Schlagwort: Spionage

Was tun gegen totale Datenkontrolle? Laut werden und handeln: WIR SIND DER STAAT

Wie anders doch dieses 9/11 war, als die Gedenktage der Jahre zuvor…

Keine Verlesung der  Opfernamen in den Hauptnachrichten des Tages – kaum willfähriges Berichterstatten über Terrorflüge auf die Twin Towers, über Al Quaida, Bin Laden-Nachfolger und ähnliches. Statt dessen eine merkwüdige, mit Händen fassbare Nachdenklichkeit allenthalben. Viel, sehr viel haben Edward Snowdens Enthüllungen zerstört. Nicht nur an Vertrauen in die USA – nein, an Vertrauen in alle Regierungen dieser Erde. In ihre guten Absichten. In ihre Ehrlichkeit – auch die unseres eigenen Parlaments…

Spät abends im ZDF wurde am 11.9. 2013 nachfolgender Film gezeigt. Die Macher sind rund um den Globus gereist, haben Hackertreffen besucht, den Ex-NSA-Chef interviewt, wurden vom derzeitigen NSA-Chef ignoriert, lernten vom Chef der chinesischen Behörde für Internetsicherheit, was andere Weltmächte über Cyberspionage denken und führten uns logisch an einen Krieg ohne Grenzen heran, der nach dem 9. September 2001 begonnen hat und lassen Deutschland dabei nicht aus.

Jetzt wissen wir, was Kanzler Schröders „uneingeschränkte Solidarität“ mit den Freunden in Übersee in Wahrheit bedeutete: Eine Vereinbarung, unterschrieben 2002 vom damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier über ausgedehnten Datenaustausch zu völlig unbescholtenen Menschen. Ob nun Steinmeier oder der heutige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla – oder die Kanzler selbst: Alle wussten Bescheid, und keiner hat uns die Wahrheit gesagt. Weil Geheimdienste ihrer Natur nach geheim sind. Ist doch ganz einfach – oder?

Jeden Tag erfahren wir weitere Details, was unsere Regierungen und „Dienste“ so alles entscheiden und entschieden haben – etwa dass die USA nicht nur ungefiltert Daten nach Israel weiter reichen, sondern auch selbst die demokratische Kontrolle über den NSA verloren haben. Da lachen wir vielleicht auch mal, wenn die US-Botschaft in Deutschland eine scharfe Protestnote an die Bundesregierung schickt, weil der BND ihre Gebäude mit einer Drohne überflogen hat…  aber wir sehen es auch mit ganz neuen Augen, wenn Apple nun ein iPhone mit Fingerabdruck-Sensor auf den Markt wirft… so kommen die Geheimdienste auch an diese Daten von uns.

Fast jeden Abend gibt es eine neue Fernsehdiskussion: Schwerpunkt: Warum steht das Volk nicht auf?

Oh, armes Volk, ist man versucht zu sagen.

Nun haben wir endlich die Vorteile der Vernetzung kennengelernt, haben ganz neuen ständigen Kontakt zu Familienmitgliedern und Freunden über Facebook, Google und WhatsApp – können aus dem Stand diskutieren, erfahren ganz viele neue Dinge, die wir sonst nie erfahren hätten…  und sollen jetzt zurück in die Steinzeit? Briefe mit der Post schicken, warten, bis erstmal der Briefkasten geleert wird, das Wochenende und der zustellfreie Montag vorbei sind, um zu lesen, was man uns schrieb und nochmal genau so lange um zu antworten? Reitende Boten aussenden? Oder Brieftauben?

Nein, das kann es nicht sein.

Verschlüsselung oder IP-Wechsel sind nur bedingt hilfreich – das haben wir nun auch gelernt. Wir wenden sie dennoch an, damit wir wenigstens einigermaßen vor Kriminellen geschützt homebanken oder ebayen können. Wo also ist die Lösung?

Ganz einfach: Es gibt keine, die befriedigen würde. Das Internet wird niemals mehr freier sein als es derzeit noch ist.

Ich kann nur eingrenzen, was ich von mir preis gebe. Also möglichst wenige Informationen zur Person, möglichst wenige Fotos, die Rückschlüsse auf persönliches Umfeld, Wohnsituation und ähnliches zulassen. Ich brauche ein waches Bewusstsein dafür, dass jede meiner Äußerungen mein Persönlichkeitsprofil abrundet.

Ich kann jedoch Alternativen fördern. Zum Beispiel deutsche Provider, die nach deutschem Recht handeln müssen. Suchmaschinen, die keine Anfragen speichern. Oder gedruckte Tageszeitungen. Die werden auf dem Landweg zugestellt, können nicht wie Facebook, Google, Youtube, Yahoo und andere, die in den USA beheimatet sind, im „Bedarfsfall“ einfach von dort – oder unserer eigenen Regierung – abgedreht werden.  Noch hat Deutschland eines der dichtesten Zeitungsnetze der Welt.

Aber was am wichtigsten ist: Wir müssen Stellung beziehen. Laut werden. Funktionierendes Recht und seine Kontrolle fordern. Unserer Regierung und der anderer Länder zeigen, dass WIR das Volk sind. Wir müssen wählen gehen und dabei darauf achten, dass niemand zu mächtig wird.

Nutzen wir das Netz, so lange wir das noch weitgehend frei können, um uns auszutauschen und zu koordinieren. Das Netz ist auch eine Chance. Eine Chance, unsere Welt mit zu gestalten, den Regierenden zu zeigen, dass sie nicht über eine formlose Masse mit primitiven materiellen Bedürfnissen herrschen, sondern über denkende und mündige Bürger. Über Bürger, die ein funktionierendes, soziales Gemeinwesen nicht nur haben wollen, sondern auch aktiv stützen und formen können.  Bürger, die man nicht massenweise fürchten und deshalb im Zaum halten muss, sondern Menschen, die die Freiheit dessen schützen wollen, was wir alle zusammen bilden:

WIR SIND DER STAAT.

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Mehr Infos zum Thema:

Alle wissen es, doch niemand spricht es aus: Deutschland ist nicht souverän

XKeyscore: So funktioniert die Datenkrake

Warum wir nicht schweigen dürfen

Update: Im Zeitalter der digitalen Inquisition

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Update: BKA und FBI tauschen Dateien für Fingerabdrücke und einiges mehr aus

 

Kontrollwahn? US-Pläne für den Cyber-Ernstfall

Von Alfred Krüger, entnommen heute.de

SOPA, PIPA – und jetzt CISPA: In den USA jagt ein Netz-Gesetz das nächste. Der jüngste Entwurf verspricht Firmen Schutz vor Datenspionen und Hackern und soll die Weitergabe sensibler Informationen an Behörden erleichtern. Datenschützer protestieren.

Mitte Januar liefen Netzaktivisten zusammen mit Bürgerrechtlern und Unternehmen wie Google, Facebook oder eBay Sturm gegen SOPA und PIPA, zwei Gesetzentwürfe gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet. Die US-Ausgabe der Wikipedia schloss aus Protest gegen eine befürchtete Zensur des Internets sogar für einen Tag die Tore. Die Proteste hatten Erfolg. SOPA und PIPA sind mittlerweile vom Tisch.

Mehr Schutz vor Spionen und Hackern

Nun stößt ein anderer US-Gesetzentwurf auf nicht minder heftige Kritik – zumindest bei Bürgerrechtlern und Netzaktivisten. Es geht um den Cyber Intelligence Sharing and Protection Act (CISPA), ein Gesetz zur Bekämpfung von Kriminalität und Datenspionage im Internet. Es soll Regeln festlegen, wie staatliche Stellen und private Unternehmen im Falle einer Bedrohung der Cybersicherheit Informationen austauschen können.

Der umstrittene Gesetzentwurf stammt aus der Feder des republikanischen Kongressabgeordneten Michael Rogers. Staaten wie China würden über das Internet gezielt Industrie- und Wirtschaftsspionage betreiben, sagt Rogers. „Jahrelange Arbeit und Milliarden Dollar, die in Forschung und Entwicklung geflossen sind (…), das alles kann in Sekunden verloren sein.“ Staat und Wirtschaft müssten sich deshalb besser vor Spionage und anderen Netzgefahren schützen.

 „Datenschutz wird ausgehebelt“

Unternehmen wie Facebook oder Microsoft schlagen in dieselbe Kerbe. „Wenn ein Unternehmen einen Angriff erkennt, kann die schnelle Weitergabe von Informationen andere Unternehmen und deren Kunden davor schützen, ebenfalls zum Opfer zu werden“, so Facebook-Vize Joel Kaplan. An Rogers schrieb er deshalb einen offiziellen Dankesbrief. „Ihr Gesetz befreit uns von lästigen Regeln, die uns daran hindern, unser Cyber-Ökosystem zu schützen“, so Kaplan in dem Brief.

Solche Äußerungen sind Wasser auf die Mühlen der CISPA-Gegner. Sie warnen davor, dass das geplante Gesetz im Falle einer tatsächlichen oder nur behaupteten „Cyberbedrohung“ sämtliche Datenschutzrechte außer Kraft setzen könnte. „Es gibt fast keine Einschränkungen, welche Informationen gesammelt und wie sie benutzt werden dürfen, solange sich ein Unternehmen auf ‚Cybersicherheit‘ beruft“, heißt es in einem Aufruf der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF).

Auch Urheberrechtsverletzer im Visier

Wann die Sicherheit eines Unternehmens oder einer Behörde bedroht sei, werde im Gesetzentwurf viel zu vage definiert, kritisiert die EFF. Als Sicherheitsbedrohung gelten nämlich nicht nur Angriffe krimineller Hacker, die das Netzwerk eines Unternehmens schwächen, unterbrechen, zerstören oder Daten ausspionieren könnten. Das Gesetz soll ausdrücklich auch bei Urheberrechtsverletzungen greifen.

Kritiker des Gesetzes wie die Vereinigung Reporter ohne Grenzen warnen deshalb vor einem „drakonischen Sicherheitsgesetz“, das unter dem Deckmantel der Cybersicherheit ein weit reichendes Kontrollsystem installieren könnte. Webunternehmen wie Facebook und Google, aber auch Internetprovidern werde es erlaubt, beliebige Daten ihrer Nutzer ohne den normalerweise nötigen Gerichtsbeschluss an staatliche Stellen herauszugeben – darunter protokollierte Webseitenzugriffe, Inhalte von E-Mails und IP-Adressen, mit denen zum Beispiel Nutzer von Tauschbörsen identifiziert werden können.

US-Regierung mahnt Datenschutz an

Mittlerweile hat sich auch das Weiße Haus in die Debatte um CISPA eingeschaltet. Ein Gesetz, das Unternehmen und Behörden besser vor Netzangriffen schützen solle und zu diesem Zweck die Weitergabe von Nutzerdaten regele, müsse „robuste Vorkehrungen“ enthalten, um Privatsphäre und Bürgerrechte ausreichend zu schützen. Die Obama-Regierung werde kein Gesetz unterstützen, „das den Datenschutz der Bürger im Namen der Sicherheit opfere“. Ein Veto gegen das Gesetz, das in diesen Tagen im US-Repräsentantenhaus verhandelt wird, kündigte das Weiße Haus jetzt an.

Nachtrag von Newswatch4u: Bericht über die entsprechende Debatte im US-Kongress.

Zweiter Nachtrag: CISPA wurde klammheimlich und im Eiltempo durchgewunken.