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Abschied von einem Narzissten: Sei frei mein Herz – und lebe wohl …

Jahre nach dem Überleben eines narzisstischen Missbrauchs, nach einer Therapie und der Unterstützung von Selbsthilfegruppen hat eine Frau erkannt, dass es ihre eigenen Verletzungen aus der Kindheit sind, die sie einen narzisstischen Mann mehr lieben ließen als sich selbst. Verletzungen, die sie mit der Hilfe geschulter Menschen zwar versorgen, aber nicht heilen kann. Sie hat deshalb eine Entscheidung getroffen. Sie wird nicht weiter versuchen, diese Liebe in sich zu töten. Sie kann es nicht. Aber sie kann IHN in Liebe gehen lassen. So schreibt sie ihm einen letzten Brief.

Mein Kopf weiß genau, was für ein Glück es für mich ist, dass du dich nicht mehr meldest.  Dass ich für dich tot bin.

„Eigentlich“, so hatte ich gesagt, „müsste ich dich bekämpfen. Aber ich kann nicht, denn ich liebe dich zu sehr.“ Beim Wort „bekämpfen“ setzte deine Wahrnehmung aus und dein „Raketenprogramm“ schaltete sich ein: “Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“, heißt es. „Und wer gegen mich ist, ist tot“.

Frauen gehören nicht in die Wirtschaft, sagtest du, sondern ins Haus. Weil die Natur die Rollen so vorgibt: Wäre eine Beziehung ein Körper, so wäre der Mann der Kopf, die Arme, die Beine und die Haut; die Frau dagegen das Herz, das alles mit Leben erfüllt. Ein Mann wirkt nach außen: kämpft, verteidigt, versorgt, beschützt. Eine Frau wirkt nach innen: behütet, nährt, wärmt und fühlt mit. Bricht eine Frau mit dieser Regel und will Karriere machen, muss sie scheitern, sagtest du. Das ist dann ihre eigene Schuld. Weil eine Frau das Herz ist und der Mann der Verstand, so sagtest du, muss es der Mann sein, der in einer Beziehung das letzte Wort hat. Er entscheidet im Zweifelsfall auch gegen die Frau, denn, so sagtest du, er hat eine Fürsorgepflicht.

Wie schön das klingt beim ersten Hören. Wie verlockend, von einem Mann beschützt, verteidigt und versorgt zu sein – wie einladend, Frau sein zu dürfen in einem kuscheligen Nest, in das der Herr des Hauses heimkehrt zu seinem Herzen… Und wie tückisch es in Wahrheit doch ist: Diese Einstellung legt die Rollen klar fest. Die Frau ist dem Manne untertan – steht auch so in der Bibel, wie du nicht ohne Feixen feststelltest. Das bedeutet: Der Mann erwartet nicht nur uneingeschränkte Loyalität, sondern auch Gehorsam. Bekommt er den nicht, hat er  jedes Recht, nach Gusto zu strafen oder gleich kommentarlos zu gehen.

Wie oft habe ich versucht, dir zu zeigen, dass Frauen genauso klug sind wie Männer – nicht selten klüger. Dass sie aus eigener Kraft leben können – und dass nicht jede kinderlose Frau dies aus freien Stücken ist. Natürlich schätzt du kluge Frauen. Nur sie können, findest du, dein Denken nachvollziehen und dich deinem Wert entsprechend würdigen. Auch gegen Augenhöhe hast du nichts einzuwenden – solange klar ist, wer die letzte Entscheidung trifft. Gleichwertig ja – sagtest du. Gleichberechtigt nicht.

Über die Konsequenzen dieses Denkens musste ich auch manchmal lachen. Wie an dem Tag, an dem du von einem Meeting im Konferenzsaal eines großen Hotels zurück kamst. Du hattest den Raum gemietet. Als du ihn vor dem Treffen besichtigen wolltest, so deine zutiefst empörte Schilderung, fandest du doch tatsäch zwei EMANZEN vor, die den Saal für sich beanspruchten! Ich war amüsiert, wollte wissen, wie diese Emanzen denn ausgesehen und sich verhalten hätten. „Wie EMANZEN eben,“ war deine karge, wütende Antwort.  „Und was hast du dann unternommen?“ fragte ich. „Ich bin SOFORT gegangen und habe den Hotelmanager rufen lassen. Der hat die Lage geklärt. Ich setze mich doch nicht mit EMANZEN auseinander!“

Noch oft habe ich über diesen kleinen Vorfall nachgedacht. Dein komplettes Arbeitsumfeld besteht aus Männern; Frauen kommen nicht vor. Und das, obwohl dich die Männer, denen du wirklich Vertrauen schenktest, immer wieder bitterlich enttäuschten. Wie oft habe ich darüber gestaunt, dass ein so kluger Mann wie du so wenig Menschenkenntnis hat…  Liegt es an deiner Eitelkeit? Oder an mangelnder Empathiefähigkeit? Du liebst Komplimente und Männer, die sich deinen Zielen anschließen. Selbstverständlich erwartest du auch hier Unterordnung. Und fällst dann aus allen Wolken, wenn deine Weggefährten ihren Anteil wollen – am Ertrag und an den Entscheidungen.

Wortgewaltig kannst du sein. Mitreißend ist deine Kreativität, faszinierend deine Fähigkeit, vernetzt zu denken. Wenn du einen Erfolg erzielst, bist du wie berauscht von dir, freust dich wie ein Kind. Dann erfasste mich Zärtlichkeit, heiße Zuneigung und der Wunsch, dich in die Arme zu schließen. Ich liebe es, wenn sich Distelfinken in die Brust werfen und aus voller Kehle singen… Wenn ich dir das sagte, reagiertest du jedesmal irritiert. Die Anerkennung konntest du genießen. Aber meine Zärtlichkeit machte dir Angst.

Ja, die Sache mit der Angst. Nie im Leben hättest du zugegeben, wie sehr sie dein Verhalten steuert.  Aber es gab diese Tage, an denen dich Zweifel packten. Zu den  wenigen ehrlichen Einblicken in dein Herz gehörte, dass du von deiner Angst vor dem Teufel sprachst und davor, dass er sich deiner bemächtigen könnte. Dann beeiltest du dich, Pläne zu machen zum Vorteil aller und zugunsten einer besseren Welt.

Ehrlich warst auch, als du mich beraten hast, wie man Kante zeigt gegenüber Menschen, die man verlassen will. Wie man so ein Ende herbei führt und es dann durchhält. Wie man den Anderen ignoriert, wie man all diese kleinen Hässlichkeiten zusammenstellt, die das Gegenüber demütigen, verletzen, im Regen stehen lassen. Als ich das schließlich nicht konnte, fiel dein Urteil vernichtend aus: „Du verfranst dich in einer Welt von sinnlosen Gefühlen. Du lässt zu, dass Andere von dir zehren und dich mit sich in den Abgrund ziehen. Du bist schwach und deshalb wirst du scheitern – deine eigene Schuld“.

Ja, die Sache mit der Schuld. Wenn etwas schiefgeht, muss jemand schuld sein. Und das bist jedenfalls nicht du. So war das auch, wenn wir stritten und du danach immer wieder für lange Zeit abgetaucht bist. Schuld daran war ich, weil ich Dinge ansprach, über die du nicht reden wolltest. Meine Versuche, auch gegensätzliche Meinungen zu diskutieren ohne dabei gleich die ganze Beziehung in Frage zu stellen, prallten ergebnislos an dir ab.

Alles habe ich dir geglaubt in den ersten Jahren. Aber irgendwann war es beim besten Willen nicht mehr zu übersehen. Deine Versprechen, gegeben, um Ruhe zu haben, aber ohne Absicht, sie jemals einzuhalten, haben Ströme von Tränen bei mir ausgelöst. Wie gewandt du mir das Wort im Wunde umdrehtest! Nicht doch; alles habe ich falsch verstanden, so hattest du es nie gesagt. Das war manchmal, als würde jemand  behaupten, der Himmel sei rot – und darauf bestehen, auch wenn der Rest der Menschheit eine andere Farbe sieht. Sogar vor dem platonschen Höhlengleichnis machtest du nicht halt, um zu untermauern, dass du als Einziger Recht hast. Niemals hat ein Mensch derart versucht, meine Wahrnehmung zu manipulieren. Ich bemerkte es, staunte über die Unverfrorenheit, dachte monatelang darüber nach, warum du sowas machst und kam doch nicht auf den einfachsten aller Gründe.

„Wenn es etwas gibt, wonach ich süchtig bin, so ist es Macht“, hast du mir gesagt. Ich hörte es und verstand doch nicht, wie sehr sich das auch auf mich bezog. Macht über mich zu haben war deine Motivation, sich mit mir auseinander zu setzen. Ich träumte von Liebe, von der perfekten Beziehung, vom Einssein mit einem Menschen, der mir näher schien als alle Menschen jemals zuvor. Du spieltest mit der Macht – hast unsere gemeinsame Zeit willkürlich mit frei erfundenen Gründen eingeschränkt, schließlich gegen Null geführt. Je mehr mir das klar wurde, und je mehr du sahst, dass ich  die Zusammenhänge erkannte, desto  weniger hatten  wir eine Chance auf Nähe.

Überhaupt Nähe: „Ich habe so viele Deckel auf schwarze Löcher zementiert. Würde ich diese Nähe zulassen, würden die Löcher aufbrechen und mich verschlucken“ sagtest du in einem der seltenen offenen Gespräche. „Das werde ich niemals zulassen.“ Ich hörte es und wollte es nicht glauben. Ein so kluger Mann, der so stolz ist auf seine Stärke, seinen analytischen Geist und seinen Erfolg läuft weg vor den Verletzungen seiner Vergangenheit? „Und wenn es niemand auf der Welt fertig brächte: Dir traue ich zu, dass du es schaffst. Du kannst das“, antwortete ich – und erntete Schweigen.

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So kam, was kommen musste. Ich erkannte das ganze Gebäude von Manipulation und Lüge. Und doch sah mein Herz hinter dem ganzen Ballast ein Leuchten in dir. Ich kämpfte um dich, wollte das Leuchten befreien aus den Klauen der Angst, wollte dich, und damit UNS retten. Wenn wir es schaffen, die Abgründe zu überwinden, das wusste ich, wären wir fähig, DIE Beziehung zu führen, diese einzige Beziehung, die man nur einmal in vielen hundert Leben findet. Alles war ich bereit, dafür aufzugeben – sogar meine Autarkie. Nur mein freies Denken nicht – das kann keine Macht der Erde stoppen.

Es war zu wenig für dich. Oder anders gesagt: Deine Angst war zu groß. Fast wäre ich gestorben an dir, so sehr schmerzte es und schmerzt noch immer. Bis heute ist meine Seele nicht bereit, aufzuhören, dich zu lieben. So musste ich mir schliesslich eine bittere Wahrheit eingestehen: Das narzisstische System funktioniert; jedenfalls für den Narzissten. Indem er verdrängt, was ihn verletzt hat und sich selbst auf den höchsten erreichbaren Sockel stellt, kann er sich erfolgreich vormachen, stark zu sein und alle Probleme völlig aus eigener Kraft zu lösen.

„Mach es wie ich: Der wichtigste Mensch in meinem Leben bin ich selbst“ hast du mir oft geraten. Tja, leider kann ich das nicht. Der wichtigste Mensch in meinem Leben warst und bist du.

So musste mein Kopf die Entscheidung treffen. Er hat beschlossen, dir das größte Geschenk zu machen, das ich dir machen kann: Ich schaffe es nicht, völlig von dir heil zu werden. Meine Liebe bleibt. Aber sie wird nicht mehr versuchen, um deine Nähe zu kämpfen. Ich lasse dich los.

Sei frei mein Herz. Lebe wohl.

Siehe auch: 

Herz ich verlasse dich

Der Mann meines Lebens ist Narzisst

Nie wieder verletzt werden: Ein Blick ins Herz eines Narzissten

Partnerschaft mit einem Narzissten: Wie er und wie sie die Beziehung erleben

Ein gebrochenes Herz wird andere Herzen brechen – es kann nicht anders

Ich kann’s nicht ertragen, nochmal zu versagen

Nur Anerkennung kann den Selbsthass dämpfen

Wenn ein Herz bricht

Krankhaftes Lügen: Ursachen und Symtpome

Es „menschelt“ im Netz: Zur Nutzung von Facebook und anderer social Media

Übernommen von beyond-print.de

70 Prozent der Onliner in Deutschland nutzen Social Media-Angebote – im Vergleich zu 2011 ein Zuwachs um sechs Prozentpunkte. Wer über ein großes Einkommen verfügt, besucht deutlich mehr Kanäle als Geringverdiener. So sind 64 Prozent der User mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro in Foren unterwegs. Von denen mit unter 1.000 Euro sind es gerade mal 50 Prozent. Das sind Ergebnisse des „Social Media-Atlas 2012″ vom IMWF – Institut für Management- und Wirtschaftsforschung, der Beratungsgesellschaft Faktenkontor und dem Marktforschungsdienstleister Toluna.

Die Studie zeigt unter anderem, über welche Themen sich die Deutschen auf den Online-Kanälen informieren, ob sie Aktivitäten von Unternehmen wahrnehmen und wie sich die Nutzung in den einzelnen Bundesländern unterscheidet. Zwischen den deutschen Bundesländern gibt es deutliche Nutzungsunterschiede. Der Social Media-Spitzenreiter ist in diesem Jahr Hessen: 74 Prozent der Onliner aus dem Bundesland sind im Social Web unterwegs. Im vergangenen Jahr führte Rheinland-Pfalz noch mit 73 Prozent die Tabelle an, belegt aber in 2012 nur noch Platz sieben. Auf den Plätzen zwei und drei der Social Media-affinsten Bundesländer schaffen es Niedersachsen und Bremen. Die rote Laterne geht in diesem Jahr wie schon in 2011 an Mecklenburg-Vorpommern. Mit 58 Prozent Social Media-Nutzern (52 Prozent im vergangenen Jahr) bildet das Bundesland das Schlusslicht im Social Media-Ranking.

YouTube in der Nutzergunst erneut auf dem ersten Platz
Das von den meisten Deutschen genutzte Angebot ist Facebook. 89 Prozent der Social Media-Nutzer sind auf dem Social Network unterwegs. Die von den Nutzern am besten bewertete Plattform ist allerdings eine andere. Hier hat – genau wie im vergangenen Jahr – YouTube die Nase vorn. 72 Prozent der User bewerten das Video-Portal mit „gut“ oder „sehr gut“. Zufrieden sind sie vor allem mit der Suchfunktion und der Übersichtlichkeit der Seite. Kleiner Wermutstropfen: 2011 lag YouTube noch bei 77 Prozent der Befragten vorn. Facebook schafft es in der Gunst der Nutzer auf den zweiten Platz. 65 Prozent der User bewerten das Social Network mit mindestens „gut“. An dritter Stelle folgt Google+ (60 Prozent zufriedene Nutzer), das zum ersten Mal in die Bewertung einfließt und das Business-Netzwerk Xing (55 Prozent) vom Treppchen stößt. Auffällig ist, dass die User viele Angebote schlechter bewerten als noch in 2011.

Austausch: Private Themen hoch im Kurs
Nach den konkreten Nutzungsgewohnheiten gefragt, zeigt sich, dass die private Kommunikation an erster Stelle steht. So tauschen sich 62 Prozent der Facebook-Nutzer über Persönliches aus, vereinbaren Treffen mit Freunden oder Bekannten und schicken sich gegenseitig Fotos zu. Jeder vierte Facebook-Nutzer unterhält sich mit anderen Usern über berufliche Themen (25 Prozent). Wirtschaftliche oder gesundheitliche Themen diskutiert noch nicht einmal jeder Zehnte (19 beziehungsweise 18 Prozent) in dem Social Network.

Vertrauen in Meldungen aus dem Social Media-Netzwerk gesunken
Den Meldungen kommerzieller Anbieter stehen die Social Media-Nutzer skeptischer gegenüber als noch in 2011. Im vergangenen Jahr gaben 42 Prozent der Befragten an, hohes Vertrauen in Meldungen von Unternehmen und Institutionen zu haben. In diesem Jahr sind es nur noch 35 Prozent. Tendenziell größeres Vertrauen in die Beiträge kommerzieller Anbieter haben dabei noch die Einwohner aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (45, 43 und 42 Prozent).In ähnlichem Verhältnis ist auch das Vertrauen in Informationen gesunken, die von persönlichen Social Media-Kontakten stammen: In 2011 äußerten 67 Prozent großes Vertrauen, in 2011 sind es nur noch 59 Prozent.

Unternehmen fallen im Social Web kaum auf
Der Social Media-Atlas 2012 fragte dieses Jahr außerdem erstmals ab, inwiefern die User die Aktivitäten von Unternehmen einzelner Branchen überhaupt wahrnehmen. Banken und Versicherungen treten demnach bei ihren Kunden kaum in Erscheinung. Nur 13 Prozent der Befragten geben an, dass sie in den vergangenen sechs Monaten Social Media-Aktivitäten von Instituten aus der Bank- oder Versicherungsbranche wahrnahmen. Im Gesundheitssektor sind es sogar nur neun Prozent.

Mehr Informationen zur Studie gibt es bei Fakten Kontor.

Siehe auch Info-Grafik: Facebook-Freundschaften weltweit 

Die Entwicklung des Internet in den letzten zehn Jahren

und: „Euer Internet ist nur geborgt“

Update: Iran will sein eigenes Internet

Update: Das Netz vergisst doch 

 

 

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Wem gehört die Welt: Der Kommunikationsindustrie oder dem Geld ?

Viel diskutiert wird in diesen Tagen über den Währungskrieg zwischen Europa, den USA und den Ländern Asiens – über Weltwährung, Goldstandard und Schuldenkrise. Daneben hat sich eine Macht etabliert, die ebenfalls bestimmen kann ob Kriege gewonnen oder verloren werden: Die Herren des Internets kontrollieren die weltweite Kommunikation. Klar geht es dabei auch um Geld: Wer seine Kunden kennt, kann ihnen passende Angebote unterbreiten und guten Umsatz machen.  Aber viel gefährlicher ist die Fähigkeit der Internet-Riesen, die Netzkommunikation zu steuern und bei Bedarf zu unterbinden.  Götz Hamann und Marcus Rohwetter von der ZEIT haben in einer ausführlichen Analyse untersucht, wie weit diese Macht heute schon reicht.

„Die Antworten sind beängstigend: Alles sei bloß »ein Test«. Oder: »Statistik.That’s all.« So fertigen sonst Herrscher ihre aufgeregten Untertanen ab: Macht euch keine Sorgen. Ihr braucht nichts zu wissen. Wer fragt, der stört.

Genau dann aber muss man sich Sorgen machen. Große Sorgen.

Ein Test. Statistik. Das waren Reaktionen eines Mitarbeiters von Facebook gegenüber kritischen Mitgliedern des Sozialen Netzwerks. »Blockwart 2.0« und »stasimäßig, das Ganze« hatten sie geschimpft, weil Facebook sie über ihre Bekannten ausfragte. Den Computersystemen von Facebook waren zuvor nämlich etliche Nutzer aufgefallen, die anscheinend Pseudonyme statt ihrer richtigen Namen verwendeten. Nun entspricht es aber nicht der Geschäftsphilosophie des Hauses, dass seine Mitglieder Geheimnisse haben. Also ließ Facebook vor wenigen Wochen seine Software den Bekanntenkreis der Verdächtigen ausfindig machen und dort nachfragen: »Ist dies der wahre Name deines Freundes?«

Ein Test? Was für ein Test? Ob Menschen bereitwillig ihre Freunde verraten, wenn eine Software sie dazu auffordert?

Facebooks Schnüffelei ist nur ein Fall von vielen, in denen führende Konzerne den Internetnutzern mit fragwürdigen Methoden ihre Regeln aufzwingen. Etwa zeitgleich verweigerte Apple die Freigabe für ein satirisches Spiel, das Frederic Jacobs aus San Francisco für das iPhone programmiert hat. Es heißt Angry Syrians und kritisiert in bunter Comic-Optik das brutale Regime von Präsident Baschar al-Assad. Warum es bei Apple nicht erscheinen durfte? Weil es angeblich »diffamierend oder beleidigend« gewesen sei, berichtet der Programmierer.

Apple unterdrückt eine politische Meinungsäußerung. Wie oft wohl noch?

Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?

Oder Googlefiltert die Ergebnisse seiner Suchmaschine weltweit mal nach politischen Vorgaben, mal nach unterstellten persönlichen Interessen der Nutzer. Jedenfalls nicht immer so neutral, wie es das schlichte Weiß der Internetseite suggeriert.

Was passiert hier?

Das Internet war mal ein Ort der Freiheit. Wo man unbekannte Welten entdecken und sich dabei auch schon mal verlaufen konnte. Ein Ort, anarchisch zwar und wild. Aber frei.

Heute gibt es Apple, Facebook, Google und Amazon. Vier amerikanische Konzerne beherrschen das Internet und zählen zusammen einen signifikanten Anteil der Weltbevölkerung zu ihren Kunden. Sie vereinen rund 80 Prozent des grenzüberschreitenden Datenverkehrs auf sich. 40 Prozent der Zeit, die Menschen online verbringen, vereinen die Seiten der großen vier auf sich. Facebook hat zehnmal mehr Nutzer als Deutschland Einwohner. Google beantwortet eine Milliarde Suchanfragen pro Tag.

Die vier Konzerne definieren das Netz, überziehen es mit Weltanschauungen, Moralvorstellungen, Ideen von Gut und Böse. Sie haben eine digitale Welt geschaffen, die mehr an ein autoritäres Disneyland erinnert als an einen wilden Dschungel. Teils aus eigenem Antrieb, teils von Regierungen dazu gezwungen, schaffen sie Fakten und setzen Regeln, die für alle gelten sollen. So werden sie immer wieder zu potenten Zensurmaschinen, zu Gedankenwächtern der Gegenwart. Zu Instrumenten der Lenkung.

Und die Gelenkten?

Während sich die Mitglieder der 68er-Generation noch empörten und aufstanden gegen die Macht von Konzernen und Staaten, verpufft der Widerstand der Netzgemeinde wie der gegen Facebooks Namens-Schnüffelei nach wenigen Tagen. So stark ein Shitstorm, ein kollektiver Wutausbruch also, auch sein kann – so schnell ist er oft wieder vorbei. Der großen Mehrheit der digital natives und digital immigrants geht schnell die Puste aus, oder sie bleibt gleich ruhig. »Die Leute wollen das nächste Ding«, sagte Apple-Chef Tim Cook vor ein paar Tagen lapidar. Steckt darin mehr als nur eine Aussage über Absatzchancen? Wollen die Leute wirklich nur das nächste Ding? Mehr nicht?

Klar, es gibt die Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation, politische Diskussionsplattformen wie netzpolitik.org, die Hacker vom Chaos Computer Club und die Datenschützer von FoeBuD. Sie alle treten für Freiheit und Transparenz ein. Aber offenbar sind sie eine Ausnahme.

Die digitalen Herren und Damen, die von der bedenkenlosen Freizügigkeit ihrer Nutzer profitieren und Daten anderer an sich reißen, bleiben selbst verschlossen. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International führt sie als Schlusslichter unter den 105 größten börsennotierten Konzernen der Welt, wenn es um grundsätzliche Offenheit und Engagement in der Korruptionsbekämpfung geht. Apple belegt dabei Platz 91 und Google Platz 95. Amazon rangiert auf Platz 99 und damit hinter dem notorisch politiknahen russischen Energiekonzern Gazprom. Facebook war noch nicht an der Börse, als die Liste erstellt wurde.

Den Eindruck, klandestine Organisationen zu sein, nähren sie selbst. Google hat immerhin eine Reihe von Fragen beantwortet, vor allem zu seinem Suchalgorithmus. Apple aber hat einen Gesprächswunsch der ZEIT komplett abgelehnt. Amazon wollte ausgewählte Fragen konkret beantworten, tat es dann aber nicht. Facebook will sich nicht offiziell äußern.

Schade, dass es so gekommen ist. Man muss sich bloß einmal zurückbesinnen. Vor rund 2.000 Jahren enthielt die Bibliothek von Alexandria das Wissen der damaligen Welt. Pergamente, Papyri, Tontafeln – in der ägyptischen Hafenstadt lagerten davon mehr als an jedem anderen Ort in der Antike, und damals hatten nur sehr wenige Menschen Zugang zu dem dort vorhandenen Wissen.

Google & Co. dagegen verschafften vor zehn Jahren einem Großteil der Menschheit den Zugang zum Wissen der Welt. Man brauchte nur einen Computer, um in einer großen digitalen Bibliothek herumzuschlendern, sich zu verlieren, zu staunen angesichts der Informationen, der Genies, all der Werke. Jahr für Jahr bauten Google & Co. einen Flügel nach dem anderen an die Bibliothek der Welt an. Doch inzwischen erweisen sich die Erbauer zunehmend als moralisch verkniffene Bibliothekare, die ihre Regale vor jenen bewachen, die darin stöbern wollen.

Apple tut das am deutlichsten. Der Konzern ersetzt bisweilen heimlich Musikstücke mancher Nutzer: Enthalten die Liedtexte vermeintlich anstößige Worte wie motherfucking, kann es sein, dass sie durch Versionen desselben Liedes ersetzt werden, in denen solche Passagen nicht auftauchen.

Eine nackte weibliche Brust auf dem Handybildschirm durfte es bei Apple nicht mal als Gemälde geben. Dabei zeigte das betroffene Handyprogramm bloß ein Aktbild des deutschen Expressionisten Max Beckmann – und warb ansonsten für die Ausstellung Frauen in der Münchner Pinakothek der Moderne.

Welche Inhalte filtert Apple, welche nicht? Und warum? Franz Kafka schilderte in seinem Prozess, wie ein einzelner Mensch versuchte, sich in einem vernebelten System willkürlicher und selbstreferenzieller Regeln zurechtzufinden. Im Fall von Apple sind es Millionen von Menschen.

Qualität allein kann für Apple jedenfalls kein Kriterium sein. Der App Store enthält mehr als eine halbe Million kleiner Programme, inklusive sehr vielen nutzlosen Zeugs.

In die Kategorie wäre wohl auch das Spiel Phonestory gefallen, wenn es im vergangenen Herbst nicht einen Rauswurf durch Apple provoziert hätte. Im Spiel geht es um Produktionsmethoden für Mobiltelefone. So sollen Phonestory-Spieler arbeitende Kinder bewachen, die in einer Grube in Afrika die seltenen Rohstoffe für moderne Smartphones schürfen. In einem anderen Level gilt es, mit einem Sprungtuch Arbeiter aufzufangen, die sich vom Dach einer Handyfabrik stürzen wollen. Da dürfte es die Botschaft gewesen sein, die Apple erzürnte. Denn Apple sah sich zu dieser Zeit ebenjenen Vorwürfen von Kinderarbeit und Selbstmorden von Fabrikarbeitern in China ausgesetzt – ganz real.

Apple gibt dazu keine Auskunft.

Bei dem Sozialen Netzwerkdienst Facebook geht die Sache noch weiter: Der Konzern überwacht sogar Konversationen seiner Mitglieder, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Dabei geht es dem Unternehmen eigentlich um ein nobles Ansinnen: Facebook will verhindern, dass sich Erwachsene aus sexuellen Motiven an Minderjährige heranschleichen. Doch ist deswegen eine prophylaktische maschinelle Überwachung aller Nutzer gerechtfertigt?

Facebook möchte sich zu dem Thema nicht offiziell äußern.

Die Frage zu beantworten ist auch außerordentlich schwierig. Die Menschen haben das schon oft versucht, in vielen Ländern und zu vielen Anlässen.

Das Recht der großen Mehrheit, in Ruhe gelassen zu werden, steht dem Recht Einzelner auf körperliche und seelische Unversehrtheit entgegen. Das eine Extrem nimmt einzelne grausame Folgen in Kauf. Das andere bedeutet die Aufgabe der allgemeinen Freiheit zugunsten der Sicherheit.

Üblicherweise haben Staaten eine Antwort auf diese Frage im Rahmen eines demokratischen Prozesses gefunden. Nach einem Diskurs entscheiden Gesellschaften, wie sie das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit austarieren wollen. Deswegen muss hierzulande ein Gericht entscheiden, bevor Telefongespräche abgehört oder Wohnungen durchsucht werden dürfen.

Den Diskurs führen Facebook & Co. kaum.

Die Geschäftsbedingungen der Netzkonzerne haben mittlerweile die Kraft von Gesetzen, Mitspracherechte sind weitgehend ausgeschlossen. Es herrschen Angebot und Nachfrage, Wahlen werden abgelöst durch Konsumentscheidungen.

Deutsche Nutzer von Facebook lassen sich beispielsweise vorschreiben, dass Männer in dem Sozialen Netzwerk ihre Brust zeigen dürfen, Frauen aber nicht. Hier stülpt ein amerikanisches Unternehmen seine neopuritanischen Moralvorstellungen über den Rest der Welt. Abseits von Brustwarzen ist ziemlich viel möglich. Auch das Bild eines Mannes, vor dem eine gefesselte Frau im Brautkleid liegt. Er stellt einen Fuß auf ihren Rücken und schwenkt in der Hand ein Gewehr.

Zu Moralfragen gibt Facebook keine Auskunft, sondern verweist auf die »Standards der Facebook-Gemeinschaft«. Als ob eine Gemeinschaft irgendwelche Standards erarbeitet hätte!

Oder ist das wieder nur ein Test?

Internetsurfer nehmen heute, teils freiwillig, teils ohne es zu ahnen, an einer Reihe von gigantischen Experimenten teil. Dabei geht es stets um Daten und darum, was sich alles mit ihnen anstellen lässt.

Wohl keine Netzfirma hat stärker mit seinen Nutzern experimentiert als Google. Das größte Experiment dieser Art begann am 4. Dezember 2009 – und es läuft bis heute. Google kündigte damals die personalisierte Suche für jedermann an, weil sie bessere und genauere Ergebnisse liefere. Suchergebnisse werden seither individuell auf Nutzer zugeschnitten, anfangs nach 57 Kriterien, heute sind es weitaus mehr. Nicht alle kann der Suchende einsehen, verändern oder gar ausschalten. So wird der Weltausschnitt, den Google seinen Nutzern präsentiert, persönlicher. Und zugleich enger.

Das weiß aber so genau kaum ein Nutzer, und deshalb ist es ein Problem.

Heute bestimmen Algorithmen zunehmend, welche Informationen die Nutzer erreichen. Die Welt wird vorsortiert, nach dem scheinbar unbestechlichen und neutralen Ansatz mathematischer Präzision. Nur objektiv ist das nicht, und deshalb sollte jeder die Möglichkeit besitzen, seine Daten einzusehen, zu verstehen, wie ihm die Sicht auf die Welt aufbereitet wird, welches Rating ihm der Computer verpasst – und warum.

Ein Algorithmus kann eine Waffe sein

Doch Google hütet seinen Algorithmus wie einen Schatz. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, jede Firma darf ihr betriebswirtschaftliches Vermögen schützen. Auch Coca-Cola hält das Rezept seiner Limonade geheim.

Aber ein Algorithmus, der Leben und Meinungen von Millionen beeinflusst, ist eben keine braune Brause. Er kann eine Waffe sein.

Seine zerstörerische Kraft wird langsam sichtbar – auch wenn es zunächst nur um den Kampf gegen Konkurrenten geht. Wettbewerbsbehörden in Indien, Argentinien und Südkorea gehen gegen den Konzern vor. Nach langen Ermittlungen droht der europäische Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, ein Statement of Objections zu erlassen. Es wäre der letzte formale Schritt vor einem Bußgeld. Google hat der EU zufolge seine beherrschende Stellung ausgenutzt – und verhandelt jetzt zähneknirschend.

Googles Strategie trifft keinesfalls nur Unternehmen. Als der Konzern vor einigen Jahren seinen Atlas Street View erstellte, sammelte er illegal Nutzerdaten privater Funknetze. Es folgten zahlreiche Ermittlungen, und Google sollte diese Daten löschen. Nun aber räumt Google gegenüber der nationalen Datenschutzbehörde in Großbritannien ein, noch immer »eine kleine Menge« dieser Daten zu besitzen. Aber was heißt schon klein?

Konzerne sollen sich ja an Recht und Gesetz halten. Doch während Google in Demokratien westlicher Prägung schon mal Gesetze übertritt, gibt es in Diktaturen und anderen autoritären Staaten absurden Forderungen nach. Man muss den Konzernlenkern dabei fairerweise einiges zugutehalten: In Ländern, in denen die persönliche Sicherheit von Nutzern gefährdet ist, bieten sie Dienste wie Google Mail gar nicht erst an, um autoritären Regimes keine privaten Daten übermitteln zu müssen. Zudem teilt der Internetkonzern offen mit, wo er zensiert und von Staaten unter Druck gesetzt wird.

Und doch: In China unterdrückt Google viele Millionen Internetseiten, in denen es etwa um Falun Gong geht, eine von der Regierung verbotene und verfolgte religiöse Bewegung.

In Thailand wurden Videos auf dem zu Google gehörenden Video-Portal YouTube gelöscht, weil sie angeblich den thailändischen König schmähten.

In der Türkei wurden mehrere Videos gesperrt, die sich gegen den Staatsgründer Atatürk wandten.

Brasilien ließ vier Konten im zu Google gehörenden Sozialen Netzwerk namens Orkut sperren. Es waren Konten politischer Aktivisten. Google teilt mit, einen Gerichtsbeschluss befolgt zu haben.

Indische Behörden verlangten, dass Google mehrere Videos von Demonstrationen und sozialen Unruhen löscht. Zumindest in einigen Fällen gab der Konzern nach.

Die Fälle wecken Begehrlichkeiten. Auch Politiker und Behörden in Europa oder Nordamerika versuchen, mithilfe von Google die Freiheitsrechte einzelner Bürger einzuschränken.

In Deutschland hat Google – nach einem Gerichtsurteil – 898 Hinweise auf Interneteinträge in Foren und Blogs unterdrückt, die deutsche Behörden und ihre Mitarbeiter betreffen. Worum es dabei ging, ist bis heute unbekannt.

Andere Forderungen gingen in dieselbe Richtung, wurden von Google aber abgewehrt: So wollte die amerikanische Polizei Videos löschen lassen, auf denen zu sehen ist, dass Beamte brutal gegen Demonstranten vorgehen.

Eine italienische Polizeibehörde wollte ein Video löschen lassen, in dem der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi kritisiert wird.

Kanadische Behörden wollten ein Video löschen lassen, in dem ein Bürger auf seinen kanadischen Pass pinkelt.

Man kann über jeden einzelnen dieser Fälle streiten. Fest steht jedoch, dass Internetkonzerne eine hohe Relevanz bei der öffentlichen Meinungsbildung besitzen.

Auch Amazon belegte das schon eindrucksvoll – in einer Affäre von globaler sicherheitspolitischer Relevanz, die in den USA eine diplomatische Krise auslöste: im Fall WikiLeaks, den Außenministerin Hillary Clinton als »Angriff auf die internationale Gemeinschaft« bezeichnete.

Wurde Amazon zum Gehilfen der amerikanischen Regierung?

WikiLeaks wurde 2010 bekannt, nachdem es zahlreiche geheime Dokumente von US-Diplomaten auf der ganzen Welt veröffentlicht hatte. Und WikiLeaks speicherte unter anderem Daten bei Amazon Web Services, einem vergleichsweise neuen Dienst des ehemaligen Online-Buchhändlers, der heute auch Rechenleistung und Speicherplätze im Netz vermietet.

Als Amazon bald darauf seine Geschäftsbeziehungen zu WikiLeaks beendete, war die Frage: Kuschte ein US-Konzern, weil der Staat es wollte? Wurde Amazon zum Gehilfen der Regierung gegen jene Leute, von denen sie bloßgestellt wurde?

Amazon bestritt damals, von der Regierung unter Druck gesetzt worden zu sein. Vielmehr habe WikiLeaks die Geschäftsbedingungen missachtet, denen zufolge Mieter von Rechnerkapazitäten unter anderem die Rechte an dem gespeicherten Material besitzen müssen – was bei geheimen Depeschen natürlich unmöglich war.

Der US-Senator Joseph Lieberman sprach wegen WikiLeaks bald eine deutliche Warnung aus. »Ich wünschte, Amazon hätte das früher getan«, sagte der Politiker, der damals dem einflussreichen Ausschuss für Heimatschutz vorsaß. »Ich werde Amazon über den Umfang seiner Beziehungen zu WikiLeaks befragen und dazu, was sie und andere Internetdienstleister tun wollen, um künftig sicherzustellen, dass sie nicht dazu benutzt werden, um gestohlene und klassifizierte Informationen zu verbreiten.«

Spätestens an diesem Tag wurde klar, was führende US-Politiker von amerikanischen Internetunternehmen erwarten.

Plötzlich steht die Welt nicht nur vor der Frage, was Technik kann. Sondern auch, wie diese Technik gesteuert wird. Von wem. Aus welchen Motiven. Mit welcher Legitimation. Und mit welchen Folgen.

Auf einmal scheinen Gedankenspiele nah zu sein. Dass kritische Informationen einfach nicht mehr auffindbar sind. Dass exotische Meinungen, die nicht dem errechneten Mainstream folgen, von Computern für irrelevant befunden und weggedrückt werden. Dass irgendwann einmal der Leser eines E-Books seinerseits von seinem Lesegerät beobachtet wird. Was, wenn ein Algorithmus von Amazon oder wem auch immer eines Tages herausfindet, dass eine signifikante Zahl von Lesern eine bestimmte Stelle in einem Buch überblättert? Oder dort aufhört zu lesen? Werden Bücher dann noch nach ihrer Veröffentlichung überarbeitet? Liegen Romane dann in zig Fassungen vor, weil sich das Leseverhalten der Mehrheit im Lauf der Zeit ändert?

Wo bleibt dann die Überraschung, wo das Neue? Wo die radikale Idee, deren gesellschaftsverändernden Charakter zunächst nur wenige erkennen? Wo bleibt, wenn es sein muss, die Revolution?

Man mag einwenden, dass die großen vier allesamt Privatunternehmen sind und tun und lassen können, was sie wollen. Sollen die Kunden entscheiden. Doch haben die noch eine Wahl? Es gibt keine echte Alternative zu Facebook,keinen ebenbürtigen Konkurrenten zu Google oder zu Amazon. Apple muss sich bei Telefonen noch mit Samsung auseinandersetzen, aber sobald es um flache Kleinrechner geht, führt kein Weg am Apfel vorbei.

Aus Größe erwächst Macht und daraus Verantwortung. Als Korrektiv wirkt normalerweise der Wettbewerb, aber den gibt es kaum noch. Und auch Staaten scheitern, weil sie nur Herren auf ihrem Gebiet sind – oder weil sie sich die Firmen selbst zunutze machen.

Apple und Facebook, Amazon und Apple zeigen, was es heißt, in einemglobal village zu leben. Das war einmal eines der größten Versprechen fürs Informationszeitalter. Jetzt führt genau das zu einem gesellschaftlichen Rückschritt: Das Dörfliche entfaltet wieder seine beklemmende Wirkung.“

Soweit die Autoren der ZEIT.

Hier noch ein Link zum Thema, der auf mich mehr als alarmierend wirkt: Wenn sogar der Apple-Mitbegründer Steve Wozniak vor dem Arbeiten in der Cloud warnt, sträuben sich mir die Nackenhaare. Apple selbst schenkt schließlich seinen Nutzern 5 GB Volumen in seiner Cloud, damit die „die Daten zwischen PC, iPhone und iPad immer sofort synchroniesieren können“ – natürlich über iTunes….

Passend dazu die Geschichte, wie sich das digitale Leben eines Journalisten bei Apple vor dessen Augen auflöste: Account gehackt, kein Zugriff auf die Cloud mehr…

 

Update: Chinas twitter-Pendant Weibo, der 2009 gegründet wurde, verzeichnet bereits 300 Millionen Nutzer. Jetzt konnten Wissenschaftler eine Zensur nachweisen, die offenbar nicht durch Maschinen, sondern durch Menschen erfolgt.

Update: Millionenstrafe für google: Privateinstellungen im Browser Safari ausgehebelt.

Update: Facebook legt Streit um Datenschutz in den USA be