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Die Macht der Banken – und warum sie zerschlagen werden sollten

Banken arbeiten immer und ausschließlich im eigenen Interesse. Das eigene Interesse lässt sich leicht und klar formulieren: Sie möchten ein Maximum an Geld erwirtschaften, bzw. neu schöpfen. Deshalb vergeben Banken Kredite, besonders gern hohe, auch wenn die Rückzahlung nicht unbedingt sicher ist. Deshalb investieren Banken möglichst gewinnbringend, und sei es in Staatsanleihen bankrotter Länder, solange irgendwer dafür bürgt – um Beispiel die EZB. Banken tun alles, was das Gesetz nicht verbietet. Vor einer Gratwanderung in der Frage, was noch gesetzeskonform ist, scheuen sie umso weniger zurück, je höher die Gewinnaussichten sind.

Von Banken ein moralisches Gewissen zu verlangen ist etwa so sinnvoll, wie Raubkatzen zu Vegetariern erziehen zu wollen. 

Das ist die Botschaft einer Dokumentation des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE, die Anfang September ausgestrahlt wurde und auf großes öffentliches Interesse stieß. Die Original Dokumentation ist in Deutschland auf Youtube jetzt gesperrt, nachdem es eine Woche lang im Archiv des Senders online war. Eine gekürzte Fassung wurde in Österreich ausgestrahlt (ORF II).

Das Original-Video ist aber auch noch online und ohne Wechsel der ID bei disclose.tv zu sehen.

Besonders vor dem Hintergrund der jüngsten EU-Debatte um die Zerschlagung von Großbanken, bzw. Bankenkontrolle und  Bankenunion hat dieser Film eine brennende Aktualität, zeigt er doch, in welchem Ausmaß sich Banken bereits in der Politik etabliert haben und diese mit bestimmen.

Damit ist der Film gleichzeitig eine Warnung, genau zu prüfen, was Politiker als Ziele definieren, wie sie ihre Definition formulieren und wie die öffentlichen Medien dann darüber berichten.

Der einzige Weg, Banken daran zu hindern, unbegrenzt weiter Wirtschaft und Politik zugunsten ihres Profites zu manipulieren ist es,  ihre Macht zu verkleinern. In diesem Sinne hat eine EU-Expertengruppe diese Woche gefordert, die Geldhäuser in separate Einheiten aufspalten, um zu verhindern, dass die Steuerzahler bei der nächsten Finanzkrise wieder für die Bankenrettung in die Bresche springen müssen. Wenn große Geldhäuser wie die Deutsche Bank mit mehr als 15 Prozent ihres Vermögens selbst Handel treiben, sollten das Investmentbanking und das Privatkundengeschäft künftig in unabhängige Einheiten aufgeteilt werden, heißt es im Dokument, über das die «Süddeutsche Zeitung» bereits im Voraus berichtet hatte.

Das Papier über tiefgreifende Bankenreformen stammte aus der Feder von Experten um den finnischen Notenbankchef Erkki Liikanen und wurde mit Spannung erwartet. Das von EU-Kommissar Michel Barnier eingesetzte Gremium fordert demnach, dass die Banken riskante Spekulationsgeschäfte vom Konten- oder Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden trennen müssen. Damit könnten die Einlagen der Sparer nicht mehr herangezogen werden, um die riskanten Geschäfte abzusichern oder zu finanzieren. Allerdings sollen beide Geschäftsfelder innerhalb der Konzerne weitergeführt werden dürfen.

Verwirklicht die EU die Pläne des Gremiums, würde das Bankenwesen revolutioniert werden. Europas Regierungen hatten nach der Finanzkrise Hunderte Milliarden Euro in die Rettung des Bankenwesens gesteckt, um den Kollaps des gesamten Geldsystems zu verhindern. Mit einer Auftrennung der Bankbereiche könnte eine Regierung eine kränkelnde Sparte leichter pleite gehen lassen; das bisherige Argument, die Institute seien systemrelevant, würde wegfallen. Der Eigenhandel der Banken soll jedoch auf jeden Fall von Börsengeschäften für Kunden abgespaltet werden.

Die Expertengruppe sprach sich ausserdem dafür aus, dass die EU von den Instituten verlangt, mehr Kapital vorzuhalten, etwa zur Absicherung von Immobiliengeschäften. Auch für Bonuszahlungen von Bankmanagern soll es Regeln geben. Die gesamte ausgezahlte Summe dürfe die der gezahlten Dividenden nicht überschreiten. Geldhäuser sollten Boni ihrer Manager künftig teilweise in Bonds auszahlen.

In der Krise habe kein Geschäftsmodell der Banken besonders gut oder schlecht funktioniert, betonte Liikanen. Ursache für die Krise sei gewesen, dass die Banken zu risikoreiche Geschäfte eingingen und diese zu wenig absicherten.

Die Gruppe um den finnischen Notenbankchef war vor einem Jahr eingesetzt worden, um Europas Finanzsystem krisenfester zu machen. In welchem Zeitraum sich die Pläne umsetzen lassen, hängt von den Staats- und Regierungschefs ab. Zurzeit steht in Brüssel die Umsetzung einer europäischen Bankenaufsicht im Fokus. Bei der Finanzbranche stoßen diese Pläne naturgemäß auf wenig Gegenliebe. Sie kämpft laut der in Brüssel bereits dafür, dass Universalbanken als solche erhalten bleiben. Zusätzlich soll eine riskante Sparte erst abgetrennt werden, wenn sie zehn Prozent der Bilanzsumme eines Geldinstitutes ausmacht (Quellen: Süddeutsche und Tages-Anzeiger).

Haben solche Pläne überhaupt eine Chance?

Das darf getrost bezweifelt werden, wenn man sich ansieht, an welchen wichtigen Schnittstellen Ex-Banker allein von Goldman-Sachs inzwischen sitzen:

Die Eliteschmiede der Universalbank, die über ein Vermögen von 700 Milliarden verfügen soll und 30 000 Mitarbeiter rund um den Globus beschäftigt, wurde vor einiger Zeit auch von der Süddeutschen vorgestellt.  Eines steht jedenfalls spätestens nach dem Ansehen obenstehenden Videos fest: So lange kein gegenteiliger Beweis erbracht ist, darf man davon ausgehen, dass diese Männer ihrem ehemaligen Arbeitgeber auch nach ihrem Ausscheiden die Treue halten.

Zwar gibt es immer mal wieder Diskussionen um zweifelhafte Rollen von Banker-Politikern (wird in der Arte-Doku am Beispiel Amerikas aufgearbeitet), doch scheitern klare Regelungen zu Trennung von Banken und Politik an nicht vorhandenen Gesetzen. Freiwillige Selbstverpflichtung von Banken zu verlangen, wäre einfach nur naiv.

Hier ein Auszug aus einem Spiegel-Bericht zum Interessenkonflikt im Amt am Beispiel Mario Draghi:

„Das internationale Bankenseminar der Group of Thirty (G30) findet jedes Jahr zeitgleich mit dem Herbsttreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank statt und ist nur für ausgewählte Besucher zugänglich. Hinter der G30 verbirgt sich ein Zusammenschluss führender Banker und Ökonomen, die nach eigenen Angaben Einfluss auf die Entscheidungen im Finanzsektor nehmen wollen. Prominente Mitglieder sind unter anderem hochrangige Vertreter von Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan Chase International sowie ehemalige und amtierende Zentralbankchefs. Axel Weber, Ex-Präsident der Deutschen Bundesbank, gehört ebenfalls zu der einflussreichen Runde.

Seit vielen Jahren ist auch Mario Draghi Mitglied der G30. Daran änderte sich auch nichts, als Draghi im vergangenen Jahr zum Chef der Europäischen Zentralbank aufstieg. Die G30 kommentierte seinen Karrieresprung sogar euphorisch in einer Mitteilung: Draghi gehöre zu jenen Mitgliedern des Clubs, die eine noch herausforderndere Position in der Weltwirtschaft angenommen hätten.

Der EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros hat Ermittlungen gegen Draghi aufgenommen und der Zentralbank einen verbindlichen Fragenkatalog zugeschickt. Bis zum 31. Oktober 2012 soll die EZB mitteilen, wie sie Draghis Rolle in der G30 bewertet und ob sie in seiner Mitgliedschaft einen Interessenkonflikt sieht.

Kenneth Haar, dessen Verein Corporate Europe Observatory die Beschwerde beim EU-Ombudsmann eingebracht hat, sieht einen klaren Interessenkonflikt zwischen Draghis Mitgliedschaft in der G30 und dessen Amt: „Die EZB nimmt in eine immer größer werdende Rolle bei der Bankenregulierung ein“, sagt Haar. „Es sollte uns Sorgen bereiten, dass ausgerechnet ein Mitglied der G30 ihr Chef ist.“ Die Zentralbank bestätigte, dass die Fragen des Ombudsmanns bei ihr eingegangen seien, wies die Vorwürfe eines Interessenskonfliktes jedoch zurück.“

Wie schwer die komplexe Materie durchschaubar ist, zeigt ein heutiger Artikel der Zeit (Auszüge):

„Der mächtigste Mann Europa sei Mario Draghi, hieß es im September. Andere nannten den EZB-Chef den den neuen Kanzler Europas – eine Anspielung auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die vielen als die mächtigste Frau Europas gilt. Draghi hatte da gerade angekündigt, die Notenbank werde unbegrenzt Anleihen der Krisenländer kaufen. (…) In Wahrheit beschränkte der Notenbankchef aber selbst seinen Einfluss, indem er ihn von der Politik abhängig machte. Die EZB werde den Staaten in Not nur beispringen, wenn diese sich unter den europäischen Rettungsschirm begäben, kündigte er an. (…) Es sind die Euro-Finanzminister, die entscheiden, ob Hilfe aus dem ESM gewährt werden soll. Der Bundestag oder sein Haushaltsausschuss segnen jeden einzelnen Beschluss ab. Für den Fall, dass ein Land die ESM-Vorgaben akzeptiert, sie aber später doch nicht erfüllt, gibt es allerdings keine klar definierten Sanktionen – außer der Drohung, die Auszahlung der Hilfskredite zu stoppen.“

……      Immerhin weiß die Zeit uns zu sagen, welche Betriebsamkeit in den nächsten Tagen ansteht:

„Am 18. und 19. Oktober tagen in Brüssel die EU-Regierungschefs. Dann wollen sie auch über die Neuordnung der Europäischen Währungsunion beraten. Griechenlands Regierungschef Samaras will seinen Kollegen außerdem am liebsten ein neues Sparprogramm präsentieren, das sein Parlament abgesegnet hat.

Zehn Tage vorher kommen die Euro-Finanzminister in Luxemburg zusammen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker will die Gelegenheit nutzen, um am 8. Oktober erstmals auch den ESM-Gouverneursrat einzuberufen. Damit träte der ESM offiziell in Kraft.

Die Finanzminister selbst werden vermutlich unter anderem darüber beraten, wie Europa seine Banken besser unter Kontrolle bringen kann. Das ist neben der Lage in den südlichen Ländern der EU das zweite große Thema, über das die Politik derzeit diskutiert. Im Gespräch sind Vorschriften zu mehr Eigenkapital, eine strengere Haftung für Banker, ein europäischer Bankenfonds für den Pleitefall und eine gemeinsame Aufsicht inklusive Einlagensicherung und Hilfen aus dem Rettungsfonds (Bankenunion). Angeblich sind die Pläne zur Bankenunion besonders weit gediehen. Doch die Finanzminister waren sich auf ihrem letzten Treffen in Nikosia noch nicht einig, wie sie funktionieren soll. Gerade hat die Kommission zudem konkrete Pläne vorgelegt, die Banken zu zerschlagen. Wie viel das helfen würde, ist umstritten.

Auch auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank vom 11. bis 14. Oktober in Tokio wird die Eurokrise eine Rolle spielen. Der IWF, der zusammen mit der EZB und der EU-Kommission als Troika prüft, ob die Krisenländer ihre Sparauflagen einhalten, zögert, weitere Hilfe zu leisten. Außerdem fordert er angeblich einen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland.“

Soweit die Zeit.

Die Welt textet nach der heutigen Entscheidung der EZB, ab sofort Staatsanleihen zu kaufen, aus meiner Sicht ausgesprochen kurzsichtig:

„Europa steht jetzt dort, wo die USA und Großbritannien schon lange stehen: Der Krisenkontinent hat eine Notenbank, die bereit ist, Geld zu drucken, damit die Staatengemeinschaft ihre Investoren auszahlen kann. In einem angelsächsisch geprägten Finanzmarkt ist das zunächst einmal ein Vorteil.

Aber ebenso wie Amerikaner und Briten harren der Europäer gewaltige Aufgaben, die sie bislang nur zum Teil angegangen sind und die sich nicht in ein oder zwei Jahren erledigen lassen. Neben all den Sparmaßnahmen brauchen Portugal und Spanien Reformen, die zum Aufbau wettbewerbsfähiger Industrien führen. Die Länder müssen ihre Arbeitsmärkte öffnen, so dass junge Leute Jobs finden. Letzteres gilt auch für Italien. Erst wenn die Wirtschaft dieser drei Länder wächst, werden sie die Krise überwinden.“

Um das Maß voll zu machen, gab es noch eine interessante Nachricht der FAZ:

„Der Euroraum soll künftig mit einem eigenen Budget ausgestattet werden. Mit der angestrebten intensiveren Kooperation der Staaten innerhalb des Euroraums müsse die Gemeinschaft auch über Solidaritätsinstrumente wie ein gemeinsames Budget reden, heißt es in einem Entwurf der Ratspräsidentschaft für die Schlussfolgerungen des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Oktober in Brüssel.

Dazu gehöre auch, zu prüfen, wie der Euroraum die nötigen Reformen in kriselnden Eurostaaten durch begrenzte, vorübergehende, flexible und gezielte finanzielle Anreize unterstützen könne.“

Die Banken können also zufrieden sein. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, bleibt ihre Finanzierung gesichert, bis das gesamte Währungssystem zusammenbricht.

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