Horst Schilling (82) war (mein) Volontärsvater, Chef vom Dienst, menschlicher Ratgeber und Chefredakteur bei der Rhein-Zeitung Koblenz. Fast sein gesamtes Berufsleben lang und auch noch im Ruhestand hat er sich der Ausbildung von Journalisten gewidmet – bei der Rhein-Zeitung wie in der Branche überhaupt. So hat er 1974 bei der RZ die erste Lehrredaktion in Deutschland überhaupt aufgebaut. Seine Wertvorstellungen in Sachen Medienarbeit prägen mich bis heute.
Der ABZV-Videoreporter Roman Mischel hat Horst Schilling portraitiert. Dieses Video wurde bei Vimeo eingestellt.
Horst Schilling hat von 1952 bis 1996 im Mittelrhein-Verlag gearbeitet – anfangs als Lokalredakteur in Neuwied, Daun und Bad Kreuznach, ab 1968 als Chef vom Dienst, später stellvertretender Chefredakteur – von 1993 bis 1996 als Chefredakteur. Er bildete rund 200 junge Redakteure aus. Keiner von uns hat weder sein strahlendes Lächeln, noch seine sanfte, aber fundierte, Werte-orientierte und meist sehr treffende Kritik vergessen.
Redakteur zu sein bedeutet, jedem einzelnen Leser verpflichtet zu sein und jeden Einzelnen als Menschen wahrzunehmen und zu akzeptieren – diese Botschaft lebte und lebt Horst Schilling vor.
Ethik, Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit sind Themen, die untrennbar mit ihm verbunden sind – dazu gehört auch seine Arbeit im Presserat. Horst Schilling war nie ein rücksichtsloser Ellenbogen-Kämpfer. Aber er konnte motivieren, Begeisterung wecken und damit das Beste aus jedem von uns heraus holen.
Die DJV-Familie in Rheinland-Pfalz betrauert einen der Ihren: Horst Schilling ist im Alter von 90 Jahren friedlich im Kreis seiner Angehörigen eingeschlafen. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Frau und seinen vier Töchtern.
Ein großes journalistisches Herz hat aufgehört zu schlagen. Horst Schilling, ein Koblenzer mit Leib und Seele, hätte so gerne die Bundesgartenschau Mittelrhein in 2029 erlebt, freute sich auf das 75. Jubiläum seiner DJV-Mitgliedschaft in 2027. Diese Lebensfreude zauberte jedem, der Horst Schilling in den zurückliegenden Jahren begegnet ist, ein Lächeln aufs Gesicht. Eine Inspiration für seine Umgebung auch als betagter Rentner mit wachem Geist, dessen Tage ausgefüllt waren mit seiner Freude am Filmen, an seinem Garten und im Zusammensein mit seiner Familie.
Der ehemalige Chefredakteur der Rhein-Zeitung in Koblenz (1993-1996) hat zeit seines Lebens KollegInnen dazu ermuntert, die ethischen und moralischen Grundsätze bei der täglichen Arbeit zu achten und die Sorgfalt nicht dem schnellen „Output“ zu opfern. Zwanzig Jahre lang (1974-1993) war der Koblenzer Ausbildungsredakteur der Rhein-Zeitung gewesen, hat dabei mehr als 250 Volontäre geschult. Sein Lehr-Konzept stand unter anderem Pate für den 1990 in Kraft getretenen bundesweiten Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat.
Horst Schilling trat 1952 dem DJV Rheinland-Pfalz bei und begann wenige Jahre später sich aktiv in dem Berufsverband zu engagieren. In den 70-er Jahren war er im Landesvorstand, von 1975 bis 1981 gestaltete er als Vorsitzender den DJV-Bezirksverband Mittelrhein, übernahm auch den Vorsitz des Sozialwerks (1971-1993), des gemeinnützigen Vereins des DJV Rheinland-Pfalz zur Unterstützung in Not geratener JournalistInnen, und blieb dort Mitglied bis vor zwei Jahren.
Von 1985 an war Horst Schilling außerdem Mitglied im Deutschen Presserat, der freiwilligen Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland mit Sitz in Berlin. 1992/1993 und 1995/1996 war er dessen Sprecher und veröffentlichte zudem jährlich die Spruchpraxis.
Nun heißt es Abschied nehmen von einem großen, großartigen Kollegen. In Erinnerung bleiben wird seine ethisch motivierte Einstellung zur journalistischen Arbeit und der damit einhergehenden Verantwortung sowie sein nie verzagendes Interesse an „seinem“ Journalistenverband, dem zuliebe er sich sogar in Corona-Zeiten mit dem Medium einer Zoom-Konferenz vertraut gemacht hat. Die DJV-Familie wird Horst Schilling mit großem Respekt und großer Dankbarkeit ein ehrendes Andenken bewahren.
Havanna – schon der Name ist Legende: Karibik, Piraten, Zucker, Rum, Zigarren, Salsa … Oldtimer ohne Ende, ein heißblütiges Völkergemisch, wundervolle alte Häuser… auch ich, von Berufs wegen daran gewöhnt, inneren Abstand zu halten, hatte einen folkloristisch-verklärten Blick auf diese Stadt und das ganze Land.
Verklärt ist der Blick jetzt nicht mehr.
Aber meine Zuneigung zu dieser Insel, in der sich Vergangenheit und Zukunft die Hand geben, ist nach meinem Besuch dort eher noch gewachsen.
Che Guevaras Kopf auf rotem Grund hing schon in meinem Zimmer, als ich, jugendlich-naiv, von Politik so gut wie nichts wusste. Die Leidenschaft in seinem Gesichtsausdruck hatte mich fasziniert. Heute weiß ich, wie wild und leidenschaftlich dieser Berufsrevolutionär wirklich war, der an Fidel Castros Seite für die politische und gesellschaftliche Erneuerung der Karibikinsel kämpfte und 1967 in Bolivien starb. Sein Charisma wirkt noch immer nach – auch in Liedern, die sich seiner fast zärtlich erinnern. In meiner Jugend kursierte in der Schule auch die Mao-Bibel; wir lasen Sartre, Camus und Kant – wir suchten wie alle jungen Leute Ideale, die über den Alltag hinaus gehen. Das Charisma des nur allzu menschlichen Ernesto Guevara de la Sernas, genannt Che Guevara aber war es, das mir die Idee der Gerechtigkeit für alle begreiflich machte.
Che ist nun seit 45 Jahren tot und ein Volksheld. Fidel Castro blieb die undankbarere Aufgabe, die Ziele der Revolution umzusetzen – und das gegen den Widerstand des mächtigsten Staatenbundes der Welt: der USA. Nicht zuletzt dank Amerika war Kuba bis Ende der 1950er Jahre der reichste unter den Karibikstaaten gewesen. Den größten Teil seiner enormen Zuckerproduktion kauften die USA zu festgesetzten Preisen auf. In ihrem karibischen „Wohnzimmer“ errichteten die Amerikaner eindrucksvolle Gebäude, wie etwa in Havanna die Nachempfindung ihres „Kapitols“.
Ab 1962 griff jedoch ein umfassendes Embargo gegen den Klassenfeind. Veranlasst und bis heute jedes Jahr erneuert auf Druck der Vereinigten Staaten wurde Kuba fast vollständig vom internationalen Handels- und Währungssystem ausgeschlossen, war damit auf Gedeih und Verderb von sozialistischen Bruderstaaten abhängig, zunächst vor allem der Sowjetunion, heute von Venezuela. Versuche, das System zu stürzen, wie etwa den Angriff in der Schweinebucht oder viele hundert Mordanschläge auf Fidel Castro, die der CIA zugeschrieben werden, scheiterten zwar, bewirkten aber, dass das System sich und seine Bürger bis heute bestmöglich abschottet.
50 Jahre Isolation führten zu der heute mehr als unbefriedigenden Situation, der sich eine überwiegend junge Bevölkerung gegenüber sieht: Die Grundbedürfnisse des Lebens sind gesichert. Bildung und Gesundheitssystem sind kostenlos. Die Mieten sind beispiellos preiswert, liegen meist bei weniger als zehn Prozent des Einkommens. Aber im Westen alltägliche Konsumgüter sind praktisch unerreichbar, sogar Grundnahrungsmittel sind rationiert, es gibt wenig bis keinen Zugang ins Internet. Die Menschen brauchen Devisen, und die Einzigen, die sie ihnen beschaffen können, sind die Touristen.
Ich verzichte hier auf eine Analyse der politischen und sozialen Situation in Kuba. Viel Information bietet Wikipedia. Unter den dort aufgeführten Links empfehle ich beispielsweise Wirtschaftsdaten Kuba kompakt, den Aufsatz Wie reformfähig ist Kubas Sozialismus? oder den zwar bereits 2002 entstandenen, dennoch interessanten Beitrag Kuba nach Castro.
Havanna, die 500 Jahre alte Hauptstadt, zeigt ein getreues Abbild der wechselvollen Jahrhunderte: Trutzige Festungen, herrliche neo-klassizistische Gebäude in der historischen Altstadt, die im Rahmen der Unterschutzstellung als UNESCO-Weltkulturerbes restauriert wurden. In den neueren Stadtteilen finden sich Plattenbausiedlungen, erbaut von „Baubrigaden“ des eigenen Landes und befreundeter Bruderstaaten, dazwischen zerfallende Gebäude der traditionellen Lehmbauweise, kleine Wohnhäuser, liebevoll bunt angemalt. Es gibt die wohl weltweit eindrucksvollste Sammlung von Oldtimern, die den Straßenverkehr dominiert. Mit Liebhaberei hat das allerdings nichts zu tun: Die Wagen, vielfach noch aus den 1950er und 60er Jahren, sind weder wasserdicht, noch nach westlichen Maßstäben verkehrstauglich. Ihre alten Motoren schlucken bis zu 40 Liter Sprit pro 100 Kilometer – was bei den extrem hohen Benzinpreisen auf der Insel für eine unfreiwillige Verhinderung von Staus sogar in der Rush Hour sorgt. In meinem Video, gedreht bei einer Stadtrundfahrt, versuche ich, einen kleinen Eindruck davon zu geben.
Natürlich weist auch Havanna Nobel-Vororte mit Villen am Meer aus. Die Mehrheit der Menschen lebt jedoch unter mehr als schwierigen Bedingungen mit täglich stundenlangem Ausfall der Wasserversorgung, mit maroden Stromleitungen, in qualvoller Enge. Auf der Straße versuchen sie, den Touristen zu verkaufen, was immer sie gerade zu bieten haben: Fritierte Kokosbällchen in Honig, Rasseln, Zeichnungen, notfalls eben einzelne Feuerzeuge.
Shopping ist auch in Kubas Hauptstadt kein Thema; die wenigen Geschäfte sind für Touristen kaum attraktiv und verlangen horrende Preise. Dennoch ist das Durchstreifen der Altstadt ein sinnliches Erlebnis: Kunterbunte Kleinläden bieten Souvenirs aller Art, es gibt Straßencafés, Bücherflohmärkte, ein Durcheinander von Einheimischen und Besuchern, die sich lachend mit Händen und Füßen verständigen – und über allem liegt Musik, Musik, Musik.
Mehrmals stand ich in Key West am Haus von Ernest Hemmingway, dessen Gartentor die Aufschrift „Gone fishing“ ziert. Das Floritida in der Altstadt Havannas, ist die Kneipe, wohin es den Dichter zog, wenn er Florida den Rücken kehrte. Fans des Films und der Musik des „Buena Vista Social Club“ haben die traditionelle Musik des Karibikstaates lieben gelernt, die hier, wie in allen anderen Gaststätten und auf der Straße gespielt und live gesungen wird. Sie scheint es zu sein, die widrige Lebensumstände einfach leichter erträglich macht. Musik auch im Bus, im Taxi, im Privatwagen – wenn ein Einheimischer das Verbot missachtet, Touristen in seinem Auto mitzunehmen. Hier können wirkliche Gespräche stattfinden, wenn Tezo, der junge Mann am Steuer, mir erklärt, dass er mit Schichtarbeit im Tourismus sein Studium der Wirtschaftswissenschaften finanziert hat, während seine Frau ihr Diplom als Psychologin machte. Beide leben in einer winzigen Wohnung. Den Platz, wo das Baby, das bald geboren wird, schlafen soll, müssen sie noch frei räumen. Nein, Tezo hasst Kuba nicht, will auch nicht auswandern; im Gegenteil. „Dieses Land braucht eine sanfte Veränderung“, meint der 33-Jährige. „Ich habe Träume, und ich werde mein Leben lang daran arbeiten, sie zu verwirklichen,“ sagt er, und die dunklen Augen leuchten. Er ist Teil einer ausgesprochen gut ausgebildeten jungen Generation, die jede sich bietende Arbeit annimmt, um Geld zu verdienen – egal wie schwer der Job ist. Immer wieder sehe ich junge Leute, die bescheiden auftreten, abgeschlossene Studien vorweisen können und auf ihre Chance warten.
Derweil leben in Ghettos wie Varadero gut abgeschottet Tausende Touristen aus aller Welt in Hotels, deren Standard etwa mit der Nachbarinsel Hispaniola gut mithalten kann. Bis auf eine Ausnahme: Das Internet. Es ist nicht nur unglaublich langsam und unzuverlässig – es ist vor allem extrem teuer: 10 CUC die Stunde – etwa 9 Euro…
Aber wer wird vor dem PC hängen, wenn draußen Traumstrände warten und ein smaragdgrünes Meer, das fast Badewannen-Temperaturen erreicht. An den Stränden Varaderos ist viel Platz, man muss nicht drängeln. Die See lockt zu Ausflügen auf benachbarte Inseln, zu kleinen Touren mit dem Kajak oder Katamaran. Der All inclusive-Service beinhaltet oft auch heimische Alkoholika, die Buchung in Kuba ist deutlich günstiger als etwa in der Dominikanischen Republik. So bringen wir Touris, die bei grandiosen Sonnenuntergängen sonnendurchglühte Tage ausklingen lassen, der schönen Insel im karibischen Meer das, was sie am meisten braucht: Devisen über ihren mittlerweile stärksten Wirtschaftszweig.