Die Yoga Vidya Villa in Gensingen bei Bad Kreuznach ist architektonisch schon etwas besonderes: Holz und Stein sind originell miteinander kombiniert; die Yogaräume ziert ein flauschig-weicher, grell oranger Teppich, auf dem knall lila Meditationskissen sich zu cremefarbenen gesellen. Stühle mit kobaltblauen Sitzen und bunte Polstermöbel für Meister sowie Übersetzerin vervollständigen das Mobiliar. An der Stirnseite des Saales ein kleines Podest. Dahinter ein riesiges Wandbild der weißen Tara, davor Statuen von Krishna, Shiva, Saraswati und dem fünfköpfigen Ganesha; an der Seitenwand Portraits von Yoga-Meistern.
Alles ist bereit für einen dreistündigen Vortrag von Aaravindha Himadra – bis dieser eintrifft, haben sich rund 100 Gäste auf Kissen und Stühlen niedergelassen. Auf der Tafel steht schonmal geschrieben, was später geübt werden soll: Das Mantra HRIM AIM SAH – HRAIM SHYAMA HUM.
Am 29. Januar 1953 wurde der 63jährige Sohn einer Deutschen und eines Letten als Janis Briedis in den USA geboren, wohin die Eltern infolge des Zweiten Weltkrieges ausgewandert waren. Schon im zarten Alter von sechs Jahren, so wird auf der HomepageAaravindha Himadras berichtet, erreichte ihn der „Ruf des Windes“ zum ersten Mal: Einer der Meister der Amartya-Tradition zeigte sich ihm kurz. Jahrzehnte später folgte die telepathische Einladung ins „Tal der Unsterblichen“, das sich irgendwo im Himalaya den Besuchen ungenügend spirituell entwickelter Individuen entzieht (siehe: Sagenumwobenes Shambhala). 2006 begab sich der Gerufene schließlich auf Pilgerreise, die einen anderen Mann aus ihm machte.
Sechs Jahre dauerte es, bis die Erlebnisse verarbeitet und in einem Buch niedergeschrieben waren: „Unsterbliches Selbst“ hieß die deutsche Erstausgabe, „Das Tal der unsterblichen Meister“ heißt das Werk heute. Es ist eine fantastische Reisegeschichte, die alle Elemente eines Mysterienfilms enthält – es ist aber auch eine immer wieder neu entdeckbare Sammlung von Zwiegesprächen eines Menschen mit weisen Meistern auf dem Weg zur Entwicklung seiner spirituellen Identität. In deren Verlauf entdeckt Aaravindha, dass er selbst aus dem Tal der unsterblichen Meister kommt und zurück zu den „normalen“ Menschen ging, weil er einen Auftrag hat: Er will ihnen die uralte spirituelle Amartya-Tradition wieder nahe bringen.
So alt sei diese Tradition, dass sich kein heutiger Mensch mehr an ihren Ursprung erinnern könne, datiere dieser doch vor der letzten Eiszeit und damit vor mehr als 35 000 Jahren, erläutert der schlanke, feingliedrige Mann seinen Zuhörern im Yoga-Saal. Schon immer seien die Erdgeborenen von Wesen aus anderen planetaren Welten besucht worden, die ihnen bei der spirituellen Entwicklung behilflich waren. Die Erkenntnisse daraus seien über Jahrtausende ausschließlich mündlich weitergegeben worden; insbesondere hier die gehobenen Ebenen der Mantralehre, in der es auf punktgenaues Treffen der einzelnen Töne ankommt.
Heute bezeichnet sich Aaravindha als „globally renowned saumedhika seer – an advanced master rishi – and a lecturer, teacher and author“, was soviel bedeutet wie „weltweit bekannter spiritueller Seher mit einer besonderen Fähigkeit, Menschen wahrzunehmen – fortgeschrittener heiliger Meister-Seher (Rishi) – Hochschullehrer, Lehrer und Autor“. Er hat die Organisation Sambodha begründet. Diese bildet in den USA, in Kanada und Deutschland Lehrer aus, die die Erkenntnisse und Techniken der „solaren Linie“ weitergeben. Bei den Techniken handelt es sich vor allem um fortgeschrittene Meditation mit Hilfe von Bija-Mantras.
„Am Anfang war das Wort“ heißt es in der Bibel – ein Satz, der auf den ersten Blick leicht übersehen lässt, welche Macht in ihm steckt. Das „Wort“ besteht aus Lauten – aus Ur-Lauten, die mit Körper und Seele in Resonanz treten und daher ungeheure Wirkung entfalten können. In sehr weitem Ausmaß hat sich Joachim-Ernst Berendt mit diesem Thema unter dem Titel „Nada Brahma – die Welt ist Klang“ beschäftigt. Mystiker aller Glaubensrichtungen kennen die Mantra-Praxis, die diese Ur-Laute gezielt einsetzt. Wer hier forschen möchte, findet gute Ansätze etwa bei Markus Schmieke in „Mantras, das große Praxisbuch„. Der Autor erläutert unter anderem die vier Ebenen, über die ein Mantra wirkt: Die physische beeinflusst direkt den Körper, die mentale, in der die Bedeutung des Mantras als Energie mitschwingt, wirkt auf Aura und Geist, die karmische wird vom kausalen Körper wahrgenommen und die spirituelle, die mit dem Klang der verschiedenen Namen Gottes, wirkt direkt auf die Seele.
Hier setzt die Lehre Aaravindha Himadras an: Nicht nur die 49 bekannten Bija-Klänge, sondern auch ihre insgesamt 144 000 Zwischentöne sollen über die zusammen 144 000 Meridiane im Körper aufgenommen werden und das spirituelle Bewusstsein des Übenden erhöhen. Je mehr Übende ihr Bewusstsein erweitern, umso mehr wird sich das Gesamt-Bewusstsein auf der Erde erhöhen und Heilung eintreten: Das ist das Ziel.
„Was ist das wichtigste im Leben“ fragt der ernste Mann mit dem eisgrauen, kurzen Haar auf dem Podest die rund 100 Teilnehmer zu seinen Füßen. „Geliebt zu werden, werdet ihr antworten – oder vielleicht doch eher: lieben zu dürfen? Die Liebe ist das Wichtigste, was es im Leben der Menschen geben kann.“
Angestrengte Stille im Raum – man kann das Denken hören.
Die Liebe, führt Aaravindha aus, sei weit mehr als die Zuwendung zwischen Lebewesen. Es handele sich um den Zustand, in dem wir alle einmal waren: Als Kleinkinder, noch nicht geprägt vom Stempel der Gesellschaft, als wir noch nicht die Dinge in gute und schlechte einteilten, als wir eins waren mit allem um uns herum und es unvoreingenommen betrachten konnten. Zwei Säuglinge im Raum, die den ganzen Abend ruhig und sichtbar freundlich-fröhlich durchhalten, sind dafür das beste Anschauungs-Beispiel.
Wie kann nun der erwachsene Mensch wieder finden, was er als Kind noch wusste: dass er ein lebendiger Teil des göttlichen Ganzen ist, in dem alle Anteile des Göttlichen enthalten sind? Wie kann er erkennen, dass er nichts im Außen suchen muss, sondern alles in seiner eigenen Mitte finden kann?
„Ihr seid keine Materie, ihr seid reines Licht“, ruft Aaravindha den Zuhörern zu und erklärt unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse aus der Quantenphysik: „Wenn man die Körperzellen immer weiter unter dem Mikroskop vergrößert, sieht man zum Schluss nichts als unglaublich schnell kreisendes Licht. „Jeder einzelne Mensch ist eine vollständige Welle unbegrenzten Potentials im Meer der Möglichkeiten“, sagt der Meister. Sinnvoll sei daher, nicht bettelnd zu beten, sondern das eigene Potential zu entdecken und damit zu arbeiten.
Ein passendes Bild dazu hat er bereit: Man stelle sich vor, das unbegrenzte Licht-Potential – das Göttliche im eigenen Selbst – sei unter einer Menge Schutt (der gesellschaftlichen Ansichten und der eigenen Meinung, was man in der Gesellschaft darzustellen habe) vergraben und habe daher Schwierigkeiten, bis nach oben, ins Bewusstsein zu leuchten. Es liege dort in zeitloser Stille und Harmonie, sehr viel leiser als die drangvollen, zeitgebundenen Stürme des alltäglichen Lebens. Erreichen kann man es nur, indem man selbst still wird; hinabtaucht wie ein Blatt in einen ruhigen See, immer dem Lichtstrahl folgend, bis an den Rand der Zeit, die Grenze zur Unendlichkeit, dort hin wo die Quelle ruht.
Wie das geht, wird gleich einmal geübt: „Lasst euch hineinfallen in den Klang und achtet besonders auf die Pausen zwischen den Lauten. Wenn ihr hier einen leisen Sog spürt, folgt ihm. Er wird euch zum Licht führen,“ rät Aaravindha und beginnt zu tönen: „Hrimmmmmmmm …… Aimmmmmmm…… Schahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh……“
Es ist nicht einfach, etwas über das Tal der Unsterblichen im Himalaya zu recherchieren – man findet überall Brocken und drumherum gestaltete Geschichten (siehe auch Link ganz unten). Deshalb hier ein Artikel, veröffentlicht im Nexus-Magazin, der ganz viele Mosaiksteine zum sagenumwobenen Shambhala zusammengetragen hat. Das Magazin bietet auch Denkansätze zu weiteren Themen, die Aaravindha Himadra behandelt; es lohnt sich, dort zu stöbern.
Der Jade-Turm
In vielen tibetischen Schriften und fernöstlichen Überlieferungen findet sich der aus alten Zeiten stammende Glaube an ein geheimes Reich von Weisen, die in vollkommener Abgeschiedenheit in einem unzugänglichen Teil des asiatischen Gebirges leben. Orientalisten nennen diesen rätselhaften Ort Chang Shambhala oder Nördliches Shambhala (manchmal auch Shamballa geschrieben). Tibetische Mönche sind überzeugt von der Existenz eines mysteriösen, schönen Tals, umgeben von schneebedeckten Bergen, das sich von Nordtibet bis in die Mongolei erstreckt. Dieses Tal, so heißt es, könne nur von Reisenden betreten werden, die über erfahrene bzw. mystische Führung verfügen.
In Überlieferungen heißt es, dieser geheime Landstrich könne nur von Eingeweihten oder Personen gefunden werden, die sich dem spirituellen Erwachen der Menschheit verschrieben haben. Das Zentrum Shambhalas bildet der berühmte Jade-Turm. Dieser steht in einer alten Stadt, die laut tibetischen Mönchen von unterirdischen Quellen beheizt wird. Der heiße Wasserdampf steigt in die Atmosphäre auf und sorgt für eine natürliche Inversion, was sich in einer feinen Nebeldecke äußert. Diese verbirgt die unter ihr liegende Landschaft, sodass das Tal von der Luft aus nicht gesehen werden kann. Mehrere Forscherteams, die den Himalaya bereist haben, berichteten, sie hätten an heißen Quellen gelagert, die eine reichhaltige Vegetation in einer ansonsten kargen, felsigen, eisbedeckten Landschaft hervorgebracht hätten. Wie die Tibeter, Russen und Chinesen glauben auch die Inder an einen Ort, an dem perfekte Menschen leben. Sie nennen diese Menschen Kalapa (oder Katapa) von Shambhala, und angeblich leben diese permanent in einem Umfeld von übernatürlichen Energien.
Der bekannte russische Autor, Maler und Entdecker Professor Nicholas Roerich (1874 – 1947) reiste fünf Jahre lang, von 1923 bis 1928, durch alle sieben Verwaltungsbezirke Tibets. In seinem Buch „Himalaya – Abode of Light“ 1 schrieb er, dass dieses geheime Tal jenseits von großen Seen und schneebedeckten Gipfeln in den höchsten Bergen der Welt liege. Professor Roerich scheint Shambhala schließlich gefunden zu haben, und daher wurden seine Bücher und Bilder für den vorliegenden Artikel sorgfältig analysiert; ebenso wie die Werke seines Sohns, Dr. George Roerich (1902 – 1960), einem herausragenden Orientalisten, Philologen, Kunstkritiker und Ethnographen mit Abschlüssen aus Harvard und der Sorbonne. Die Familie Roerich lebte im Kulu-Tal in Nordindien, nahe der Grenze zu Westtibet. Von dort aus organisierte sie mehrere groß angelegte Expeditionen in unerforschte Gebiete des Tibet-Plateaus, dem höchstgelegenen Land der Erde. Dutzende Sherpas sowie norwegische, tibetische, mongolische und chinesische Träger begleiteten diese manchmal monatelangen Expeditionen.
Tal im Himalaya, von Nebel geschützt. Foto: Jürgen Mitter
Ein anderer bekannter Forscher, Andrew Tomas, Autor des Buches „Shambhala – Oasis of Light“ 2, verbrachte viele Jahre in Tibet, wo er erfuhr, dass das Reich Shambhala in einem von hohen, schneebedeckten Gebirgszügen umschlossenen Tal liege, dessen Bewohner sich in unterirdische Katakomben zurückziehen könnten. Diese und andere Erforscher Asiens beschreiben unentdeckte Täler inmitten des verschneiten tibetischen Gebirges, tief verborgen in den Weiten des Himalaya. Das „Bhagavata Purana“ und die Sanskrit-Enzyklopädie „Vachapattya“ siedeln Shambhala im Norden des Himalaya am Fuße des mythologischen Bergs Meru an. Dort, so glauben viele, träfen Sterblichkeit und Unsterblichkeit aufeinander. Auf einer Karte aus dem 17. Jahrhundert ist der Ort genauer verzeichnet. Veröffentlicht wurde diese Karte 1830 in Antwerpen von Csoma de Körös, einem ungarischen Philologen, der vier Jahre lang in einem buddhistischen Kloster in Tibet verbrachte.
Er gibt die geographische Lage Shambhalas mit 45 bis 50 Grad nördlicher Breite an, jenseits des Sees Manus Hu gelegen, etwa 100 Kilometer östlich des Dorfes Karamay. Bemerkenswert ist, dass ein altes Klosterdokument, auf das der russische Forscher Nikolai M. Prjevalsky (1839 – 1888) stieß, für die Lage Shambhalas 88 Grad östlicher Länge angibt.3 Laut diesen beiden Koordinaten befände sich Shambhala ein wenig östlich des Altaigebirges, einem großen, bis zu 4.506 Meter hohen Gebirgssystem in Zentralasien – und genau dorthin führten mehrere der Roerich-Expeditionen.
Das geheime Tor zum „Tal der Unsterblichen“
Jahrtausendelang glaubten die verschiedenen Völker Asiens, dass dieses verbotene Gebiet gut bewacht sei und dass nur den im Herzen Reinen Zugang gewährt werde. Die Fragen, die sich stellen, lauten: Wer sind die Menschen, die in dieser Abgeschiedenheit leben – und was sind sie? Der tibetischen Legende nach handelt es sich um „Stille Wächter“ – ehemals gewöhnliche Männer
und Frauen, die aufgrund ihrer spirituellen Entwicklung einen „Passierschein“ nach Shambhala erhielten. Andrew Tomas legt eindrucksvolle Beweise in Form tibetischer Quellen aus alten Klosterbibliotheken vor, in die er Einblick nehmen durfte. Durch seine Funde erfahren wir Genaueres über diese erleuchtete Gemeinschaft:
„Die Bruderschaft von Shambhala wird von einer kleinen Gruppe höherer Wesen geführt, die manchmal als Mahatmas bezeichnet werden, was auf Sanskrit so viel heißt wie ,die mit der großen Seele‘. Es sind übermenschliche Wesen mit übernatürlichen Kräften, die ihre Entwicklung auf diesem Planeten abgeschlossen haben, aber unter den Menschen bleiben, um ihnen bei ihrer spirituellen Entwicklung zu helfen. […] Die Lebensdauer ihres Körpers ist praktisch unbegrenzt, weil sich das Rad der Wiedergeburt für sie nicht mehr dreht.“ 4
Mit anderen Worten: Sie sind Unsterbliche – und soviel man über diese Gemeinschaft der Erleuchteten weiß, spielt das Konzept der Wiedergeburt eine wichtige Rolle in ihrer Philosophie. In tibetischen Schriften ist zu lesen, dass
„seit Menschengedenken eine Dynastie weiser Herrscher himmlischen Ursprungs das Reich Shambhala regiert und das unschätzbar wertvolle Erbe des Kalachakra bewahrt, der mystischen Wissenschaft des esoterischen Buddhismus.“ 5
Symbol des Kalachakra
Nachdem er sieben Jahre in Tibet und China gelebt hat, schrieb der deutsche Autor Hartwig Hausdorf in seinem Buch „Die weiße Pyramide“, dass die Weisen von Shambhala „nicht ganz von dieser Welt sind; sie muten eher außerirdisch an […] eine Spezies, die uns der Universale Geist geschickt hat“ 6. Seit Urzeiten glauben Tibeter und andere asiatische Völker daran, dass unter ihnen Weise leben, die über den Tod hinausgewachsen sind, in einem physischen Körper über die Erde wandeln und durch das Universum reisen. Früher wurden sie als „heilige Unsterbliche“ bezeichnet, und angeblich haben sie eine Reihe von alchemistischen „Unsterblichkeitselixieren“ entwickelt. Eines davon soll aus pulverisierter und mit Zinnober versetzter Jade bestehen. Die „Unsterblichen“ tranken es, um ihren Körper in den Zustand des hsien zu bringen – physische Unsterblichkeit in einem vergeistigten Körper.
Die sogenannten „Mahatma-Briefe an A. P. Sinnett“ 7 wurden zwischen 1880 und 1885 von Mahatmas verfasst, die angeblich in Shambhala gelebt haben. Sofern das stimmt, würden sie eine Quelle a us erster Hand darstellen und das Reich aus dem Innersten Kreis der östlichen Weisen heraus beschreiben. Auf der Grundlage dieser Briefkorrespondenz schrieb Sinnett „The Occult World“ (1881) und „Esoteric Buddhism“ (1883). Beide Bücher hatten großen Anteil am aufkommenden Interesse an der Theosophie. Die schriftlichen Antworten und Ausführungen der Mahatmas aus Shambhala auf Sinnetts Fragen wurden 1923 unter dem Titel „The Mahatma Letters to A. P. Sinnett“ veröffentlicht (Die Originalbriefe der Mahatmas werden in der Abteilung für seltene Schriften der British Library aufbewahrt und können mit einer Sondergenehmigung eingesehen werden.) Das mysteriöse Reich Shambhala erhält durch die Schriften der Mahatmas weitere Konturen. Den Mahatmas wurden prophetische Fähigkeiten zugeschrieben. Der ehrwürdige Mahatma Morya, ein Eingeweihter rajputischer Herkunft, beschreibt in einem Brief an Sinnett von 1881 das imposante geheime Tor zum Tal der Unsterblichen:
„An einem Ort, von dem Außenstehende nie erfahren werden, gibt es einen Abgrund, über den sich eine schwächlich anmutende Brücke aus geflochtenem Gras spannt, unter der ein wilder Strom hindurchbraust. Selbst der Kühnste aus einem eurer Bergsteigervereine würde keinen Fuß darauf setzen, denn die Brücke hängt durch wie ein Spinnennetz und wirkt fadenscheinig und unpassierbar. Doch das ist sie nicht. Und wer es wagt, darüber zu schreiten, und es schafft […], gelangt in eine Schlucht von atemberaubender Schönheit. Dies ist einer der Orte, an denen wir leben und von denen europäische Geographen nichts wissen. Unweit des alten Lamaklosters steht der uralte Turm, der Generationen von Bodhisattvas [Menschen, die sich dem Mitgefühl verschrieben haben und vollkommene Weisheit verkörpern] hervorgebracht hat.“ 8
Die Bewohner mehrerer Dörfer in Tibet behaupten, dass bestimmte Gegenden nur mit besonderer Erlaubnis betreten werden können. Mahatma Morya sagte dazu:
„Von verlässlichen Reisenden haben Sie ja bereits erfahren, dass die Führer sich weigern, sie in bestimmte Gebiete zu bringen. Sie lassen sich lieber töten, als die Reisenden dorthin zu begleiten. Wenn ein leichtsinniger Reisender dennoch weitergeht, so schneidet ihm ein Erdrutsch den Weg ab. Wenn der Reisende darüber hinwegklettert, so wird ihn ein Steinschlag treffen, denn wer hier nicht willkommen ist, wird sein Ziel auch nicht erreichen.“ 9
Es wurde schon von Menschen und Tieren berichtet, die unwillkürlich zu zittern begannen, sobald sie sich bestimmten Orten in einem solchen Gebiet näherten, so als würden sie mit unsichtbarer Strahlung beschossen. Ein anonymer Dalai Lama aus dem 19. Jahrhundert
„begab sich einst auf den langen Weg von Lhasa in die Mongolei, und auf einem Abschnitt der Strecke begannen Menschen wie Tiere der Karawane aus keinem ersichtlichen Grund zu zittern. Der Dalai Lama erklärte das Phänomen damit, dass die Gruppe gerade eine verbotene Zone Shambhalas durchquere, deren spirituelle Schwingungen für die Reisenden unerträglich hoch seien.“ 10
Der russische Entdecker N. M. Prjevalsky und der deutsche Linguist und Historiker A. H. Francke berichten in ihren Büchern beide von dem merkwürdigen Verhalten der Einheimischen, die sich durch nichts dazu bringen ließen, bestimmte Bereiche im Norden Tibets zu betreten. 11 Ein russischer Teilnehmer an einer von Roerichs Expeditionen berichtete Andrew Tomas persönlich, dass ihre Gruppe dieselbe Erfahrung gemacht habe – auch da weigerten sich einige der Träger an einem Punkt in Nordtibet weiterzugehen. Der Russe gab an, er selbst habe einen Widerwillen dagegen empfunden, weiterzureiten, und habe nicht so recht begriffen, warum. Es sei ein „unheimliches und unerklärliches“ Gefühl gewesen, das er nicht noch einmal empfinden wolle.12
Mysteriöse Bergmenschen
In Turfan, Sinkiang, in Westchina lauschten die Mitglieder einer Roerich-Expedition der faszinierenden Geschichte über eine groß gewachsene, dunkelhaarige Frau mit ernster Miene, die regelmäßig aus den tiefen Höhlen auftauche, um Bedürftigen zu helfen. Ihre Taten brachten ihr den Respekt der Bevölkerung im gesamten asiatischen Raum ein.
„Auch von Reitern mit Fackeln wird berichtet, die in unterirdischen Gängen verschwinden.“ 13
Augenzeugen berichten auch von bunt gekleideten, gekrönten Lamas (wahrscheinlich aus Shambhala) in Sänften, die von jeweils vier Männern getragen werden. Roerich erzählt, dass groß gewachsene, schlanke, weißhäutige Menschen gesichtet wurden, die in Höhlengängen verschwanden, sobald sich Fremde näherten. Als seine Expeditionstruppe später den Karakorum-Pass überquerte, hat ein einheimischer Führer Roerich zufolge des Öfteren große, weiß gekleidete Männer und Frauen gesehen, die aus geheimen Höhlen auftauchten. Manchmal sollen diese mysteriösen Bergmenschen auch Reisenden geholfen haben. Anfang des 20. Jahrhunderts berichtete die indische Zeitung Statesman von einem britischen Major, der einen großen, leicht bekleideten Mann mit langen Haaren gesehen haben will, der, auf einen langen Bogen gestützt, seinen Blick über das Tal schweifen ließ. Als der Mann den Major entdeckte, sprang er einen steilen Hang hinab und verschwand. Die Einheimischen erklärten Roerich, es habe sich um „einen der Schneemenschen“ gehandelt, die „das heilige Land bewachen“.14
Auf einem seiner Gemälde hat Roerich inmitten von Fels und Schnee eine Schneefrau dargestellt, die ebenfalls einen Bogen hält. Obwohl sie von Eis und Schnee umgeben ist, ist sie nur leicht bekleidet, so als würde eine warme Aura sie vor der Kälte schützen. Roerich sagt:
„In den Ausläufern des Himalaya finden sich zahlreiche Höhlen, und es heißt, dass von diesen Höhlen aus unterirdische Gänge bis weit unter den Kanchenjunga führen. Einige Menschen sind gar bis an das Steintor gelangt, das sich noch nie aufgetan hat, weil die Zeit noch nicht gekommen ist. Die unterirdischen Gänge führen bis in das herrliche Tal.“ 15
Original-Buch von Nicholas Roerich über Shambhala
Professor Roerich beschreibt das „herrliche Tal der Unsterblichen“ genauer. Schon früh auf seiner Reise traf er auf Pilger, die ihm erzählten:
„Hinter diesen Bergen leben heilige Männer und Frauen, die die Menschheit durch ihre Weisheit retten; viele schon haben versucht, diese Heiligen zu finden, sind aber gescheitert […] Sobald sie über den Kamm kommen, verirren sie sich.“ 16 „Dennoch gelangte Nicholas Roerich auf einem Pferd in dieses Gebiet. Er blieb einige Tage lang verschwunden, und als er zurückkehrte, warfen sich die Asiaten ihm zu Füßen und riefen, er sei ein ,Gott‘, denn kein Mensch hätte die Grenze nach Shambhala ohne göttliche Gewähr zu überschreiten vermocht.“ 17
Vielleicht gab es einen Grund, warum Roerich ungehindert in die verbotene Enklave gelangt ist, denn die Mahatmas hatten Sinnett versichert:
„Wen wir kennenlernen wollen, der wird uns genau an der Grenze finden.“ 18
Roerichs Bemerkung gegenüber einem Lama, einem religiösen Lehrer, in Tibet lässt darauf schließen, dass er Shambhala tatsächlich erreichte:
„Mit eigenen Augen haben wir einen der drei weiß gekleideten Grenzposten Shambhalas gesehen.“ 19
Abgesehen davon, dass Roerich die Heimat der Mahatmas besuchen wollte, ist der Zweck einer seiner Expeditionen nicht ganz klar. Diese führte ihn 1928 über Tibet und Xinjiang zum Altai. In seinem Tagebuch jedenfalls geht er nicht genauer auf das Ziel ein. Die Expedition scheint jedoch etwas mit dem Bruchstück eines heiligen Kosmischen Steins zu tun gehabt zu haben, das an seinen rechtmäßigen Platz im Jade-Turm im Herzen Shambhalas zurückgebracht werden sollte.
„Dieses Fragment war nach Europa gesandt worden, um mit seiner Kraft die Einrichtung des Völkerbundes zu unterstützen, die – wenngleich sie scheiterte – nach dem Ersten Weltkrieg angestrebt wurde.“ 20
Dieses Fragment war angeblich Teil eines sehr viel größeren Kosmischen Steins, und es scheint so, als sei es Roerich bestimmt gewesen, das Bruchstück zurück nach Shambhala zu bringen.
Versteckte Oase einer fortschrittlichen spirituellen Kultur
Auch in den volkstümlichen Erzählungen Russlands gibt es Hinweise auf eine Gemeinschaft von Erleuchteten, die an einem Ort im Herzen Asiens leben, der auf russisch Belovodye heißt – das „Land der lebenden Götter“. In dem jährlich erscheinenden Journal of the Russian Geographical Society von 1903 findet sich ein Artikel mit dem Titel „Ural-Kosaken reisen ins Belovodye-Reich“, verfasst von einem Entdecker namens Korolenko. Und im Jahr 1916 veröffentlichte die West Siberia Geographical Society einen Bericht des russischen Historikers Belosliudov mit dem Titel „Über die Geschichte von Belovodye“.
Da beide Artikel von wissenschaftlichen Instanzen veröffentlicht wurden, sind sie von großem Interesse, denn sie künden von einer tief verwurzelten Überzeugung, die noch immer in vielen „alten Gläubigen“ Russlands lebendig ist – dass Belovodye ein geheimes irdisches Paradies irgendwo tief im Südwesten Sibiriens ist. Beide Artikel stützen die Annahme, dass es im nördlichen Tibet tatsächlich ein geheimes heiliges Reich gibt, ein Reich uralter Weisheit. Ein mysteriöser Einheimischer berichtete auch der russischen Psychiaterin und Autorin Dr. Olga Kharitidi während ihres Aufenthalts im abgelegenen Sibirien von den außergewöhnlichen Menschen einer uralten Kultur, die in diesem geheimen Reich zurückgezogen leben:
„Was diese Menschen insbesondere auszeichnet, ist, dass die inneren Dimensionen des Geistes bei ihnen hochentwickelt sind. Der gesamten Gemeinschaft ist eine wunderbare spirituelle Intensität eigen, die in der modernen materialistisch geprägten Gesellschaft nur von Wenigen erfahren wird. Sie verfügen über schier unglaubliche Weisheit auf psychologischem Gebiet. Sie können ihr Zeitempfinden steuern und selbst über weite Entfernungen hinweg telepathisch miteinander kommunizieren. Sie können in die Zukunft schauen, und ihre Gesellschaftsstruktur ist die effektivste, die es je gab.“ 21
Ein Gesetz des Tals der Unsterblichen aber bleibt auf ewig in Kraft – dass nämlich „niemand, der nicht erwünscht ist, den Weg dorthin findet“. 22 Nur wer „Kalagiya“ vernommen hat, den „Ruf, den Shambhala über den Wind aussendet“, 23 oder telepathisch von den Großen Meistern eingeladen wird, kann darauf hoffen, sicher in das „Tal der weisesten Menschen der Erde“ 24 zu gelangen.
Augenzeugen berichten von Shambhala
Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde Apollonius, ein hoch angesehener, charismatischer griechischer Weiser, nach Shambhala „gerufen“. Er hatte eine „Wegbeschreibung“ erhalten und wusste genau, wo er die „Heimstatt der Weisen“ 25 finden würde. Apollonius wurde im Jahr drei nach Christus in Tyana, Kappadokien, geboren und starb im Jahr 98. Er wurde nach dem griechischen Gott Apollo benannt, und das Volk nannte ihn respektvoll „Sohn Gottes“.26 Er lehrte die Doktrin des „Inneren Lebens“,27 ging barfuß, ließ Haare und Bart wachsen und trug Kleidung aus weißem Leinen. Auf seinen Reisen wurde er von einem assyrischen Schreiber namens Damis begleitet, der Appolonius’ Worte und Taten in einem Tagebuch festhielt. Dank Damis’ aus 97 Kodizes bestehender Sammlung sind uns heute Apollonius’ bemerkenswerte Erlebnisse überliefert.
Um etwa 200 n. Chr. entwickelte Kaiserin Julia Domna, die zweite Frau des aus Britannien stammenden römischen Kaisers Septimus Severus (Kaiser von 193 bis 211), ein so starkes Interesse an den bewegenden Ereignissen in Apollonius’ Leben, dass sie den griechischen Schriftsteller und Sophisten Flavius Philostratus (ca. 170 – 245) beauftragte, eine Biographie über Apollonius zu schreiben. Philostratus nannte sein Werk „Das Leben des Apollonius von Tyana“.
Von Philostratus erfahren wir, dass Apollonius viele Monate lang im Himalaya blieb.28 Als Apollonius in „einer Stadt unter dem Berg Paraca“ 29 eintraf und dem König Hiarchas (in einigen Übersetzungen „Iarchas“ genannt, was „heiliger Herrscher“ bedeutet) einen Brief überreichte, erfuhr er überrascht, dass der König dessen Inhalt schon kannte. Apollonius wandte sich daraufhin Damis zu und sagte:
„Wir haben hier Menschen von echter Weisheit vor uns, denn sie scheinen über die Gabe der Voraussicht zu verfügen.“ 30
Während seines Aufenthalts wurde Apollonius Zeuge unglaublicher Dinge. Er sah, wie aus Schächten im Boden Säulen aus strahlend hellem, bläulichem Licht senkrecht nach oben stiegen. Auch sprach er voller Erstaunen von leuchtenden Steinen, die er pantarbes nannte. Diese Steine vermochten so hell zu leuchten, dass die Nacht zum Tage wurde. Die wissenschaftlichen und geistigen Errungenschaften der Bewohner dieser verborgenen Stadt beeindruckten Apollonius so stark, dass er widerspruchslos nickte, als König Hiarchas sagte:
„Frag, was immer du wissen möchtest, denn du bist hier unter Menschen, die alles wissen.“ 31
Apollonius fragte, für was sie sich selbst hielten, und König Hiarchas erwiderte: „Wir betrachten uns als Götter.“ 32 Apollonius wurde nicht nur Zeuge, wie die Bewohner von Shambhala sich die Kraft der Sonne zunutze machten, sondern „er sah auch, wie sie zwei Cubit [etwa ein Meter] über dem Boden schwebten; nicht etwa, weil sie ein Wunder zur Schau stellen wollten – denn ein solches Gebaren verabscheuen sie –, sondern weil sie Rituale, bei denen sie die Erde verlassen und sich der Sonne nähern, als Huldigung des Göttlichen empfinden.“ 33
Ähnliche Phänomene wurden von der bekannten Orientalistin und Schriftstellerin Alexandra David-Néel (1868 – 1969) berichtet, die als erste westliche Frau den Titel des Lama verliehen bekam. Ihre Aussagen stützen Philostratus’ Darstellungen. David-Néel beschreibt Shambhala als ein Reich, das
„nicht in Zeit und Raum verankert ist, wie wir es sind. Shambhala ist heute hier und morgen dort.“ 34
Über die Bewohner Shambhalas sagte Apollonius:
„Sie leben auf der Erde und leben doch nicht auf ihr, sie sind von Schutzmauern umgeben und sind es doch nicht, und sie besitzen nichts und verfügen doch über den Reichtum der ganzen Welt.“ 35
Was die Ideologie der Bewohner Shambhalas angeht, so vertrat König Hiarchas eine kosmische Philosophie, der zufolge „das Universum lebendig“ 36 ist. In den Mahatma-Briefen heißt es, die Bewohner Shambhalas seien weder Atheisten noch Agnostiker, sondern Pantheisten im weitesten Sinne, und glaubten, dass das Universum und Gott letztlich identisch seien. Auf dieses Konzept von der kosmischen Evolution geht auch zurück, dass der Reinkarnationsgedanke in der Philosophie dieser Wächter der Menschheit eine so große Rolle spielt.
Stonehenge im Himalaya
Als Roerich 1928 durch den Himalaya reiste, stieß er in 4.572 Metern Höhe auf drei lange, schnurgerade Reihen großer, aufrecht stehender Steine, die mit Inschriften versehen waren und sich durch ihre besondere Form von der Umgebung abhoben. Die drei Reihen endeten in einem großen Steinkreis, in dessen Mitte drei Menhire standen. Roerich zufolge wirkte der Ort wie eine Mischung aus dem britischen Stonehenge und dem keltischen Carnac in der Bretagne – Stätten, die Roerich zuvor besucht hatte. Seine Karawane sollte ihr Lager eigentlich nur über Nacht in der Nähe dieses steinernen Rätsels aufschlagen, doch Roerich blieb drei weitere Tage und entdeckte in der Umgebung noch vier weitere Formationen aus aufrecht stehenden Steinen. Roerich war fasziniert von seinem Fund und fragte seine tibetischen Bergführer, wer diese Steine aufgestellt habe. Zur Antwort bekam er:
„Niemand weiß es […] Aber diese Stätte aus alter Zeit wird Doring genannt […], der Ort der heiligen
Steine. Die Alten unseres Volkes sagen, vor langer Zeit sei ein unbekanntes Volk durch dieses Gebiet gezogen, das sich für einige Generationen, aber nicht dauerhaft, hier angesiedelt habe.“ 37
Roerich rätselte viel darüber, warum mitten im Himalaya in dieser Höhe „eine Nachbildung von Stonehenge und Carnac“ 38 zu finden sei.
Shang Doring fiel der chinesischen Kulturrevolution zum Opfer. Nur eine Stele überlebte. Quelle: tibetarcheologie.com
Weitere merkwürdige Phänomene in Tibet
In diesem immensen Gebiet ist es schon häufiger zu seltsamen Begebenheiten gekommen, und einige davon legen die Anwesenheit höherer spiritueller Wesen nahe. Alexandra David-Néel erzählt in ihrem Buch „The Superhuman Life of Gesar of Ling“ 39 von einem merkwürdigen Erlebnis, das sie selbst in der kleinen Stadt Jyekundo in einem abgelegenen Teil Nordwesttibets hatte. Dort traf sie einen tibetischen Lama, der in dem Ruf stand, gelegentlich in einer verschneiten Bergregion zu verschwinden, in der es keine Siedlungen gab und ein Mensch zu verhungern oder zu erfrieren drohte. So kehrte der Lama unweigerlich nach einiger Zeit zurück, und auf neugierige Fragen hin sagte er immer nur, er habe „bei den Göttern in den Bergen“ 40 gelebt.
Eines Tages bat Madame David-Néel ihn halb im Spaß, halb im Ernst, bei seiner nächsten Reise dem „Herrscher über die Berge“ 41 einen kleinen Strauß chinesischer Papierblumen als Geschenk von ihr zu überreichen. Einige Monate später kehrte der Lama von einer erneuten Reise in das rätselhafte Reich zurück und überreichte der französischen Gelehrten ein Souvenir des „Herrschers“: Eine schöne blaue Blume, die im Juli im Süden Tibets blüht. Alexandra David-Néel war verblüfft, denn in Jyekundo lag die Temperatur zu dieser Zeit bei 20 Grad unter null, der Fluss war von einer zwei Meter dicken Eisschicht bedeckt und der Boden steinhart gefroren. „Woher stammt diese Blume?“, fragte sie erstaunt, und der Lama entgegnete:
„Nun, vielleicht aus einem warmen Tal im Norden.“ 42
Auch Roerich berichtete von einer Reihe außergewöhnlicher übernatürlicher Geschehnisse, u. a. dem plötzlichen Auftauchen von Rigden Jyope (oder Djapo), dem Herrscher Shambhalas. Wenn dieser einen bestimmten Lama-Tempel betrat, so heißt es, entzündeten sich die Kerzen darin von selbst. Roerich berichtet:
„Einmal lag ganz plötzlich ein besonderer Duft in der Luft, wie von Tempel-Räucherwerk – und das mitten in der Gobi, wo sich in alle Richtungen über hunderte von Kilometer nichts als Steinwüste erstreckt. Nicht ein einziger Tempel, ja nicht einmal eine Hütte war in Sicht, und dennoch nahmen alle Expeditionsmitglieder zur gleichen Zeit diesen Duft wahr. Das geschah gleich mehrmals und war durch nichts zu erklären.“ 43
In der Finsternis zahlreicher Nächte beobachtete Roerich ein hell strahlendes weißes Licht, das wie eine Säule zum Himmel aufstieg. „Was geschieht hier?“, fragte er seine Lama-Führer, und diese antworteten: „Das Licht stammt aus dem Turm von Shambhala.“ 44 Das Licht, erklärten sie, werde von einem großen, dreieckigen, leuchtenden Stein auf der Spitze des Jade-Turms ausgestrahlt, dem sogenannten Chintamani-Stein. Sie sagten, der Stein besitze okkulte Eigenschaften, vermittle auf telepathische Weise innere Führung und bewirke einen Bewusstseinswandel bei denen, die mit ihm in Kontakt kämen. Der Chintamani-Stein soll
„von einem geflügelten Pferd [einem lung-ta] auf die Erde gebracht worden sein, von Botschaftern der Götter aus einem Sonnensystem im Sternbild des Orion.“ 45
Angeblich gab es mehr als nur diesen einen seltsamen und „kostbaren Stein“:46 Laut alten lamaistischen Überlieferungen wurden drei dieser Pyramiden-Schlusssteine zur Erde gebracht und immer dort aufgestellt, wo gerade ein für die Menschheit wichtiger spiritueller Prozess stattfand. Einer soll sich auf der Spitze der Großen Pyramide von Gizeh befunden haben, ein weiterer eben auf dem Jade-Turm von Shambhala, und der dritte liegt vielleicht in den Tiefen des Ozeans an einem Ort namens Atlantis.
Das Rätsel um das magische Zepter
In einer tibetischen Überlieferung heißt es, dass im Jahr 331 n. Chr. eine Kiste „aus dem Himmel gekommen“ 47 sei, in der sich vier heilige Gegenstände befanden. Darunter war ein goldener Stab, der dorge genannt wurde und dem angeblich übernatürliche Kräfte innewohnten. Seit Jahrhunderten ranken sich in Tibet die phantastischsten Geschichten um diesen Stab, und in den meisten tibetischen Lamaklöstern finden sich heute Nachbildungen aus Silber, Messing oder Eisen. Es heißt, dieser Stab habe während bestimmter religiöser Zeremonien ein helles Licht ausgestrahlt und in der Hand des jeweiligen Königs von Shambhala mächtige kosmische Kräfte bündeln und gezielt leiten können. Er soll auch Blitze geschleudert und Löcher in die Wolken gebrannt haben.
Viele Jahre nach Entdeckung der Kiste erschienen eines Tages fünf Fremde vor dem damaligen König von Shambhala, Tho-tho-ri Nytan-tsan, und unterwiesen ihn in dem richtigen Umgang mit den heiligen Gegenständen, so die Legende weiter.
Merkwürdiges Flugobjekt über dem Himalaya
Mahatma Morya bezeichnete Shambhala als „die Stadt der Wissenschaften“ 48, und diese Aussage rechtfertigt es zu untersuchen, ob diese Gemeinschaft (oder Gemeinschaften) einer höherstehenden Kultur vielleicht über hochentwickelte Technologie verfügt. Dass die Bewohner dieser rätselhaften Ansiedlung sich mit Wissenschaft befassen, lässt sich anhand einer Geschichte festmachen, die Roerich über einen Lama erzählte. Dieser Lama kehrte nach einer langen Reise in ein abgelegenes Kloster zurück in sein eigenes. In einem geheimen unterirdischen Gang traf er auf zwei Männer, die ein wertvolles Zuchtschaf trugen, und die Männer erzählten dem Lama, sie brächten das Schaf in das Tal der Unsterblichen, wo es der wissenschaftlichen Zucht dienen solle.49
In einem anderen Bericht über Zentralasien mit dem Titel „Beasts, Men and Gods“ beschreibt der Forscher und Autor Dr. Ferdinand Ossendowski faszinierende Dinge, und seine Dokumentation liest sich ebenso fesselnd wie die von Nicholas Roerich, Alexandra David-Néel und Andrew Tomas. Ein mongolischer Lama erzählte Ossendowski nicht nur von einem ausgedehnten Tunnelsystem unter dem Himalaya, sondern auch von„merkwürdigen Fahrzeugen, die mit großer Geschwindigkeit durch die Gänge brausten.“ 50
Maschinen, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch unterirdische Gänge bewegen, lassen auf technische Errungenschaften von hohem Niveau schließen, und das hunderte Jahre vor unserem Wissen über komplexe technische Zusammenhänge. Diese Überlieferung stammt aus einer Zeit lange vor dem Aufkommen ähnlicher Technologien in der westlichen Welt. Eine ähnliche Geschichte stammt aus dem Arabien des 10. Jahrhunderts und berichtet über unterirdische Fahrzeuge unter dem Gizeh-Plateau. Es besteht also die Möglichkeit, dass Shambhala und die Große Pyramide über ein unterirdisches Tunnelsystem miteinander verbunden sind. Auf seinen Reisen durch Tibet hatte Roerich Einblick in alte Lama-Texte, in denen von „eisernen Schlangen“ die Rede ist, die „den Raum verschlingen und dabei Feuer und Rauch speien“. Auch von „Bewohnern ferner Sterne“ 51 ist die Rede. Über dem Gebiet von Shambhala sind zudem schon oft Flugobjekte gesichtet worden, die sich überaus schnell bewegen. Der folgende Bericht stammt aus Roerichs Tagebuch und beschreibt ein Erlebnis, das die Expedition nahe dem Karakorum-Gebirge hatte:
„Am 5. August etwas Bemerkenswertes! Wir befanden uns in unserem Lager im Kukunor-Gebiet nahe der Humboldt-Kette. Am Morgen, etwa gegen halb zehn, bemerkten unsere Träger einen besonders großen schwarzen Adler am Himmel über uns. Sieben von uns beobachteten diesen ungewöhnlichen Vogel. Da sagte ein anderer Träger: ,Dort, weit über dem Vogel, ist noch etwas anderes.‘ Und dann schrie er erstaunt auf. Wir alle sahen, wie etwas von Nord nach Süd zog, etwas Großes, Schimmerndes, das das Licht der Sonne reflektierte, ein großes ovales Objekt, das sich mit hoher Geschwindigkeit bewegte. Als es über unserem Lager war, wechselte das Objekt abrupt die Richtung und bewegte sich nicht mehr nach Süden, sondern nach Südwest. Und dann verschwand es im tiefen Blau des Himmels. Wir hatten sogar Zeit, unsere Ferngläser zu holen, sodass wir deutlich eine ovale Form mit schimmernder Oberfläche ausmachten, in der sich das Sonnenlicht brach.“ 52
Roerichs Sichtung fand gut zwei Jahrzehnte vor Kenneth Arnolds berühmter Beobachtung statt – der Beobachtung einer Gruppe von runden, metallischsilbernen Flugobjekten nahe des Mount Rainier im US-Bundestaat Washington, die den Begriff „fliegende Untertasse“ prägen sollte. Nur ein Flugzeug unbekannten Typs kann das abrupte Flugmanöver durchgeführt haben, das Roerich in seinem Tagebuch beschreibt. Beim Anblick der Scheibe sagte einer der Lamas, die die Expedition begleiteten, zu Roerich:
„Das ist das Zeichen Shambhalas. […] Die Unsterblichen Shambhalas wachen über Sie. […] Haben Sie bemerkt, in welche Richtung sich das kreisförmige Objekt bewegt hat? […] In diese Richtung müssen Sie gehen.“ 53
Das Dreieck von Shambhala
Im zweiten Teil unserer Suche nach dem mysteriösen „Tal der Unsterblichen“ werden wir die „drei Wachposten von Shambhala“ lokalisieren, die das „Dreieck von Shambhala“ formen. In diesem Gebiet ereignen sich aufsehenerregende Dinge; so wurden hier zum Beispiel in jüngerer Zeit Hinweise auf eine interstellare Tragödie sowie Pyramiden entdeckt.
Endnoten
Roerich, N. K.: „Himalaya – Abode of Light“ (Bombay: Nalanda Publications, 1947)
2. Tomas, Andrew: „Shambhala – Oasis of Light“ (London:Sphere Books, 1977)
3. Prjevalsky, N. M.: „Mongolia“ (London, 1876), übersetzt von Boris Fereng; S. 63
Tomas: „Shambhala“, S. 43f.
Tucci, Giuseppe: „Tibetan Painted Scrolls“ (Rom, 1949, Bd. I)6. Hausdorf, Hartwig: „Die weiße Pyramide“; rückübersetzt aus der englischen Ausgabe (Florida: New Paradigm Books, 1998), S. 92,102
7. Alfred Percy Sinnett (1840 – 1921) war der Herausgeber der britischen Zeitung Pioneer in Allahabad, Indien, wo er von 1879 bis 1889 lebte. Ihm wurde das Privileg zuteil, in die Himalaya-Bruderschaft der Hohen Yogis aufgenommen zu werden.
8. „Passport to Shambhala“, veröffentlicht von der West Siberia Geographical Society, 1923, Brief 18, S. 31; englische Übersetzung von Professor Vladimir Andrei Vasiliu, 1933 [enthält den vollständigen Abdruck der „Mahatma Letters to A. P. Sinnett“]
9. Ebd., Brief 18, S. 32
10. Roerich, N. K.: „Heart of Asia“ (New York: Roerich Museum Press, 1930); auch in Tomas: „Shambhala“, S. 54
11. Prjevalsky: „Mongolia“, S. 101; Francke, A. H.: „A History of Western Tibet“ (London: Partridge and Co., 1907)
12. Tomas: „Shambhala“, S. 58
13. Ebd., S. 59
14. Roerich: „Heart of Asia“
15. Roerich: „Himalaya“; zitiert in Tomas: „Shambhala“, S. 39
16. Roerich: „Heart of Asia“; auch in Tomas: „Shambhala“, S. 59 passim
17. Tomas: „Shambhala“, S. 58
18. „Passport to Shambhala“, Brief 15, S. 131
19. Roerich: „Himalaya“
20. Saint-Hilaire, J.: „On Eastern Crossroads“ (New York, 1930); zitiert in Tomas: „Shambhala“, S. 63
21. Kharitidi, Dr. Olga: „Entering the Circle“ (San Francisco: Harper, 1996)
22. „Road to Shambhala“, ein seltenes tibetisches Buch aus dem 18. Jh., das vom dritten Panchen Lama, dem „Großen Gelehrten“ (1738 – 1780), verfasst wurde; übersetzt von Cheng Yuan, 1901
23. Ebd.
24. Hamamoto, L. C.: „The Soul Doctrine“, Lhasa; übersetzt von C. Chan, 1916, S. 67
25. Sinnett, A. P.: „Esoteric Buddhism“ (London: Neuauflage von 1903 des Originals aus dem Jahr 1883)
26. „Encyclopaedia Britannica“, 9. Aufl ., Bd. 10, „Apollonius“
27. Ebd.
28. Philostratus: „The Life of Apollonius of Tyana“ (London: Loeb Classical Library, 1912), acht Bücher in zwei Bänden; übersetzt von F. C. Conybeare. Hinweis: Alle nachfolgenden Apollonius-Zitate stammen aus Buch 3, in dem fast ausschließlich Apollonius’ Reise nach Nordtibet beschrieben wird.
29. Ebd.
30. Ebd.
31. Ebd.
32. Ebd.
33. Ebd.
34. David-Néel, Alexandra: „Magic and Mystery in Tibet“ (NY: Dover Publications, 1971; Erstveröffentlichung 1929)
35. Philostratus, „The Life of Apollonius“, Buch 3
36. Ebd.
37. Roerich: „Himalaya“, passim
38. Ebd.
39. David-Néel, Alexandra und Kendall, Claude (Hrsg.): „The Superhuman Life of Gesar of Ling“ (New York: 1934, übersetzt von Violet Sydney; Erstveröffentlichung 1931)
40. Ebd.
41. Ebd.
42. Ebd.
43. Zitiert in Tomas: „Shambhala“, S. 57
44. Roerich: „Himalaya“
45. Evans-Wentz, Dr. Walter Y.: „The Tibetan Book of the Great Liberation“ (Oxford University Press, 1954)
46. Ebd.
47. Tomas: „Shambhala“
48. „Passport to Shambhala“, Brief 62, S. 101
49. Roerich, N. K.: „Altai-Himalaya: A Travel Diary“ (Brookfi eld, CT: Arun Press, 1983; Erstveröffentlichung 1929)
50. Ossendowski, Ferdinand: „Beasts, Men and Gods“ (NY: E. P. Dutton & Co., 1922)
51. Roerich: „Heart of Asia“
52. Roerich: „Altai-Himalaya“
53. Roerich: „Heart of Asia“, passim