchen Begründungen wurden diese Impfreihenfolgen bloß festgelegt??? Damit die alten Leute nicht vereinsamen, sollen weiterhin Besuche zugelassen werden. Um die Sicherheit dabei zu gewährleisten, sollen die Altenheime Schnelltests von den Besuchern machen. Dafür sind erst recht zu wenige Mitarbeiter vorhanden. In den USA werden demnächst Schnelltests an die Bevölkerung verkauft, die sich damit selbst schnell Sicherheit verschaffen kann. Im durchregulierten Deutschland geht sowas nicht. Die Einwohner sind zu doof, sich ein Wattestäbchen in Rachen oder Nase zu schieben. Das kann nur qualifiziertes Fachpersonal.

Mein Auto hat einen Motor-Totalschaden. 6000 Euro zahlen, oder ein neues anschaffen. Der Brenner der Heizung läuft ebenfalls in den Totalschaden. Ein neuer kostet 8000 Euro. Zurzeit ist er überbrückt und läuft – mit einigen Tücken – noch. Ich möchte heulen…

In den USA wurde Joe Biden von seinen Wahlmännern ohne Abweichungen mit 306 Stimmen gewählt. Donny der Große läuft im Weißen Haus Amok und behauptet noch immer, er habe die Wahl gewonnen. Derweil wurden mehrere Bundesministerien und große Unternehmen gehackt – offenbar von Russen. Sie drangen über ein Software-Update von SolarWinds ein. Der Präsident schweigt… In Asien wurde ein riesiger Freihandelspakt namens RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership oder „Umfassendes Regionales Wirtschaftsabkommen“) geschlossen. Teilnehmende Staaten sind Brunei, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand, Myanmar, Kambodscha, Laos und Vietnam zusammen mit China, Japan, Australien, Neuseeland und Südkorea. Indien trat im letzten Augenblick zurück. Europa und die USA sind nicht beteiligt. Da braut sich etwas zusammen, das die westliche wirtschaftliche Vorherrschaft endgültig beenden wird. Donald Trump war zum virtuellen Treffen des neuen Pakts eingeladen, schickte aber seinen Sicherheitsberater und ging statt dessen in Mar-a-Largo golfen. Auch die europäischen Politiker äußern sich nicht. Frankreichs Präsident Macron ist an Corona erkrankt und hat sich zuhause isoliert. Die EZB hat das Notkaufprogramm für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen ausgeweitet. Auch die FED druckt weiter Geld. Der Preis des Bitcoin hat sich seit dem Frühjahr fast verfünffacht und liegt jetzt bei über 23 000 Dollar. Aus der riesigen weltweiten Schuldenblase gibt es im bestehenden Geldsystem keinen Ausweg mehr. Wir dürfen gespannt sein.

To be continued….

Weltwasserbericht 2019: Wir brauchen schnell Gerechtigkeit für alle!

Drei von zehn Menschen haben keinen Zugang zu sicherem (also sauberem und dauerhaft leicht verfügbarem) Trinkwasser. Fast die Hälfte der Menschen, die Wasser aus ungeschützten Quellen trinken, lebt in Afrika südlich der Sahara. Sechs von zehn Menschen haben keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen und jeder Neunte verrichtet seine Notdurft im Freien. Über zwei Milliarden Menschen leben in Ländern mit hohem Trockenstress bzw. Wassermangel, etwa vier Milliarden Menschen erleben schwere Wasserknappheit mindestens einen Monat pro Jahr.

Krasse Zahlen im Weltwasserbericht 2019 der UNESCO, der heute veröffentlicht wurde. Wasser ist das Gold der Menschheit. Jetzt schon, in Zukunft aber noch viel stärker, wird es Kriege um das wertvolle Nass geben, denn Wasser bedeutet Leben.

Die Forderungen, die die UNESCO aus zurückgehenden Ressourcen und ungerechter Verteilung zieht, sind in steifer, korrekter Sprache formuliert, aber von enormer Brisanz: Verantwortlich dafür, dass jeder Bewohner dieses Planeten sein Menschenrecht auf frei zugängliches, sauberes Wasser, sowie effizienten Sanitäreinrichtungen nutzen kann, tragen die Staaten, aber auch die weltweit agierenden großen Konzerne, wie etwa Nestlé. Da die Einen wie die Anderen oft ihrer Pflicht nicht genügen, müssen sie sowohl von internationalen Organisationen wie etwa den Vereinten Nationen überwacht, als auch gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Neben enormen Investitionen für Förderung, Speicherung und Aufbereitung von Wasser, sowie einer geregelten Sanitärversorgung, braucht es nach Meinung der Organisation außerdem neue Formen der Zuweisung von Wasserresourcen. Eine Jahrhundertaufgabe, die entscheidend für das Fortbestehen der Menschheit werden wird.

Hier nun Auszüge aus dem Weltwasserbericht:

Der Wasserverbrauch steigt seit den 1980er Jahren aufgrund von Bevölkerungswachstum, sozioökonomischer Entwicklung und sich änderndem Konsum weltweit um etwa ein Prozent pro Jahr. Schätzungen zufolge wird das bis 2050 so weiter gehen. Für diesen kumulierten Anstieg von 20 bis 30 Prozent im Vergleich zum heutigen Wasserverbrauch ist vor allem die steigende Nachfrage von Industrie und Haushalten verantwortlich.

Die Menschenrechte verpflichten alle Staaten, sich für universellen Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen für alle ohne Diskriminierung einzusetzen und gleichzeitig den Bedürftigsten Vorrang einzuräumen. Die Verwirklichung der Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung erfordert, dass die Dienstleistungen verfügbar, physisch zugänglich, gerecht bezahlbar, sicher und kulturell akzeptabel sind.

„Niemanden zurücklassen” steht denn auch im Mittelpunkt der Verpflichtungen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ihr Ziel ist es, dass alle Menschen in allen Ländern von sozioökonomischer Entwicklung profitieren können und dass Menschenrechte vollumfänglich verwirklicht werden. Dabei muss zwischen “Wasserrechten” und den Menschenrechten auf Wasser und Sanitärversorgung klar unterschieden werden. Wasserrechte werden normalerweise nach nationalem Recht geregelt und werden einer Person oder einer Organisation aufgrund von Eigentums- oder Landrechten oder aufgrund von Vereinbarungen zwischen Staat und Grundeigentümer übertragen. Diese Rechte sind oft nur befristet verliehen und können auch entzogen werden. Die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung sind weder befristet noch staatlich genehmigungspflichtig, noch können sie entzogen werden.

Zurückgelassen werden viele Menschen: Dazu gehören Frauen und Mädchen, ethnische, religiöse, sprachliche und andere Minderheiten; behinderte, alte und vor allem arme Menschen haben oft weder Zugang zu sicherem Wasser, noch zu sanitären Einrichtungen. Dabei unterscheidet die UNESCO zwischen verfügbarem Wasser und den Bedingungen unter denen dieses zugänglich gemacht wird. Zur Sanitärversorgung wird ebenso der Umgang mit Abfällen und deren Endprodukten gezählt wie die Sammlung dieser, wozu auch Toilettensysteme gehören.
Direkte Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen durch Gesetze, Verordnungen, Richtlinien oder Praktiken bewusst der Zugang zu Dienstleistungen oder Gleichbehandlung verwehrt wird. Indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn Gesetze, Verordnungen, Richtlinien oder Praktiken zwar neutral erscheinen, in ihrer Wirkung aber Menschen faktisch vom Zugang zu Dienstleistungen ausschließen.

Wie weit eine Grundversorgung mit Wasser sich auf einen Staat und seine Menschen auswirkt, ist extrem: Gesundheit und Produktivität verbessern sich. In Schulen steigen die Bildungsergebnisse, da Fehlzeiten, vor allem von Mädchen sinken. Die Anerkennung der Verantwortung der indigenen Völker für ihr Land und Wasser fördert sowohl deren Inklusion, die Verwirklichung ihrer Menschenrechte als auch die Wertschätzung ihres traditionellen Wissens.

Beim Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen bestehen in Städten erhebliche Ungleichheiten zwischen Haushalten in Slums und außerhalb davon. Wohlhabende Haushalte haben oft hohe Servicequalität zu relativ niedrigen Kosten; arme Haushalte zahlen für einen Service von ähnlicher oder geringerer Qualität einen deutlich höheren Preis. Randgebiete von Städten werden oft gar nicht erst an die Versorgung angeschlossen. Dort lebende Menschen zahlen keine Steuern, werden nicht gezählt und gelten gar nicht als anerkannter Teil des Systems. In vielen Städten wird zudem deutlich weniger Infrastruktur zur Abwasserentsorgung als für die Wasserversorgung bereit gestellt. Dies trifft die ärmsten Bewohnerinnen und Bewohner von Slumgebieten am stärksten. Deshalb muss eine deutliche Verbesserung der Wasserversorgung mit entsprechenden Investitionen in die Sanitärversorgung einhergehen.

Von allen landwirtschaftlichen Betrieben weltweit sind mehr als 80 Prozent Familienbetriebe mit einer Anbaufläche kleiner als zwei Hektar. Kleinbauern bilden in vielen Ländern das Rückgrat der Lebensmittelversorgung. Sie tragen dort zu mehr als der Hälfte der landwirtschaftlichen Produktion bei. Doch gerade auf dem Land sind Armut, Hunger und Ernährungsunsicherheit am größten. In armen ländlichen Gebieten ist Wasserinfrastruktur nach wie vor kaum vorhanden. Millionen von Frauen und Männern auf dem Land sind daher mit Wasser und sanitären Einrichtungen unzureichend versorgt. Die Wasserbedürfnisse kleinbäuerlicher Bewässerungssysteme müssen stärker anerkannt werden, um sicheren und gleichberechtigten Zugang zu Wasser zu gewährleisten und zugleich künftige Wasserinvestitionen zu ermöglichen, fordert die UNESCO. Die Wasserzuteilung an Großverbraucher, sei es für die Bewässerung oder andere Zwecke, dürfe nicht auf Kosten der legitimen kleinbäuerlichen Bedürfnisse erfolgen, unabhängig davon, ob formale Wassernutzungsrechte nachweisbar sind oder nicht – ein klarer Hinweis auf missbräuchliche Nutzung durch Großkonzerne.

Die Zahl vertriebener Menschen weltweit steht aktuell auf einem Höchststand. Geflüchtete und Binnenvertriebene sind oft von grundlegender Wasser- und Sanitärversorgung ausgeschlossen. Fast ein Viertel dieser Vertriebenen lebt zwar in Lagern, die überwiegende Mehrheit jedoch in Städten und Dörfern. Sie werden von der jeweiligen lokalen oder nationalen Regierung oft nicht offiziell anerkannt und daher von Entwicklungsbemühungen ausgeschlossen.

Massenvertreibungen belasten an Durchgangs- und Zielorten die Wasserressourcen und die damit verbundenen Leistungen, einschließlich sanitärer Grundversorgung und Hygiene. Oft entstehen Ungleichgewichte zwischen der bereits ansässigen Bevölkerung und den neu Angekommenen. Da sich Regierungen der Zielländer oft gegen die Erkenntnis sperren, dass Vertreibungen langwierig sein können, bestehen sie auf Verbleib der Geflüchteten/Binnenvertriebenen in Lagern mit “temporären” oder “gemeinschaftlichen” Einrichtungen mit niedrigerem Leistungsniveau. Auch die umgekehrte Situation kann eintreten, so dass Geflüchtete qualitativ hochwertigere WASH-Dienste erhalten. Hier weist die UNESCO daraufhin, dass alle Menschen, auch Geflüchtete und Vertriebene, ein Anrecht auf angemessene Versorgung mit sicherem Wasser und Sanitäreinrichtungen haben und fordert die Staaten der Welt auf, eine „Lager-Politik“ zu vermeiden.

Im arabischen Raum wird die Pro-Kopf-Wasserknappheit aufgrund von Bevölkerungswachstum und Klimawandel weiter steigen. Allen Menschen trotz Wasserknappheit Zugang zur Wasserversorgung zu gewährleisten, ist gerade in Konfliktgebieten, wo Infrastruktur beschädigt, zerstört bzw. als Zerstörungsziel vorgesehen wurde, eine sich verschärfende Herausforderung, heißt es im Bericht. Humanitäre Hilfe ist hier immer stärker auch Entwicklungsarbeit, mit dem Ziel eine dauerhaftere Wasser- und Sanitärversorgung in Flüchtlingslagern und informellen Siedlungen auzubauen. Dies führt zuweilen zu Konflikten und Spannungen mit den aufnehmenden Gemeinschaften, besonders falls die beiden Gruppen keinen gleichberechtigten Zugang zur Wasserversorgung haben.

Im asiatisch-pazifischen Raum wurden 2016 29 von 48 Ländern aufgrund geringer Wasserverfügbarkeit und nicht nachhaltiger Grundwasserentnahme als wasserunsicher eingestuft. Die Wasserknappheit wird durch die Auswirkungen des Klimawandels noch verstärkt. Naturkatastrophen treten häufiger und intensiver auf, das Katastrophenrisiko steigt schneller als die gesellschaftliche Widerstandskraft. Katastrophen haben Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), Einschulungsraten und Pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen. Sie können dazu führen, dass Menschen an der Armutsgrenze – mit Einkommen zwischen 1,90 und 3,10 US-Dollar pro Tag – in extreme Armut geraten.

Auch in Europa und Nordamerika ist der Zugang zu sicherer Sanitärversorgung vielerorts, vor allem auf dem Land, weiter eine Herausforderung. Besonders ernst ist für einen Großteil der Bevölkerung die Situation in Osteuropa, im Kaukasus und in Zentralasien. Aber auch viele Bürger in West- und Mitteleuropa sowie in Nordamerika haben keinen oder nur ungerechten Zugang zu Wasser- und Sanitärdienstleistungen.

In Lateinamerika und der Karibik müssen noch immer Millionen ohne angemessenes Trinkwasser auskommen. Noch mehr sind vom Mangel an sicherer und angemessener Entsorgung von Ausscheidungen betroffen. Menschen ohne Zugang zu Versorgungsleistungen leben vor allem in den Vorstädten, insbesondere in den Armutsgürteln.

Ganz schlimm ist die Lage im südlichen Afrika. Das Fortbestehen von Armut südlich der Sahara ist auch eine direkte Folge des Mangels an wasserwirtschaftlicher Infrastruktur sowohl in Bezug auf die Speicherung und Versorgung als auch auf die Verbesserung der Trinkwasser- und Sanitärversorgung. Dies wird wirtschaftliche Wasserknappheit genannt. Etwa 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Subsahara-Afrikas leben auf dem Land. 2015 hatten nur drei von fünf Landbewohnern Zugang zu mindestens grundlegender Wasserversorgung; nur jeder fünfte hatte Zugang zu mindestens grundlegender sanitärer Versorgung. Etwa jeder zehnte trinkt bis heute unbehandeltes Oberflächenwasser, und viele arme Menschen auf dem Land, besonders Frauen und Mädchen, verbringen viel Zeit mit der Beschaffung von Wasser.

Mehr als die Hälfte des bis 2050 erwarteten Bevölkerungswachstums, nämlich 1,3 Milliarden von 2,2 Milliarden weltweit wird in Afrika stattfinden. Das Bevölkerungswachstum findet vor allem in Städten statt, was ohne angemessene Planung zu einem dramatischen Wachstum der Slums führen kann. Auch wenn sich die Lebensbedingungen in Slums zwischen 2000 und 2015 stetig verbessert haben: In Afrika bleibt die Rate des Wohnungsneubaus weit hinter der Rate des städtischen Bevölkerungswachstums zurück.

Maßnahmen in lokalen Gemeinschaften sind entscheidend für die Bekämpfung der eigentlichen Ursachen für das “Zurückbleiben von Menschen” in Bezug auf Wasser und sanitäre Einrichtungen, sagt die UNESCO. Verantwortungsvolle staatliche Steuerung würde hierarchische Machtstrukturen überwinden und gleichzeitig Rechenschaftspflicht, Transparenz, Legitimität, Bürgerbeteiligung, Gerechtigkeit und Effizienz – also einen menschenrechtsbasierten Ansatz – stärken. Neue Formen der Zuweisung von Wasserressourcen könnten verschiedene sozioökonomische Ziele erreichen – wie die Wahrung der Nahrungsmittel- und/oder Energiesicherheit oder industrielles Wachstum; garantierte Priorität müsse aber eine ausreichende Wasserverfügbarkeit in angemessener Qualität für alle sein.

Alle Akteure, die an der gleichberechtigten Verwirklichung der Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung beteiligt sind, haben ihre spezifische Verpflichtung und Verantwortung. Die Menschenrechte definieren den Einzelnen als Rechteinhaber und die Staaten als Pflichtenträger. Nichtstaatliche Akteure tragen ebenfalls Verantwortung für die Menschenrechte und können für deren Verletzung zur Verantwortung gezogen werden. Nichtregierungsorganisationen und internationale Organisationen spielen mitunter eine wichtige Rolle bei der Leistungserbringung und müssen Gleichberechtigung und Rechenschaftspflicht gewährleisten. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, internationale Handels- und Finanzinstitutionen und Partner der Entwicklungszusammenarbeit sind aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Unterstützung in jene Länder oder Regionen fließt, die am wenigsten in der Lage sind, das Recht auf Wasser und Abwasser zu verwirklichen.

Siehe auch:

Bottled Life: Nestlés einträgliche Geschäfte mit Wasser

Geliebtes Wasser, unbekanntes Wesen

Trinkwasser ist ein Menschenrecht und darf nicht privatisiert werden!

Update: Süßwasserseen unter der Antarktis entdeckt