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Shitstorm über Amazon: ARD berichtet zur Situation der Leiharbeiter

Ganz böse Reportage am Montag in der ARD zu den Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter beim Versandhaus Amazon: Im Schwerpunkt in Bad Hersfeld waren die beiden Reporter Diana Löbl und Peter Onneken wochenlang unterwegs und fanden Zustände vor, die man in Deutschland so nie erwartet hätte. Schließlich wurden sogar sie selbst bedroht.

In Spitzenzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft, beschäftigt Amazon Leiharbeiter, die über Zeitarbeitsfirmen engagiert werden. Darunter ist die arbeitslose spanische Kunstlehrerin Silvina, die sich als einzige detailliert äußert. In Spanien sei das Angebot von Amazon gefeiert worden,berichtet sie; sogar das Fernsehen habe darüber berichtet. In Deutschland angekommen, sei die Enttäuschung jedoch groß gewesen: Als erstes wurde der angekündigte Stundenlohn deutlich gekürzt.

Was dann kommt, erinnert an Sklavenhaltung: Die Zeitarbeitsfirma bringt die Mitarbeiter in Bungalows einer leerstehenden Ferienanlage unter, zahlt zwei kalte Mahlzeiten am Tag und behält die Kosten für beides vom Lohn ein. Die Mitarbeiter werden streng bewacht von einem Sicherheitsdienst, der problemfrei gewalttätig wird, sobald ihm etwas nicht passt. Das müssen die Reporter auch am eigenen Leib erfahren, als ihre Tarnung auffliegt, der Sicherheitsdienst in ihre Zimmer eindringt und die Herausgabe des Filmmaterials verlangt. Nur mit Hilfe der Polizei können sie unbeschadet das Gelände verlassen.

Der Gipfel des Ganzen: Einige Männer des Sicherheitspersonals tragen Kaputzenpullis der Marke Thor Steinar, die klar auf die rechtsradikale Szene verweisen. Die Reporter forschen auf Homepages und bei den Facebook-Freunden des Chefs des Sicherheitsunternehmens nach und finden auch hier klare Hinweise.

Die Reaktion im Netz kam prompt: Ein Shitstorm brach nach der Sendung über Amazon herein. Heute morgen sprangen eine große Zahl von Medien auf die Reportage an und fragten bei Amazon um eine Stellungnahme nach. Bild.de erhielt diese Antwort:

„Über 7700 festangestellte Mitarbeiter arbeiten in den deutschen Amazon-Logistikzentren, in der Weihnachtssaison stellen wir zusätzliche Amazon-Mitarbeiter saisonal befristet ein. Diese Mitarbeiter unterstützen uns, um die erhöhte Anzahl an Kundenbestellungen in Spitzenzeiten zu bewältigen. Gleichzeitig haben wir dadurch die Möglichkeit, potenzielle neue langfristige Mitarbeiter kennenzulernen und gemäß unserem zukünftigen Wachstum einzustellen. In absoluten Spitzenzeiten arbeiten wir darüber hinaus mit Zeitarbeitsfirmen zusammen.

Alle Mitarbeiter, die länger als ein Jahr in den Amazon-Logistikzentren in Deutschland arbeiten, verdienen über 10 € brutto pro Stunde; im ersten Jahr über 9,30 € brutto. Die in dem Beitrag erwähnten Mitarbeiter aus Spanien, die über eine Zeitarbeitsfirma im Logistikzentrum Bad Hersfeld beschäftigt wurden, verdienten bei einer 37,5 Stundenwoche 1.400 € brutto im Monat, in der Nachtschicht bei 32,5 Wochenstunden 1.500 Euro im Monat. Diese Beträge wurden per Vertrag auch dann bezahlt, wenn nicht die volle vertragliche Stundenzahl angefordert wurde.

Sicherheit hat oberste Priorität in unseren Logistikzentren. Wir nehmen die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter sehr ernst und überprüfen externe Dienstleister, die die Unterbringung von Saisonkräften aus anderen Regionen verantworten, regelmäßig. Wichtig ist uns hier auch die Rückmeldung unserer Mitarbeiter: Wann immer Mitarbeiter Verbesserungen im Rahmen der Arbeitsbedingungen oder der Unterbringung vorschlagen, prüfen wir dies umgehend.

Amazon duldet keinerlei Diskriminierung oder Einschüchterung. Auch wenn das Sicherheitsunternehmen nicht von Amazon beauftragt wurde, prüfen wir derzeit selbstverständlich den von den Redakteuren gemachten Vorwurf bezüglich des Verhaltens des Sicherheitspersonals und werden umgehend geeignete Maßnahmen einleiten.

Unser Ziel ist es, Bestellungen unserer Kunden jederzeit schnell und zuverlässig auszuliefern. Wir wissen: Das geht nur mit zufriedenen Mitarbeitern – unabhängig davon, ob sie langfristig beschäftigt, saisonal angestellt oder uns über eine Zeitarbeitsfirma unterstützen. Sie können sicher sein, dass wir jedem Vorfall in unseren Logistikzentren und im Umfeld, der uns von Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht wird, nachgehen und bei Bedarf umgehend Verbesserungen einleiten.“

Neben viel Empörung gab es im Netz allerdings auch realistische Kommentare. Hier drei Beispiele aus twitter:

Mitch Unterberger ‏@frolueb
Ich bin SO WÜTEND auf amazon! Ich werde meine Gutscheine deswegen erst in 2 Wochen einlösen, wenn es keinen mehr juckt.
stef stuff ‏@stefstuffde
Regt Ihr Euch mal ruhig alle über #amazon auf, aber wenn ich den lokalen Einzelhandel bejubele, kommt immer so’n“ Woanders billjger“
Duesenberg ‏@Duesenberg_
Wie Amazon hat Dreck am Stecken? Geiz ist doch geil dacht ich. Nicht Amazon ist schuld, Amazon ist nur das Symptom, der Spiegel von uns.
arbeitslos...
Ja – so ist es – leider. Bei aller gerechtfertigten Empörung über die aufgezeigten Zustände muss man sich doch einige weiterführende Fragen stellen:

Warum ist Amazon so erfolgreich? Warum sind Discounter so erfolgreich? Warum ist Geiz geil?

Weil wir alle darauf getrimmt sind? Nein, das ist nur die halbe Antwort. Weil die Mehrheit der Menschen immer weniger Geld hat, für das sie sich aber immer mehr verausgaben muss – das trifft es schon eher.

Und warum haben alle immer weniger Geld?

Weil die Kosten immer weiter steigen.

Warum steigen die Kosten immer weiter?

Hier liegt der Hase im Pfeffer. Hier liegt auch ein Grund, aus dem ich diesen Blog unterhalte: Es gibt eine grundlegende Ungerechtigkeit, die global angelegt ist. Letztendlich lässt sie sich zurückführen auf das Geld- und Bankensystem. So lange es Banken gibt, die mit Krediten immer mehr „Wachstum“ schaffen – ein Wachstum, das auf Pump finanziert ist, wird sich die Lage nicht ändern. Die Zinsen schöpfen Geld aus dem Nichts – die Banken wachsen. Und die Menschen, die dieses Wachstum mit ihrer Arbeit bezahlen müssen, wachsen auch – in eine moderne Sklaverei hinein.

Im Kleinen kann man das messen an der zunehmenden Zahl überschuldeter Haushalte – im Großen an den überschuldeten Staatshaushalten.

Da ist es ein geringer Trost, dass auch Banken bankrott gehen können – dann nämlich, wenn wache Investoren Entwicklungen schneller voraussehen als sie selber und die Gewinne abschöpfen. Was geändert werden muss, um wirklich allen Menschen ein besseres Leben zu verschaffen, ist das weltweite Finanz-System.

Was kann nun der Einzelne tun, um daran etwas zu ändern?

Information ist das erste Gebot: Wie hängen die Dinge zusammen? Wer zieht wo welche Strippen? Was wird wo einfach zu groß und damit übermächtig?

Handeln ist die Folge: Setzen wir uns ein für kleinteilige Energieversorgung, für das Wasser als Menschenrecht, für das bedingungslose Grundeinkommen – für alles, was Menschen möglichst viel Selbstbestimmung erhält. Dass das auch mehr Selbst-Verantwortung bedeutet, ist allerdings der Preis dafür.

Siehe auch: Amazon ist angetreten, die Handelswelt das Fürchten zu lehren

Update: Offener Brief des noch jungen Schoer-Verlages zu den Amazon-Bedingungen für Verlage 

Update: Arbeitsministerium verlangt Aufklärung

Update: Amazon feuert Sicherheitsfirma und weitere Reaktionen

Update: Häufig unwürdige Bedingungen bei Zeitarbeitsfirmen

Update: Was bei der ARD-Dokumentation verschwiegen wurde

Update: Deutschland-Chef Kleber: Betriebsrat gut, aber keine Verhandlungen mit Ver.di

Update: Neue Vorwürfe aus Graben: „Menschen werden dressiert“

Update: Amazon steigert Gewinn

Update: Amazon bekam Millionen deutscher Fördergelder

Update: „Inside Amazon“ – ein Erfahrungsbericht

Update: Sieben Gründe warum Amazon so mächtig ist

Update: EU prüft Steuerpraxis von Amazon und anderen 

Update: USA: Amazon zahlt keine Steuern auf Milliardengewinne

Deutscher Goldschatz: Bundesbank holt bis 2020 rund 700 Tonnen davon heim

Bei einer Pressekonferenz am 16. Januar 2013 stellte die Bundesbank ihr neues Konzept zur Lagerung der deutschen Goldbestände vor. Ab 2020 soll die Hälfte des Goldes in Tresoren im Inland, die andere Hälfte bei Partnernotenbanken in New York und London lagern

„Die beiden wichtigsten Funktionen der Goldreserven sind die Vertrauensbildung im Inland und die Möglichkeit, binnen kürzester Zeit Gold an Goldhandelsplätzen im Ausland in Fremdwährungen umtauschen zu können,“ erklärte Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. Die beabsichtigte künftige Verteilung der Goldbestände – die eine Hälfte im Inland, die andere Hälfte an den wichtigsten Goldhandelsplätzen im Ausland – trage diesen Funktionen Rechnung. Bis 2020 werden dazu schrittweise 300 Tonnen Gold von New York nach Frankfurt und 374 Tonnen von Paris nach Frankfurt verlagert.

Die Bundesbank hält zum Stichtag 31. Dezember 2012 Goldreserven von insgesamt 3.391 Tonnen mit einem Marktwert von 137,51 Mrd. Euro. Bisher lagern Prozent des Goldes bei der Zentrale der Bundesbank in Frankfurt am Main. Die restlichen 69 Prozent verteilen sich auf Lagerorte bei Partnernotenbanken in New York (45), London (13) und Paris (11 Prozent).  „Wir haben keinerlei Zweifel an Integrität und Zuverlässigkeit unserer Partner,“ betonte Thiele, der Ende des Jahres die ausländischen Lagerorte der Goldreserven persönlich besucht hatte.

Nach Abschluss der Verlagerung 2020 werden die Hälfte der deutschen Goldreserven in heimischen Tresoren liegen, 37 Prozent bei der Federal Reserve Bank in New York und 13 bei der Bank of England in London, so Thiele. Der Bestand bei der Banque de France werde vollständig aufgelöst. Grund für diese Entscheidung seien die seit Einführung des Euro geänderten Rahmenbedingungen. Durch den einheitlichen Währungsraum sei eine Lagerung des Goldes für einen jederzeit möglichen Umtausch in Fremdwährungen im Falle von Frankreich nicht mehr nötig.

So prüft die Bundesbank das Gold

Im Anschluss konnten rund 70 Journalisten das obligatorische Prüfverfahren für Goldbarren kennenlernen. In drei Schritten wird dabei die Echtheit eines Goldbarrens überprüft und seine individuelle Beschaffenheit ermittelt. Denn Goldbarren – so die Sachverständigen der Bundesbank – haben keinen exakt einheitlichen Wert. Jeder sei einzigartig, auch wenn der erste Eindruck etwas anderes vermittele.

Damit ein Goldbarren an den internationalen Goldhandelsplätzen gehandelt werden kann,  muss der Feingehalt bei mindestens 995/1000 Einheiten Feingold und das Gewicht zwischen 10,9 und 13,4 kg liegen; der genormte Standardbarren liegt bei 12,5 kg. Strenge Anforderungen an die Form, das äußere Erscheinungsbild und die vorhandenen Angaben gehören ebenso dazu. Um die Echtheit eines Barrens zu prüfen, bestimmen die Sachverständigen zunächst mit einer Spezialwaage sein exaktes Gewicht – auf ein Tausendstel Gramm genau. Im zweiten Prüfschritt wird der Barren geröntgt. Dabei werden die genauen Bestandteile des Oberflächenmaterials und somit der Feinheitsgrad des Barrens bestimmt. Da hierbei jedoch nur die Oberfläche betrachtet werden kann, wird im dritten Schritt  mit Hilfe von Ultraschall  die Homogenität, das heißt die durchgängig gleiche Materialzusammensetzung, überprüft.  Quelle: Bundesbank

Riesen-Nugget in Australien gefunden

17-01-2013 13-01-55

Währenddessen wurde am selben Tag in der Nähe von Ballarat, Australien, von einem privaten Goldsucher mit Hilfe eines Metalldetektors ein riesiges Goldnugget entdeckt. Es wiegt 5,5 Kilo und hat einen Materialwert von rund 238 000 Euro. Ballarat liegt etwa 100 Kilometer von Melbourne entfernt; hier wurden schon öfter größere Nuggets gefunden. Der australische Glückspilz darf möglicherweise mit einem wesentlich höheren Verkaufspreis als den reinen Materialwert rechnen: Wie der „Goldreporter“ berichtet, brachte im März 2011 die Versteigerung des 3,7 Kilogramm schweren “Washington-Nuggets“ einen Aufpreis von satten 230 Prozent.

Nach Angaben der California Natural Resources Agency wurde das größte Gold-Nugget Kaliforniens im Jahr 1854  gefunden. Es wog 88,5 Kilo. Das schwerste Gold-Nugget aller Zeiten stammt dagegen aus Australien. Das “Holtermann Nugget” fand man 1872. Es hatte ein Gewicht von 214,32 Kilogramm.

Siehe auch: Wo genau wieviel deutsches Gold liegt und warum 

Update: William Kaye: Deutschland wird das Gold nie wiedersehen

Update: Gerade mal fünf Tonnen Gold kamen 2013 aus den USA zurück

Update: Rückholung im Schneckentempo – Bundesbank: „Sind voll im Plan“

Update: 1236 Tonnen deutsches Gold bleiben in New York – Bundesbank beendet Rückholung

Update: Bundesbank: Früher mit Rückführung fertig geworden

Update: Bundesbank zeigt einen Teil des deutschen Goldschatzes

Wird die Inventur des deutschen Goldes bei der Fed zur Staatsaffaire?

Entnommen dem Handelsblatt

von Norbert Häring

Die Bundesbank muss den deutschen Goldschatz einer Inventur unterziehen. Ein Großteil des Schatzes lagert bei der Federal Reserve Bank of New York, die keine unabhängige Prüfung zulässt. Kommt es zur Staatsaffäre?

Anfang des Jahres überstellte der Rechnungshof der Bundesbank einen Bericht. Darin stellte er fest, dass die Bundesbank rechtlich verpflichtet sei, unseren Goldschatz von 133 Milliarden Euro, der zum großen Teil bei der Federal Reserve Bank of New York lagert, einer Inventur zu unterziehen. Die Bundesbank verweigert diese. Im Frühjahr forderte der Haushaltsausschuss vom Rechnungshof dieses Gutachten an. Dieser teilte mit, der Bericht werde binnen weniger Wochen übermittelt.

Es sollte nur eine Stellungnahme der Bundesbank und ein abschließendes Resümee der Rechnungsprüfer angehängt werden. Eine erneute Nachfrage in dieser Woche ergab das gleiche Ergebnis. Innerhalb einiger Wochen, „wohl noch im Oktober“ werde der Bericht den Parlamentariern zugehen. Es gehe um „schwierige Rechtsfragen“ heißt es von Bundesbank und Rechnungshof zur Erklärung.

Das ist wenig überzeugend. Denn seit Jahren muss sich die Bundesbank mit parlamentarischen Anfragen zu dem Thema auseinandersetzen. Eigentlich genügend Zeit für das halbe Hundert Bundesbank-Juristen, eine Rechtsmeinung zu entwickeln. Es scheint, als habe der Rechnungshof Angst vor der eigenen Courage bekommen, seit die Bundesbank ihm die potenziellen diplomatischen Verwicklungen eines Inventurwunsches erklärt hat.

Die Federal Reserve von New York, eine privatwirtschaftlich verfasste Niederlassung der US-Notenbank, verwaltet nicht nur Bundesbankgold, sondern auch Gold der USA und von weiteren Nationen. Eine unabhängige Inventur lässt sie nicht zu. Entsprechende Forderungen von US-Parlamentariern blockt sie ab. Wie kann sie da das deutsche Gold unter Aufsicht zählen lassen? Wenn es beim Lagerort allein um praktische Erwägungen ginge, könnte die Bundesbank die Konsequenz ziehen und das Gold abholen.

Falls sie das aber nicht ohne massive diplomatische Verwicklungen tun kann, steckt sie in der Klemme. Die Parlamentarier beweisen unterdessen Engelsgeduld und Einsichtsfähigkeit. Selbst der aufmüpfige Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der im Frühjahr mit der „Bild“-Zeitung im Tross zur Goldbesichtigung nach New York fuhr und sich bis August kämpferisch gab, ist inzwischen in Sachen Goldreserven nicht mehr zu sprechen.

Die Abgeordnete Erika Steinbach wollte Mitte August in einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung wissen, wann das deutsche Gold das letzte Mal durch „körperliche Inaugenscheinnahme“ überprüft worden ist. Nun ist sie nach eigener Aussage mit der Antwort vollständig zufriedengestellt, dass es eine jährliche „Buchinventur“ gebe. Das Feld für eine Überstellung des hochnotpeinlichen Rechnungshofberichts, vermutlich an die Geheimschutzstelle des Parlaments, scheint gut bestellt.

Siehe auch: Bundesbank hält den Prüfbericht der deutschen Goldreserven zurück 

und   Vervielfachung steht außer Frage 

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Manipulation in Sprache und Inhalt: Wie informiere ich mich?

Woran erkenne ich die Qualität einer Nachricht?

Ist sie oberflächlich? Ist sie fundiert? Will sie mir eine bestimmte Meinung unterschieben?

Eine einfache Frage – aber sie hat eine ungeheure Bedeutung und gewinnt täglich mehr dazu. Je stärker sich die Euro-Krise zuspitzt, je mehr  Kriegsrethorik um sich greift – aktuell am Beispiel Syrien – oder auch Israel und Iran – desto wichtiger wird es, ganz genau zu untersuchen: WER sagt mir da WAS und vor allem: WIE sagt man es mir?

Einen sehr klugen Beitrag zum Thema hat Bewusst TV gesendet: Alexander Wagandt macht deutlich, dass ich aus der Sprache einer Botschaft sehr gute Rückschlüsse auf das Denken dessen ziehen kann, der sie mir sendet. Anders ausgedrückt: Ein Mensch, der nur in zwei Kategorien denkt, etwa Liebe und Hass, wird sich auch so ausdrücken: Er ist entweder absolut FÜR etwas oder absolut DAGEGEN. Es gibt keine Zwischentöne und damit eine große Gefahr von Ungerechtigkeit. Wenn ich einen Menschen oder eine Sache nicht liebe – hasse ich sie dann gleich?

Ich nicht. Sie vielleicht?

Zehn Methoden der Manipulation sollte ich kennen und immer im Hinterkopf haben, wenn ich mich mit Sprache auseinandersetze. Der Franzose Sylvain Timsit hat Methoden der „Gehirnwäsche“ zusammengefasst, die nicht nur Regierungen gut bekannt sind, sondern auch Unternehmen, die etwas verkaufen möchten, Frauen und Männern, die politische oder religiöse Ansichten oder Ideologien offensiv vertreten oder ganz einfach ihr eigenes Ego stärken wollen, indem sie Macht über andere Menschen gewinnen. Immer wieder hört man in diesem Zusammenhang von Sektenführern. Aber so einfach ist es nicht: Psychopathen sind in allen Schichten der Gesellschaft vertreten.

Zurück zu den Nachrichten: Woran erkenne ich nun, ob ich fundiert und kompetent informiert oder in eine bestimmte Richtung manipuliert werde? Ich frage so:

1. Wie ist die Sprache: Handelt es sich um eine Information oder eine Meinungsäußerung? Wird sachbezogen berichtet, emotional geschildert oder sofort bewertet? Am Beispiel Israel – Iran hier mal drei „Nachrichten“, an denen der Unterschied erkennbar ist:

  • Israel vermutet, dass der Iran Uran anreichert, um eine Atombombe herzustellen. Der Iran dementiert. (Das ist die reine Nachricht.)
  • In Israel wächst die Angst vor einer atomaren Bedrohung aus dem Iran. Die dortige Regierung betont jedoch unermüdlich, Uran ausschließlich zu zivilen Zwecken der Energieversorgung anzureichern. (Eine Nachricht, die Angst macht. Der Iran äußert sich beruhigend.)
  • Wird der Ayatollah-Staat Iran seine Drohung wahr machen und das verhasste Israel von der Landkarte tilgen?  Die Regierung in Tel Aviv denkt über einen Erstschlag nach. Teheran betont, Uran ausschließlich zu zivilen Zwecken anzureichern, will sich aber weiteren internationalen Kontrollen entziehen.  (Hier wird es manipulativ: Das Wort Ayatollah-Staat suggeriert radikal-islamisches Handeln. Die „Drohung“ ist so alt wie der Staat Israel und basiert auf der wechselvollen Geschichte des heutigen israelischen Staatsgebietes, das in der Geschichte immer wieder sowohl von muslimischen, als auch jüdischen Bevölkerungen bewohnt wurde. Iran vertritt die Meinung, dass mit der Staatsgründung Israels dem arabischen Teil der Bevölkerung die angestammte Heimat weg genommen wurde. Der Hinweis darauf, dass Iran sich weiteren internationalen Kontrollen entziehen will, will aufzeigen, dass Iran nicht nur radikal denkt, sondern auch friedliche Lösungen offenbar ablehnt. Alles zusammen rechtfertigt indirekt, aber gezielt einen Erstschlag Israels gegen Iran.)

2. Woher kommt die Nachricht? Wer spricht oder schreibt sie? In welchen Medium? Gibt es allgemein bekannte politische oder religiöse Einstellungen der Autoren oder Medien? In welchem Zusammenhang wird die eigentliche Nachricht veröffentlicht? Gibt es weiterführende Informationen?

3. Was sagen die Anderen? Das ist im Internet mit wenigen Klicks herauszufinden: Geben Sie bei Google oder noch besser twitter  entsprechende Suchworte ein. In unserem Beispiel genügt Israel + Iran + zum Beispiel das Tagesdatum.

4. Kann es sein, dass ich auf subtile Weise manipuliert werde, weil etwa mein Land zu einem bestimmten Länder-Block gehört? Subtile Manipulation kann allein schon dadurch entstehen, dass mir bestimmte Aspekte einer Nachricht vorenthalten werden. Ich informiere mich also zusätzlich bei den „Gegnern“ – in unserem Beispiel russische, asiatische und arabische Nachrichtensender. Hier sind allerdings Englischkenntnisse zwingend erforderlich, weitere Sprachkenntnisse hilfreich.

5. Wie ordne ich nun meine gesamten Informationen ein? Hier hilft ein Blick in die Geschichte. Die finde ich in Wikipedia, Google und Youtube, um nur einige zu nennen. Ich gebe also ein: Israel + Geschichte, Iran + Geschichte. Hilfreich sind zudem Suchbegriffe wie Religion, Wirtschaft, Bodenschätze, Erdöl, Wasserversorgung, Atomwaffen, Atomwaffensperrvertrag … und so weiter.

Eine solche Recherche braucht ihre Zeit – Zeit, die ich nicht immer habe. Ich selbst habe für mich deshalb eine sehr schnelle Methode gefunden, die Nachrichten herauszufiltern, die ich suche. In meinem twitter-Kanal habe ich internationale Medien abonniert. Ich folge nur diesen – egal wer mir selbst folgt. Der Grund ist einfach: Ich möchte nicht von thematischer Vielfalt erschlagen werden. Die Medienauswahl liefert zu meinen Interessen innerhalb kürzester Zeit internationale Sichtweisen. Ich sehe also zur möglichen Kriegsgefahr Israel – Iran Meldungen etwa aus Israel, aus den USA, aus China, von Al Jazeera, aus Russland, aus ganz Europa, von diversen Bloggern, die der einen oder anderen Seite zugeneigt sind. Ich finde sowohl Informationen, als auch Kommentare, dazu meist Videos.

Einige der tweets gebe ich an meine Follower weiter – hier treffe ich die Auswahl, für die ich persönlich stehe. Das kann bedeuten, dass ich schlicht informieren möchte, es kann bedeuten, dass ich eine Warnung weiterreichen möchte, es kann auch heißen, dass ich ein Signal zu erkennen glaube, das später an Bedeutung zunehmen wird. Einige tweets inspirieren mich zu einem Blog. Vor allem aber geht es mir darum, mich selbst so unabhängig wie möglich zu informieren: Auch jenseits der staatlichen und privaten Medien Deutschlands, beziehungsweise der sogenannten „westlichen Welt“.

Warum ich das mache?

  • Weil ich Journalistin bin und eine ausgeprägte Meinung zum Schlagwort „objektive Berichterstattung“ habe.
  • Weil ich ein politisch denkender Mensch bin. Ich möchte WISSEN, was passiert – vor allem auch hinter den Kulissen, in den Köpfen und Herzen der Entscheider.
  • Und weil ich erkannt habe, dass nicht alle Menschen gute Menschen sind.
  • Macht ist die stärkste Droge der Welt. Ich möchte ihr etwas entgegen setzen: Klare Werte und ein Plädoyer für die Liebe.

Siehe auch:

Über Kommunikation und die Grenze von Worten

Update und Anschauungsmaterial: Iran baut Uran-Anreicherung aus 

Update: Mind-Control – Vortrag des Psychologen Heiner Gehring

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