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EU-Finanzpolitik: Ein Verbrechen an allen europäischen Bürgern

Es ist gar nicht so schwer zu verstehen – wenn man denn die nötigen Informationen hat. Versteht man es dann, wird man allerdings so wütend, dass es jeder Regierung Europas an den Kragen gehen könnte – auch der deutschen. Vielleicht haben es deshalb Menschen wie Karl Schumann, Redakteur beim Berliner Tagesspiegel, so schwer, wenn sie eine Reportage wie diese machen wollen: „Staatsgeheimnis Bankenfinanzierung“ ist eine Gemeinschaftsproduktion von Arte und RBB. Der Film ist derzeit in aller Munde, und zwar zu Recht. Was in der Eurokrise unter der Regie der EZB abläuft ist ganz klar ein Verbrechen an den europäischen Menschen.

„Wo geht denn das ganze Geld genau hin?“ Das ist die Ausgangsfrage, mit dem sich Karl Schumann auf die Suche macht. Das ganze Geld, das sind die Milliarden, mit denen die Europäische Zentralbank Staatsanleihen aufkauft und Staaten Kredite gibt. Das Geld der Rettungsschirme – mit denen angeblich wir Deutschen mit unseren sauer verdienten Steuergeldern Europa retten müssen.

So jedenfalls vermittelt es uns die Politik. Die Politik ist es aber auch, die verhindert, dass wir erfahren, wer genau dieses Geld denn bekommt. Hätte sie es uns gesagt, gäbe es möglicherweise weder ESFS noch ESM.

Am Beispiel von Irland, dem ersten Land, das von der Krise so richtig erfasst wurde, mit ausgedehnten Ausflügen nach Spanien, dem Land, das gerade mitten drin steckt, geht Karl Schumann der Frage nach den Ursachen akribisch nach und stößt auf ein ganzes System von Blockaden, das nur mit Hilfe anonymer Insider teilweise überwunden werden kann.

„Irland war an seiner Krise selber schuld,“ erfährt er von Finanzminister Schäuble. Das Land habe mit niedrigen Zinsen und einer laxen Bankenkontrolle ausländische Investoren – auch Deutsche – angelockt.

In anderen Worten: Irlands Banken haben sich von großen ausländischen Banken Geld geliehen, um im eigenen Land Wirtschaftsprojekte zu finanzieren, die aber am Bedarf vorbei liefen. So wurde kurzfristig die Wirtschaft abgekurbelt, um anschließend abzustürzen, weil die Projekte, etwa repräsentative Geschäftsimmobilien, keinen Gewinn abwarfen. Die heimischen Kreditnehmer konnten nicht zahlen, die irischen Banken konnten an ihre ausländischen Gläubiger nicht zahlen – die Finanzkrise war da.

Nun trat die EZB auf den Plan – und hier beginnt es, kriminell zu werden:  Karl Whelan, als Wirtschaftswissenschaftler der University College Dublin vom Europaparlament mit einem Gutachten über die Rolle der EZB  beauftragt, erklärt: Die EZB bestand auf einer vorrangigen Auszahlung der Anleihen – sprich, auf einer Befriedigung der Ansprüche der großen ausländischen Banken, die den irischen Kredit gegeben hatten. Zur Absicherung musste der irische Staat Garantien in Höhe von 70 Milliarden Euro übernehmen, damit die EZB überhaupt auszahlte. Das Geld kam in Irland an und machte sich am selben Tag wieder auf den Weg zurück zu den ausländischen Investoren (so erleben wir es zurzeit auch in Griechenland…).

Wer waren nun die Investoren? Hier stieß Schumann auf eine Mauer des Schweigens. Nur über die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (die Notenbank der Notenbanken) die unter anderem „grenzüberschreitende Forderungen“ veröffentlicht, fand er heraus:  28 Milliarden hatten allein deutsche Banken im Herbst 2010 in Irland ausstehen.  Welche deutschen Banken waren das? Nur mit Hilfe eines Insiders, der dem britischen Blogger  Paul  Staines alias Guido Fawkes (früher selbst Anleihehändler) eine Liste mit 80 Adressen zuspielte, war hier ein Fortkommen möglich: Allein 50 der 80 Institute sind aus Deutschland und Frankreich. Sie lesen sich wie ein Who is Who der Finanzwelt und machen zweifelsfrei klar:  Deutsche Banken wären bankrott gegangen, wenn die EZB den irischen nicht Kredite gegeben hätte, um ihre Forderungen zu begleichen.

Das ist aber noch nicht der Höhepunkt. Ein Beispiel: Die Anglo-Irish Bank musste sich 30 Milliarden bei der EZB leihen, um ausländische Forderungen zu befriedigen. Weil sie keine Sicherheiten bieten konnte, musste der irische Staat bürgen. Die Bank gibt es nicht mehr, sie wurde auf Staatskosten abgewickelt. Nun muss der irische Steuerzahler für die Summe gerade stehen.

Die EU könnte jetzt einen Schuldenschnitt machen – was keinen zusätzlichen Schaden verursachen würde, da das Geld bereits im Umlauf ist, die Geldmenge sich also nicht vergrößern würde. Den Vorteil davon hätte der irische Staat; sprich, die irischen Steuerzahler. „Das ist aber monetäre Staatsfinanzierung“ sagt EZB-Vorstandsmitglied Jörg Asmussen … die wolle man nun gar nicht – und sie könne auch Kettenreaktionen im irischen Finanzsystem auslösen….

Kettenreaktionen sind das Schreckgespenst, mit dem auch Wolfgang Schäuble immer wieder wedelt. Der deutsche Wirtschaftsminister nennt die Sicht des studierten Wirtschaftsredakteur auf Banken-Bilanzen naiv. Da sei doch jede mit jeder verbandelt, man habe sich gegenseitig Geld geliehen, mache Geschäfte miteinander. Wenn nun eine falle, könnten jederzeit weitere umkippen.

In Irland erkennen die Menschen zunehmend, was da mit ihnen passiert ist. Ein kleines Dorf protestiert jede Woche bei einem Marsch mit Plakaten gegen die EZB und die europäische Finanzpolitik: Nicht Deutschland hat uns gerettet, sondern wir retten mit unseren Garantien die deutschen Steuerzahler, heißt es da zu Recht.  Der deutsche Finanzminister sieht das ganz anders:  „Irland ischt das Muschterbeispiel dafür, dass unsere europäische Politik funktioniert und sollte jetzt das neu gewonnene Vertrauen nicht selber zerstören“.

Was lernen wir daraus?  „Bankschulden auf den Staat zu transferieren, ist ein schrecklicher Fehler“, sagt ein irischer Finanzpolitiker.

Der spanische Wirtschaftsminister sieht das anders: Der Anteil der spanischen Banken am Bruttosozialprodukt liege nur bei vier Prozent, in Irland seien es mehr als 20 Prozent,“ sagt er. Daran sehe man schon, dass das Problem ganz anders gelagert sei – eine Aussage, die vor dem Hintergrund von mehr als 27 Milliarden ungesicherter Kredite allein in der Bilanz des Geldhauses Bankia durchaus Stirnrunzeln hervorrufen kann. Wer sind denn die Gläubiger der Bankia? Wir kennen sie“, sagt der Wirtschaftsminister. Verraten will er sie aber nicht. Statt dessen sagt er: „Wir wissen doch alle: Eine Finanzwirtschaft, die nicht durch Gold gedeckt ist, ist instabil“…

Der Spanier, der gegen die Rettung der Bankia Klage eingereicht hat. weiß mehr: Auch hier trifft sich bei den Gläubigern das Who ist Who der Finanzwirtschaft. Vorne mit dabei, genau wie in Irland, die Deutsche Bank und Union Investment…

Was macht Banken so „systemrelevant“, dass die Politik ihre Bürger dafür haften lässt?

Hätte man sie pleite gehen lassen, wäre herausgekommen, wie Politik Geld wohin schiebt. Das hätte die ganze politische Klasse zum Verschwinden gebracht, antwortet im Film ein wütender Spanier, der etwas davon versteht. Und hat damit möglicherweise des Pudels Kern genau getroffen.

„Sie sollen uns beweisen, warum die Banken gerettet werden müssen – was denn passieren würden, wenn die pleite gehen“,  ist das Schlusswort Harald Schumanns in diesem sehenswerten Film. Dem kann man sich nur anschließen – auch und besonders als Deutscher. Unsere großen Banken sind beim großen Verschiebebahnhof vorne mit dabei. Indem unsere Politiker verhindern, dass sie an ihren windigen Geldanlagen im Ausland pleite gehen, verhindern sie – noch – dass die deutschen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Politik mit scheinbar weißer Weste da steht. Aber eine weiße Weste – das sollte uns allen klar sein – hat hier schon lange niemand mehr.

Am 7. Februar 2013 hat die EZB Schulden Irlands bis 2038 gestundet. Das spart dem irischen Staat drei Milliarden Zinszahlungen pro Jahr. Bis 2038 wird es möglicherweise schon lange keinen Euro mehr geben. Aber wenn die Politik ihre Maßgaben nicht ändert, wenn sie weiter dafür sorgt, dass Banken nicht pleite gehen können, verschwindet vielleicht eine Währung – die Macht der Geldhäuser aber nicht.

Bauruinen Immoboom Spanien

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