Zweiter Teil der kleinen Serie zum Thema Empath vs. Narzisst: Eine Empathin schreibt an „ihren“ Narzissten
„Lieber Narzisst,
du bist einer der grausamsten Menschen, die ich kenne. Und der Mann, den ich liebe. Weißt du warum? Weil wir uns ungeheuer ähnlich sind, trotz aller Verschiedenheit. Weil wir beide im Kern unter der gleichen Verletzung leiden. Wir haben nur entgegengesetzte Methoden, uns damit auseinander zu setzen. Wäre es da nicht logisch, wenn wir jeweils beim Anderen das fehlende Teil ausfüllen und so gemeinsam heilen könnten?
Wir beide waren kluge Kinder, die ihre Umwelt genervt haben. Ständig stellten wir unerwünschte Fragen, machten altkluge Einwürfe, wollten nur gehorchen, wenn wir den Grund kannten und waren doch als Kinder so ganz und gar abhängig. Diese Abhängigkeit machte sich unsere Umwelt zunutze. Wir wurden verprügelt, mit Verachtung bestraft, links liegen gelassen. Statt mit Liebe wurden wir mit Strafen erzogen, deren Sinn sich uns nicht erschloss. Wir rebellierten und verließen frühestmöglich das Elternhaus.
Ganz früh haben wir beide kennengelernt, was es heißt, wenn andere Geschwister vorgezogen werden, wenn man sich verzweifelt um die Liebe der Eltern oder Anerkennung der Lehrer bemüht und doch nur Ablehnung und Verachtung erfährt. Wir waren gut in der Schule, aber es konnte passieren, dass uns Lehrer, die unseren „arroganten Blick“ nicht leiden konnten, eine ganze Stunde lang prüften, bis endlich ein Fehler vorlag, den sie als „ungenügend“ bewerten konnten. Wir waren verhasst bei den Klassenkameraden, weil wir nicht lernen mussten, um Inhalte zu verstehen. Aus lauter Not haben wir uns zeitweise dumm angestellt. Umsonst; man mochte uns deshalb nicht lieber.
So wurden wir junge Erwachsene, und in uns lebte dieser scharfe Schmerz, nicht geliebt zu werden, nicht liebenswert zu sein, und doch so große Sehnsucht nach Liebe zu haben; danach, als das gesehen zu werden, was wir wirklich sind.
Inzwischen hatten wir ganz verschiedene Wege eingeschlagen. Während ich es mit Hingabe versuchte, mit Einfühlungsvermögen, mit ganz viel vorauseilender Hilfsbereitschaft, mit der Idealisierung von Personen, wurdest du jedes Jahr etwas härter. Du hast deine Liebe zum Sport entdeckt: Kraftsport, Kampfsport, Schießsport; egal was, Hauptsache, es machte dich stark und du konntest siegen. Das gleiche machtest du mit deinem Gehirn: Es wurde trainiert ohne Ende, es wurde gefüllt mit Wissen. Deine Intelligenz, dein Wissen und deine Tatkraft in Einheit mit einer großen Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, verschafften dir Erfolg. Eine Maske reichte dir nicht. Du hast unzählige im Programm, die du je nach Lage aus dem Hut zauberst.
Und doch kann ich dein Inneres genau fühlen. Ich fühle das Leuchten in dir, dieses unverbrauchte, noch nicht beschädigte Licht. Ich fühle auch den Schmerz in dir, die Sehnsucht nach Erfüllung und die Überzeugung, dass es die für dich nicht gibt. Ich fühle, wie du dich verhärtest, wenn Erfüllung tatsächlich möglich scheint, denn die Verletzlichkeit darin macht dir Angst. Ich rieche zehn Kilometer gegen den Wind, wenn du dann deine „Notlügen“ loslässt, die die Distanz wieder herstellen und dir das Gefühl von Kraft geben. Ich bin verletzt von deiner Kühle und der leisen Verachtung für meine Hingabe. Aber ich liebe dieses reine Leuchten, das hinter all diesen Masken in dir steckt.
Siehst du denn nicht, dass ich dich niemals verraten würde? Auch dann nicht, wenn zwischen uns keine Liebe wäre? Weißt du nicht, dass all diese bedingungslose Zuwendung, die du auf Umwegen über Lob und Anerkennung von mir einforderst, dir ganz kostenlos und uneingeschränkt, völlig ohne Spielchen sowieso zur Verfügung steht? Weil ich dich wirklich bewundere, und das, obwohl ich weiß, dass du Schwächen hast!
Ich weiß doch, dass du der Stärkste sein musst, um dich wohlzufühlen. Der Stärkste, der Erfolgreichste, der mit dem letzten Wort bei Entscheidungen, der, der immer führt. Ich würde es dir nicht streitig machen. Ich mag dich genau so und nicht anders. Du musst nicht ständig Geschäftsreisen erfinden, um deine „Freiheit“ zu sichern: Ich will dich weder verändern, noch vereinnahmen. Was ich mir wünsche, ist das Wissen, dass uns etwas einzigartiges unzerstörbar verbindet, auch wenn wir nicht gemeinsam am selben Ort sind: Das Wissen der Zusammengehörigkeit und absolutes Vertrauen.
Wenn du sagst, Liebe sei dumm und eine Schwäche, trifft mich das sehr. Weißt du nicht mehr, wie weh es tut, wenn ein Mensch so verächtlich mit einem geschenkten Herzen umgeht? Du müsstest dich doch an den Schmerz deiner Kindheit erinnern! Ich liebe dich trotzdem, und ich bewundere dich. Du magst dich innerlich unsicher oder traurig fühlen, aber du meisterst das so viel besser als ich. Du bleibst stark, auch wenn du dich nicht so fühlst. Ich hingegen laufe dir nach, bettele um deine Zuneigung und fühle mich elend, weil du mich deshalb als minderwertig betrachtest – obwohl dir mein Einsatz für dich oft sehr willkommen ist.
Dabei wäre alles so einfach: Uns ist doch beiden klar, dass wir die gleiche brennende Wunde in uns haben. Warum bilden wir nicht gemeinsam eine Muschel, innerhalb derer kein Lügen, kein Täuschen, keine Verachtung und keine Bestrafung mehr nötig sind? Ich könnte dich stärken mit Liebe und Mitgefühl, du könntest mich stärken mit deiner Fähigkeit, nein zu sagen. Beide könnten wir sein wie wir sind, ohne uns voreinander verstecken zu müssen. Wir könnten uneingeschränkt offen zueinander sein, auch wenn wir uns schwach fühlen, weil wir wissen, dass wir einander trauen können.
Nein, das bedeutet nicht den Verlust deiner Identität! Du bleibst genau der, der du bist. Aber du könntest diese anstrengenden Masken ablegen! Nein, das bedeutet auch nicht, dass du dich in meine Hand begibst und von mir abhängig wirst! Ich weiß doch jetzt auch schon, wie du dich hinter deiner Maske fühlst….
Ja selbstverständlich ist mir klar, dass ich mit diesem Wunsch den Wolf bitte, Hüter des Schafes zu werden. Auch Empathen können analysieren. Und doch … Warst nicht du es, der mir immer wieder vorgeschwärmt hat, wie sozial Wölfe sind, dass sie auch Alte und Schwache nie zurück lassen? Oder habe ich das selbst gegoogelt?…
Nein bitte… Nicht schon wieder dieses schreckliche Schweigen…“
Die Pop-Ikonen wollten am Freitag zu seiner Amtseinführung nicht auftreten, zahlreiche Abgeordnete der Demokraten boykottierten die Veranstaltung, bei der es Krawalle gab und auch gleich ein halbes Dutzend Journalisten verhaftet wurde. Am Tag danach marschierten die Frauen. Hunderttausende in Washington und nochmal so viele rund um den Globus waren unterwegs, um ihre Verachtung für den neuen Präsidenten der USA zu zeigen:Donald Trump, Milliardär, Pöbler, Mann der kurzen Sätze und klaren Worte mit einem soziopathischen Wesen. Und dann ging es rund: Die erste Woche der Amtszeit von Präsident Donald Trump stand unter dem Motto: „Die Zeit des Redens ist vorbei, die Zeit des Handelns ist gekommen.“
Seine Antrittsrede war im gleichen Ton gehalten wie sein Wahlkampf, trat dem Establishment, das hinter ihm auf der Ehrentribühne saß, unsanft in den Allerwertesten und klang wie die Rede eines Diktators: Ich gebe euch eure Würde zurück – unser Land wird wieder groß sein. Und den islamischen Terror rotten wir aus.
Die weiteren Kernpunkte:
Eine korrupte Elite hat lange das Land ausgebeutet. Aber jetzt ist der richtige Führer gekommen, der alle Macht dem Volk zurück gibt.
Fortan gilt: Nicht zuerst die Welt retten, sondern zuerst das eigene Land .
Es wird Arbeit für alle geben: Durch den Ausbau von Straßen, Schienen, Flughäfen und durch die Protektion: US-Produkte kaufen, US-Bürger einstellen.
Ein neuer Nationalstolz wird alle verbinden. Grund zur Furcht gibt es nicht, denn Gott selbst schützt Amerika.
Das ist der Stoff, aus dem Kriege geboren werden. Die Rede erinnerte teilweise an die frühen Tage des Dritten Reiches, wie sogar Papst Franziskus öffentlich kundtat – nicht ohne anzumerken, dass sowohl Hitler, als auch Trump rechtmäßig gewählt wurden. Eine hohe Arbeitslosigkeit, ein nach dem Ersten Weltkrieg von den Alliierten entwürdigtes Volk und ein Feindbild in einer bestimmten Menschengruppe brachte in Deutschland einen Soziopathen an die Macht und hielt ihn dort bis zum bitteren Ende. Die USA haben keinen Weltkrieg verloren. Das Land, das zu den reichsten weltweit gehört, hat zwar eine Arbeitslosenquote von nur 4,7 Prozent, weist aber eine enorme Schere zwischen Superreichen und sehr Armen auf, ist seit Jahrzehnten Einwanderungsland, verfügt teilweise über eine erstaunlich marode Infrastruktur. Und seit 9/11 hält sich hartnäckig eine Terror-Paranoia im Land, der nun mit einer strengen Begrenzung der muslimischen Imigratenzahl entgegengewirkt werden soll.
Noch am Abend der Amtseinführung änderte sich die Homepage des Weißen Hauses: Die Angaben zu Klimaschutzprojekten und dem Wasserrecht wurden gelöscht, denn Trump will Kohle, Öl und Gas zu neuer Blüte verhelfen und die Wirtschaft nicht durch „schädliche Gesetze“ hemmen. Das rief einen Proteststurm hervor. Am ersten Tag im Amt begann der neue Präsident außerdem, das Gesundheitsvorsorgeprojekt „Obamacare“ in Teilen rückgängig zu machen. Trump kündigte an, das Handelsabkommen NAFTA mit Mexiko neu zu verhandeln, und – brüskierte die versammelten Medien seines Landes mit „alternativen Fakten“: Bei seiner Amtseinführung seien (gegenteiliger Beweise zum Trotz) mehr Zuschauer als jemals zuvor bei einem Präsidenten anwesend gewesen. Punkt. Fragen ließ sein Sprecher nicht zu. Zehn Tage später gab ihm Ranga Yogeshwar zumindest teilweise recht: Die Fotos waren zu unterschiedlichen Uhrzeiten gemacht worden (das vonTrump ca 45 Minuten früher) und bei Obama sei das Wetter viel besser gewesen.
Auch ein Versprechen brach der Präsident gleich am Tag seines Amtsantrittes: Er erklärte, trotz Wahlsieg seine Steuererklärung nicht offenzulegen. Das brachte ihm umgehend eine Anzeige ein:“Citizens for Responsibility and Ethics in Washington“, eine Organisation, die gegen Korruption kämpft, hat sie eingereicht. Trump verletze die Verfassung der USA, indem er weiterhin Einkünfte im Ausland erziele, sagt sie. Trump verletzt noch mehr: Er übergab seine Firmen an seine Kinder – mit denen er jederzeit über die Firmenpolitik sprechen kann. Das ist eine unzulässige, nicht tolerierbare Verquickung von Amt und Geschäft.
Wie muss man nun diesen neuen Präsidenten einordnen? Worauf muss man sich einstellen? Soll man lachen, weinen, oder muss man sich fürchten?
Als er 13 war, deckte er sich heimlich in Manhattan mit Schnappmessern ein. Vater Fred steckte ihn daraufhin in eine Militärakademie, wo er den Siegeswillen entwickelte, auf den er sich bis heute beruft.
In der Militärakademie galt das Motto: „Gewinnen ist nicht alles, es ist das EINZIGE.“ „Die Erzieher prügelten dir die Knochen aus dem Leib“, erinnert sich Trump. Auf seine Internatszeit blickt er zurück wie auf einen gewonnenen Krieg und preist seinen Drillmeister Theodore Dobias, der den Hang hatte, schwächeren Zöglingen an die Gurgel zu gehen.
In der Akademie begann Donald, das Leben als Kampf gegen alle zu begreifen. Verachtung für Verlierer bleibt ein Generalthema seines Lebens. Auch geostrategisch ist sein Problemlösungsansatz nicht die Verhandlungskunst, sondern: zurück zu schlagen, die Oberhand zu ewinnen, Amerika „wieder gross“ zu machen. Besonders als Objekt der Narzissmus-Forschung empfiehlt er sich, findet der NZZ-Autor. Gegenüber seinem Schreibtisch im Trump-Tower hängt ein riesiger Spiegel, täglich lässt er sich einen Stapel mit Zeitungsartikeln über sich selbst auf den Tisch legen.
Trump hat Vorurteile gegen Minderheiten, Aversionen gegen Geisteswissenschaften und eine militaristische Grundhaltung. Seine Käfer- und Virenphobie – er gibt Menschen ungern die Hand, ohne diese sofort danach zu desinfizieren – fügt sich in die Diagnose ein. „Autoritäre“ Charaktere tendieren zu Ekelgefühlen gegenüber allem Fremden und Unreinen. Besonders Körperflüssigkeiten von Frauen scheinen Trump abzustoßen. Die Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly beschimpfte er als „Bimbo, bei der das Blut überall herausfliesst“. Eine Toilettenpause Hillary Clintons kommentierte er: „Ekelhaft!““
Zudem liest er – wie er dem Journalisten Michael D’Antonio, dem Autor einer gerade auf Deutsch erschienenen Trump-Biografie, erzählte – keine Bücher, interessiert sich weder für Kunst noch für fremde Sprachen und Kulturen. Sein einziger Maßstab ist der Erfolg, der sich nach Dollars bemisst.
Eine außerordentlich krasse Biografie des Präsidenten hat David Cay Johnson geschrieben: „Die Akte Trump“ listet chronologisch die Karriere eines Mannes auf, der sich mit Lügen, Betrug und weitreichenden Beziehungen zur Mafia und zu verurteilten Verbrechern immer wieder geschäftliche Vorteile verschafft hat. David Cay Johnson ist nicht irgendwer: Der 69jährige Pulitzer-Preisträger hat eine lange Karriere als investigativer Journalist hinter sich. Er listet die Familiengeschichte des Präsidenten auf und charakteriert diesen dann anhand zahlreicher genau recherchierter Beispiele als Lügner, korrupt und korrumpierbar, als ungeheuer nachtragend und auf Rache sinnend, als Rassist und Menschenverachter, und als Mann, dessen Maxime es ist, hundertmal härter zurückzuschlagen, als er angegriffen wurde. Ein lesenwertes Buch für jeden, der hofft, dieser Präsident werde sich noch an die Würde seines Amtes erinnern.
In Sachen Wirtschaft hat sich Donald Trump klare Vorgaben gegeben: Sein Wirtschaftsplan soll das Wachstum auf vier Prozent hochschrauben (Obama erreichte nach 2009 im Durchschnitt 2,2 Prozent), und innerhalb von zehn Jahren will er 25 000 neue Jobs schaffen (das entspricht etwa der Menge, die unter Obama entstanden). Die Börsen lieben es. Aber: Seit 2005 waren die meisten neuen Jobs schlecht bezahlte Teilzeit-Arbeitsplätze am Ende der Produktionskette. 16 Millionen mehr Amerikaner als 2005 sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, und seit 50 Jahren war die Zahl der Hausbesitzer nicht mehr so niedrig, schreibt Forbes. Sieben von zehn Amerikanern haben weniger als 1000 Dollar auf dem Sparkonto. Das ist die schwierige Klientel, die ihre Hoffnung in den neuen Präsidenten setzt.
Der Erfolg soll mit Protektionsmaßnahmen funktionieren: „In Amerika produzieren, in Amerika kaufen, Amerikaner einstellen.“ Das bedeutet Steuererleichterungen für Unternehmen (von 35 auf 15 bis 20 Prozent), Strafzölle von 20 bis 35 Prozent für im Ausland produzierte Waren und einen weichen Dollar, der den Export amerikanischer Waren begünstigt. Am Montag nach seiner Amtseinführung kündigte der neue Präsident das transpazifische Freihandelsabkommen TPP auf und spielt damit China in die Hände. Was seinem Ziel hinderlich sein könnte, ignoriert er: Zum Beispiel, dass günstige Herstellung von Zulieferteilen oder kompletter Produkte in Ländern wie Mexiko oder China die Kosten der Endprodukte senkt und gleichzeitig potentielle Käufer für hochwertige Ware im Ausland aufbaut. Und, dass die amerikanischen Produkte den Menschen auch preislich, in der Qualität, sowie der Optik attraktiv erscheinen müssen.
Das Dekret für die Mauer zwischen den USA und Mexiko folgte am Mittwoch. Am Donnerstag sagte der mexikanische Präsident sein Treffen mit Trump verärgert ab und betonte zum wiederholten Mal, dass Mexiko auf keinen Fall die Kosten der Mauer zahlen werde. Ebenfalls am Donnerstag vernahm die interessierte Öffentlichkeit, dass die gesamte Führungsriege des Außenministerium unter Protest zurückgetreten ist und der Präsident nun auf geballtes Fachwissen nicht mehr zugreifen kann. Der designierte Außenminister Rex Tillerson war da vom Kongress noch nicht bestätigt. Am Abend dann der Knüller: Der Präsident findet Waterboarding durchaus sinnvoll und erklärte: „Folter wirkt.„
Ray Dalio, Milliardär und erfolgreicher Hedge Fonds-Manager, analysierte das Kabinett des Wahlsiegers auf seine Kompetenz und kommt zu dem Ergebnis: Mit kumulierten 138 Jahren hat Trumps Spitzenteam nicht nur mehr Erfahrung als das Obamas, das es auf 122 Jahre brachte, sondern es kommt auch auf den historisch höchsten Erfahrungswert. Weit brisanter als die gesamte Erfahrung ist der Vergleich der Spitzenteams im Bereich Wirtschaft: Obama 5 Jahre, Trump 83 Jahre.
Seit Kennedy hatte Obamas Team die geringste wirtschaftliche Erfahrung, Trumps Team bringt es auf die größte. Auf politischem Gebiet liegt Trumps Team zwischen denen Reagans und Carters. Dalio schließt daraus, dass der Wechsel von der vergangenen zur gegenwärtigen Präsidentschaft wohl gravierendere Konsequenzen haben wird als der Wechsel Anfang der 80er Jahre von Carter zu Reagan. „Welcher Art könnten diese Konsequenzen wohl sein?“ fragt die FAZ.
Nun, er hat es doch klar gesagt: America first – das heißt: nach uns die Sintflut… Das scheinen auch die ersten Medien zu begreifen. „Amerika, du wirst uns fehlen“ titelt der Spiegel und arbeitet auf, was genau in Europa fehlen wird: Die Schutzmacht USA, an der wir (Deutschland) uns neurotisch in Sachen „Feindbild“ abarbeiten können. Dafür bekommen wir nun die Verantwortung, die wir solange eingefordert haben. Das gilt in Sachen Militär ebenso wie beim Thema Wirtschaft und Handel.
Hier setzt Professor Michael Hüter, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln an, um auf die Drohungen des Präsidenten zu Importzöllen zu antworten: Die deutsche Wirtschaft sei nicht umsonst so stark, erklärte er im ZDF: In flexiblen, kostengünstigen Produktionslinien stelle sie preis-werte Qualitätsware her, die den Kunden gefalle. Das müsse Amerika erstmal nachmachen. Zu Donald Trump selber erklärt er: „Ich habe diesen Mann lange beobachtet und gesehen: Er ist impulsiv und tritt machtvoll auf. Dagegen kann man nur eins machen: Selbst machtvoll auftreten.“
Das weitere wirtschaftliche Prinzip Trumps für Amerika ist ebenfalls einfach: Der Macher will schnell viele Arbeitsplätze schaffen. Protektion allein wird nicht genügen: Er wird die Staatsschulden erhöhen und damit tun, was die Deutschen aus den 30er Jahren kennen: Viele Staatsschulden machen, ohne zu wissen, wie sie bezahlt werden können. Zum Beispiel für den Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze, die 20 Milliarden und mehr kosten könnte und von den USA „vor“finanziert werden muss.
Das wird die Inflation anfeuern.
Und dann?
Wie schnell sich Protektion als Bumerang entpuppen kann, arbeitet das Handesblatt am Beispiel China auf: Der US-chinesische Wirtschaftsrat USCBC sagt, dass die Handelsbeziehungen des Importweltmeisters USA mit China aktuell 2,6 Millionen Jobs in den USA sicherten – einschließlich der Arbeitsplätze, die chinesische Firmen in Amerika geschaffen hätten. Übrigens hängen auch 6 Millionen US-amerikanischer Jobs von Mexikoab: In den USA werden die Teile produziert, aus denen Mexiko fertige Produkte für den Export herstellt. Auf diese Weise kommen 40 Prozent der mexikanischen Importe aus den USA. Was passiert mit diesen Arbeitsplätzen, wenn Importzölle kommen?
Ein I-Phone würde bei der Produktion in den USA satte 500 Dollar mehr kosten, rechnet das Unternehmen Foxconn vor. Man plane zwar ein Werk in den USA – aber das werde nicht mehr Arbeitsplätze bringen. Mittelfristig solle die Produktion komplett von Robotern erledigt werden.
Für Europa fasst die FAZ die Lage zunächst so zusammen: Obamas Amerika war ein Staat der Bürokraten, so wie auch Europa von Bürokraten regiert wird. Ab sofort begegnet jedoch ein „Hau den Lukas“ der „Status-quo-Panik der Eliten“, was, so Autor Thomas Mayer, zumindest für Zerstörung gut sein dürfte. Ob diese auch schöpferisch sein wird, um den gordischen Knoten aus Finanz- und Euro-Krise zu durchschlagen, lässt er offen.
Und was machen wir einfachen Menschen mit der neuen Situation?
Jon Schwarz bei The Intercept hat sich dazu interessante Gedanken gemacht, die sich auch Nicht-Amerikanern anbieten:
„Die Leute, die Amerika regieren, haben ein politisches System konstruiert, das wie ein störungsbehafteter Killer-Roboter funktioniert; jetzt wissen wir, dass sie den nicht mehr unter Kontrolle haben. Der Irakkrieg war eine kleinere Panne, (…) die Immobilienblase schon schlimmer. (…) Mit Donald Trump nun hat der Roboter zum ersten Mal sämtliche Befehle ignoriert und ist völlig außer Kontrolle geraten. (…)
Politik ist ganz klar eine Sache, bei der es um Leben und Tod geht. Machen Sie, wenn Sie es können, Politik zum zentralen Thema Ihres Lebens,“ folgert er.
Statt wohl formulierte Phrasen zu dreschen oder in plakativ vereinfachte Bilder der Welt zu verfallen, rät Jon Schwarz zu Erkenntnissen wie: „Wir haben seit 60 Jahren Bomben auf den Nahen Osten geworfen. Die Leute da sind empört über uns, so wie wir nach 9/11 empört waren. Solange wir nicht aufhören, Bomben auf sie zu werfen, wird es immer einen kleinen Teil radikalisierter Muslime geben, die es uns heimzahlen wollen. Irgendjemand wird immer da sein, um es auch auszuführen, egal was wir tun, um es zu verhindern.“
Medien, die sich über Werbung finanzieren, werden niemals politisch unabhängig sein, sagt der Autor: Öffentliches Crowdfunding sieht er als Lösung für freien Zugang zur Information. Politische Parteien in den USA sollten wieder die Menschen an der Basis einbinden – mit regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Aktivitäten.
Ganz wichtig sei es, sich nicht entmutigen zu lassen: „Junge Amerikaner sind extrem progressiv; so sehr, dass sich jeder Führer aus Politik und Wirtschaft vor ihnen fürchten sollte“.