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Die Lehre aus Zypern: Vertrauen ist Glückssache – unsere Freiheit auch?

Danke, Eurogruppe.

Danke, Troika (IWF, EU-Kommission, EZB).

Danke, Regierung von Zypern.

Ihr alle habt uns mit einem Schlag aufgeweckt. Ihr habt uns mit einem Schlag klar gemacht, was euer Wort wert ist: NICHTS.

Zypern ist ein kleiner Staat mit nicht einmal einer Million Einwohnern. Und weit weg – quasi schon fast in Arabien. Oder in der Türkei – ganz wie man es sehen möchte. Da kann man ruhig ein wenig drohen – zum Beispiel damit, dass die Eurozone kein Zypern braucht. Man kann auch ruhig mal einen Testlauf machen, was passiert, wenn man alle Bürger an den Bankenschulden beteiligt – egal, ob sie nur ein paar Tausend Euro auf dem Konto haben oder von den grandiosen Zinsen der zypriotischen Banken (immer noch 4,5 Prozent für Einlagen) mit richtig großen Depots profitieren wollten. Zwar sind Einlagen bis 100 000 Euro europaweit geschützt – aber man kann ja mal probieren, was passiert, wenn man das kurzerhand aushebelt…

Dachtet ihr.

Damit habt ihr euch einen Bärendienst erwiesen. Sogar die vertrauensseligsten Sparer, zum Beispiel die Deutschen, die ihrer Regierung fast alles glauben, haben jetzt Angst um ihr Geld und passen auf.

Wisst ihr was? Ich hoffe, sie hören nicht nur nie wieder damit auf. Nein, ich hoffe, sie stehen jetzt endlich auf. Dann kann vielleicht noch verhindert werden, von langer Hand geplant ist und auch bereits in verschiedenen Ländern Europas als Testballon läuft: Das komplette Verbot von Bargeld.

Und damit die Möglichkeit, alle Bürger nach Belieben zu enteignen; mehr noch: komplett zu steuern.

Die Einlagen auf Zyperns Banken sollen knapp 127 Milliarden Euro betragen, das ist satte sieben Mal soviel wie das Volumen des Staatshaushaltes, das bei 18 Milliarden liegt. 31 Milliarden der Bankeinlagen sollen russischen Firmen und Privatiers gehören. Die Bank of Cyprus ist das größte Geldhaus, hält fast ein Drittel aller Geldeinlagen. Rund ein Drittel der Bank von Zypern soll in russischen Händen sein. Letzteres – zusammen mit der großzügigen 4,5 Prozent-Verzinsung von Geld in Zypern – begründet den allenthalben verlautbarten Vorwurf der Geldwäsche.

Nun sagt die Troika (IWF, EU-Kommission und EZB), bei einer Finanzhilfe steige die zypriotische Verschuldungsquote im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt (BIP) zu stark an (von 86 auf 140 Prozent). Das sei nicht tragbar, weshalb Zypern 5,8 Milliarden Euro seines Finanzbedarfs selbst erbringen müsse, und zwar durch Beteiligung der  Sparer.

Auch in der Vergangenheit wurden Anleger bereits zur Kasse gebeten – allerdings in anderer Form und stärker am Verursacherprinzip orientiert: Wer meinte, mit der finanziellen Lage von Banken/Staaten spekulieren zu müssen, musste Opfer bringen. An anderer Stelle wurde in diesem Blog schon dargelegt, dass es sich dabei allerdings eher um Pseudo-Opfer handelte.

Neu bei der Zypern-Hilfe ist eine lineare Veranschlagung aller Sparer: Wer über 100 000 Euro auf der Bank hatte, sollte bis gestern 9,9 Prozent, wer weniger als 100 000 Euro besaß, 6,75 Prozent zahlen. Das führt zu absurden Situationen: Ein Vater, der gerade den Ausbildungskredit für seine Tochter in Höhe von 12 000 Euro auf seinem Konto gut geschrieben worden ist, muss von diesem „Guthaben“ ebenfalls die Zwangsabgabe abführen. Und damit niemand aus der Reihe springt, hat die Zentralbank alle Banken bis Donnerstag geschlossen, alle Finanz-Transaktionen mit Ausnahme des Abhebens geringer Bargeldmengen unterbunden.

Der folgende Aufschrei hat dann doch tatsächlich alle „überrascht“…

Zypern 2Es gäbe dazu mehr zu sagen – zum Beispiel, dass die Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank durch das Zypern-Problem unter Druck geraten sind – dass die Aktienmärkte am ersten Börsentag nach der Entscheidung weltweit ins Minus gerieten, dass der Goldpreis erstmals wieder stieg. Oder dass vor Zypern riesige Gasvorkommen lagern, die das Land in einigen Jahren reich machen werden – und dass Gazprom gegen Lizenzen finanzielle Hilfestellung angeboten hat – aber das soll heute nur am Rande Thema sein.

Logischerweise wollte das zypriotische Parlament diesem Hilfspaket am Montag erstmal nicht zustimmen – man will ja an der Macht bleiben. Das Ergebnis der „Nachverhandlung“ bei der EU war dann allerdings recht mager: Trotz des „mahnenden Aufrufs“ aus den USA, die Kleinsparer fair zu behandeln, hat sich die Troika dazu durchgerungen, Zypern Gestaltungsfreiheit bei der „Progression“ der Zwangsabgabe zu gewähren, die in der Summe aber bei 5,8 Milliarden Euro bleiben muss. Heißt auf deutsch: Je mehr die Kleinsparer entlastet werden, desto stärker trifft es die Groß-Anleger.

Das war nun aber nicht das Codewort, auf das Europa gewartet hatte, liebe Troika…

Was wir hören wollten, war, dass das VERSPRECHEN GILT ! Sind nun Spareinlagen bis 100 000 Euro sicher oder nicht?

Danke, ihr habt es uns gesagt: Sie sind es nicht.

Nein, wir wollen jetzt nicht wissen, warum sie es nicht sind. Wir haben schon verstanden, worum es geht: Vertrauen ist Glückssache.

Betrachten wir jetzt einmal das gesamte Mosaik – dann sehen wir besser, wohin die Reise geht:

  • Die USA sind zurzeit dabei, weltweit nicht nur die Finanzdaten aller Menschen einzusammeln, sondern auch das physische Gold. 
  • Parallel dazu arbeiten die Euro-Staaten daran, das Bargeld abzuschaffen: Im Dezember 2011 verbot Italien alle Bargeldzahlungen über 1000 Euro. Die Griechen dürfen schon seit Januar 2011 privat maximal 1500, geschäftlich maximal 3000 Euro bar bezahlen. In Spanien liegt seit November 2012 die Grenze bei 2500 Euro für alle, Frankreich will ab 2014 eine Bargeldgrenze von 1000 Euro für alle einführen. In Schweden, so ging es erst vor wenigen Tagen durch die Medien, fordern Behörden, Unternehmen und Gewerkschaften gar die komplette Einstellung des Bargeldverkehrs – zurzeit liegt die Obergrenze noch bei 3000 Euro.

Was bedeutet es, wenn Menschen weder physische Werte wie Gold oder Silber, noch bare Zahlungsmittel in der Hand haben?

Muss man das wirklich noch erklären?

Muss man noch erklären, dass Menschen, deren Wohl und Wehe von elektronischen Buchungen auf Chips in Plastikkarten abhängt, bis unter die Haut manipulierbar sind? Wohin sollten sie noch gehen, wenn ihre Chips gelöscht würden? (Nein, das Thema Chips unter Menschenhaut klammern wir heute aus…)

GOLD UND BARGELD BEDEUTEN FREIHEIT !

Wer freiwillig seine Freiheit aufgibt, hat es nicht anders verdient.

Siehe auch: Grafik Veränderung der europäischen Staatsschulden seit 2010

Update: Euro-Finanzminister raten Zypern, Kleinanleger von Zwangsabgabe auszunehmen

Update: Sparer in Sorge: Die Suche nach der „guten“ Großbank

Update: Wirtschaft in Zypern: „Finanzieller Völkermord“

Update: Geldwäsche in Zypern unter der Lupe

Update: Russischer Ex-Finanzminister: 10 Prozent Verluste wären wenig

Fortsetzung:  Es wird immer schlimmer…

Mit 36 von 55 Stimmen hat das Parlament von Zypern am heutigen Dienstag das Rettungspaket abgelehnt. Tenor: Die Zwangsabgabe sei ungerecht – Europa müsse Zypern schon um des Euro willen retten. Den ganzen Tag über hatte es aus dem Inselstaat geraunt, man habe seinen ganz eigenen Weg in Aussicht, der sogar die Troika erstaunen werde.

Bereits Stunden vor der Entscheidung des Parlaments hatte sich der zypriotische Finanzminister auf den Weg nach Moskau gemacht, wo er morgen um Hilfe nachsuchen will. Russland zeigte sich empört über das EU-Rettungspaket, wie auch den steten Vorwurf der Geldwäsche. Nun gibt es Gelegenheit zur Retourkutsche – sei es über Kredite oder mit Hilfe von Gazprom.

Finanzminister Schäuble äußerte sich am Dienstag im heute-Interview: Zypern sei an seiner Lage selbst schuld. Im übrigen glaube er nicht, dass noch viel Zeit sei: Die beiden größten Banken des Landes seien nicht einmal mehr im Besitz von Notfallmitteln und faktisch insolvent. Schäuble soll, wie die Deutschen Mittelstandsnachrichten berichten, ursprünglich sogar eine Zwangsabgabe von 40 Prozent gefordert haben.

Mittlerweile hat, wie der Focus berichtet, die Kirche dem Staat Zypern ihr Geld angeboten, um zur Rettung beizutragen. Zyperns Banken sollen jetzt noch bis kommenden  Dienstag, also eine weitere Woche, geschlossen bleiben, um einen Run zu verhindern.

Die Banken greifen die Idee der Zwangsabgabe freudig auf: Der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer, hat schonmal vorgeschlagen, in Italien 15 Prozent einzuziehen.

Und die Grünen in Neuseeland warnen, die   Zentralbank befinde sich in der letzten Phase zur Implementierung eines speziellen Mechanismus, der im Falle eines Bankzusammenbruchs die unangekündigte Schließung aller Institute vorsehe. Über Nacht soll dann eine Teilenteignung von Sparkonten erfolgen, um Banken nach Art Zyperns einen Bailout auf Kosten der Sparer zu liefern. Der Durchgriff auf die Vermögen der Bürger durch Staat und Banken wäre damit gesetzlich gewährleistet…

Update: Diese russischen Konzerne parken Geld auf Zypern

Update: Zwei Banken öffnen vielleicht gar nicht mehr

Update: EZB und Deutschland nehmen Zypern in die Zange

Update: Moskau und Berlin pokern um Zypern

Update: Zypern-Delegation ergebnislos aus Moskau zurück 

Update: Troika lehnt Zyperns Plan B ab

Update: Schäuble: Finanzsektor muss seinen Beitrag leisten 

Der dritte Akt: An einem Freitag nach Börsenschluss

Noch bevor vom zypriotischen Parlament irgendeine Entscheidung publik gemacht wurde, nahmen die Forderungen der EU an das Land weiter zu. Ein Regierungsbeamter sagte Journalisten, dass die Troika den Eigenbeitrag Zyperns um 900 Millionen Euro anheben will, berichtet der Telegraph. Dieser Betrag solle mit Blick auf eine mögliche Kapitalflucht und sich verschlechternden Bedingungen im Haushalt als Sicherheitspuffer fungieren.

Mehrheitlich stimmen die Abgeordneten am Freitag abend dann für die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und für die Bildung eines Solidaritätsfonds. Letzterer soll unter anderem für Rekapitalisierung der nationalen Banken verwendet werden.

Ab sofort können die Banken zur Kapitalverkehrskontrolle ohne jede Vorwarnung folgende Maßnahmen ergreifen:

• Beschränkung de täglichen Limits für Bar-Abhebungen
• Keine vorzeitige Kündigung von Sparbüchern möglich
• Zwingende Verlängerung von befristet gebundenem Geld
• Umwandlung von Verechnungs-Konten in Girokonten
• Verbot von Bargeld-Überweiungen
• Beschränkungen von Bank-Karten, Kreditkarten, Pre-Paid-Karten
• Verbot der Einlösung von Schecks
• Verbot von Überweisungen innerhalb der selben Bank
• Kein Zugang zu Kreditvermittlern
• Beschränkungen bei allen Überweisungen
• Jede andere Maßnahme, die die Zentralbank oder eine andere Bank zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für notwenig erachtet

Damit sollen sowohl ein Bank-Run als auch der Abzug reicher Konto-Inhaber verhindert werden.

Als nächstes Gesetz wurde die Restrukturierung des Banken-Sektors beschlossen. Die Laiki Bank wird aufgespalten, die Schrottpapiere kommen in eine Bad Bank. Einlageninhaber über 100 000 Euro können damit bis zu 60 Prozent ihres Kapitals verlieren. Die griechische Piräus Bank übernimmt die 291 Filialen der angeschlagenen zyprischen Banken Cyprus Bank und Popular Bank in Griechenland. EU-Behörden und der griechische Finanzstabilitätsfonds gaben bereits grünes Licht für die Transaktion. Damit soll verhindert werden, dass der griechische Bankenbereich von der Krise auf Zypern angesteckt wird.

Konten unter 100 000 Euro sollen verschont bleiben. Für Einlagen über 100 000 Euro auf der Bank von Zypern soll jetzt nach Beratungen mit der EU eine einmalige Abgabe von 20 Prozent erhoben werden, für Einlagen über 100 000 Euro auf anderen Banken Zyperns vier Prozent. Bei der Bank of Cyprus sollen die meisten reichen Ausländer ihre Depots haben.

Die Parlamentsdebatte war in Zypern und Griechenland von Protesten begleitet.

Quelle: Deutsche Mittelstandsnachrichten und andere.

Update: Datenschützer: Rasante Zunahme der Konten-Einsichten durch den Staat

Update: Moskau alarmiert seine Bürger: Holt euer Geld aus Europas Banken

Update: Krise vor Brüssel-Treffen: Streit um Banken-Restrukturierung

Das Ergebnis in Brüssel

Noch einmal ein Aufbäumen in Zypern – letzter Versuch, das Hauptgeschäft des Inselstaates, seinen Bankensektor zu erhalten – dann wurde in Brüssel doch beschlossen, was unausweichlich schien: Die Bank of Cyprus muss die rund 9 Milliarden Schulden der abzuwickelnden Laika Bank übernehmen, das soll die Guthaben über 100 000 Euro um bis zu 40 Prozent belasten.  „Das ist das einzig Gute am zyprischen Drama: Es zeigt, dass man eine bedeutende Bank abwickeln und eine zweite schrumpfen kann, ohne dass die Finanzmärkte verrückt spielen“, kommentierte der Spiegel. Vertrauen hingegen, und zwar das der Wähler und Einwohner der Eurzone in ihre Banken – und was noch viel schlimmer ist, in ihre Politiker, ist jedoch in einer Weise zerstört, die die ganze Eurozone erschüttert.

Wer  nun eigentlich die Kleinsparer zunächst in die Pflicht genommen hat, wurde in den letzten Tagen heftig diskutiert. Besonders, nachdem die Menschen in Zypern Deutschland als Schuldigen ausgemacht hatten, betonte Finanzminister Schäuble immer wieder, es sei die zypriotische Regierung gewesen, die die großen Bankkunden zu Lasten der Kleinen habe schonen wollen. Dabei lag der wesentliche Fehler viel tiefer: Es hat zunächst einmal niemand verhindert. DAS, und nur das, wird letztlich im Gedächtnis bleiben, wenn die nächsten „Rettungsaktionen“ anstehen – und sie werden kommen. Wenn man keine Nebelkanonen in Sachen „Geldwäsche“ abschießen kann, wenn es schlicht darum geht, Verluste zu verteilen, dann wird man sehen, ob die Euro-Politiker eine Lektion gelernt haben – sonst ist die Währung verloren.

Ohnehin wird sich erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, wieviel Kapital im Euro und in den Euro-Ländern bleibt. Allenthalben wird zu Recht die Frage gestellt: Wenn eine Mini-Volkswirtschaft wie Zypern bereits solch dramatische Situationen heraufbeschwört: Was passiert dann, wenn Italien kommt? Oder Spanien? Oder Frankreich? Wer bitte wartet denn freiwillig, bis man sein Vermögen per Zwangsmaßnahme einfriert oder rasiert?

Trotz der drastischen Sperrmaßnahmen ist offenbar auch in Zypern nicht gelungen, das Geld komplett im Land zu halten. Wie die FAZ meldet, wurde bereits seit Januar ein verstärkter Vermögensabfluss registriert. Er hat sich in dem kurzen Zeitraum zwischen der Ablehnung des Rettungspakets durch das zypriotische Parlament und den Kapitalverkehrskontrollen vervielfacht. Möglicherweise sind so auf den letzten Drücker noch Milliarden außer Landes dirigiert worden. Gerüchten zufolge sollen auch hochrangige Zentralbank-Mitarbeiter ihr Geld außer Landes geführt haben.

Jetzt kommt das nächste unerfreuliche, aber ebenfalls bereits bekannte Theater: Die Euroländer untereinander schieben sich Schuldzuweisungen zu – und die Bundesregierung versucht, sich so lange wie möglich der notwendigen Debatte des Bundestages zur Zustimmung über das Paket zu entziehen. Alles in allem nichts, was wirklich auf Euroland stolz machen könnte.

Update: Nordzypern: Ein Hauch Schadenfreude im türkischen Teil

Update: Luxemburg fürchtet um sein Geschäftsmodell

Update: EU-Gesetzentwurf: Sparguthaben bei Bankenpleiten heranziehen

Update: Chef der Bank of Cyprus ist zurückgetreten

Update: Spanien erwartet 2013 eine weitere deutliche Verschärfung der Rezession

Update: Deutscher Sparkassenpräsident an Oligarchen: „Bei uns sind alle Einlagen sicher“

Update: Zyperns Rettung wird lang und schmerzhaft

Update: Vorstände beider Großbanken entlassen

Update: So funktioniert die deutsche Einlagensicherung

Update: Zyperns Banken schenkten Politikern und Firmen Millionen

Update: Bank-Run in Siena: Monte dei Paschi-Kunden  zogen Milliarden ab

Update: Klare Aussage der EZB: Zypern ist Blaupause für künftige Fälle

Update: Guthaben unter 100 000 Euro sind „möglichst sicher“

Update: EU half europäischen Banken, ihre Zyperneinlagen zu retten

Update: EU-Kommissar Barnier: Reiche Sparer sollen grundsätzlich haften

Update: EU-Finanzminister: Sparerhaftung soll Normalfall werden

Update: Zypern in der Krise – eine Bilanz / Ausführliche Anfrage der Linken an die Regierung und die Antworten

EU-Finanzpolitik: Ein Verbrechen an allen europäischen Bürgern

Es ist gar nicht so schwer zu verstehen – wenn man denn die nötigen Informationen hat. Versteht man es dann, wird man allerdings so wütend, dass es jeder Regierung Europas an den Kragen gehen könnte – auch der deutschen. Vielleicht haben es deshalb Menschen wie Karl Schumann, Redakteur beim Berliner Tagesspiegel, so schwer, wenn sie eine Reportage wie diese machen wollen: „Staatsgeheimnis Bankenfinanzierung“ ist eine Gemeinschaftsproduktion von Arte und RBB. Der Film ist derzeit in aller Munde, und zwar zu Recht. Was in der Eurokrise unter der Regie der EZB abläuft ist ganz klar ein Verbrechen an den europäischen Menschen.

„Wo geht denn das ganze Geld genau hin?“ Das ist die Ausgangsfrage, mit dem sich Karl Schumann auf die Suche macht. Das ganze Geld, das sind die Milliarden, mit denen die Europäische Zentralbank Staatsanleihen aufkauft und Staaten Kredite gibt. Das Geld der Rettungsschirme – mit denen angeblich wir Deutschen mit unseren sauer verdienten Steuergeldern Europa retten müssen.

So jedenfalls vermittelt es uns die Politik. Die Politik ist es aber auch, die verhindert, dass wir erfahren, wer genau dieses Geld denn bekommt. Hätte sie es uns gesagt, gäbe es möglicherweise weder ESFS noch ESM.

Am Beispiel von Irland, dem ersten Land, das von der Krise so richtig erfasst wurde, mit ausgedehnten Ausflügen nach Spanien, dem Land, das gerade mitten drin steckt, geht Karl Schumann der Frage nach den Ursachen akribisch nach und stößt auf ein ganzes System von Blockaden, das nur mit Hilfe anonymer Insider teilweise überwunden werden kann.

„Irland war an seiner Krise selber schuld,“ erfährt er von Finanzminister Schäuble. Das Land habe mit niedrigen Zinsen und einer laxen Bankenkontrolle ausländische Investoren – auch Deutsche – angelockt.

In anderen Worten: Irlands Banken haben sich von großen ausländischen Banken Geld geliehen, um im eigenen Land Wirtschaftsprojekte zu finanzieren, die aber am Bedarf vorbei liefen. So wurde kurzfristig die Wirtschaft abgekurbelt, um anschließend abzustürzen, weil die Projekte, etwa repräsentative Geschäftsimmobilien, keinen Gewinn abwarfen. Die heimischen Kreditnehmer konnten nicht zahlen, die irischen Banken konnten an ihre ausländischen Gläubiger nicht zahlen – die Finanzkrise war da.

Nun trat die EZB auf den Plan – und hier beginnt es, kriminell zu werden:  Karl Whelan, als Wirtschaftswissenschaftler der University College Dublin vom Europaparlament mit einem Gutachten über die Rolle der EZB  beauftragt, erklärt: Die EZB bestand auf einer vorrangigen Auszahlung der Anleihen – sprich, auf einer Befriedigung der Ansprüche der großen ausländischen Banken, die den irischen Kredit gegeben hatten. Zur Absicherung musste der irische Staat Garantien in Höhe von 70 Milliarden Euro übernehmen, damit die EZB überhaupt auszahlte. Das Geld kam in Irland an und machte sich am selben Tag wieder auf den Weg zurück zu den ausländischen Investoren (so erleben wir es zurzeit auch in Griechenland…).

Wer waren nun die Investoren? Hier stieß Schumann auf eine Mauer des Schweigens. Nur über die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (die Notenbank der Notenbanken) die unter anderem „grenzüberschreitende Forderungen“ veröffentlicht, fand er heraus:  28 Milliarden hatten allein deutsche Banken im Herbst 2010 in Irland ausstehen.  Welche deutschen Banken waren das? Nur mit Hilfe eines Insiders, der dem britischen Blogger  Paul  Staines alias Guido Fawkes (früher selbst Anleihehändler) eine Liste mit 80 Adressen zuspielte, war hier ein Fortkommen möglich: Allein 50 der 80 Institute sind aus Deutschland und Frankreich. Sie lesen sich wie ein Who is Who der Finanzwelt und machen zweifelsfrei klar:  Deutsche Banken wären bankrott gegangen, wenn die EZB den irischen nicht Kredite gegeben hätte, um ihre Forderungen zu begleichen.

Das ist aber noch nicht der Höhepunkt. Ein Beispiel: Die Anglo-Irish Bank musste sich 30 Milliarden bei der EZB leihen, um ausländische Forderungen zu befriedigen. Weil sie keine Sicherheiten bieten konnte, musste der irische Staat bürgen. Die Bank gibt es nicht mehr, sie wurde auf Staatskosten abgewickelt. Nun muss der irische Steuerzahler für die Summe gerade stehen.

Die EU könnte jetzt einen Schuldenschnitt machen – was keinen zusätzlichen Schaden verursachen würde, da das Geld bereits im Umlauf ist, die Geldmenge sich also nicht vergrößern würde. Den Vorteil davon hätte der irische Staat; sprich, die irischen Steuerzahler. „Das ist aber monetäre Staatsfinanzierung“ sagt EZB-Vorstandsmitglied Jörg Asmussen … die wolle man nun gar nicht – und sie könne auch Kettenreaktionen im irischen Finanzsystem auslösen….

Kettenreaktionen sind das Schreckgespenst, mit dem auch Wolfgang Schäuble immer wieder wedelt. Der deutsche Wirtschaftsminister nennt die Sicht des studierten Wirtschaftsredakteur auf Banken-Bilanzen naiv. Da sei doch jede mit jeder verbandelt, man habe sich gegenseitig Geld geliehen, mache Geschäfte miteinander. Wenn nun eine falle, könnten jederzeit weitere umkippen.

In Irland erkennen die Menschen zunehmend, was da mit ihnen passiert ist. Ein kleines Dorf protestiert jede Woche bei einem Marsch mit Plakaten gegen die EZB und die europäische Finanzpolitik: Nicht Deutschland hat uns gerettet, sondern wir retten mit unseren Garantien die deutschen Steuerzahler, heißt es da zu Recht.  Der deutsche Finanzminister sieht das ganz anders:  „Irland ischt das Muschterbeispiel dafür, dass unsere europäische Politik funktioniert und sollte jetzt das neu gewonnene Vertrauen nicht selber zerstören“.

Was lernen wir daraus?  „Bankschulden auf den Staat zu transferieren, ist ein schrecklicher Fehler“, sagt ein irischer Finanzpolitiker.

Der spanische Wirtschaftsminister sieht das anders: Der Anteil der spanischen Banken am Bruttosozialprodukt liege nur bei vier Prozent, in Irland seien es mehr als 20 Prozent,“ sagt er. Daran sehe man schon, dass das Problem ganz anders gelagert sei – eine Aussage, die vor dem Hintergrund von mehr als 27 Milliarden ungesicherter Kredite allein in der Bilanz des Geldhauses Bankia durchaus Stirnrunzeln hervorrufen kann. Wer sind denn die Gläubiger der Bankia? Wir kennen sie“, sagt der Wirtschaftsminister. Verraten will er sie aber nicht. Statt dessen sagt er: „Wir wissen doch alle: Eine Finanzwirtschaft, die nicht durch Gold gedeckt ist, ist instabil“…

Der Spanier, der gegen die Rettung der Bankia Klage eingereicht hat. weiß mehr: Auch hier trifft sich bei den Gläubigern das Who ist Who der Finanzwirtschaft. Vorne mit dabei, genau wie in Irland, die Deutsche Bank und Union Investment…

Was macht Banken so „systemrelevant“, dass die Politik ihre Bürger dafür haften lässt?

Hätte man sie pleite gehen lassen, wäre herausgekommen, wie Politik Geld wohin schiebt. Das hätte die ganze politische Klasse zum Verschwinden gebracht, antwortet im Film ein wütender Spanier, der etwas davon versteht. Und hat damit möglicherweise des Pudels Kern genau getroffen.

„Sie sollen uns beweisen, warum die Banken gerettet werden müssen – was denn passieren würden, wenn die pleite gehen“,  ist das Schlusswort Harald Schumanns in diesem sehenswerten Film. Dem kann man sich nur anschließen – auch und besonders als Deutscher. Unsere großen Banken sind beim großen Verschiebebahnhof vorne mit dabei. Indem unsere Politiker verhindern, dass sie an ihren windigen Geldanlagen im Ausland pleite gehen, verhindern sie – noch – dass die deutschen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Politik mit scheinbar weißer Weste da steht. Aber eine weiße Weste – das sollte uns allen klar sein – hat hier schon lange niemand mehr.

Am 7. Februar 2013 hat die EZB Schulden Irlands bis 2038 gestundet. Das spart dem irischen Staat drei Milliarden Zinszahlungen pro Jahr. Bis 2038 wird es möglicherweise schon lange keinen Euro mehr geben. Aber wenn die Politik ihre Maßgaben nicht ändert, wenn sie weiter dafür sorgt, dass Banken nicht pleite gehen können, verschwindet vielleicht eine Währung – die Macht der Geldhäuser aber nicht.

Bauruinen Immoboom Spanien

Update: Warten auf Zinssenkung der EZB

Update: Nach der Staatspleite kämpft Argentinien vor Gericht gegen „Aasgeier“

Update: Bedenken gegen direkte Bankenhilfe 

Update: Beppe Grillo: Nicht der Euro erdrückt Italien, sondern die Schulden

Update: So funktionieren Wetten auf Italien

Update: Ende der Eurokrise ein Hirngespinst

Update: ESM soll Tochtergesellschaften zur direkten Bankenfinanzierung gründen

Update: Wieso funktioniert die Politik der EZB? Weil sich niemand traut, gegen sie zu wetten…

Update: Tabubruch und Testballon in Zypern: Einfache Sparer haften für EU-Hilfe

Update: EZB-Speziallizenz zum Geld Drucken soll Frankreich Zeit verschaffen

Update: Strategiepapier des IWF: Bargeld unbemerkt abschaffen

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EZB wird Bad Bank – und Deutschland wird zahlen – wenn es den Euro behält

Bundesbankpräsident Jens Weidmann stimmte als Einziger dagegen, als die EZB heute beschloss, den Kauf von Staatsanleihen unbegrenzt auszuweiten. Deutschland war damit isoliert, was angesichts der Finanzlage der übrigen EU-Staaten nicht verwunderlich ist.

„Jetzt ist der Euro unumkehrbar“ erschallte es aus dem Medienwald – und in der Tat schafft Europa damit Fakten. Egal ob Karlsruhe nun für oder gegen den ESM entscheidet, ist Deutschland jetzt in einer Haftungsunion, aus der es nur herauskommt, wenn sich die Bundesbank selbst gegen den Euro entscheidet – das erscheint bei allem Übel eher unwahrscheinlich.

Nach Ansicht der Kritiker verstößt die Europäische Zentralbank damit gegen diesen Paragrafen des Vertrages zur Gründung der EU:

Artikel 123 (ex-Artikel 101 EGV)

(1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im Folgenden als „nationale Zentralbanken“ bezeichnet) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.

(2) Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von der jeweiligen nationalen Zentralbank und der Europäischen Zentralbank, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.

Fakt ist nun, dass nicht nur die Bundesbank entmachtet ist, sondern auch das deutsche Parlament: Die EZB handelt als Bad Bank ohne jede parlamentarische Kontrolle. Dessen ungeachtet greifen aber die Haftungsmechanismen, die vor allem Deutschland teuer zu stehen kommen können. Europa hat jetzt seine letzte Waffe angewendet und setzt im Prinzip gegen jedes besseres Wissen auf die selbe Politik, die in den USA bereits die Federal Reserve Bank erfolglos anwendet: Der Markt wird mit Geld geflutet, was kurzfristig für Erleichterung sorgt, mittel- und langfristig die Krise aber nur verstärkt.

 WELT online fasst die Ereignisse des Tages so zusammen:

EZB-Präsident Draghi bricht mit ehernen Prinzipien der deutschen Geldpolitik. Die Zentralbank pumpt unbegrenzt Geld in die Bondmärkte. Die Börsen jubeln – für Deutschland beginnt der Albtraum.Von D. Eckertund H. Zschäpitz

</p> <p> Bundesbank-Chef Weidmann: Er hat im EZB-Rat offenbar gegen den Anleihenkauf gestimmt. Geholfen hat es nichts</p> <p>

© dapd Bundesbank-Chef Weidmann: Er hat im EZB-Rat offenbar gegen den Anleihenkauf gestimmt. Geholfen hat es nichts

Da war es, das Wort, auf das alle gewartet hatten: unbegrenzt. Der es benutzte, war Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Unbegrenzt will die EZB nach Beschluss des Zentralbank-Rats künftig Staatsanleihen von Euro-Problemländern kaufen, um die schwer angeschlagenen Finanzmärkte der Währungsunion zu stabilisieren.

Die einen hatten das Wort herbeigesehnt, die anderen eher gefürchtet – vor allem in Deutschland.

Die Wende der EZB kommt einer Neudefinition von Geldpolitik gleich – mit weitreichenden Konsequenzen für die Geldanlage. „Der Euro wird zu einer Art italienischer Lira gemacht“, sagt Thorsten Polleit, Chefökonom bei Degussa Goldhandel. Die Folgen dieser Entscheidung seien unkontrollierbar.

Zu einer positiveren Einschätzung kommt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank: „Die Märkte haben über die Jahre gelernt, dass es sich nicht lohnt, gegen die US-Notenbank Fed zu spekulieren. Jetzt lernen sie auch, dass es sich nicht auszahlt, gegen die Europäische Zentralbank zu wetten.“

Deutschland sei der große Gewinner. Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollten, komme die EZB ihrer Pflicht nach. Die Entscheidung vom 6. September könne die größte Volkswirtschaft des Kontinents vor einer Rezession bewahren: „Draghi hat geliefert.“

Die Bundesbank reagierte auf den Beschluss mit einem ungewöhnlichen Schritt: Sie gab eine eigene Erklärung heraus, in der sie betonte, dass sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann im EZB-Rat gegen die Anleihenkäufe ausgesprochen habe.

Nach seiner Einschätzung läuft das auf Staatsfinanzierung durch die Notenpresse heraus. Der Transfer von finanziellen Risiken, der damit einhergehe, bedürfe zudem demokratischer Legitimierung durch die Parlamente.

</p> <p> EZB-Bilanzsumme</p> <p>

© Infografik Die WeltEZB-Bilanzsumme

</p> <p> Im Gleichschritt: der Goldpreis</p> <p>

© Infografik Die WeltIm Gleichschritt: der Goldpreis

Märkte haben ihr Urteil gefällt

Gewinner und Verlierer der neuen Geldpolitik waren an der Börse schnell ausgemacht: Die Aktienmärkte haussierten, wobei die Peripheriemärkte besonders starke Kursgewinne verzeichneten: Der Deutsche Aktienindex (Dax) legte bis zum Ende des Xetra-Handels fast drei Prozent zu, die Börsenbarometer in Mailand und Madrid stiegen um bis zu fünf Prozent.

Wieder einmal zeigt sich, dass die Märkte kurzfristig nach Liquidität gieren und das Ende der „deutschen Orthodoxie“ in der Geldpolitik begrüßen.

Noch klarer waren die Effekte am Bondmarkt: Bei den lang laufenden spanischen Anleihen ging die Rendite um 30 Basispunkte nach unten, bei deutschen Bundesanleihen verteuerten sich hingegen die Finanzierungskosten. Der Risikoaufschlag der Spanier verminderte sich auf 445 Basispunkte, das war der niedrigste Wert sei Mai.

Zum ersten Mal seit Februar 2011 sind die Renditen dreijähriger portugiesischer Staatsanleihen unter die Marke von fünf Prozent gefallen. Noch Anfang des Jahres standen sie bei mehr als 25 Prozent, Portugal galt damals als Pleite-Kandidat. Nun scheint die EZB die Portugiesen gerettet zu haben.

Auch die Gold- und Silber-Notierungen legten stark zu: Das gelbe Metall verteuerte sich auf 1714 Dollar. In hiesiger Währung wurde die Feinunze (31,1 Gramm) bei 1353 Euro gehandelt, nur drei Euro unter dem Rekordhoch vom September 2011.

Silber verteuerte sich auf 26 Euro je Unze – das war der höchste Niveau seit März. Der Euro schwankte um die Marke von 1,26 Dollar.

Kauforgie bei den Krisenstaaten

Draghis Umwertung aller Werte führte zudem zu einer Kauforgie bei den Anleihen von Peripherie-Staaten: „Draghi hat die Risiken vom Rand zum Kern tranferiert“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank.

Die EZB treibe die europäische Haftungsunion mit größerem Tempo voran als die Parlamente. „Die Zentralbank hat der Politik einen Blankoscheck ausgestellt“, sagt Gary Jenkins, Stratege bei Swordfish Securities in London.

Das Konzept einer „unbegrenzten“ Intervention war in der deutschen Geldpolitik der Nachkriegszeit bisher unbekannt. Im alten Europäischen Wechselkurssystem (EWS) sollte sich die Bundesbank nach Vorstellung von Paris Anfang der Neunzigerjahre schon ein Mal dazu verpflichten, in der Krise unbegrenzt Francs aufzukaufen.

Der damalige Chef der deutschen Zentralbank, Helmut Schlesinger, konnte das damals noch abwenden. Aus seiner Sicht raubt eine solche Verpflichtung den Währungshütern ihre Waffen, Inflationsgefahren frühzeitig abzuwenden.

Nun droht die Preisspirale

Heute ist es – über den Umweg der EZB – soweit. Für die unbegrenzten Interventionen stellt die Zentralbank frisch gedrucktes Geld zur Verfügung. Diese Liquidität kann, einmal ins System gebracht, eine Preisspirale ins Laufen bringen.

Zwar hat die EZB aus diesem Grund angekündigt, das durch die Käufe geschaffene Geld zu „neutralisieren“, ob dies jedoch in der Praxis funktioniert, ist offen. Unter Umständen müsste sie den Banken dazu solche Zinsen aufnötigen, dass sie die Institute damit in Bredouille und die Konjunktur in Gefahr ringen würde.

Aus dem Grund hat zum Beispiel der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, die Anleihekäufe als „falschen Weg“ bezeichnet. Die Zentralbank sei nicht zur Staatsfinanzierung da.

Auch die Verknüpfung mit politischen Reformen ist heikel: „Wird die Zentralbank ihre Anleihekäufe wirklich einstellen, wenn ein Land sich nicht an die vereinbarten Modernisierungs- oder Konsolidierungsschritte hält?“, fragt Jenkins. Der Rückzug der EZB wäre gleichbedeutend mit der Pleite des Landes: „Politisch ist das kaum durchsetzbar.“

„Nichts als Augenwischerei“

Auch für Degussa-Mann Polleit sind die Bedingungen, an die die EZB die Käufe knüpft, nichts als „Augenwischerei“, um die schleichende „Liraisierung“ des Euro zu kaschieren. Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer kritisiert, dass die Staaten keine harten Anpassungen vornehmen müssten, um in den Genuss von EZB-Hilfe zu kommen, wie von Draghi dargestellt.

Vielmehr reiche es aus, die laxeren Auflagen der EU-Kommission zu befolgen, um sich für „unbegrenzte“ Zentralbank-Hilfe zu Qualifizieren: „Spanien zeigt, wie rasch die Konditionen aufgeweicht werden können.“

Schon jetzt zeigt sich, dass die Zentralbank ein gutes Stück vom Pfad der reinen Lehre abgekommen ist. Die Bilanzsumme der Institution hat sich innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppelt, auf zuletzt gut drei Billionen Euro.

Ein Gros der dort aufgeführten Werte ist jedoch von zweifelhafter Qualität: Die Bundesbank hätte diese Papiere nie als Sicherheiten für ausgeliehenes Geld akzeptiert, umso weniger als viele der Geschäfte lange Laufzeiten von bis zu drei Jahren aufweisen.

Die deutsche Zentralbank hat selten Geld für mehr als eine Woche verliehen. In der Regel waren es lediglich Übernachtgeschäfte. Für die Bundesbank war das immer ein Gebot der Vorsicht und der Unabhängigkeit: Denn je länger die Laufzeit, desto schwieriger ist der Ausstieg.

Aktien sind die Gewinner

„Aktien profitieren von diesem Umfeld, vor allem jene der Peripherie“, erklärt Krämer. Denn die Risikoprämien würden dahinschmelzen. Der Euro hingegen werde auf mittlere und lange Sicht abwerten. Polleit hält Gold für das Investment der Stunde, denn anders als Notenbank-Liquidität lasse sich physisches Edelmetall nicht beliebig vermehren.

Schon in den vergangenen Jahren lässt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Bilanzsumme der Notenbank und dem Unzenpreis erkennen. Beide zeigen eindeutig nach oben, gleichsam unbegrenzt.

Die Wirtschaftswoche fasst so zusammen:

Die EZB will den Euro-Krisenstaaten mit dem unbegrenzten Aufkauf von Anleihen helfen. Präsident Draghi düpiert den Bundesbankchef öffentlich. Die wichtigsten Fragen nach der EZB-Entscheidung.

1. Warum will die EZB Staatsanleihen kaufen ?

Bereits unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet hatte die EZB Anleihen von Euro-Krisenländern auf dem Sekundärmarkt – zum Beispiel von Banken – gekauft, um die Zinslast der Staaten zu senken. Denn die finanzschwachen Länder müssen misstrauischen Investoren hohe Zinsen für ihre langfristigen Anleihen zahlen. Seit März ruht das Programm. Jetzt hat EZB-Präsident Mario Draghi eine neue Runde angekündigt. Er begründete seine Entscheidung damit, dass man nur so das Funktionieren einer einheitlichen Geldpolitik der Notenbank in allen 17 Euro-Ländern garantieren könne. Laut Draghi sei die Wirkung der klassischen EZB-Maßnahmen gestört: Zinssenkungen kämen nicht in allen Euroländern gleichermaßen an. „Der Leitzins, der eigentlich ‚leiten‘ soll, tut dies nur noch eingeschränkt“, argumentiert EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen.

2. Welche Anleihen wird die Europäische Zentralbank kaufen?

Es werden nur Anleihen von Ländern gekauft, die unter den Rettungsschirm EFSF oder seinen Nachfolger ESM schlüpfen. Sie können dort ein umfangreiches Hilfsprogramm zu Staatsfinanzierung oder eine vorbeugende Kreditlinien wegen Finanzierungsengpässen beantragen. Die EZB will nur Papiere mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren kaufen. Der Grund für die kurzen Laufzeiten: Die EZB verspricht sich dabei, den Druck auf die Politik aufrecht zu erhalten. Der Erwerb von Anleihen mit längerer Laufzeit birgt das Risiko, dass der Reformeifer der Krisenländer erlahmt.

3. Unter welchen Bedingungen kauft die EZB?

Die EZB wird nur Staatsanleihen kaufen, wenn sich die betreffenden Staaten der Kontrolle des Euro-Rettungsfonds unterwerfen und sich an die vereinbarten Reformschritte halten. Damit wären die Hilfen auch an politische Auflagen geknüpft. Draghi bat hier den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe. „Wir versuchen, den IWF ins Boot zu holen“, erklärte er auf der Pressekonferenz. Er soll sich an der Ausgestaltung der Programme und dessen Überwachung beteiligen. Wenig später erklärte IWF-Chefin Christine Lagarde, beim künftigen Anleihenkaufprogramm zu assistieren: „Der IWF ist zur Zusammenarbeit bereit.“

4. Ab wann wird die EZB kaufen?

Sobald die Euro-Rettungsschirme am Bondmarkt aktiv sind, ist die EZB bereit zu kaufen. Das Bundesverfassungsgericht wird am Mittwoch entscheiden, ob Deutschland den ESM-Vertrag ratifizieren kann.

5. Gibt es eine Obergrenze für die Anleihenkäufe?

Die Zentralbank setzte keine Obergrenze. Das Programm werde beendet, wenn die Ziele erreicht seien, kündigte Draghi an.

6. Wie reagierten die Märkte?

Draghis Äußerungen wurde an den Börsen mit einem Kursfeuerwerk begrüßt. Zudem sorgten gute US-Konjunkturdaten dafür, dass der deutsche Leitindex 2,91 Prozent höher bei 7167,33 Punkten schloss – zum bisherigen Jahreshoch bei 7194,33 Punkten aus dem März fehlen ihm damit weniger als 30 Punkte. Der Leitindex im hoch verschuldeten Spanien kletterte um 3,7 Prozent, in Mailand um 2,8 Prozent.

Volkswirt Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus sagte: „Die erhofften Punkte hat Draghi alle ziemlich klar angesprochen.“ Ein nun möglich gewordenes, koordiniertes Vorgehen von EZB und Regierungen sei dazu geeignet, die Märkte für längere Zeit zu beruhigen. Besondere Beachtung fand an den Märkten die Beteuerung Draghis, dass die Anleihenkäufe notfalls im unbegrenzten Umfang stattfinden würden. „‚Unbegrenzt‘ war das Zauberwort“, sagte ein Aktienhändler.

7. Steigen durch die Anleihenkäufe die Inflationsrisiken?

Draghi kündigte an, das Geld, das die EZB für die Anleihenkäufe ausgibt, an anderer Stelle wieder einzusammeln. Analysten schätzen aber, dass ab einer bestimmten Grenze – wo genau die liegt, kann niemand sicher sagen, aber vermutlich um die 500 Milliarden Euro,  Schluss ist, und die EZB das zusätzlich geschaffene Geld nicht mehr absaugen kann. Der damit ausgelöste Anstieg der Geldmenge würde die Inflationsrisiken dramatisch erhöhen.

8. Was bedeutet das neue Programm für den deutschen Steuerzahler?

Die EZB verzichtet auf ihren Status als bevorzugter Gläubiger und wird deshalb künftig Verluste, die bei den von ihr gekauften Staatsanleihen anfallen, akzeptieren. Diese Verluste fallen allerdings vor allem bei den nationalen Notenbanken an, da diese die Mehrheit der pleitebedrohten Papiere halten. Die meisten hält die Bundesbank. Der deutsche Steuerzahler leidet unter den fehlenden Gewinne oder etwaigen Verlusten im Staatshaushalt.

9. Fiel der Beschluss im EZB-Rat einstimmig?

Nein. Nur einer im 23-köpfigen EZB-Rat stimmte gegen die Entscheidung: Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Draghi wurde auch nicht müde, zu betonen, dass Weidmann mit seiner Meinung alleine da stehe: „Das ist keine italienische Entscheidung. Sie wurde im Rat beinahe einstimmig getroffen.“ Weidmann ist der Meinung, dass die EZB mit Anleihekäufen gegen das vertragliche Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenpresse verstoße.

10. Tritt Weidmann nun zurück?

Nein, Weidmann bleibt. Er ist das stabilitätspolitische Gewissen der EZB und hat von Anfang an gewusst, worauf er sich einlässt. In den letzten Wochen hatte er öffentlich gegen eine solche Entscheidung gekämpft. Seit heute ist klar: Im EZB-Rat ist er mit seiner Meinung isoliert.

11. Wird die Euro-Zone nun zur Weichwährungsunion?

Mit dem neuen Programm finanziert die EZB Staaten über die Druckerpresse – das ist ihr strikt verboten. Ein großes Tabu einer stabilitätsorientierten Währungsunion wurde an dem heutigen Tage gebrochen. Es ist davon auszugehen, dass langfristig durch die Anleihenkäufe die Geldmenge steigen und damit die Inflationsgefahr zunehmen wird.

Updates: Drei Gründe, warum der EZB-Plan doch keine Bazouka ist

europäische Medien kommentieren uneinheitlich

Politiker und Wirtschaftsweise: Intensivmedizinische Maßnahme

Kommentare von Merkel und anderen

Koalitionspolitiker fordern Klage gegen die EZB

Merkel versteckt sich hinter Draghi“

Anleger feiern die EZB

„Nur die EZB kann den Euro noch retten“ 

Umfrage: Deutsche hoffen, dass Karlsruhe den ESM stoppt

Bundesregierung und Kanzlerin stellen sich demonstrativ hinter die EZB

Internationales Medienecho: Skeptiker in der Minderheit

Bundesbank und Regierung steuern auf einen historischen Konflikt zu

Update 12.11.2012 Hans Werner Sinn: Die Bankenunion wird ein Desaster – besonders für die Deutschen

Update: Karlsruhe überlässt EZB-Entscheidung dem europäischen Gerichtshof

Update: Was ist schlimmer: Inflation oder Deflation? (incl. Video)

Update: Es ist soweit: Draghi kauft Giftpapiere der Banken auf

Update: EZB verkommt zur Bad Bank

Update: EZB-Chef Draghi darf die Bazooka laden, sagt der EuGH

Update: EuGH billigt den „notfalls unbegrenzten“ Kauf von Staatsanleihen

Update: EZB verliert Geduld mit Italien

Update: EZB will sich die Möglichkeit offenhalten, Verluste auf nationale Notenbanken zu verteilen – EuGh-Anhörung

ESM verstößt sowohl gegen das Gesetz als auch die EU-Verträge

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich mal wieder zuversichtlich gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht kommende Woche den Weg für den Euro-Rettungsfonds ESM und den EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin freimachen wird. Er sei sicher, dass das Gericht beide Vorhaben nicht blockieren werde, sagte Schäuble am Montag bei einer Konferenz in Straßburg. Die Bundesregierung habe beide Verträge gewissenhaft geprüft und keinen Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks der Politik auf das Bundesverfassungsgericht habe ich den folgenden Artikel aus der WELT online vom 4.9.2012 entnommen.

Der Autor, Gunnar Beck, lehrt EU-Recht an der University of London, arbeitet dort als Barrister und ist ehemaliger Rechtsberater im EU-Ausschuss des House of Commons.

Im Extremfall könnte der Euro-Rettungsschirm Deutschland 700 Milliarden Euro kosten. Wird das Bundesverfassungsgericht den Mut aufbringen, die Verfassung und die Bürger vor der Politik zu schützen?

Das Bundesverfassungsgericht urteilt am 12. September über die Verfassungsmäßigkeit des ESM. Auch der Europäische Gerichtshof prüft, ob der Euro-Rettungsschirm gegen EU-Recht verstößt. Das Verfassungsgericht hat bereits klargestellt, dass ein neuer Euro-Vertrag und weitere finanzielle Unterstützung für schwächere Euro-Staaten das Budgetrecht des Bundestages nicht aufheben dürfen.

Der ESM darf direkt von Euro-Zone-Staaten Staatsanleihen aufkaufen oder diesen Kredite gewähren. Dies darf die EZB laut EU-Vertrag offiziell nicht. Allerdings, so betont die Bundesregierung, sieht der ESM eine Haftungsobergrenze von 700 Milliarden Euro vor und begrenzt den deutschen Anteil daran eindeutig auf „nur“ 190 Milliarden Euro. Offenbar lasen die Politiker den Vertag nicht oder sie verstehen dessen Details nicht. Der ESM ist eindeutig rechtswidrig.

Deutschland haftet bereits jetzt stellvertretend

Entgegen der Zusicherung von Kanzlerin Merkel beschränkt Artikel 8(5) des ESM-Vertrags das Fondskapital nicht auf den Nominalwert von 700 Milliarden Euro, sondern auf den Ausgabewert. Der ESM-Gouverneursrat kann gemäß Artikel 8(2) beschließen, dass der Ausgabewert den Nennwert übersteigt. So könnte ein Großteil des ESM-Kapitals etwa zum Doppelten des Nominalwertes ausgegeben werden, die Gesamthaftung der ESM-Mitgliedsstaaten würde sich nahezu verdoppeln.

Gemäß Artikel 25 Absatz 2 haften solvente Mitgliedsstaaten für Fehlbeträge, die sich dann ergeben, wenn ein anderes ESM-Mitglied seiner Einzahlungspflicht nicht nachkommt. Deutschland haftet bereits jetzt stellvertretend, weil Griechenland und Portugal gar nichts einzahlen können.

Belastung bis zu 700 Milliarden Euro

Laut Artikel 21 kann der ESM unbeschränkt Kredite aufnehmen sowie Anleihen an den Kapitalmärkten begeben. Hierdurch werden faktisch die von Merkel selbst verurteilten „Euro-Bonds“ eingeführt, weil alle Mitgliedsstaaten gemeinsam für die vom ESM begebenen Anleihen haften, und dies ohne Kredit- und Haftungsgrenze. Nicht ausgeschlossen ist durch Artikel 21 zudem, dass der ESM sich von der EZB unbeschränkt weitere Mittel beschafft, die die EZB einfach drucken wird.

Aufgrund der Möglichkeit kreditfinanzierter Staatsfinanzierung, der Nachschusspflicht Deutschlands im Fall der Zahlungsunfähigkeit anderer Staaten und eines erhöhten Ausgabekurses kann die Belastung Deutschlands entgegen der Darstellung der Bundesregierung auf weit über 190 Milliarden Euro ansteigen – im Extremfall auf über 700 Milliarden Euro.

Der ESM hat eine Banklizenz für unbegrenzte Kredite

Der Eindruck der Irreleitung von Parlament und Öffentlichkeit durch die deutsche Regierung verdichtet sich bei weiterer Betrachtung, so durch die Diskussion, ob der ESM eine Banklizenz erhalten solle. Gemäß Artikel 32(9) braucht der ESM keine Lizenzierung als Kreditinstitut, auch nicht, um sich an den Finanzmärkten Geld zu leihen.

Eine Banklizenz hat er quasi schon jetzt mit „im Gepäck“. Als „bad bank“ kann sich der ESM direkt und unbegrenzt Kredit bei der Notenbank beschaffen. Artikel 19 erlaubt darüber hinaus ohne Vertragsänderung schon jetzt die Rettung insolventer Banken.

Immunität und Geheimhaltungspflicht

Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, dass weitere Hilfen nicht ohne parlamentarische Zustimmung erteilt werden dürfen. Laut Artikel 4(4) kann der ESM-Gouverneursrat jedoch auf Empfehlung von Kommission und EZB finanzielle Soforthilfen genehmigen. Stimmt das deutsche Ratsmitglied ohne parlamentarische Prüfung zu, genießt es gemäß Artikel 35 uneingeschränkte Immunität, während einmal gefasste ESM-Ratsbeschlüsse laut Artikel 32 nicht justiziabel sind.

ESM-Angehörige unterliegen zudem einer lebenslangen Geheimhaltungspflicht. Ähnlich wie der EZB-Präsident müssen sie sich also in Bezug auf ihre Amtsgeschäfte nicht für Rechtsbrüche verantworten, so sie nur schweigen.

EZB-Präsident Draghi und vertragswidrige Anleihekäufe

Durch den ESM-Vertrag könnte die Haftung Deutschlands für Schulden angeschlagener Euro-Staaten auf 700 Milliarden Euro ansteigen, zusammen mit bestehenden Garantien und Krediten nach Zahlen des Ifo-Instituts in München sogar auf anderthalb Billionen Euro. Das wäre nicht weniger als das Doppelte beziehungsweise Vierfache des deutschen Bundeshaushaltes. Die Budgetautonomie des Deutschen Bundestages wäre damit selbst bei Teilverlusten aufgehoben.

Die EU-Verträge verbieten Staatsfinanzierung über die Notenpresse und untersagen Regierungen die Veräußerung von Regierungsanleihen an die EZB. Dem ESM wird nun gestattet, was der EZB im Mindesten gemäß den Verträgen untersagt ist: Staatsanleihen direkt zu kaufen, Staatskredite zu gewähren und insolvente Banken zu retten.

EZB-Präsident Draghi hat bereits angekündigt, dass er Anleihekäufe durch den ESM zur Rechtfertigung nähme, dass die EZB nicht mehr durch Beschränkungen des Artikels 123 gebunden wäre. Vertragswidrig befinden sich bereits jetzt über 40 Milliarden Euro griechischer Staatsanleihen in der EZB-Bilanz, 100 bis 150 Milliarden schlummern dort als Pfand für Bankkredite. Details über die Zusammensetzung und Kreditwürdigkeit anderer Bilanzposten weigert sich Draghi zu veröffentlichen.

EZB-Politik wird die Inflation beschleunigen

Der ESM-Vertrag vergemeinschaftet die Staatsschulden durch Direkthilfen, Garantien, ESM- oder Projektbonds und mögliche über den ESM gesteuerte EZB-Kredite. Es gibt keine Obergrenze für diese gemeinschaftlichen Schulden – ein Bruch des „No bail“-Prinzips des EU-Vertrages.

Die EZB-Politik der subventionierten Staatsfinanzierung durch die Notenpresse wird über kurz oder lang durch Zunahme der Geldmenge verbunden mit einer Euro-Abwertung die Inflation beschleunigen. Der EZB-Präsident „lirafiziert“ damit den Euro.

Grundlage des National- und Rechtsstaats steht infrage

Der ESM-Vertrag begründet ein System, mit dem durch Immunität geschützte ESM-Banker über hohe Summen nationaler Steuergelder verfügen und die Kontrollrechte der nationalen Parlamente umgehen können. Damit und durch die Schuldenvergemeinschaftung verstößt der ESM gegen Grundgesetz wie EU-Verträge.

Ist der ESM einmal in Kraft, ist die Grundlage des National- und Rechtsstaats infrage gestellt: das Budgetrecht des Bundestages und seine Fähigkeit, durch Steuer- und Ausgabepolitik die Lebensverhältnisse der Bevölkerung erheblich zu bestimmen. Dennoch erwartet kaum jemand, dass das Bundesverfassungsgericht oder der EuGH den ESM zu Fall bringen; allenfalls geringfügige Korrekturen gelten als denkbar.

Es wäre eine rechtsstaatliche Tragödie, wenn das Bundesverfassungsgericht bei eindeutiger Rechtslage nicht den Mut aufbringt, Verfassung und Bürger gegen die „große politische Koalition“ zu schützen. Und doch ist Recht auch immer die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Wie läuft der Kauf von Schuldpapieren ab?

Investoren können Staatsanleihen auf verschiedenen Wegen erwerben. Werden Schuldscheine neu ausgegeben, kaufen Anleger diese direkt bei den Staaten. Bei diesen Anleiheauktionen – der sogenannte Primärmarkt – bekommen jene Investoren den Zuschlag, welche die niedrigsten Zinsen verlangen und dem Staat damit praktisch das günstigste Darlehen geben.Einmal ausgegebene Anleihen können auf dem sogenannten Sekundärmarkt gehandelt werden. Die EZB darf nicht auf dem Primärmarkt aktiv werden. Dies entspräche direkter Staatsfinanzierung, die der EZB in den EU-Verträgen verboten ist. Die Notenbank kauft jedoch auf dem Sekundärmarkt Anleihen auf, also über die Börse oder direkt von Investoren.

Welches Ziel hat der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB?

In der Euro-Schuldenkrise sind die Zinsen für neue Anleihen einzelner Staaten teils dramatisch angestiegen. Zuletzt hatten Anleihen in Spanien die Schwelle von sieben Prozent überschritten. In Zinsen drückt sich das Risiko aus, das Investoren hinter Anleihen vermuten. Es waren also Zweifel gewachsen, ob Spanien seine Schulden zurückzahlen kann. Zinsen über sieben Prozent gelten als längerfristig nicht tragbar. Mit dem Aufkauf und der dadurch entstehenden Nachfrage nach Staatsanleihen kann die EZB Druck von den Ländern nehmen.

Gefahren des Schuldtitel-Kauf durch EU-Institutionen?

Experten zufolge birgt der Aufkauf von Staatsanleihen durch Institutionen wie die EZB die Gefahr, dass mit niedrigeren Zinsen der Reformdruck auf Krisenstaaten schwindet – und damit der Druck, ihre Schulden zu reduzieren. Gleichzeitig geht das Risiko, das den Papieren anhaftet, auf die Institutionen über und damit auf deren Träger. Bei der EZB ist das die Gemeinschaft der 17 Euro-Staaten. Kommt durch den Aufkauf von Anleihen wiederum mehr Geld in Umlauf, kann dies die Inflation anheizen.

Welche Rolle kann der ESM beim Anleihe-Aufkauf spielen?

Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge plant EZB-Chef Mario Draghi den koordinierten Aufkauf von Staatspapieren durch die Zentralbank und den geplanten Euro-Rettungsschirm ESM. Der ESM soll demnach direkt auf dem Primärmarkt Regierungen Papiere im kleineren Umfang abkaufen, um Zinsdruck zu nehmen – begleitend zu den Aufkäufen der EZB am Sekundärmarkt.

Siehe dazu auch: Bankenkontrolle: Die EU treibt die große Lösung voran

Update: EZB entscheidet mit einfacher Mehrheit über den Ankauf von Staatsanleihen – 37 000 Menschen klagen in Karlsruhe gegen den ESM

Update: Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes: ESM verletzt Budgetrecht des deutschen Bundestages

Update: Karlsruhe gibt dem ESM grünes Licht

Update: Übersicht über die Ausschöpfung der Finanzhilfen und deutschen Garantierahmen, Stand 31.8.2014

Update: ESM: Große Macht, große Verantwortungslosigkeit (2018)

Update: Einigkeit immer nur scheibchenweise: Quo vadis, Europa?

ESM: Nur Karlsruhe kann jetzt das Unheil noch stoppen

ESM: Dirk Müller bringt es auf den Punkt

Mit einem dramatischen Appell hat sich heute der wohl bekannteste deutsche Börsenfachmann, Dirk Müller, an die Politik gewandt (siehe obenstehenden Video-Link). Jeder Vergemeinschaftung der europäischen Schulden müsse erst einmal eine politische Union vorausgehen, betonte er. Umsonst: Die deutschen Politiker stimmten trotz Aufregung über die „Kompromisse“, die Bundeskanzlerin Merkel gestern in Brüssel abgerungen wurden, mit der erforderlichen Mehrheit beidem zu.

Jetzt kann nur noch das deutsche Verfassungsgericht den unseligen Vertrag verhindern, vor dem sogar der Bund der Steuerzahler warnt:

„Was sind die gefährlichsten Punkte des ESM ?

–  Die Übertragung  faktisch unbegrenzter Macht auf die ESM-Bank  und ihre Gouverneure.

  Die Einführung von Eurobonds und damit Haftung für andere Staaten.

  Die Ermöglichung unübersehbarer Finanzgeschäfte der Gouverneure zu Lasten der Bürger.

  Die Zahlungsverpflichtung der Bürger ohne entsprechende  Kreditgeberrechte.

  Die Ausschaltung jeglicher Kontrolle der Bürger über die Verwendung ihres Geldes.

  Die Ausschaltung von Kontrolle und Haftung der Gouverneure und ESM-Mitarbeiter.

  Die geradezu dreisten finanziellen Sonderrechte für ESM-Gouverneure und –Mitarbeiter.

  Als Ergebnis: Gigantische, praktisch unbegrenzte  Haftungsrisiken für jeden Deutschen.

  Langfristig: Die gezielte Konstruktion des ESM führt schrittweise zur Übernahme Europas durch die weltweite
Finanzoligarchie, zur Beherrschung, Ausplünderung und Verarmung der europäischen, insbesondere der deutschen
Bevölkerung.“

Das vollständige Dokument des Bundes der Steuerzahler finden Sie hier. 

Was für ein unglaubliches, irreversibles Dokument den Steuerzahlern hier aufgedrückt wird, können allein schon folgende wenige Punkte zusammenfassen: 

  • Die Regierungsspitzen der Euroländer gründen die erste europäische, supranationale, ESM-(Mega)-Bank. Diese ist von Lizensierung befreit (Art. 1, Art. 32, Abs. 9).
  • Die 17 an der ESM-Gründung beteiligten Finanzminister bilden den rechtlich unantastbaren Gouverneursrat der ESM-Bank (für die BRD: Dr. W. Schäuble). Dieser hat totale Kontrolle und letzte Entscheidungsmacht in allen finanziellen, sachlichen und vor allem personellen Dingen der ESM-Bank.
  • Die Gouverneure setzen sich ihr Gehalt und das ihrer Direktoren geheim in unbekannter Millionenhöhe selbst fest (Art. 5 Abs. 7 (n), Art 34).
  • Im Verlustfall und aus sonstigen Gründen muss nicht eingezahltes ESM-Haftungskapital binnen 7 Tagen eingezahlt werden. Kann ein Mitglied nicht zahlen, wird der dann offene Betrag auf die übrigen Aktionäre umgelegt (Art. 9, Art. 10, Art. 25 Abs. 1 c, 2).
  • Wird das Aktienkapital nicht erhöht (Ziff. 6), haften die Deutschen, je nachdem wie viele ESM-Aktionäre zahlungsunfähig werden1, für (Minimum) 27 % – 100 % (Maximum) aus € 700 Mrd. Wird das Aktien-Haftungs-Kapital erhöht (Art. 8, Art 10), kann sich daraus erhöhte Haftung über € 700 Mrd. hinaus ergeben (Art. 9, Art. 10, Art. 25 Abs. 1 c, 2).
  • Die ESM-Bank kann: (A) Euro-Ländern Überziehungskreditlinien einräumen, Art 14 ; (B) Banken finanzieren, Art. 15; (C) Euroländern Kredite geben, Art. 16; (D) von Euro-Ländern direkt Staatsanleihen ankaufen, Art. 17; (E) von Euro-Ländern indirekt Staatsanleihen ankaufen, Art. 18; (F) diese Liste ändern, also auch erweitern, Art. 19; (G) Zinspolitik betreiben2, Art. 20; (H) Eurobonds herausgeben, Art. 21. – Summa summarum kann die ESM-Bank Finanzgeschäfte jeder Art und Höhe betreiben. (Art. 14 – 21).
  • Die ESM-Bank und ihr Vermögen etc. pp. genießen absolute Immunität und können nie und nirgendwo vor Gericht belangt werden. Gerichtliche oder gesetzgeberische Maßnahmen gelten für sie in Zukunft nicht mehr.5 Die ESM-Bank ihrerseits hat Klagerecht gegen jedermann.6 (Art. 32)
  • Die ESM-Bank ist von Kontrollen und Lizenzen jeder Art befreit (Art. 32 Abs. 9).
  • Das Volumen der (konsolidierten) Darlehensvergabe von ESM und EFSF ist unbegrenzt und nur in der Übergangsphase auf 500 Milliarden EUR beschränkt (Art. 39, Art 10).

Die komplette Analyse des Bundes der Steuerzahler lesen Sie hier: ESM – rechtliche und wirtschaftliche Analyse -Zusammenfassung

Der BdS hat die Tücken, die sich vor allem im ESM-Finanzierungsgesetz befinden, detailliert kommentiert. Klicken Sie auf den folgenden Link, um die Studie zu lesen:  ESM-Finanzierungsgesetz

Die Schuldensituation in Europa wurde im Rahmen einer Broschüre aufgearbeitet: ESM – Sonderbroschüre des Bundes der Steuerzahler zur Schuldenlage in Europa

 

Update: Karlsruhe gibt dem ESM grünes Licht