Schlagwort: Warschauer Pakt

Angriff auf die Ukraine: Putins aufgestauter Zorn über die Osterweiterung der NATO entlädt sich

Russland hat es getan. Nach fast einjährigem Zusammenziehen von Truppen und Angriffswaffen rund um die Ukraine hat Präsident Putin erst die beiden Republiken Donezk und Luhansk in der Ukraine als eigenständig anerkannt, und jetzt in der Nacht zum 24. Februar 2022 großflächig die gesamte Ukraine angegriffen. Beginnend in den Hafenstädten Odessa, Mariupol und der Stadt Charkow nahe der russischen Grenze ziehen sich inzwischen die Angriffe über das ganze Land, auch auf Kiew. Zehntausende Ukrainer sind auf der Flucht Richtung Polen. Nach eigenen Angaben hat das russische Militär die Luftabwehr der Ukraine mit präzisionsgelenkter Munition „komplett unschädlich“ gemacht. Es laufen Raketenangriffe auf strategisch wichtige Ziele.

In Europa und der Nato herrscht helle Aufregung. Die Börsen brechen weltweit ein, und der Ölpreis überspringt die magische Marke von 100 Dollar. Die Preise von Getreide und Gold steigen.

Die Ukraine ist von Russland und Belarus aus umstellt

Die Ukraine hat die diplomatischen Beziehungen mit Russland abgebrochen, das Kriegsrecht ausgerufen, alle Bürger aufgerufen, sich zu verteidigen und ihren Luftraum geschlossen. Die Barabhebungen bei Banken wurden eingeschränkt. Auch das benachbarte Belarus schließt seinen Luftraum für zivile Flüge. Die Nato hat ihren Verteidigungsplan aktiviert und verstärkt ihre Präsenz in ihren östlichen Mitgliedsstaaten, die sich bedroht fühlen und um Hilfe gebeten haben. Europa und die Nato summen wie ein Bienenkorb. Es hagelt Verurteilungen der russischen Angriffspolitik und Ankündigungen „schwerer Sanktionen“.

Militärisch steht der Ukraine allerdings niemand zur Seite, denn das Land ist kein Nato-Mitglied. Sowohl Präsident Selensky, als auch sein Botschafter in Deutschland, Dr. Andrij Melnyk haben geradezu flehentlich um militärische Hilfe gebeten, um der haushoch überlegenen, hoch modernen russischen Armee etwas entgegen stellen zu können. Andrij Melnyk, hat heute erneut einen flammenden Appell an Deutschland gerichtet, endlich und sofort umzudenken. Wladimir Putin hat angekündigt, dass, falls die Nato ins Geschehen eingreife, sie eine Antwort sehen werde, wie sie sie noch nie erlebt habe.

Bisher wurden vor allem finanzielle Sanktionen gegen enge Freunde Wladimir Putins und Mitglieder der Duma ausgesprochen, die die Aggressionen beschlossen haben. Jetzt stehen deutlich massivere Sanktionen im Raum, wie etwa den Ausschluss Russlands aus dem Swift-System, mit dem Banken international untereinander arbeiten.

Die Gaspipeline Nordstream 2 ist trotz extremer Proteste aus den USA fertig und im Genehmigungsprozess. Bundeskanzler Olaf Scholz wollte die Inbetriebnahme bis zuletzt retten, während sein grüner Wirtschaftsminister Habeck schon wochenlang den Stopp des Zertifizierungsprozesses plante. Nun kam der Kanzler US-Präsident Biden zuvor und erklärte, dass Nordstream 2 ab sofort auf Eis liege. Der amerikanische Präsident hatte bereits vor kurzem öffentlich getönt, dass, die Pipeline Geschichte sei, falls Russland in die Ukraine einmarschiere. Bisher setzt Gazprom die Versorgung über die übrigen Pipelines fort.

Ich werde hier versuchen, die Hintergründe dieses Angriffs aufzuarbeiten und betrachte die Bedeutung der russischen Energielieferungen, die gemeinsame Geschichte Russlands und der Ukraine, die Zeit des kalten Krieges, die Wiedervereinigung Deutschlands und ihre Folgen, das Ende des Warschauer Paktes, die Nato-Osterweiterung und die Versprechen an Russland, kriegerische Aktivitäten der USA und Russland seit 1945, sowie Putin als Mensch.

Erdgas hat mittlerweile einen Anteil von über einem Viertel am deutschen Primärenergieverbrauch. Importe aus Russland wiederum decken den Erdgasverbrauch mittlerweile etwa zur Hälfte, Tendenz steigend. Nachdem Deutschland fast gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohle zugunsten erneuerbarer Energien aussteigen will, hat die Versorgung mit Gas als Brückentechnologie zunehmende Bedeutung. „Bereiten Sie sich schonmal auf eine Verdoppelung des Preises vor,“ tönte es dazu gehässig aus Russland.

Bisher läuft ein großer Teil der russischen Erdgasexporte über Pipelines, die alle durch die Ukraine führen. Die dortige Regierung wird von Russland aber spätestens seit 2014 als Feind angesehen, was bereits zu Lieferstopps führte. Nordstream 2 soll aus russischer Sicht vor allem dazu dienen, das Land künftig zu umgehen.

Deutschland ist zu abhängig von russischem Gas, das ist eine Tatsache. Eine Tatsache ist aber auch, dass die USA, die diese Abhängigkeit immer kritisieren und Handel mit Russland in den letzten Jahren zunehmend mit Sanktionen belegt haben, ihre eigenen Interessen dabei nie aus dem Auge verlieren. So ist ungeachtet der Sanktionen Russland der Staat, aus dem die USA die höchsten Importe von Öl beziehen. 2020 hat Russland fast 27 Millionen Tonnen Rohöl und -derivate in die USA exportiert. Pro Tag sind das 538.000 Fass, 63 Prozent mehr als 2014. Darüber hinaus waren amerikanische Unternehmen 2019 mit Abstand die größten Investoren in Russland. Gleichzeitig exportieren die USA im großen Ausmaß ihre eigenen Fracking-Produkte und drängen Europa, sie zu kaufen.

Seit dem Herbst letzten Jahres steigen die Preise für Öl und Gas stark an. Die Gründe liegen einerseits in wachsender Nachfrage, vor allem aus Asien, in den Sanktionen der USA unter anderem gegen Venezuela und den Iran, und in der Weigerung der OPEC-Staaten, die Förderung auszuweiten. Im noch jungen Jahr 2022 setzte sich der Preisanstieg ungebremst fort, verbunden mit einer ebenfalls ungewohnt stark steigenden Inflationsquote. Die jetzt zu erwartenden Sanktionen gegen die Ukraine werden dieses Problem auf die Spitze treiben und besonders Deutschland schaden, während die USA nicht betroffen sind. Weltweit fahren die Börsen seit Wochen Karussel – nach der neusten Entwicklung sinkt unter anderem der DAX auf einen neuen Tiefstand.

Die Ausrichtung der Ukraine nach Westen und ihr Wunsch, der Nato beizutreten, haben beim russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Fass zum Überlaufen gebracht. Die kontinuierliche Osterweiterung der Nato seit den 1990er Jahren, verbunden mit der Stationierung von Waffen vor Russlands „Haustür“ hat das Land, das im Bewusstsein lebt, eine Supermacht zu sein, zunehmend aufgebracht und bereits 2014 zur Annektierung der Halbinsel Krim geführt. Beim jetzigen Einmarsch in die beiden Republiken scheint es auch darum zu gehen, mindestens das Festland gegenüber der Krim, wahrscheinlich aber das ganze Land „zurück“ in russische Hand zu bringen – zumal Wladiminir Putin ohnehin der Überzeugung ist, dass die Ukraine ein „untrennbarer Teil von Russland“ ist.

Geschichte Russlands und der Ukraine

Die Ukraine hat eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich, die immer mit der Russlands verbunden war. Hier eine sehr knappe Zusammenfassung:

Einst war ihre heutige Staatsfläche Teil des historischen Reiches der Kiewer Rus (980 1240), gegründet von den Rjurikiden (den „Ruderern“), das vom schwarzen Meer bis zur Ostsee reichte. 988-989 nahm dieses Reich das Christentum von Byzanz an. Dann kamen die goldene Horde der Mongolen und eine litauisch-polnische Herrschaft, bis die Ukraine 1569 Teil des polnischen Königreiches wurde.

Mit dem Ende des Mongolenreiches 1480 konsolidierte sich die nördliche Rus rund um das Großfürstentum Moskau und begann eine kontinuierliche Expansion, genannt „Sammlung russischer Erde.“ Man wollte die Kiewer Rus wieder herstellen und bekriegte unter anderem Litauen-Polen und das Osmanische Reich, das zeitweise das Territorium der heutigen Ukraine besetzte. Zar Peter I. (Peter der Große) modernisierte das seit 1721 bestehende imperiale russische Reich und führte es näher an den Westen heran. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts festigte das russische Reich seinen Großmachtstatus und nach der Niederlage Napoleons im Russlandfeldzug 1812 bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Vorherrschaft auf dem europäischen Festland.

Das vorwiegend landwirtschaftlich geprägte Reich konnte mit den schnell wachsenden Industriestaaten nicht mithalten, bis Zar Alexander II. Reformen anschob. Er hob 1862 auch die Leibeigenschaft auf. Vorausgegangen war ein verlorener Krimkrieg (1853 – 1856), in dem Russland versucht hatte, den Osmanen die Krim abzunehmen, von den westeuropäischen Ländern aber daran gehindert worden war. Es folgten weitere Kriege im Osten und Süden Russlands und der Erste Weltkrieg. Im März 1917 stürzte die Februarrevolution die Monarchie in Russland. Im Herbst des selben Jahres führte die Oktoberrevolution zur Übernahme des Landes durch die kommunistischen Bolschewiki unter Führung von Wladimir Iljitsch Lenin.

Bei der Gründung der Sowjetunion 1922 wurde die Ukraine ein Teil davon. Im Gegensatz zum Zarenreich erkannte die UDSSR die Ukraine als eigene Nation an. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der polnische Teil der Bevölkerung umgesiedelt oder vertrieben, Ukrainer in Polen mussten in die Ukraine ziehen, die als Land Teil der Sowjetunion blieb. Deren Führer Nikita Chruschtschow schenkte der Ukrainischen Sowjetrepublik 1954 beim Fest zum 300-jährigen Bestehen der Russisch-Ukrainischen Einheit die Halbinsel Krim. Er soll betrunken gewesen sein.

Kiev
Kiew

Nach dem Fall der Sowjetunion wurde die Ukraine 1991 wieder ein unabhängiger Staat.  176 strategische und über 2500 taktische Atomraketen, die noch dort stationiert waren, wurden bis 1996 von Russland entfernt. Dafür erhielt die Regierung in Kiew finanzielle Hilfe aus den USA, günstige Energielieferungen aus Russland und Sicherheitsgarantien, die im Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994 festgehalten wurden. Darin verpflichteten sich die USA, Russland und Großbritannien, die territoriale Unversehrtheit und politische Unabhängigkeit der Ukraine weder durch Gewalt, noch durch deren Androhung zu verletzen, keinen wirtschaftlichen Zwang auszuüben, auf jegliche militärische Besetzung zu verzichten und eine solche keinesfalls anzuerkennen.

Machtmissbrauch, Korruption und innere Kämpfe machten den ukrainischen Bürgern das Leben schwer. So entwickelten sich 2004 die Orangene Revolution und 2013 erneut Aufstände, diesmal mit dem Schwerpunkt auf dem Maidan in Kiew. Nach Unruhen auf der Krim und einem Referendum, bei dem die dortige Bevölkerung für den Anschluss an Russland stimmte, annektierte Russland 2014 die Halbinsel, auf der die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist. Es hatte immer wieder Streit darüber gegeben, ob die Flotte unter ukrainischem oder russischem Oberkommando stehen sollte. Im selben Jahr organisierten pro-russische Kräfte in zwei Regionen der östlichen Ukraine ebenfalls ein Referendum über den Anschluss an Russland. Seitdem sehen diese sich als unabhängig. Diese beiden „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk wurden am 21.2.2022 von Putin anerkannt, der sogleich verkündete, Truppen zu schicken, um die russischen Teile der Bevölkerung „vor Aggressionen und Völkermord“ zu schützen.

Blick auf die Krim

Der lange Kalte Krieg

Nach dem Zerfall der Sowjetunion knüpfte die Russische Föderation an die Zeit vor der Oktoberrevolution an. Allerdings entsprachen die Grenzen Russlands nicht denen des Kaiserreichs vor 1917, sondern denen des ethnisch relativ einheitlichen russischen Zarentums im 17. Jahrhundert. Es begann eine Zeit der wirtschaftlichen Krise und extremen Versorgungsknappheit, verbunden mit inneren Unruhen. Erst Wladimir Putin gelang es, das Land wieder zu stabilisieren und Selbstbewusstsein zurück zu gewinnen. Außenpolitisch wendete sich Russland nach einigen Jahren der Annäherung mehr und mehr vom Westen ab, in der Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 kam Putins Einschätzung der USA als „gegnerische Weltmacht“ zum Ausdruck.

Von 1947 bis 1989 herrschte zwischen dem „Ostblock“ und dem Westen der Kalte Krieg. Der Konflikt nahm in dieser Zeit dreimal äußerst bedrohlichen Charakter an: Die erste Krise war die Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949. Vorausgegangen war die Währungsreform am 21. Juni 1948, die Westdeutschland die D-Mark brachte. Während der Blockade der Stadt, deren Ziel es war, die Enklave Westberlin in die sowjetische Einflusszone einzuordnen, musste Berlin per Luftbrücke versorgt werden. Im Februar 2022 erst starb der berühmte „Candy-Bomber“ Gail S. Halvorsen, der immer kleine Portionen an Süßigkeiten, an Taschentuch-Fallschirme gebunden, über Berlin abgeworfen hatte, im Alter von 101 Jahren.

Candy-Bomber Gail S. Halvorsen

Die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen auf Kuba führte 1962 zur Kubakrise. 1959 hatte Fidel Castro den Diktator Batista gestürzt. Danach wurden die lukrativen US-amerikanischen Unternehmen auf Kuba ohne Entschädigung verstaatlicht. Das führte zur wirtschaftlichen Blockade der Insel durch die USA. Im April 1961 versuchten die USA, mittels einer Invasion von Exilkubanern in der Schweinebucht, wieder die Kontrolle zu übernehmen, was in einem Fiasko endete. 1960 nahm die Sowjetunion unter Chruschtschow diplomatische Beziehungen mit Kuba auf unterstützte das Land wirtschaftlich gegen die Folgen des US-Embargos. Nachdem es durch die Stationierung russischer Atomwaffen auf der Insel fast zu einem Atomkrieg gekommen wäre, begannen Ost-West-Gespräche zur besseren Kommunikation und Begrenzung von Atomwaffen.

Fidel Castro mit Nikita Chruschtschow
Fidel Castro mit Chruschtschow

In den 1960er Jahren erreichte die Sowjetunion mit ihren Interkontinentalraketen und Wasserstoffbomben ein annäherndes atomares Gleichgewicht mit den USA. Danach begann eine neue Form der Aufrüstung. Die seit 1970 entwickelten Pershing II und Cruise Missiles galten als die ersten Waffensysteme, deren Treffgenauigkeit und Reichweite die angestrebte flexible Zielauswahl ermöglichten. Daraufhin begann die Sowjetunion ihre älteren gegen Westeuropa gerichteten R-12– und R-14-Raketen allmählich gegen modernere RSD-10-Raketen (im Westen SS-20 genannt) auszutauschen. Sie hatten eine Reichweite bis 5000 Kilometer und hohe Zielgenauigkeit, waren auf mobilen Abschussrampen montiert und wurden mit je drei atomaren Mehrfachsprengköpfen bestückt. Von 1979 bis 1982/83 kulminierte der Streit.

Seit 12. Dezember 1979 gab es den Nato-Doppelbeschluss. Er bestand aus zwei Teilen:

  1. Die Nato kündigte die Aufstellung neuer mit Atomsprengköpfen  bestückter Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und Marschflugkörper vom Typ BGM-109G Gryphon in Westeuropa  an. Sie begründete diesen Schritt als Modernisierung und Ausgleich einer Lücke in der atomaren Abschreckung, die die Stationierung der sowjetischen SS-20 bewirkt habe.
  2. Sie verlangte bilaterale Verhandlungen der Supermächte über die Begrenzung ihrer atomaren Mittelstreckenraketen (Intermediate Nuclear Forces – INF mit einer Reichweite zwischen 1000 und 5500 km) in Europa. Dabei blieben die französischen und ein Teil der britischen Atomraketen ausgeklammert. Beide Teile, Raketenaufstellung und Rüstungskontrolle, sollten einander ergänzen und parallel vollzogen werden.

Daraufhin entwickelte sich in Europa und Deutschland eine breite Friedensbewegung, die gegen Atomwaffen demonstrierte. Ab 1985 bot die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow weitreichende atomare Abrüstung an. 1987 vereinbarten die USA und die Sowjetunion im INF-Vertrag Rückzug, Vernichtung und Produktionsverbot all ihrer atomar bestückbaren, landgestützten Flugkörper mit Reichweiten von 500 bis 5500 km und ihrer Trägersysteme. Bis Mai 1991 erfüllten sie diesen Vertrag (Informationen aus Wikipedia).

Deutsche Wiedervereinigung und Folgen

Und dann, grade, als die Kräfte einigermaßen ausgewogen verteilt schienen, änderte sich die Geschichte schlagartig. In einem vergleichsweise winzigen, günstigen Zeitfenster erreichten der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, zusammen mit einem ganz kleinen Kreis der Eingeweihten, dass das geteilte Deutschland sich wieder vereinigen konnte. Am 9. November 1989 fiel die Mauer – am 3. Oktober 1990 war die Wiedervereinigung vollzogen und die DDR nach 41 Jahren Geschichte.

Die Nacht, in der die Mauer fiel

Grundlage der Wiedervereinigung war der „Zwei plus Vier-Vertrag„, der am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet waren. Darin gaben die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Deutschland frei. Der Vertrag gilt als die endgültige Friedensregelung mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies geschah, obwohl alle außer den USA Bedenken hatten, dass Deutschland wieder zu selbstbewusst werden könnte. Michael Gorbatschow forderte dabei kategorisch, dass Deutschland auf keinen Fall Teil der Nato werden dürfe. Helmut Kohl schaffte es, Gorbatschow umzustimmen, indem er einen bilateralen Vertrag zu einer engen Zusammenarbeit auf vielen Gebieten und einen gegenseitigen Gewaltverzicht anbot.

Am 31. Mai schlossen die USA und die Sowjetunion bei Gorbatschows Staatsbesuch in Camp David ein Handelsabkommen ab. Die Bundesregierung organisierte einen Kredit in Höhe von fünf Milliarden DM für die Sowjetunion, für den sie die Bürgschaft übernahm. So konnte der Versorgungsnotstand in Russland gelindert werden. Am 6. Juli 1990 verabschiedete der Nato-Gipfel in London eine Erklärung, wonach der Warschauer Pakt „nicht mehr als Gegner“ angesehen wurde; die versammelten Staats- und Regierungschefs kündigten eine Reduzierung ihrer Kernwaffen und eine Abkehr von der Strategie der Flexible Response und der Vorneverteidigung an; auch sollte die NATO von einer militärischen in eine politische Organisation Allianz umgeformt und die KSZE aufgewertet werden. Bereits im Juni hatten die NATO-Außenminister bei ihrem Treffen im schottischen Turnberry erklärt, man wolle keinen einseitigen Vorteil aus der deutschen Wiedervereinigung ziehen, vielmehr sei man bereit, die sowjetischen Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Damit konnte sich Gorbatschow gegen zahlreiche innenpolitische Gegner durchsetzen.

Polen, das befürchtet hatte, Deutschland wolle seine ehemaligen Gebiete wieder haben, wurde die Oder-Neiße-Linie als Grenze verbindlich zugesagt. Unter dem Titel „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ verzichteten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, auf ihr Vorbehaltsrecht in Bezug auf Deutschland. Hier die vollständigen Regelungen des zwei plus Vier-Vertrages:

  • Das Staatsgebiet  des vereinten Deutschlands umfasst die Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und ganz Berlins.
  • Die bestehenden Grenzen sind endgültig. Das vereinigte Deutschland verpflichtet sich, keine Gebietsansprüche zu erheben.
  • Das vereinigte Deutschland bekräftigt sein Bekenntnis zum Frieden und verzichtet auf atomare, biologische und chemische Waffen.
  • Die Truppenstärke der deutschen Streitkräfte wird von weit über 500.000 auf 370.000 Mann reduziert und beschränkt.
  • Die sowjetische Westgruppe der Truppen (GSTD) wird vom Gebiet der ehemaligen DDR und des Landes Berlin bis spätestens 1994 abgezogen.
  • Kernwaffen und ausländische Truppen dürfen auf ostdeutschem Gebiet nicht stationiert oder dorthin verlegt werden.
  • Die Viermächte-Verantwortung in Bezug Berlin und Deutschland insgesamt wird beendet.
  • Der Vertrag stellt die volle innere und äußere Souveränität des vereinigten Deutschland her.
  • „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik werden sicherstellen, dass die Verfassung des vereinten Deutschland keinerlei Bestimmungen enthalten wird, die mit diesen Prinzipien unvereinbar sind.
  • „Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“ 

Nato-Osterweiterung und Versprechungen

Im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung trieb Michail Gorbatschow immer wieder die Sorge um, dass sich die Nato nach Osten ausdehnen könnte. Immer wieder wurde ihm von verschiedenen Nato-Mitgliedern versichert, dass das auf keinen Fall geplant sei. Ein verbindliches Dokument dazu wurde jedoch nicht erstellt. Ab 1999 wurden die russischen Befürchtungen Wirklichkeit: Die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn traten der Nato bei. Inzwischen sind alle 14 Gründungsstaaten des Warschauer Paktes (außer Russland, der Nachfolgestaat der UdSSR) dem einst gegnerischen NATO-Bündnis beigetreten, ebenso wie die ehemaligen Sowjetrepubliken Lettland, Estland und Litauen.

Die Nato hat immer wieder abgestritten, Russland irgend etwas versprochen zu haben. Das sei schon allein deshalb nicht möglich gewesen, da es sich um freie Staaten und deren freie Entscheidung handele. Außerdem habe sich das Thema damals gar nicht gestellt, weil es ja den Warschauer Pakt gab. Im Februar 2022 taucht jedoch im britischen Nationalarchiv ein Dokument auf, das das Gegenteil beweist: Bei einem Treffen der politischen Direktoren der Außenministerien der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschland in Bonn am 6. März 1991 stimmten Briten, Amerikaner, Deutsche und Franzosen überein, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Osteuropäer ‚inakzeptabel‘ sei. US-Außenminister James Baker hat bei einem Treffen mit Gorbatschow am 9. Februar 1990 versprochen, die Nato werde sich „keinen Inch weiter nach Osten“ erweitern. Baker schrieb in einem Brief an Helmut Kohl, wonach Gorbatschow dulden könne, dass Deutschland in der Nato bleibt, dass aber „jede Erweiterung der Nato-Zone inakzeptabel“ sei. Kohl wiederum versprach am 10. Februar Gorbatschow: „Wir glauben, die Nato sollte ihren Aktivitätsgebiet nicht erweitern.“

Gorbatschow bezahlte seine West-freundliche Politik und sein naives Vertrauen in mündliche Versprechungen im eigenen Land später teuer.

Wladimir Putin (seit 2000 im Amt) hat den „Betrug“ an Russland nicht nur nie verwunden: Jede Aktivität der Nato, und besonders der Führungsnation USA nahe den Grenzen Russlands hat ihn neu und bis auf’s Blut gereizt.

Ende des Warschauer Pakts

Der Warschauer Pakt war ein von 1955 bis 1991 bestehender militärischer Beistandspakt des sogenannten Ostblocks unter der Führung der Sowjetunion und im Kalten Krieg das Gegenstück zum Nordatlantikpakt der NATO. Wirtschaftlich waren die Ostblockstaaten bereits seit 1949 im  Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe zusammengeschlossen.

Der Warschauer Pakt diente als Stützpfeiler der offiziellen Politik der Sowjetunion durch die Bündnispartner. Die Stationierung sowjetischer Truppen in fast allen Mitgliedstaaten und das Vereinte Oberkommando unter sowjetischer Kontrolle sorgten dafür, dass die Herrschaft der jeweiligen kommunistischen Partei und die Treue gegenüber der Sowjetunion nicht in Frage gestellt werden konnten.

In Fällen, bei denen einzelne Teilnehmerstaaten den von Moskau vorgegebenen Kurs verlassen wollten, wurde dies als Angriff von außen auf das sozialistische  Staatensystem ausgelegt und mit einer militärischen Intervention geahndet: Beispielsweise beim ungarischen Volksaufstand 1956 und im Prager Frühling der ČSSR 1968 schlugen Truppen des Warschauer Pakts nationale Aufstände nieder. Auch der Aufstand des 17. Juni 1953 in der DDR wurde von der Sowjetarmee niedergeschlagen. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs erodierten die strengen Strukturen des Warschauer Paktes zunehmend, woraufhin sich dieser 1991 offiziell auflöste. Damit war auch formell der kalte Krieg beendet.

Fortgesetzte Demütigung Russlands

Ebenfalls im Jahr 1990 begannen die sowjetischen Truppen, aus den Staaten des Warschauer Paktes abzuziehen. 1994 verließen die letzten, jetzt russischen Truppen das wiedervereinigte Deutschland. 2008 beschloss die Nato: Georgien und Ukraine sollen „in der Zukunft“ Mitglieder werden. Die Ukraine wird seitdem von den Nato-Staaten und vorneweg Deutschland massiv mit Geld gefördert, bekommt teilweise auch Waffen. Die Nato kommentierte lautstark Russlands Eingreifen in Georgien, im Kaukasus und in der Ukraine. Die Russen wurden aus allen wichtigen internationalen Gesprächen verdrängt.

So fühlte sich Russland, die einstige Führungsmacht im Osten, durch die Nato und deren Führungsmacht USA fortgesetzt betrogen und gedemütigt. Die Demütigung gipfelte darin, dass 2014 US-Präsident Obama Russland eine „Regionalmacht“ nannte. Den Versuch Boris Jelzins, Gorbatschows Nachfolger 1991, Russland als Beitrittskandidat für die Nato ins Gespräch zu bringen, quittierte die Nato mit Schweigen – genau wie Versuche, doch noch schriftliche Sicherheitsgarantien zu bekommen. Statt dessen wurde ein so genannter Kooperationsrat etabliert, in dessen Rahmen sich die Außenminister aller Staaten jährlich, die Botschafter alle zwei Monate austauschen sollen.

Nato-Osterweiterung seit 1999

Seit deren Beitritt zur Nato begannen die USA, in den östlichen Staaten Waffen zu stationieren, und zwar ohne die übrigen Nato-Mitglieder groß nach ihrer Meinung zu fragen. Als die Bush-Administration bereits mit Polen und Tschechien über die Stationierung einer Raketenbasis und einer Radaranlage verhandelte, waren die anderen Nato-Partner über Einzelheiten kaum informiert. Es wurde klar: Die USA würden das kontroverse Vorhaben durchziehen, ob mit oder ohne die Nato. Die „russische Dimension“ der Nato-Politik der US-Administration unter Bill Clinton wie unter George W. Bush bestand im Wesentlichen darin, Moskau auf Distanz zu allen wichtigen europäischen Sicherheitsfragen zu halten. 

Wladimir Putin hat genug

Nachdem Putin 2022 fast ein Jahr lang weit über 100 000 Soldaten und alle Arten von Angriffswaffen rund um die Ukraine positioniert hat, teilt er der Nato und ihrer Führungsmacht mit, was er erwartet: Die Nato soll zurück in ihre Grenzen von 1997. Die Ukraine soll auf keinen Fall Nato-Mitglied werden, Schweden und Finnland auch nicht. Und die baltischen Staaten sollen aus der Nato wieder ausscheiden. Die Nato und die USA, so Putin, haben Russland immer wieder betrogen. Inzwischen sei die Sicherheit des Landes nicht mehr gewährleistet.

Im Januar 2022 verfasst die Nato ein langes Papier, das alle russischen Vorwürfe entkräften soll. Darin wird unter anderem behauptet, die Nato habe über drei Jahrzehnte lang versucht, eine kooperative Zusammenarbeit mit Russland aufzubauen, könne diese Bemühungen aufgrund der russischen Aggressivität jetzt aber nicht mehr fortsetzen. Erst als die Ukraine schon bedrohlich im Norden und Osten umstellt ist, beginnt eine hektische Reisediplomatie. Die westlichen Führer, die Russland vorher weitgehend ignoriert haben, stellen sich bei Wladimir Putin in Moskau ein und beschwören ihn, die Ukraine nicht anzugreifen. Immer wieder wird er gebeten, das Minsker Abkommen von 2015 einzuhalten.

Aber es ist zu spät. Am 21. Februar 2022 verkündet der russische Präsident mit hassverzerrtem Gesicht, dass das Minsker Abkommen doch schon lange tot sei. Die Ukraine sei ein untrennbarer Teil Russlands, sagt der Präsident, und nimmt Bezug auf die Zeit, als die Fläche des Landes noch ohne eigenen Namen Teil des russischen Territoriums war. Die Ukraine habe nie eine „echte Staatlichkeit“ gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, sagte Putin. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen – unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe. In der Historie seien zudem Teile russischer Gebiete ohne Erlaubnis übernommen worden. Dazu gehöre auch die Donbass-Region. Tatsächlich ist die Ukraine das einzige Nicht-Mitglied, das an drei von der NATO geführten Militäroperationen (ISAF, KFOR und OAE) teilnimmt und als erster „Partner-Staat“ an einer NATO Response Force beteiligt war.

„Wir wissen, dass es bereits Berichte gab, die Ukraine wolle ihre eigenen Atomwaffen herstellen. Das ist keine leere Prahlerei“, sagte Putin. „Die Ukraine verfügt tatsächlich immer noch über sowjetische Nukleartechnologien und Trägersysteme für solche Waffen.“ Der Westen mit seiner „anti-russischen“ Ausrichtung unterstütze die Ukraine dabei. Die Nato treibe ihre Osterweiterung immer weiter voran, trotz zahlloser Versprechen, dies nicht zu tun. Auch der Eintritt der Ukraine sei bereits beschlossen. Trotz fehlender Beweise sprach der Präsident zudem von einem Massenverbrechen am russischstämmigen Volk in der Ostukraine. „Die sogenannte zivilisierte Welt zieht es vor, den von Kiew begangenen Genozid im Donbass zu ignorieren“, sagte er. Wikileaks publiziert einen Tag später US-Protokolle aus dem Jahr 2009, die beweisen, wie intensiv sich die Vereinigten Staaten bereits da mit dem Land beschäftigten.

Wladimir Wladimirowitsch Putin hat sich entschieden: Nachdem bei aller Reisediplomatie der Westen keinen Millimeter weit auf Russlands Sicherheitsbedürfnisse eingegangen ist, beendet er die Gespräche.

Ukrainischer Panzer und Soldat

Kriegerische Aktivitäten Ost/West seit 1945

Oft führen Verteidiger Russlands an, dass das Land im Gegensatz zu den USA nie Angriffskriege geführt habe. Wikipedia führt eine Liste der sowjetischen Militäroperationen. In Staaten, die nach der bei der Konferenz von Jalta beschlossenen Abgrenzung der Machtsphären unter sowjetischen Einfluss gekommen waren, wurden kommunistische Regierungen durchgesetzt. Dies war in den meisten Ländern nur mit Hilfe der Roten Armee möglich (siehe zum Beispiel „Geschichte Polens“). Die Konsolidierung des sowjetischen Einflusses in dieser Region war etwa 1948 abgeschlossen. Danach ging es um die Konsolidierung der russischen Einflusszone. Oft standen und stehen sich in den folgenden Jahrzehnten russische und amerikanische Truppen in Stellvertreterkriegen gegenüber. Hier ein Auszug der Jahre 1945–1948:

NATO-Flaggen

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA in zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt und führten mehrere Angriffskriege, wie eine Liste auf Wikipedia aufzeigt:

Da war die Verteidigung Südkoreas gegen den Norden, der Korea-Krieg von 1950 bis 1953. Es folgten Krisen am Suezkanal und in Ägypten, der Bürgerkrieg in Laos von 1964 bis 1970, der Vietnam-Krieg von 1964 bis 1975. 1965 intervenierten die USA im Bürgerkrieg in der Dominikanischen Republik, ebenfalls 1965 bombardierten sie kambodschanische Grenzdörfer zu Vietnam und zogen das Land in den Vietnamkrieg. 1967 spürten die USA Che Guevara in Bolivien auf und töteten ihn. 1970 griffen die USA Kambodscha an, um den Rückzug ihrer Truppen aus Vietnam zu sichern. Nach Interventionen in Jordanien und Angola unterstützen sie von 1977 bis 1992 die Regierung von El Salvador gegen marxistische Rebellen. Ab 1979 unterstützten die USA die Mujahedin in Afghanistan gegen die dortige kommunistische Regierung.

1980 scheiterte der Versuch, amerikanische Geiseln aus der Botschaft im Iran zu befreien. Ab 1982 wurden Contras, von Honduras aus operierende Gegner der Sandinisten in Nicaragua, von den USA unterstützt. 1983 bis 1986 gab es Interventionen im Libanon, auf Grenada und in Syrien. Am 3. Juli 1988 wurde der Flug Iran-Air-655, ein Passagierflugzeug vom Typ Airbus A300 der Iran Air, über der Straße von Hormus vom Lenkwaffenkreuzer USS Vincennes (CG-49) abgeschossen. 1990 wurde die Besatzung Kuwaits durch den Irak beendet. Schon ab 1990 bereiteten die USA ihren Einmarsch in den Irak vor, der am 20. März 2003 erfolgte. Dazwischen lagen Aktionen wie die Einrichtung einer Flugverbotszone für den Irak und der Angriff von amerikanischen Kriegsschiffen auf Baghdad. US-Soldaten beteiligten sich am 1992 und 1999 am Jugoslawienkrieg gegen die Serben, versuchten von 1990 bis 1992, den somalischen Bürgerkrieg zu beenden, intervenierten 1994 in Haiti und bombardierten 1998 im Sudan eine vermeintliche Giftgasfabrik, die jedoch tatsächlich Arzneimittel herstellte.

Im November 2001 marschierten die USA in Afghanistan ein, von wo sie sich erst 2021 unrühmlich zurückzogen. 2003 folgte die Invasion in den Irak, wo Saddam Hussein aus dem Amt entfernt wurde. 2004 gab es Interventionen in Somalia und Haiti. Im Frühjahr 2011 marschierten die USA in Lybien ein, um den Muammar al-Gaddafi zu entmachten. 2014 beteiligten sie sich in Uganda an der Suche nach dem Kriegsverbrecher Joseph Kony, 2014 waren sie in Liberia an der Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika aktiv. Ebenfalls seit 2014 bekämpften amerikanische Soldaten im Nahen Osten die islamische Miliz, seit 2015 sind sie im Jemen-Krieg aktiv. 2017 und 2018 wurden Luftangriffe auf Syrien geflogen, am 2. Januar 2020 wird der iranische General Quassem Soleimani mit einer Drohne getötet.

„Staatsfeinde“ beseitigen beide Mächte auf ihre Art: Russland bevorzugt die Vergiftung eigener Bürger, auch auf dem Boden fremder Staaten. Die USA drangen beispielsweise mit Spezialtruppen in Pakistan ein, ohne die dortige Regierung zu informieren, und töteten Osama bin Laden. Auch andere unliebsame Personen fielen Drohnenangriffen zum Opfer. Drohnenangriffe und drohnengestützte Kriege werden vielfach über Ramstein in Deutschland koordiniert, was zu Protesten der deutschen Bevölkerung führt. Die deutsche Regierung hat diese Aktivitäten noch nie kommentiert. Die amerikanischen Truppen sind weder nach dem Zweiten Weltkrieg, noch nach dem Zwei plus Vier-Vertrag aus Deutschland abgezogen. Noch immer sind hier Atomwaffen stationiert. Inzwischen wird von den USA, ebenso wie von den Europäern von Deutschland eine stärkere Aufrüstung und aktivere Rolle bei Kriegseinsätzen erwartet.

Der Mensch Wladimir Putin

Wladimir Wladimirowitsch Putin wurde am 7. Oktober 1952 in Leningrad (heute wieder St. Petersburg) als jüngster von drei Brüdern geboren. Seine beiden älteren Brüder waren da schon gestorben. Der schmächtige, schüchterne Junge wuchs in der Hinterhofatmosphäre eines einfachen Hauses auf und wollte schon als Kind Geheimagent werden. Um gegen die größeren Jungen zu bestehen, lernte Putin schon in seiner Jugend Judo. Er trägt den schwarzen Gürtel.

Nach dem Abitur studierte der junge Mann Jura und wurde noch während des Studiums vom KGB angeworben. Am Tag als die Mauer fiel und die Bürger der DDR die Stasi-Zentrale stürmten, hatte der 37jährige, knapp 1,70 Meter große Oberstleutnant Putin Nachtschicht als diensthabender Offizier im Gebäude des russischen Geheimdienstes in Dresden. Er schaffte es, die Menschen am Eindringen ins Haus zu hindern, indem er unmissverständlich mit Waffengewalt drohte. In dieser Nacht bat der Offizier in Moskau um Hilfe – aber es kam keine Antwort. Das schockierte ihn zutiefst.

Putin spricht fließend deutsch und mag die deutsche Kulturgeschichte. Aber als die Mauer fiel und nach massiven Versorgungsnotständen die Sowjetunion zerbrach, war das für ihn persönlich ein Supergau. Alles, woran er geglaubt hatte, das System, dessen Teil er war, gab es nicht mehr; das war, als ob der den Boden unter den Füßen verlor. Das Verhalten der Moskauer Regierung beim Mauerfall diagnostizierte er für sich selbst als Krankheit, als eine Lähmung der Macht. Wachsam, stark und immer misstrauisch zu sein wurde zu seinem Lebensmotto. Der Film Mensch Putin! des ZDF aus dem Jahr 2015 schildert das sehr eindringlich.

Der Umgang des KGB-Offiziers mit Frauen war hölzern und linkisch. Als er seiner Frau Ljudmila Schkrebnewa den Heiratsantrag machte, dachte diese zuerst, er wolle sich von ihr trennen. Später schlug und betrog er sie regelmäßig, trank außerdem viel, wie die Stasi-Akten Dresden festgehalten haben. Dennoch hielt die Ehe 30 Jahre lang und endete erst kurz vor der Annektierung der Krim. Die beiden haben zwei Töchter, Maria Vorontsova und Katerina Tikhonova. Zurück in Russland fand Waldimir Putin in einem reichen, gut vernetzten Oligarchen und Präsident Boris Jelzin einen Förderer. 1998 ernannte ihn dieser zum Chef des Föderalen Sicherheitsdienstes FSB (Inlandsgeheimdienst), und später, als es ihm schon sichtlich schlecht ging, als seinen Nachfolger. Nach etlichen Jahren als Ministerpräsident wurde Putin im Jahr 2000 erstmals Präsident Russlands. Inzwischen hat er das Gesetz ändern lassen und kann jetzt bis 2036 weiter regieren.

Seine Jugenderfahrungen und die beim Zusammenbruch der Sowjetunion haben Wladimir Putin gelehrt, an das Recht des Stärkeren zu glauben. Dazu gehört, dass er sich selbst gern als stark präsentiert, etwa mit nacktem Oberkörper auf dem Pferd, aber auch seine absolute Kontrollsucht. Logische Folge ist, dass er auf Staatswirtschaft setzt. Zur Demonstration der Stärke gehört auch, dass der Präsident Staatsgäste gern warten lässt. Mehrere Stunden sind keine Seltenheit. Der Präsident schläft schlecht und steht morgens spät auf. Nach dem Frühstück (er liebt Hüttenkäse) geht er schwimmen, danach ins Fitness-Studio (in dem amerikanische Geräte stehen). Je älter er wird, desto mehr Sport treibt er.

Mindestens fünf Attentatsversuche auf den Präsidenten wurden von westlichen Geheimdiensten registriert. Diese Bedrohungslage intensivierte Putins Kontrollwut weiter. Auf Reisen hat er stets einen eigenen Koch dabei, der dafür sorgen soll, dass er nicht vergiftet wird. Er stilisiert sich als wehrhaften einsamen Wolf, der er, so der Kommentator im ZDF-Film, auch ist. Macht und Stärke will er nicht nur für sich selbst, sondern auch für sein Land. Der Präsident rüstet die Armee von Grund auf neu aus mit modernsten Geräten. Er sucht Respekt und Augenhöhe im Umgang mit den Amerikanern. Er bewundert gleichermaßen Stalin und das Zarenreich. Seine Führungsriege ist rein männlich, besteht zur Hälfte aus Personen mit KGB-Hintergrund. Der innere Kreis besteht aus weniger als zehn Männern. Trotzdem weiß kaum jemand, was Wladimir Putin vor hat. Er ist geheimnistuerisch und ein Taktiker, variiert sein Handeln notfalls von Tag zu Tag.

Belege für das Privatvermögen des Präsidenten gibt es nicht. Er selbst stilisiert sich gern als einfachen Mann, während die Opposition ihn als Multimilliardär und Großaktionär mit mehreren großen Anwesen sieht. Proekta will errechnet haben, dass sich das Vermögen des Präsidenten auf 186 Milliarden Euro beläuft. So gehört ihm angeblich die rund 33 Millionen Euro teure Yacht „Olympia“, eine Flotte von Privat-Jets sowie unzählige Luxus-Autos. Auch in Immobilien habe er kräftig investiert. Seit 2008 ist Wladimir Putin mit der Ex-Athletin Alina Kabaeva liiert (geboren 12. Mai 1983). Diese soll 2015 ein erstes Kind zur Welt gebracht haben und ist seit 2018 aus der Öffentlichkeit verschwunden. Sie soll Zwillinge zur Welt gebracht haben und in der Schweiz leben. Der Präsident legt größten Wert darauf, sein Privatleben geheim zu halten. Angeblich zahlt er einen Unterhalt von neun Millionen Euro jährlich nicht nur an Kabaeva, sondern auch an eine ehemalige Putzfrau namens Svetlana Krivonogikh, deren 18jährige Tochter inzwischen ein eigenes Modelabel hat und als DJ arbeitet.

In seiner bemerkenswerten Karriere hat Wladimir Wladimirowitsch Putin alles erreicht, was er erreichen wollte. Außer einem Punkt: Dem Respekt und der Anerkennung als gleichwertigen Führer einer Supermarkt durch die USA. Das und die Tatsache, mit zweierlei Maß gemessen zu werden, sitzt wie ein giftiger Stachel in seinem Herzen. So kommentierte er zum Thema Krim, dass der Westen das Völkerrecht grundsätzlich auslege, wie es ihm passe. Wenn es in Ordnung war, völkerrechtswidrig in den Irak einzumarschieren, warum sollte es dann verurteilt werden, die Krim zu annektieren?

Der Präsident meint es todernst mit der Ansicht, dass die Ukraine ein Teil Russlands sei – ebenso mit dem zunehmenden Gefühl der Bedrohung durch die Nato-Osterweiterung. Außerdem hat der fast 70jährige – ähnlich wie ein pubertierender Jugendlicher – entschieden: Wenn der Westen ihn nicht liebt, dann soll er ihn eben hassen. Aber er wird lernen, Wladimir Putin zu respektieren.

Lehren aus der Entwicklung

Deutschland hat im kollektiven Unterbewusstsein seine Rolle als mit großer Schuld beladener Verlierer zweier Weltkriege tief verankert. Über Jahrzehnte haben die Nation und ihre Führung, egal welcher Couleur, alle militärische Verantwortung an die Schutzmacht USA und im Zweifel auch an wehrhafte Nachbarstaaten wie Frankreich abgegeben. Die Beschränkung auf passive Verantwortung bei Einsätzen führte immer wieder zu der bitteren Erkenntnis, alleine absolut nichts ausrichten zu können. Das wird zunehmend peinlich, wie die Beispiele des Abzugs aus Afghanistan oder aktuell aus Mali deutlich machen. Seit Jahren fordern die Verbündeten Deutschland auf, mehr Geld in eine bessere Ausstattung der Bundeswehr zu stecken, was eher halbherzig getan wird. So musste die neue Verteidigungsministerin Lambrecht erst vor wenigen Tagen zugeben, dass die Bundesrepublik nicht über genügend Vorräte verfügt, um der Hilfe suchenden Ukraine die gewünschten Mengen an Ausrüstung zu schicken. Die Ausrüstung reiche gerade eben, um die Auslandseinsätze mitmachen zu können.

Es ist Zeit für eine Veränderung. Deutschland muss aufrüsten. Wir brauchen eine europäische Streitmacht. Nur wenn Europa in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, kann verhindert werden, dass wie zur Zeit die USA und Russland über eine „Sicherheitsstruktur Europas“ streiten, ohne die Europäer auch nur zu fragen, oder dass die USA ein Wirtschaftsabkommen Deutschlands mit einem anderen Staat einfach als beendet erklären. Anmaßungen wie diese können sich die Amerikaner leisten; wissen sie doch, dass Europa und Deutschland ihre Hilfe brauchen, um ihre Freiheit zu gewährleisten.

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ (Schiller), ist ein Sprichwort, dessen Wahrheit gerade peinlich aktuell ist. Deutschland muss raus aus seiner pazifistischen Grundhaltung und hinein in ein gesundes Misstrauen. Es muss eine wehrhafte Verteidigungs-Mentalität entwickeln. Wer ernst genommen werden will, muss sich erwachsen verhalten.

Die USA haben etwa 330 Millionen Einwohner, Russland rund 145 Millionen. Auch ohne Großbritannien zählt Europa noch 446 Millionen Einwohner. Europa hat eine starke Wirtschaft und Innovationskraft. Das Ziel muss jetzt sein, nicht ständig neue Mitglieder aufzunehmen und zu finanzieren, sondern die jetzigen so zu einen, dass eine gemeinsame (Verteidigungs-)politik ohne ständige Störfeuer möglich wird. Dazu gehört, dass es keine Mitglieder geben darf, die zwar von finanzieller Förderung profitieren wollen, aber die Grundwerte Europas nicht oder nur teilweise teilen. Wir brauchen eine andere Mentalität: Man kann Dissonanzen endlos diskutieren, bis die ungeliebten Fakten nicht mehr umkehrbar sind. Man kann aber auch Regeln aufstellen, die gemeinsames Handeln sichern. Das ist kein fehlendes demokratisches Bewusstsein, sondern eine Notwendigkeit, wenn sich Europa nicht selbst lähmen will.

Es ist an der Zeit.

JETZT.

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Updates:

Am Ende von Tag eins der Invasion zeigt sich die Lage noch unübersichtlich. Es gibt offenbar nur wenige Angriffe auf private Gebäude, statt dessen geht es den Russen darum, die zivile und militärische Infrastruktur des Landes zu zerstören. Es gab heftige Kämpfe um die Ruine des Atomkraftwerks Tschernobyl, die von den Angreifern erobert wurde. 137 Ukrainer sind tot.

In Russland selbst gab es trotz Verbots und der Androhung von Gefängnis in vielen Städten Demonstrationen gegen den Krieg. Bisher wurden rund 1700 Demonstranten inhaftiert. Wladimir Putin hat erklärt, dass er die Ukraine demilitarisieren und die „Marionettenregierung des Westens“ vor Gericht stellen werde. Das weckte Besorgnis um das Leben von Präsident Selensky. Die ukrainische Armee kämpft mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln weiter gegen die Aggressoren, steht jedoch auch weiterhin allein da. Der Westen versichert wortreich seine Solidarität, rührt aber keinen Finger.

Die USA schicken weitere 7 000 Soldaten nach Deutschland. Die Nato verstärkt ihre Ostflanke mit Soldaten und Material. Allerdings hat sie nicht rechtzeitig daran gedacht, auch die Küsten des Schwarzen Meeres zu sichern, das von der russischen Flotte beherrscht wird. Die EU und die USA haben in einer konzertierten Aktion eine neue Welle von Sanktionen verkündet, die darauf abzielen, russischen Banken Handel und Refinanzierung im Ausland zu verwehren, den Export technischer Bauteile nach Russland zu verbieten, die Visa-Bedingungen einzuschränken und die Vermögen weiterer ausgesuchter Einzelpersonen einzufrieren. Bisher wurde auf Wunsch Deutschlands Russlands nicht vom SWIFT-Bankenverkehr ausgeschlossen. Gazprom liefert weiterhin 40 Prozent des in Europa benötigten Gases.

Das Bitcoin Wallet eines ukrainischen Wohlfahrtverbandes erhielt eine Spende im Wert von 700 000 Dollar. Russland darf weiterhin am Grand Prix d’Eurovision in Italien teilnehmen. Als ein russischer Öltanker seine Ladung nicht verkaufen konnte, weil die Trader Sanktionen fürchteten, wurde das Öl zum Discountpreis auf den Markt geworfen. Zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine sind inzwischen in den westlichen Nachbarländern angekommen. Aus Polen, das sich bisher geweigert hat, zusammen mit der EU Flüchtlinge aufzunehmen, verlautete jetzt, dass man selbstverständlich alle benötigte Hilfe leisten werde. Ein amerikanischer Historiker deutet den Angriff Putins als „Verzweiflungsakt“, damit der Westen endlich Russlands Sicherheitsängste angesichts der steten Nato-Osterweiterung ernst nimmt.

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Am Ende von Tag zwei sitzt Präsident Volodymyr Selensky in einem Bunker irgendwo in Kiew und erwartet den Untergang seines Landes. Inzwischen ist ihm klar, dass er selbst eins der wichtigsten Ziele ist, die mit diesem Krieg zumindest aus dem Amt, vielleicht auch aus dem Leben eliminiert werden sollen. In der Nacht kommt er mit weiteren Regierungsmitgliedern heraus, um ein Video für die sozialen Medien aufzunehmen. Man stehe zum ukrainischen Volk und werde es nicht verlassen, ist die Botschaft. Selensky erwartet, dass Russland heute nacht Kiew stürmt. Noch immer gibt es weder einen rechten Überblick über die Kämpfe und kaum Bilder. Die Einwohner der 2,3 Millionen-Stadt, die nicht geflüchtet sind, suchen mangels Bunkern in der U-Bahn Schutz.

Der IWF will der Ukraine keine Kredite mehr geben, weil Moskau in Kiew steht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tritt auf Antrag der Amerikaner zusammen. Es soll eine Resolution gefasst werden, die den russischen Angriff auf die Ukraine verdammt. Russland als ständiges Mitglied legt sein Veto ein. China, Indien und die Emirate enthalten sich. Das bedeutet: Russland steht alleine da. Die EU und die USA konferieren erneut und verabschieden ein zweites Maßnahmenpaket an Sanktionen, nicht jedoch den Ausschluss aus Swift. Dieser wird heftig diskutiert. Aber da er bedeutet, dass dann wohl auch Gas und Öl aus Russland nicht mehr kommen, zögern alle.

Immerhin ist man stolz, jetzt auch Wladimir Putin und seinen Außenminister Sergei Lavrov persönlich zu sanktionieren. Putin hat wegen der Sanktionen „asymmetrische Gegenmaßnahmen“ angekündigt. Außenministerin Annalena Baerbock glaubt, dass die Sanktionen Russland ruinieren werden. Ein Banker aus Österreich, der dem ZDF ein Interview gibt, lächelt und sagt: „Die Maßnahmen bewirken gar nichts“. Das Magazin Forbes fragt: „Und was passiert, wenn China jetzt Taiwan annektiert?“

Die USA wollen jetzt Hilfe im Wert von 6,8 Milliarden Dollar schicken. Über 50 000 Flüchtlinge haben die westlichen Nachbarn erreicht. Eine der zahlreichen polnischen Helferinnen sagt: „Natürlich helfen wir. Wer weiß, wann wir an der Reihe sind…“. Präsident Selensky hat Putin um neue Gespräche gebeten. Nachdem dieser erst abgesagt hat, sagt er jetzt zu. Nun wird um Termin und Ort verhandelt. Belarus hat sich angeboten. Der Westen ist alarmiert über die Rolle Belarus‘ in diesem Krieg.

Die Nato hat ihre schnelle Eingreiftruppe aktiviert, um Russland abzuschrecken. Dazu gehören bis zu 40 000 Soldaten, davon 13 500 aus Deutschland. Vorerst soll aber nur die „besonders schnelle Eingreiftruppe“ in die östlichen Nato-Länder geschickt werden. Die sogenannte Nato-Speerspitze wird zurzeit von Frankreich befehligt. Ihr gehören 750 deutsche Soldaten an. In Deutschland wird diskutiert, ob die Bundeswehr im Angriffsfall das Land verteidigen könnte. Die Antwort ist ein klares Nein. Es hapert an allem, sogar an warmer Unterwäsche und Winterjacken. Geplant ist, deutsche „Patriot“-Flugabwehrsysteme in die Slowakei zu bringen. Am Samstag sollen das Aufklärungsschiff „Alster“ der Marine auslaufen, außerdem eine Corvette und eine Fregatte. Deutsche Flugzeuge helfen bereits beim Betanken der Kampfjets in der Luft. Auch die deutsche Präsenz in Litauen wird erneut verstärkt.

Russland droht Finnland und Schweden mit ernsten politischen und militärischen Konsequenzen, sollten sie der Nato beitreten. Alle wichtigen Großveranstaltungen wurden dem Land inzwischen entzogen. Es darf nun auch nicht mehr beim Grand Prix d’Eurovision teilnehmen. Ukrainische Männer bis 60 Jahre dürfen nicht mehr ausreisen, sie sollen ihr Land verteidigen. Auslands-Ukrainer kehren heim, um zu kämpfen. Angeblich fällt es den russischen Soldaten schwer, gegen ihre „Brüder“ zu kämpfen. Ein kompletter Zug soll sich geweigert haben. Das ukrainische Militär will über 1000 russische Soldaten getötet haben. Wladimir Putin hat sich wiederholt an das ukrainische Militär gewendet und an die Soldaten appelliert, aufzugeben. Der chinesische Außenminister sagt, man respektiere sowohl die Souveränität der Ukraine, als auch Russlands Sicherheitsbedenken.

Tag drei ist von Erstaunen geprägt. Darüber, wie intensiv und hoch motiviert die Ukraine Widerstand leistet. Darüber, wie der Präsident, eigentlich Komiker von Beruf, sich zum echten Landesvater entwickelt hat, der sich mit Selfies der russischen Propaganda entgegenstellt und seinen Landsleuten immer wieder Mut macht. In Deutschland war es ein Tag des Erwachens. Es war eine Fehleinschätzung, zu glauben, dass man Russland mit Diplomatie Einhalt gebieten kann, gibt Kanzler Scholz zu. Die Regierung handelt folgerichtig: 1000 Panzerfäuste und 500 Stinger-Raketen werden zusammen mit 10 000 Tonnen Treibstoff zur Ukraine geschickt. Den Niederlanden und Estland wird außerdem erlaubt, deutsche Waffen weiter zu reichen. Botschafter Andrij Melnyk, der in den letzten Tagen unermüdlich um Waffen gebeten hatte, nennt das einen „historischen Schritt“.

Russlands Platz im Europarat wurde vorläufig suspendiert; die Regierung schäumt. Laut Ministerpräsident Dmitry Medvedev denke man darüber nach, die diplomatischen Beziehungen zur EU und zu den USA abzubrechen und die Todesstrafe wieder einzuführen. Die Ukraine behauptet, ihre Streitkräfte hätten bislang 3500 russische Soldaten getötet und 200 gefangen genommen. Zudem seien 14 Flugzeuge, acht Hubschrauber, 102 Panzer und mehr als 530 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden. Zahlen, die sich nicht überprüfen lassen. Laut Ministerpräsident Dmitry Medvedev denkt Russland darüber nach, die diplomatischen Beziehungen zur EU und zu den USA abzubrechen und die Todesstrafe wieder einzuführen.

Russische Soldaten haben offenbar Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen der Lage vor Ort und der Propaganda ihrer Regierung einzuordnen und sind überrascht von dem heftigen Widerstand. Putin behauptet, die gesamte Ukraine und am besten ganz Europa müsse „entnazifiziert“ werden. Vor dem Hintergrund, dass der ukrainische Präsident ein Jude ist, wirkt das nicht nur zynisch, sondern auch widersinnig. Anonymous-Hacker haben russische Regierungsseiten lahmgelegt. Weltweit protestieren Zehntausende gegen den Angriffskrieg. Zumindest teilweise wurde heute nach der Meinungsänderung Deutschlands von der EU auch beschlossen, Russland vom Zahlungssystem Swift abzukoppeln. Vorerst betrifft das aber nur die Banken, die bereits sanktioniert wurden. Das heißt, über andere russische Banken kann normal Zahlungsverkehr stattfinden. Als es Nacht wird, werden aus Kiew schwere Detonationen vermeldet. Eine Gas-Pipeline nahe Kiew soll getroffen sein.

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Tag vier: 352 Zivilisten in der Ukraine sind tot, darunter mindestens 16 Kinder. Wenn die Angaben der Ukraine zutreffen, sind das weniger als zehn Prozent der 4 300 russischenToten. Russland gab das heute erstmals Verluste öffentlich zu. 400 000 Ukrainer haben inzwischen die Grenzen zu Nachbarländern überschritten und werden überall engagiert betreut. Seit 24 Stunden brennt ein Öllager nahe Kiew. Seit zwei Tagen braut die Pravda-Brauerei in Lviv kein Bier mehr, sondern stellt Molotov-Coctails her. Damit sind auch zahlreiche Privatleute beschäftigt. Die Russen zerschießen gezielt die Infrastruktur des Landes. Nun stellt Elon Musk sein Starlink-System zur Verfügung, um das Internet zu sichern.

Wladimir Putin hat Stufe zwei eines Angriffskrieges ausgerufen und die „Abschreckungswaffen“ des Landes in Alarmbereitschaft versetzt. Dazu zählen ballistische Raketen mit konventionellen Sprengköpfen, moderne Marschflugkörper und Kurzstreckenraketen, Hyperschallraketen und Atomwaffen. Belarus hat ein Referendum abgehalten und erlaubt Russland nun, Atomwaffen auf seinem Staatsgebiet aufzustellen. 65,06 Prozent der Teilnehmenden waren dafür. Im Referendum wurde auch gleich über lebenslange Straffreiheit für Lukaschenko abgestimmt. Über 2000 Menschen in Russland wurden inzwischen wegen verbotener Demonstrationen inhaftiert. Meist stehen sie einfach auf Plätzen herum, auf denen niemand herumstehen soll. Über 100 000 Menschen haben heute in Berlin für den Frieden demonstriert. Europa hat seinen Luftraum für russische Airlines und Privatflugzeuge gesperrt.

Friedensdemonstration in Berlin

In Deutschland gab es eine geschichtsträchtige Zeitenwende, die in den internationalen Medien erheblichen Niederschlag gefunden hat: Bundeskanzler Olaf Schulz und seine Regierung haben öffentlich eingestanden, dass ihre Appeasement-Politik naiv war und machen eine Kehrtwendung um 180 Grad. Die Bundeswehr soll ab sofort gezielt ausgerüstet werden, wofür noch dieses Jahr ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro gebildet wird. Künftig werde man die zwei Prozent-Regelung der Nato für den Wehretat nicht nur erfüllen, sondern noch mehr als das investieren, damit Deutschland verteidigt werden kann. Der ukrainische Botschafter, der sich so unglaublich für sein Land einsetzt, wird in der Sondersitzung des Bundestages mit langem, stehendem Applaus geehrt.

Aber noch immer lässt der Druck auf Deutschland nicht nach: Man müsse vollständig aus Swift aussteigen, auch wenn das sehr weh tue, fordern Stimmen im In- und Ausland. Deutschland bezieht nicht nur Öl und 50 Prozent seines Gasverbrauches aus Russland, sondern auch 50 Prozent der Kohle, die in den Kohlekraftwerken verbraucht werden. Bei einem vollständigen Ausstieg aus dem Zahlungssystem der Banken wird es unmöglich, die Energie zu bezahlen – man wird also auf sie verzichten müssen. Deshalb sollen nun so schnell wie möglich zwei neue Flüssiggas-Terminals gebaut werden. Die CDU/CSU unterstützt die Haltung der Bundesregierung, nur die Linken und die AfD sind dagegen. Die Reihen sind geschlossen wie selten.

Putin hat der Ukraine Friedensgespräche angeboten – in Belarus. Genau dorthin, so die umgehende Antwort von Landesvater Selensky, werde man auf keinen Fall kommen. Man einigt sich auf einen Ort unmittelbar an der Grenze. Aber die russische Delegation ist nur mittelklassig mit Putin-Gefolgsleuten besetzt, und Selensky erwartet keine Fortschritte. Die EU-Außenminister schicken 450 Millionen zum Kauf von Waffen. die anonymen Krypro-Spenden summieren sich inzwischen auf 12 Millionen Euro. Das Auslandsvermögen der russischen Zentralbank ist eingefroren. Im Gegenzug hat diese ausländischen Tradern verboten, russische Sicherheiten zu verkaufen. Die EU will die russischen Staatsmedien Sputnik und RT verbieten. Der Euro und der Rubel fallen an den Börsen. Die USA und Frankreich haben ihre Bürger aufgerufen, Russland zu verlassen.

Weltweite Verteilung der Atomwaffen

Tag 5: Rasante Auswirkungen der Sanktionen: Die russische Zentralbank kann an westlichen Finanzmärkten nicht mehr handeln. Der Rubel stürzt zeitweise um bis zu 40 Prozent ab. Die Zentralbank verdoppelt den Leitzins auf 20 Prozent, um den Geldabfluss zu stoppen. Etwa 15 Prozent der Einlagen in Russland wurden in Devisen getätigt. Die Ausfuhr von Devisen wird verboten. Das Bargeld an den Automaten wird knapp. Die russische Börse ist geschlossen. Kryptowährungen scheinen der letzte Ausweg zu sein. Ausländische Unternehmen ziehen sich in Rekordgeschwindigkeit aus Russland zurück. Sie verkaufen Anteile, kündigen Kooperationsverträge auf und machen sich Sorgen darüber, was aus ihren Mitarbeitern vor Ort wird. Der russischen Bevölkerung wird langsam bewusst, dass Zeiten des Mangels anbrechen. Die großen Gewinner der Kriege sind die Rüstungsunternehmen.

Nachdem EU-Kommissionspräsidentin gestern den EU-Beitritt der Ukraine befürwortete, folgte heute der schriftliche Beitrittsantrag von Präsident Selensky. Während der Rede des Präsidenten bricht eine Dolmetscherin im Fernsehsender Welt in Tränen aus und kann nicht weiter arbeiten. Russland hatte erwartet, die Ukraine viel schneller zu besiegen. Am Samstag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur versehentlich einen Jubelbericht darüber, dass Russland seine Einheit wiederhergestellt habe, bevor dieser schnell wieder gelöscht wurde. Reuters schreibt, dass diese Krise Deutschland dazu gebracht habe, seine Rolle als globale Macht nun anzunehmen. Die Schweiz hat sich entschlossen, ihren neutralen Status aufzugeben und schließt sich den Sanktionen an. Die Türkei schließt den Bosporus und die Dardanellen. Kriegsschiffe dürfen nicht mehr passieren. Die USA entscheiden, russisches Öl nicht zu sanktionieren, da dies nur die amerikanischen Kunden treffe, nicht aber Putin. Russland vereinbart einen Riesendeal mit China über die Lieferung von Öl und Gas in den nächsten 25 Jahren im Wert von 100 Milliarden Euro.

Russland wird von allen sportlichen Großveranstaltungen ausgeschlossen, Sport-Sponsorenverträge mit russischen Unternehmen werden gekündigt. Sogar IOC-Chef Thomas Bach, der vor kurzem noch der chinesischen Regierung huldigte, kann sich nicht ausschließen. Nachdem der Kölner Rosenmontagszug eigentlich schon abgesagt war, entschlossen sich die Karnevalisten kurzfristig, einen Friedensumzug zu organisieren. 250 000 Menschen kamen, teilweise kostümiert, aber nicht in Alaaf-Laune. Vor wenigen Tagen konnte der Weltsicherheitsrat Russland nicht verurteilen, weil dieses sein Veto dagegen einlegte. Heute begann nun eine Vollversammlung der 193 Nationen, die zur UNO gehören. Wegen sehr vieler Redebeiträge wird sie mehrere Tage dauern. Mit Spannung wird die Abstimmung erwartet, auch wenn sie keine rechtlichen Auswirkungen hat.

Der Vertreter der Ukraine, Oksana Markarova hat in einer Wutrede Wladimir Putin empfohlen, sich wie Hitler selbst zu beseitigen. Russland habe eine Vakuum-Bombe benutzt, sagte er. Diese Bomben saugen Umgebungs-Sauerstoff an, um dann eine extrem heiße Explosion folgen zu lassen. Sie sind als „Vater aller Bomben“ von der Genfer Konvention verboten. Anonymous-Hacker greifen russische Regierungsseiten an. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag nimmt eine Klage gegen Putin wegen Verletzung der Menschenrechte und Kriegsverbrechen an. Es werden inzwischen mindestens 406 zivile Tote verzeichnet.

Russland attackiert die Ukraine immer aggressiver und nimmt kaum noch Rücksicht auf Zivilisten. Am stärksten umkämpft ist zurzeit Kharkiv an der Ostgrenze. Das erste Treffen zu Friedensgesprächen endete ohne Ergebnis. Putin erklärte, er erwarte, dass die Ukraine die Krim als russisch anerkenne und selbst entmilitarisiert werde. Das Verhalten des russischen Präsidenten erscheint zunehmend unberechenbar. Die Amerikaner vermeiden es deshalb, ihre eigenen Abschreckungswaffen ebenfalls in Alarm zu versetzen. Die Geheimdienste haben bisher keine Veränderungen an den Stellungen der russischen Atomwaffen bemerkt. Die Angriffe konzentrieren sich auf die Großstädte der Ukraine. Dort gibt es jetzt teilweise Probleme mit der Wasserversorgung und Nahrungsversorgung. In Deutschland werden Hilfssendungen gepackt. Viele Millionen Spenden für die ukrainische Bevölkerung sind bereits zusammen gekommen. Die Ukraine bietet russischen Soldaten 40 000 Euro pro Mann dafür an, dass sie nicht kämpfen.

Tag 6: Heftige Debatten in der UN-Vollversammlung über das Verhalten Russlands. Aber es scheint recht viele Nationen zu geben, die das Land nicht verurteilen wollen. Die ersten 1300 Flüchtlinge sind in Deutschland angekommen, mehr werden folgen. Es wird befürchtet, dass bis zu vier der 40 Millionen Ukrainer flüchten werden. Russland kommt mit seinem Krieg nicht wie gewünscht voran, entsprechend brutaler wird es. Nicht nur der Fernsehturm und die Holocaust-Gedenkstätte in Kiew werden zerstört, es geht auch immer öfter gegen Wohnblocks, in der Nacht sogar gegen ein Krankenhaus in Kharkiw. Die Landfläche gegenüber der Krim scheint gefallen und die Krim von Russland aus auf dem Landweg erreichbar. Liest man die Tweets der russischen Nachrichtenagentur Tass, fühlt man sich wie in einem völlig anderen Film, so unterschiedlich sind die „Informationen“. Da steht etwa: „Russland kann nicht anders als zu handeln, bevor die Ukraine eine Nuklearmacht wird,“ oder „Die Befreiung des Donbass macht Fortschritte.“ Da steht auch: „Die Ukrainische Armee verlässt ihre Posten und legt die Waffen nieder.“ Auf twitter tauchen bots auf, die die Ukraine diffamieren. Präsident Selensky beweist sich als extrem kluger Kommunikator: Über alle Social Media-Kanäle sendet er Selfies von sich und seinem Kabinett und widerlegt falsche Behauptungen.

Immer mehr Firmen kappen ihre Kontakte zu Russland. Es kommt auch zu Ausgrenzungen einzelner Personen in Deutschland: So darf die Opernsängerin Anna Netrebko in Bayern nicht wie geplant auftreten, und der weltweit als einer der besten Dirigenten bekannte Valery Gergiev wird an der bayrischen Staatsoper entlassen, jeweils wegen mangelnder Distanz zum russischen Verhalten. Supermarktketten boykottieren Vodka, was den vielen Russlanddeutschen nicht gefallen wird. Alle Mitarbeiter des Altkanzlers Gerhard Schröder haben gekündigt, weil er sich nicht von seinen russischen Ämtern und der Freundschaft zu Putin distanziert. Darunter ist auch sein langjähriger Redenschreiber.

400 Söldner der Gruppe Wagner suchen Präsident Selensky in Kiew, um ihn zu töten. Historiker und Militärs sagen, die massiven Waffenlieferungen der EU und anderer Nato-Staaten an die Ukraine könnten wirken wie ein erster Schritt eines Nato-Einsatzes gegen Russland, und die Grenze sei schmal. Ein 60 Kilometer langer Militärkonvoi der Russen steht kurz vor Kiew. Die Ernährungslage der Russen scheint schlecht zu sein; es kursiert ein Video, das eine Gruppe beim Plündern eines Lebensmittelmarktes zeigt. Elon Musk liefert die erste Hardware für sein Starlink-Internet. Nicht bekannt ist, ob er auch die Preise erlässt, denn billig ist Starlink nicht: Die einfache Antenne kostet schon 500 Dollar, dazu kommen monatlich weitere 100. Es macht so schrecklich müde: Die ständigen gegenseitigen Anschuldigungen, diese Gier nach Macht, diese steten Versuche, in Gut und Böse aufzuteilen, wohl wissend, dass es weder das reine Gute, noch das reine Böse gibt – zumindest in der Politik.

Tag 7: Sie macht so müde, diese Schwarzweiß-Malerei: Eine Seite nur gut, die andere nur böse – ein kleines Kind weiß schon, dass das nicht funktionieren kann. Umso bemerkenswerter die Abstimmung in der UN-Vollversammlung heute: Von 193 Nationen verurteilten 141 Russland für diesen Krieg. Nur insgesamt 5 taten es nicht: Russland selbst, Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea. Aber: 35 Nationen enthielten sich der Stimme, darunter China und Indien. Zusammen stehen allein diese beiden für mehr als ein Drittel der rund 7,9 Milliarden Erdbewohner. Gezeigt haben sich also ganz klar vier Blöcke: Die USA und die EU mit zusammen rund 800 Millionen Menschen, China mit rund 1,4 Milliarden, Indien mit 1,38 Milliarden und Russland (146), Belarus (9,4), Nordkorea (26), und Eritrea (3,6) mit zusammen 185 Millionen Einwohnern, alle fünf mit einer schwachen Wirtschaft. Nur eine Einigkeit, wie sie zurzeit besteht, wird der Westen seine Macht und seine Währungen sichern können. In den USA beginnt man zu erkennen, dass Russland und China zusammen „das Potential haben, die globale Politik neu auszurichten“ (Bloomberg).

Der Krieg, soviel steht inzwischen fest, wird wohl noch eine ganze Weile dauern. Seine schlimmste Fratze hat er bisher noch nicht gezeigt – aber man sieht, wo es hin führt: So wurde beispielsweise heute ein Heim für blinde Kinder getroffen. 900 000 Menschen sind inzwischen auf der Flucht. Die Kampfmoral in der Ukraine ist unverändert hoch: Immer wieder stellen sich große Gruppen unbewaffneter Einheimischer den russischen Panzern entgegen. Russland hat 498 tote Soldaten zugegeben, die Ukraine spricht von mehr als 7000. Der inhaftierte russiche Regimekritiker Alexey Nawalny hat dazu aufgerufen, ab sofort jeden Abend auf öffentlichen Plätzen zu demonstrieren. Die Oligarchen, denen es ans Geld geht, haben Putin offen kritisiert, der Bund der Soldatenmütter fordert Aufklärung über den Verbleib der Söhne und einzelne Stimmen der Kritik sind deutlich lauter, als sonst üblich. Das alles dürfte Putin noch aggressiver machen. Zwei der letzten ausgewogen berichtenden Medien wurden jetzt geschlossen.

Roman Abramowich, in England wohnhafter russischer Oligarch, will seinen Fußballclub Chelsea verkaufen und den erwarteten Erlös von vier Milliarden Euro für die ukrainischen Opfer des Krieges spenden. Die EU sucht nach Wegen zu verhindern, dass Geldströme von den Banken in Kryptobörsen abwandern. Die westlichen Staaten überlegen derzeit angestrengt, wo überall Besitz der sanktionierten Personen versteckt sein könnte und wie man dran kommt. Auch Monaco hat sich den Sanktionen angeschlossen und friert jetzt Geld reicher Russen ein. Aber die Karibik ist ja noch frei…

Béla Anda, langjähriger Sprecher von Altkanzler Schröder, hat den gemeinsamen wöchentlichen Podcast der beiden gecancelt. Der Ausschluss Schröders aus der SPD steht im Raum. Dieser hat sich weg geduckt und bleibt seinem alten Freund Putin genauso treu, wie den gut dotierten Posten in dessen Reich. US-Präsident Biden hat ein ausgeprägtes Inlands-Problem: Donald Trump und große Teile der Republikaner loben Putin für seine „kluge Strategie“ und versuchen so im Vorfeld der Midterms, das Land weiter zu spalten. Die USA haben jetzt ebenfalls ihren Luftraum für russische Maschinen gesperrt. Bisher hat Russland noch keine Gegenmaßnahmen gegen die Sanktionen verkündet. Der Ölpreis stieg auf 112 Dollar pro Barrel, und die OPEC hat beschlossen, die Fördermengen nicht zu erhöhen. Der Spritpreis ist auf 1,70 € für den günstigsten Diesel gestiegen. Die Ukraine hat inzwischen rund 52 Millionen Dollar in Kryptowährungen als Spenden erhalten. Alex Konanykhin, ein russischer Großunternehmer, der in den USA lebt, hat eine Million Kopfgeld für die Gefangennahme Putins ausgesetzt – tot oder lebendig.

Siehe auch:

USA/NATO war spätestens 2008 klar, dass es Putin ernst war – Wikileaks

Angriff auf die Ukraine ein lange geplanter Finanzkrieg

Russland verdient Augenhöhe

3000 Jahre Geschichte Europas im Zeitraffer

und Pandora II

Wo genau wie viel deutsche Gold liegt und warum es da bleiben soll

Erstmals in ihrer Geschichte veröffentlichte die Bundesbank detaillierte Zahlen, wo ihre Goldbestände lagern: 1536 Tonnen (45 Prozent) liegen in Tresoren der US-Notenbank Fed in New York, 450 Tonnen (13 Prozent) bei der Bank of England in London, 374 Tonnen (11 Prozent) bei der Banque de France in Paris. Knapp ein Drittel (31 Prozent) des Edelmetalls verwahrt die Bundesbank in eigenen Tresoren im Inland: 1036 Tonnen.

Wörtlich heißt es in einer Pressemitteilung der Bundesbank unter anderem: „Zu den Währungsreserven zählen 3.396 Tonnen Gold zum Bilanzstichtag 31.12.2011. Das Eigentum an den Barren bleibt durch die Verwahrung bei den Partnernotenbanken unberührt und begründet ein insolvenzsicheres Recht. Darüber hinaus genießt die Bundesbank als Notenbank einen besonderen Immunitätsschutz und damit auch Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen. Eine Vermischung mit den Beständen Dritter ist ausgeschlossen.

Dass es sich bei den Verwahrstellen der Bundesbank um Adressen von allerhöchster Reputation und Bonität handelt, steht außer Zweifel. Zu Prüfungshandlungen, die über die Buchinventur hinausgehen, ist mit den Partner-Notenbanken der Bundesbank Stillschweigen vereinbart worden.

Ungeachtet der bestehenden Rechtsauffassung wird die Bundesbank Anregungen des Bundesrechnungshofs, soweit es möglich ist, aufgreifen. Maßgeblich für Entscheidungen über die Lagerung der Goldbestände bleibt jedoch deren Charakter als Währungsreserve. Wie bereits in der Vergangenheit wird die Bundesbank auch künftig Teile der Goldbestände aufarbeiten und überprüfen lassen. Damit können  auch partielle Verlagerungen verbunden sein. Damit die Goldbestände ihre Funktion als Währungsreserven erfüllen können, müssten sie im Bedarfsfall ohne logistische Einschränkungen in gängige Reservewährung eingetauscht werden können. Dies ist der Grund für die Lagerung von Teilen der Goldreserven bei Partner-Notenbanken im Ausland.“

„Wir haben Anfang des vergangenen Jahrzehnts 930 Tonnen Gold von London nach Frankfurt gebracht und dabei akribisch kontrolliert“, schilderte Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele jetzt in Frankfurt. Es habe kein Gramm gefehlt. „Wir haben nicht die geringsten Zweifel, dass auch unsere in New York und Paris verwahrten Bestände aus reinstem Feingold bestehen. „Uns liegen lückenlos dokumentierte Barrenlisten vor und die Partnernotenbanken bestätigen uns jedes Jahr nicht nur die Existenz der Barren, sondern auch deren Qualität.“

Zwar erhebe die Bank of England jährliche Lagergebühren in Höhe von rund 500. 000 Euro. Aber auch die Aufbewahrung im Inland sei mit Kosten verbunden. „Viel wichtiger sind die Verwendbarkeit des Goldes als Währungsreserve und die Sicherheit der Lagerung“, sagte Thiele. „Gold, das bei Ihnen zu Hause im Tresor liegt, können Sie nicht so einfach als Sicherheit verwenden, um an Devisen zu kommen.“  Quelle: Die Welt

Die Banken in den USA und Frankreich böten eine kostenlose Aufbewahrung der Goldreserven an, sagte der Bundesbank-Vorstand weiter. Es gebe außerdem keinen Zweifel, dass die dort verwahrten Bestände aus reinstem Feingold bestehen. „Ein Teil der Diskussion in Deutschland ist schon einigermaßen grotesk“, kritisierte Thiele, der bis zu seinem Wechsel in die Bundesbank für die FDP im Bundestag saß.

In den kommenden drei Jahren werde die Bundesbank jährlich 50 Tonnen Gold aus New York nach Deutschland bringen. Das gebe ihr die Gelegenheit, diese Barren zu überprüfen, einzuschmelzen und in die Form des heutzutage im Großhandel üblichen Good-Delivery-Standards zu bringen. Quelle: Spiegel Online

Warum ist so viel Gold im Ausland?

Das hat historische Gründe. Zunächst sind die Goldreserven im Ausland „entstanden“, was mit dem Währungssystem der Nachkriegszeit, dem Bretton-Wood-System, zu tun hatte. Der Dollar war damals die Leitwährung, die in einem festen Kurs zu allen anderen Währungen stand. Um den Geldwert stabil zu halten, versprachen die Amerikaner jeder anderen Notenbank, ihre Dollars in Gold umzutauschen.

In den Jahren des Wirtschaftswunders exportierte die deutsche Wirtschaft viel in die USA. Dafür bekamen sie Dollar, bei der Bundesbank entstanden so Forderungen an die Fed – in Gold. Anders als die französische Zentralbank ließ die Bundesbank die Reserven aber nicht nach Deutschland bringen.

Das hatte auch mit dem Kalten Krieg zu tun. Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems war es ein wichtiges Argument, die Goldreserven vor dem Zugriff der Warschauer-Pakt-Staaten zu schützen. Die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt, nur Hundert Kilometer von der Grenze zu Ostdeutschland entfernt, erschien damals nicht als der geeignetste Ort zum Aufbewahren riesiger Staatsvermögen.

Gerade im Bereich der Notenbanken spielt Vertrauen eine große Rolle. Offensichtlich fürchten die Banker, mit Kontrollen ihre langjährigen Partner zu düpieren. Die anderen Notenbanken seien von „einwandfreier und unzweifelhafter Integrität“, schreibt die Bundesbank. Jegliche Zweifel würden „jeder Grundlage entbehren“.

Fakt ist, dass Frankreich im Gegensatz zu Deutschland zu Zeiten des Bretton-Woods-Abkommen seine Goldreserven nicht in New York belassen, sondern nach Paris geholt hat. Er wolle das Gold Frankreichs nicht „dem Zugriff einer fremden Macht preisgeben“, soll Frankreichs Präsident Charles de Gaulle damals gesagt haben.

Der damalige Bundesbankpräsident Karl Blessing (der Großvater des heutigen Commerzbank-Chefs) schrieb dagegen einen Brief an seinen amerikanischen Kollegen: Die Bundesbank plane nicht, die Goldreserven abzuziehen. Jahre später bestätigte er in einem Interview mit dem Spiegel, dass dieses Versprechen auf Druck der USA erfolgt sei. Das Versprechen aus dem Brief als Verpflichtung für alle Zeiten abzuleiten, klingt allerdings eher nach Verschwörungstheorie.

Aus den dürren Äußerungen der Notenbanker sind zwei Argumente zu hören, warum das Gold im Ausland bleibt: Zum einen sei es betriebswirtschaftlich sinnvoll, das Gold direkt an den Orten der großen Handelsplätze zu lagern. Zum anderen sei es zu teuer, das Gold nach Deutschland zu transportieren.

Darüber hinaus dürften sich die Verantwortlichen aber auch Gedanken darüber machen, wie ein Zurückholen der Goldreserven in Zeiten der Eurokrise gedeutet werden könnte: Als Vorbereitungsschritt eines möglichen Euroaustritts Deutschlands beispielsweise. Man kann davon ausgehen, dass die Verantwortlichen diesen Eindruck unbedingt vermeiden wollen, um keine Panik an den Finanzmärkten auszulösen.  Quelle: Süddeutsche

Siehe auch: Lagern in Fort Knox nur noch Fakes? sowie die dortigen Zusatzlinks und Updates

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Update: Rückendeckung aller Fraktionen für die Bundesbank – Gespräche mit der Fed wegen Forderungen des Rechnungshofes laufen

Update: Auch Österreichs Gold lagert im Ausland

Update: Bundesbank holt bis 2020 700 Tonne Gold heim

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