Schlagwort: Meinung

FDT: Macht es nochmal Leute, aber bitte macht es NICHT nochmal genau so!

„Entschuldigung, liebe Gesellschafter, dass wir so viele Millionen verbrannt haben. Entschuldigung, liebe Anzeigenkunden, dass wir so kritisch über Eure Unternehmen berichtet haben. Entschuldigung, liebe Pressesprecher, dass wir so oft Euren Formulierungsvorschlägen nicht gefolgt sind. Entschuldigung, liebe Politiker, dass wir Euch so wenig geglaubt haben. Entschuldigung, liebe Kollegen, dass wir Euch so viele Nächte und so viele Wochenenden haben durcharbeiten lassen. Entschuldigung, liebe Leser, dass dies jetzt die letzten Zeilen der FTD sind.

Es tut uns leid. Wir entschuldigen uns vorbehaltlos. Aber: Wenn wir noch einmal von vorn anfangen dürften – wir würden es jederzeit wieder genauso machen.“

So verabschiedete sich die Redaktion der Financial Times Deutschland gestern von ihren Lesern (Text und Bild aus der facebook-Fanseite). Kreativ gestaltete die Redaktion die letzte Erscheinungswoche ihres Blattes – beeindruckend. Bis auf den letzten Satz: Würden sie wirklich wieder alles genauso machen? Ich hoffe nicht.

Ich hoffe, sie werden es wieder machen. Aber eben nicht genauso. Warum nicht in kleinen Teams – ohne Verwaltungs-Überbau, ohne Papier, ohne konventionellen Vertrieb – dafür im Netz? Schnell, effektiv, kreativ und wirkungsvoll? Mit einem sinnvollen Marketing-Konzept, das die Einbindung bezahlter Werbung ebenso wie ein Payment-Stufensystem für den Bezug von Artikeln  durchgerechnet hat und auch entsprechend publik macht?

Warum nicht so, wie ein Internet-User heute sucht? Wir suchen getrennt nach reinen Nachrichten und deren Interpretation, bzw. Kommentierung. Wir wollen die nackte Nachricht erstmal schnell – sie darf formlos sein; sollte aber gute Bilder mitbringen, wenn vorhanden. So wie in twitter, das ist cool.

Aber dann brauchen wir eure ganze geballte Kompetenz: Ordnet die Nachricht in einen Gesamt-Kontext ein – bewertet sie – kommentiert sie – setzt sie in einen Recherche-Rahmen, der uns hilft, als mündige Bürger  durchs Leben zu gehen, obwohl wir die meiste Zeit im Beruf und der Familie mit Alltagsproblemen beschäftigt sind.

Gebt uns die Möglichkeit, kleine Pakete zu kaufen, statt immer jede Menge Themen, die wir gar nicht lesen wollen. Wenn ich ein Paar Schuhe kaufe, muss ich auch kein Abonnement auf den ganzen Schuhladen abschließen!

Lasst uns pro Artikel zahlen – wir wissen doch von unseren Handy-Apps, dass das mit der Kreditkarte ganz einfach auch für Kleinbeträge möglich ist.

Jaja, ich weiß schon, dass dann die Sicherheit der großen Verlagshäuser verloren geht. Aber ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass die auf Dauer zu retten ist?

Wer könnte ein funktionierendes neues System besser implementieren als die Journalisten, Vertriebs- und Marketingfachleute eines Mediums, das auf Wirtschaft und Finanzen spezialisiert ist?

Unternehmt etwas, Freunde!

Rettet eure Zunft und deren Qualitätsarbeit in unser aller digitale Zukunft – wir brauchen sie und wollen sie nicht verlieren!

NS.

Man kann, statt google zu bekämpfen, auch mit ihm zusammenarbeiten. Man kann adsense und adwords nutzen. Man kann ein neues Vertriebssystem bewerben. Man kann sich über die Suchmaschine bekannt machen. Es geht – sobald man aufhört zu glauben,  die Strukturen und das Denken der Verlage in ihrer jetzigen Form seien zukunftsfähig.

Siehe auch:

Niedergang der Printmedien und

Wahrheit duldet keine Kompromisse

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Nachts über den Wolken: Wie Schäuble die Währungsunion retten will

Schäuble EU

Deutschland strebt zur dauerhaften Lösung der Euro-Schuldenkrise rasche Vertragsänderungen in der EU an: Finanzminister Wolfgang Schäuble will dem EU-Währungskommissar mehr Befugnisse geben. Ferner solle das Europäische Parlament durch ein flexibles Stimmrecht gestärkt werden.

Von Natalia Bachmayer, ARD Berlin

Wolfgang Schäuble (Foto: dapd)Wolfgang Schäuble strebt eine grundlegende Reform der EU an.“Die Nacht ist hin!“, stöhnt ein Kollege. Notebooks summen, Köpfe rauchen. Irgendwo über dem Indischen Ozean hat Wolfgang Schäuble spätabends zum Pressegespräch geladen. Und zum Abschluss seiner Asienreise, im höllischen Fluglärm, den mitreisenden Journalisten mal eben erklärt, dass und wie die Bundesregierung Europa umbauen möchte – frei nach dem Motto: „Das können Sie alles senden!“ Der Eine oder Andere glaubt, sich verhört zu haben. Aber es stimmt: Schäuble hat soeben erklärt, dass Ende der Woche, auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs zwei dicke Bretter gebohrt werden könnten.

Brett eins: die Kontrolle der nationalen Haushalte. Eigentlich hat ja die Europäische Kommission schon ein Auge auf die Budgets der Mitgliedsstaaten. Der Ist-Zustand reicht Schäuble aber nicht. Zu viel Palaver in der Europäischen Kommission, bevor mal was passiert – im Brüssel-Sprech: „Abstimmung“ -, zu wenig Druck auf die betroffenen Regierungen und Parlamente. Dann und wann verschickt die Kommission zwar mal einen blauen Brief und empfiehlt, den Haushalt nochmal zu prüfen. Nach einer Schrecksekunde heißt es dann aber oft: Hinlegen, Weiterschlafen…

Währungskommissar soll durchgreifen können

EU-Währungskommissar Olli Rehn (Foto: AFP)EU-Währungskommissar Olli Rehn soll nach den Vorstellungen Schäubles mehr Macht erhalten.Wenn es nach Schäuble geht, kann das Problem nur einer kurieren: der Währungskommissar. Der müsse gestärkt werden –  und Schäuble weiß auch, wie. Wenn es in Zukunft Probleme mit der Haushaltspolitik eines Staates gibt, soll der Währungskommissar schneller und härter intervenieren können als bisher. Budgetplanung problematisch? Zurück ans nationale Parlament damit, Nachsitzen und Wiedervorlage! Defizit nicht im Griff? Okay, dann wird die Lücke eben mit den Subventionszahlungen verrechnet, die das Land erhält.

Über solche Fragen soll der Währungskommissar übrigens allein entscheiden dürfen. Schäuble hat schließlich so seine Erfahrungen mit europäischen Entscheidungsprozessen gemacht und weiß: Wenn’s mal droht richtig wehzutun, ist noch jede unliebsame Maßnahme im großen Kreis wegverhandelt worden.

Nur noch Betroffene sollen abstimmen dürfen

Brett zwei: die Stärkung des Europäischen Parlaments – eine Forderung, die vermutlich so alt ist wie das Parlament selbst und irgendwie nie so richtig gezündet hat. Schäuble plädiert jetzt für einen pragmatischen Ansatz. Warum jeden Antrag, jeden Entwurf in voller Besetzung verhandeln? Also: Abstimmen sollen nur die Abgeordneten, deren Land von dem jeweiligen Vorhaben auch wirklich betroffen ist, alle anderen haben Pause.

Schäuble setzt, verkürzt gesagt, auf das Prinzip „Stärken durch entschlacken.“ Ganz neu sind solche Ideen sicher nicht – aber nun macht sie sich eben der deutsche Finanzminister zu eigen. Und dass auch international jedes von Schäubles Worten genau gewogen wird, hat gerade diese Asienreise hinlänglich bewiesen.

Auf Konfrontationskurs mit dem IWF…

 Schäuble und Lagarde in Tokio (Foto: REUTERS)Nicht immer auf einer Linie: Schäuble und LagardeOb freiwillig oder nicht – der Finanzminister hat seit vergangenem Donnerstag zwischen Tokio, Singapur und Bangkok immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt. Erst der Zwist mit seiner Freundin – „chére Christine“ – Lagarde: Die Chefin des Internationalen Währungsfonds fordert mehr Zeit für Griechenland. Und Schäuble, der seit Wochen genau auf das Gegenteil besteht, hält gebetsmühlenartig dagegen: „Wir warten den Troika-Bericht ab, bevor wir etwas sagen.“

Eine komische Situation: Ausgerechnet er, der als glühendster Europäer in Merkels Kabinett gilt, steht beim Thema Griechenland plötzlich als Bremser da, der zum Jagen getragen werden muss.

… und dann wieder doch nicht

Und dann: zwei Pressekonferenzen später, in Singapur, ein denkbar harmloser Termin der Außenhandelskammer. Und plötzlich, nach einer charmant dahingeperlten Kette von Grundsätzlichem und Altbekanntem, kommt auf Nachfrage in astreinem „Denglisch“ der eine Satz, der wohl so gar nicht fallen sollte, jedenfalls noch nicht: „It will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece.“ – „Einen Staatsbankrott in Griechenland wird es nicht geben.“

Ja, was denn nun? Tonbänder werden vor- und zurückgespult, Notizen verglichen. Es bleibt dabei: Er hat diesen Satz so gesagt, und nun ist er in der Welt. Mögen die geneigten Zuhörer damit anfangen, was sie wollen. Insofern passen auch diese letzten Aussagen – die vom Rückflug aus Asien – ins Bild. Schäuble zeigt eben gerne, dass er nicht nur Bedenkenträger sein will, sondern auch nach vorne denken kann: ein paar Gedanken zur Weiterentwicklung der Europäischen Union, ganz nebenbei eingestreut, bevor die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende der Woche das Thema diskutieren.

Auf einer Linie mit Merkel?

Die Journalisten an Bord können es immer noch nicht ganz glauben: Ist das auch mit der Chefin abgesprochen? Schäuble wedelt beruhigend mit der Hand: „Die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister sind immer auf einer Linie.“ Fragt sich, wer auf dieser Linie an welchem Punkt steht. Die Interpretation hat Schäuble selbst vielleicht an einem anderen Punkt geliefert. Als es um die Rollenteilung zwischen der Kanzlerin und ihm geht, überlegt er kurz und liefert dann folgende Erklärung:  „Die Kanzlerin ist nur ein bisschen vorsichtiger als ich. Und deswegen noch ein bisschen erfolgreicher.“

Entnommen: Tagesschau.de vom 16.10.2012       Siehe auch: So groß ist die Angst vor der Spanien-Hilfe