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„Du liebst China nicht, du sprichst wie ein Teufel mit gespaltener Zunge“

Nur Stunden nach der Fertigstellung des untenstehenden China-Artikels sah ich auf Facebook ein kleines Video über ein tibetisches Mädchen, das laut Autor in der Provinz Sichuan lebt. Sichuan hat eine gemeinsame Grenze mit Tibet. Das Unternehmen China Plus Culture postet täglich neue, schöne Fotos oder Videos von Menschen, Tieren, Landschaften und allem schönen in China. Ich beschloss, über die Kommentare ein Gespräch zu versuchen. Hier das Ergebnis:

Der Original-Dialog in Facebook.

Ich frage: Wieso lebt ein tibetisches Mädchen in Sichuan?

Antwort: Bitte poliere mal deine Geografie-Kenntnisse auf. Sehr viele Tibeter leben in den angrenzenden chinesischen Regionen, seit ÄONEN.

Ich: Kein Grund, aggressiv zu sein: Immerhin ist bekannt, dass China zahlreiche Tibeter gezwungen hat, im Hauptland zu leben und zu arbeiten, damit sie chinesischer werden…

Antwort: Kein Grund, defensiv zu werden, verbunden mit deinen wiederholten substanzlosen Lügen verkaufst du deine Landsleute für blöd.

Ich (jetzt ärgerlich): Ich bin alles andere als defensiv. Was China Tibet antut, ist eine internationale Schande! Und du solltest dich für den Versuch schämen, uns verkaufen zu wollen, dass alle Tibeter ein glückliches Leben führen!

Antwort: Lügen zu wiederholen und darauf zu bestehen, macht sie noch lange nicht wahr. Schäme dich dafür, dass man dich so leicht in die Irre führen kann!

Ich: Leider bist du es, der in die Irre geführt und gehirgewaschen wird. Glaubst du wirklich, die ganze Welt ist blind, nur weil China das so will? Wir sehen, was passiert, weil wir freie Medien haben. Wir werden nicht vergessen, was passiert ist, auch wenn es mehr als 60 Jahre her ist. Wir laden den Dalai Lama persönlich ein, um ihm zuzuhören. Ich sah ihn zweimal. Wie könnt ihr es wagen, die ganze Welt zu belügen?

Antwort: Jetzt mal zurück zur Frage warum ein tibetischen Mädchen in Sichuan lebt. Wie war das denn mit den Briten in Indien? Was hat Indien gelernt, nachdem es von Churchill und den Briten massakriert wurde? Solche Taten der Geschichte sollte man nie vergeben und vergessen. Aber du lässt sie ganz bequem beiseite und wiederholst Lüge um Lüge.

Ich: Ja, du hast Recht: England hatte in Indien nichts zu suchen – ist aber auch gegangen. England hatte auch in Hongkong nichts zu suchen – und ging ebenfalls. Und China unterzeichnete einen Vertrag über zwei Systeme in einem Staat, erfunden von Deng Xiaoping, der bis 2047 dauern sollte, aber 2020 von China gebrochen wurde. Hongkong wird nie wieder frei sein. Das ist der Unterschied, verstehst du? Warum zum Beispiel dürfen die Tibeter ihre Gebetsfahnen nicht mehr aufhängen, so wie sie es in ihrer Geschichte immer getan haben? Warum hat China so eine Angst vor allen Menschen, die anders denken als die Regierung? China ist so ein riesiges Land, so schön, mit so viel Platz und einer enormen Wirtschaftskraft – aber andere Kulturen behandelt es nicht souverän. Als ich in China war, liebte ich euer Land, und ich bewundere bis heute eure weise historische Kulturgeschichte. Auch darum enttäuscht mich diese Art zu denken, so sehr.

Antwort: Die Briten sind aus Hongkong rausgeschmissen worden! Hör auf, mir so einen Müll zu erzählen! Als ob du Hongkong so sehr lieben würdest, dass du dich um seine Freiheit sorgst! Du spricht doch nur für dich selbst. Nein, du liebst China nicht, du sprichst mit gespaltener Zunge, so wie der Teufel, der du bist.

Ich: Ich weiß, du must so antworten, denn das ist die offizielle Sichtweise. Wenn die Briten aus Hongkong rausgeschmissen worden wären; warum hätte dann Deng Xiaoping seine Zeit verschwendet um den Plan mit zwei Systemen in einem Staat zu entwickeln? Ich persönlich glaube, es ist falsch, andere Länder zu kolonialisieren. Wenn beispielsweise ein Land Wasserressourcen braucht, die auf dem Territorium eines anderen Landes liegen, kann es einen ordentlichen Vertrag unterschreiben, in dem das Teilen des Wassers geregelt wird. Europa hat vor 150 Jahren viele falsche Entscheidungen getroffen. Aber Europa hat daraus gelernt: Es ist nicht klug, andere, sogar gegenteilige Meinungen und Werte zu zerstören, denn damit werden auch Ressourcen vernichtet, mit denen man gemeinsame Ziele verfolgen könnte. Ja, dann muss man viele Gespräche führen und es dauert lange. Aber weniger Menschen werden derart gedemütigt, dass sie an nichts anderes mehr denken können, als an Rache, statt ein gemeinsames Gebäudes aus gleichen Zielen zu bauen. Es tut mir leid, dass du mich für einen Teufel hältst. Wie schade, dass wir uns nicht persönlich treffen können. Du könntest mit eigenen Augen sehen, dass andere Länder keine Teufel sind. Wir werden niemals diese EINE Menschheit bilden, die die Fähigkeit hat, unseren Planeten zu retten, so lange Regierungen das nicht wollen und die Leute sich weigern, ihre eigenen Augen und Ohren, ihren eigenen Verstand zu gebrauchen.

Siehe auch den jetzt folgenden Beitrag über China, seine Nachbarn und die Welt

Gestrandet im Paradies: Wenn geliebte Menschen sich als Teufel erweisen…

Eigentlich hat sie „alles“. Mit Mitte 50 hat sie ihre Eigentumswohnung in guter Wohnlage in Berlin abbezahlt, sie hat ein erfreulich gut bestücktes Sparkonto, einen sicheren Beruf als Teilzeit-Lehrerin und einen freundlichen Ehemann.  Aber trotzdem fehlt ihr „alles“. Ihr Beruf, wie auch die ganze eingefahrene Alltagsroutine machen sie krank. Das soll nun alles gewesen sein? Oh nein. Julia lässt sich an ihrer Schule für ein Sabbatjahr freistellen und geht auf Reisen.

Knapp drei Jahre später steht sie vor den Scherben ihrer Existenz. Facebook-Freunde sind es, die sie retten und ihr helfen, nach Europa zurückzukehren. Sie braucht viele  Monate, um zu sich zu kommen. Jahre wird es dauern, bis ihre Seele das Erlebte verarbeitet haben wird. Sie versucht, sich dabei zu helfen und hat ein Buch über die beiden schlimmsten Jahre ihres Lebens geschrieben: „Gestrandet im Paradies,“ heißt es.

Es war die Dominikanische Republik, die Julia während ihres Sabbatjahres total verzauberte. Das leuchtend blaue karibische Meer, strahlend blauer Himmel, die Wärme, farbenprächtige Natur, und ein Mann – zehn Jahre jünger als sie selbst – bildeten einen unwiderstehlichen Cocktail der Anziehung. Ja, beschloss sie. Ja, sie will es noch einmal wissen. Sie will ein neues Leben wagen und eine neue Liebe.

Im Herbst des selben Jahres wandert Julia aus. Mit einem Container voller Teile ihres bisherigen Lebens, mit einem gut gefüllten Konto vom Verkauf zweier Wohnungen und zusammen mit ihrer Tochter, die ebenfalls einen Neuanfang sucht. Da hat sie die beiden  schwersten Fehler ihres Lebens schon gemacht: Ihre sichere Beamtenstelle hat sie gekündigt. Und sie hat dem dominikanischen Mann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, eine sechsstellige Summe überwiesen. Er soll damit ein Grundstück am Meer bezahlen, das sie sich ausgesucht hat. Ein Öko-Hotel mit Hobbitwohnungen, vegetarischer Ernährung  und spirituellem Hintergrund will sie dort errichten, sich zusammen mit ihrem Liebsten eine gemeinsame Existenz aufbauen.

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Was dann geschieht, hat das Zeug zu einem handfesten Krimi – und lässt den Leser sich immer wieder die Augen reiben: Unglaublich die Unbekümmertheit, mit der die eigentlich lebenserfahrene Julia gegenüber den bettelarmen Einwohnern ihren Wohlstand zur Schau stellt, als freundliche Gönnerin von Mensch und Tier auftritt und damit wie eine „Goldeselin“ auf dem Präsentierteller steht. So wenig wie sie nach eigenem Bekunden anfangs die Gesichtszüge der Menschen auseinander halten kann, so wenig begreift sie ihre Wirkung auf die chancenlosen, bettelarmen Menschen in ihrem neuen Umfeld.

Ausgerechnet Barahona, unweit der Grenze zu Haiti, haben sich die beiden Frauen als neuen Lebensmittelpunkt ausgesucht.  Hier gibt es kaum Tourismus, ist die ohnehin hohe Kriminalität der Karibikinsel noch höher, die ganze Gegend ist als Drogenstraße aus Richtung Mexiko bekannt. Aber hier ist die Natur besonders wild und schön. Und hier lebt Rafael, der geliebte Mann, der in einem Moment unglaublich zärtlich, im nächsten schroff und unnahbar sein kann. Besonders letztere Seite zeigt er, nachdem Julia mit ihrem ganzen Hab und Gut in Barahona eingetroffen ist. Sie ist verunsichert und reagiert gelähmt. Sie glaubt, ihn zu brauchen, um ihren Lebensunterhalt in der fremden neuen Welt verdienen zu können. Da er aber nie zur Verfügung steht, sitzt sie zuhause – weitab vom Strand – verbringt ihre Zeit damit, frustriert auf ihn zu warten und Supermärkte zu finden, in der es einigermaßen abwechslungsreiche vegetarische Kost gibt. In langen einsamen Stunden postet sie für ihre 13 000 Facebook-Abonnenten spirituelle Weisheiten mit schönen Fotos.

Dann nehmen die Katastrophen ihren Lauf – so schnell aufeinander folgend, eine schlimmer als die andere, dass man beim Lesen kaum zu Atem kommt.  Rafael gesteht, ihr Geld veruntreut und statt des Grundstücks einen Gips-Steinbruch erstanden zu haben.  Nun hätte Julia zusammen mit ihrer Tochter und ihrem ebenfalls hergezogenen Bruder – alle der spanischen Sprache mächtig – versuchen können, sich auf eigene Faust eine Existenz aufzubauen. Statt dessen fördert sie die Gipsmine finanziell weiter, verköstigt unzählige unliebsame Verwandte Rafaels, kümmert sich um drei der minderjährigen Kinder ihres Lebensgefährten, glaubt ihm, dass er von seiner Ehefrau wirklich getrennt lebt und ändert auch nichts, als er das erste Mal handgreiflich wird. Nachdem er sie ein paar Wochen später mit der Faust k.o. geschlagen hat, zieht der Lebensgefährte bei Nacht und Nebel aus. Eine weitere Woche danach ist er tot: Unter dubiosesten Umständen erschossen. Nun erfährt Julia, dass die Geliebte „ihres“ Rafael,  ein minderjährige  Mädchen,  ein Kind von ihm trägt. Die Umstände des Mordes an Rafael werden nie aufgeklärt, obwohl der Mörder gefasst ist.

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Wenige Wochen später stirbt Rafaels Mutter bei einem Verkehrsunfall. Danach lernt Julia seine Sippschaft mal richtig kennen: Alle wollen Rafael beerben, beanspruchen das Unternehmen, das er mit ihrem Geld gekauft hat und weiteres Vermögen. Anwälte verlangen horrende Honorare ohne Leistung zu erbringen, Julia setzt große Summen ein, um die Gipsmine vor der Witwe Rafaels in Sicherheit zu bringen. Papiere verschwinden, Verträge sind plötzlich ungültig, ihr Vermögen schmilzt in schwindelerregendem Tempo dahin. In dieser Zeit stirbt Julias Bruder an mehreren Infekten, die er sich im karibischen Paradies zugezogen hat.

Um das Maß voll zu machen, bringt Julias Tochter Zwillinge zur Welt. Eins der Kinder ist hirngeschädigt. Da ist das Geld schon so knapp, dass Julia ihre Facebookfreunde um Hilfe bitten muss, um die Krankenhausrechnung zu bezahlen. Der Lebensgefährte ihrer Tochter erweist sich als genauso wenig vertrauenswürdig wie zuvor der ihre. Als „Geschäftsführer“ des Steinbruchs veruntreut er große Summen Geldes. Es kommt, wie es kommen musste: Mittellos und praktisch ohne einheimische Freunde müssen Frauen und Kinder um ihr Leben fürchten, denn würde ihnen etwas zustoßen, würde der Lebensgefährte der Tochter als Vater der Kinder alles erben. Nur mit Hilfe einer wohlhabenden Facebookbekanntschaft können sie bei Nacht und Nebel mit wenigen Kisten und Kasten das Land verlassen – die geliebten Hunde und eine Katze bleiben zurück.

Das Buch ist eine Warnung an alle, die vorhaben, auszuwandern: In fremden Ländern herrschen andere Sitten; angefangen beim Status von Männern und Frauen über den Umgang mit Behörden bis hin zu den Einheimischen selbst: Wer in ein sehr armes Land, und dort noch in eine Gegend geht, in der praktisch keine Europäer wohnen, muss sich darüber im Klaren sein, dass die meisten seiner zahlreichen neuen, so netten  „Freunde“ nichts anderes wollen als einen Teil vom Wohlstandskuchen. Das ist die harte Wirklichkeit: Wo bittere Armut herrscht, sind Tier- und Menschenfreundschaft  unterentwickelt. Wer das in unserem wohlstandsverwöhnten Land nicht beachtet, muss es unter Umständen teuer bezahlen.

Julia Martin: Gestrandet im Paradies ist erschienen bei „Books on Demand“.

Siehe auch: „Kaltes Herz – Narzisstischen Missbrauch überwinden“

XKeyscore: So funktioniert die geheime, weltweit schnüffelnde Riesenkrake

Was ist der Unterschied zwischen einer Verschwörungstheorie und der Wahrheit?

Der Beweis.

Immer mehr Beweise kommen in diesen Tagen ans Licht: Beweise dafür, wie gläsern wir alle schon sind. „Unsere“ Geheimdienste, unterwegs mit der Fahne der „Freiheit“, schnüffeln, spitzeln, konstruieren Netzwerke, speichern eine (noch) unbekannte Menge an Detaildaten aus Privatleben, Berufswelt und Wirtschaft. Richtig genutzt ist das eine unvorstellbare Fülle an Macht. Nicht nur Anschläge können im Vorfeld vereitelt oder im Nachhinein aufgeklärt werden, wie man uns zurzeit so bemüht ist, weis zu machen.

Allein aus dem Telefon- und Internet-Verhalten von Menschen können Schlüsse gezogen werden, die Existenzen vernichten, Unternehmen zerschlagen, ja im Extremfall Kriege auslösen könnten. Dazu biegt die Methode Riesen-Schleppnetz enorme Gefahren, ungerechtfertig verdächtigt und nie wieder frei davon zu werden.

Grund genug also, sich mehr als unwohl zu fühlen und misstrauisch zu werden: Im Interesse „übergeordneter Staatsraison“ wird hier Unrecht zu Recht gemacht. Warum? Weil es nicht mehr wirklich eine Kontrolle darüber zu geben scheint, wer was ausschnüffelt und zu welchem Zweck weiter verwendet.

Diese fünf Jahre alte Präsentation, veröffentlicht vom britischen Guardian mit Hilfe des Whistleblowers Edward Snowden, hat diese Woche eingeschlagen wie eine Bombe. Sie diente bereits im Jahr 2008 als Trainingsunterlage für das Programm XKeyscore, mit dem die Geheimdienste der USA – und niemand weiß wirklich, wie vieler weiterer Länder – die Kommunikation der Internet-User in Echtzeit überwachen.

Der Spiegel war nach dem Guardian  einer der ersten, der detailliert berichtete: „NSA-System XKeyscore: Die Infrastruktur der totalen Überwachung“ titelte er nach Auswertung der Snowden-Dokumente, die der brasilianische Journalist Glenn Greenwald in Großbritannien veröffentlichte. Die folgende Zusammenstellung bündelt Informationen aus dem Guardian, dem Spiegel, von Hardwareluxx,  von heute.de, aus der ZEIT, der Welt und der Wirtschaftswoche.

XKeyscore soll auf australischem und neuseeländischem Territorium betrieben werden und über 700 Server in fünf Anlagen in Beschlag nehmen. Bereits 2008, so weist oben stehende Karte aus, gab es weltweit 150 Standorte für die Vollerfassung des internationalen Internet-Traffics, an denen 700 Server beheimatet waren. Mit einem einzigen Suchauftrag können alle Standorte abgefragt werden. Dabei kann sowohl nach Metadaten, als auch nach Inhalten wie Mailtexten oder dem Browserverlauf gesucht werden. Zum Aufspüren der gesuchten Person wird wahlweise unter anderem nach dem Namen, der E-Mail- oder IP-Adresse, einem Nutzernamen, der Telefonnummer, Schlüsselwörtern oder selbst der Sprache und dem genutzten Browser gesucht.

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Um beispielsweise Facebook-Chats und private Nachrichten zu lesen muss einfach nur der Nutzername und ein Zeitfenster in ein Suchformular eingegeben werden. Weiter lassen sich auch Surfaktivitäten wie die Sucheingaben des Überwachten verfolgen. Um nach den E-Mails einer bestimmten Person zu suchen, gibt man  die fragliche Mail-Adresse in ein Online-Suchformular ein. Ein Feld ist für die Begründung der Suchanfrage vorgesehen, weitere Felder ermöglichen eine zeitliche Eingrenzung. Die gefundenen E-Mails können anschließend  in einem Leseprogramm angezeigt werden.

Alternativ können Zielpersonen auch festgelegt und fortlaufend überwacht werden oder man zeichnet die IP-Adressen aller Nutzer auf, die eine bestimmte Internetseite besuchen. Suchanfragen können beispielsweise so aussehen:

  • „Zeige mir alle verschlüsselten Word-Dokumente in Iran.“
  • „Zeige mir die gesamte PGP-Nutzung in Iran.“ PGP ist ein System zur Verschlüsselung von E-Mails und anderen Dokumenten.
  • „Zeige mir alle Microsoft-Excel-Tabellen, mit MAC-Adressen aus dem Irak, so dass ich Netzwerke kartieren kann.“

Weitere Beispiele für das, was XKeyscore aus dem Traffic fischen und noch leisten kann:

  • Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Logins
  • Nutzernamen, Buddylisten, Cookies in Verbindung mit Webmail und Chats
  • Google-Suchanfragen samt IP-Adresse, Sprache und benutztem Browser
  • jeden Aufbau einer verschlüsselten VPN-Verbindung (zur „Entschlüsselung und zum Entdecken der Nutzer“)
  • Aufspüren von Nutzern, die online eine in der Region ungewöhnliche Sprache nutzen (als Beispiel genannt wird Deutsch in Pakistan)
  • Suchanfragen nach bestimmten Orten auf Google Maps und darüber hinaus alle weiteren Suchanfragen dieses Nutzers sowie seine E-Mail-Adresse
  • Zurückverfolgen eines bestimmten online weitergereichten Dokuments zur Quelle
  • alle online übertragenen Dokumente, in denen zum Beispiel „Osama bin Laden“ oder „IAEO“ vorkommt, und zwar auch auf „Arabisch und Chinesisch“

Mit XKeyscore suchen US-Agenten nach Verdächtigen, die ihnen bislang unbekannt waren und die fortan genauer überwacht werden. Das Verfahren wird als besondere Eigenschaft dieses Systems gepriesen. Wie man dabei vorgehen kann, beschreibt die Präsentation detaillierter. Man müsse im Datenstrom nach „abweichenden Ereignissen“ suchen. Zum Beispiel nach:

  • „jemandem, dessen Sprache deplaziert an dem Ort ist, wo er sich aufhält“ (etwa deutsch in Pakistan)
  • „jemandem, der Verschlüsselungstechnik nutzt“ (PGP im Iran)
  • „jemandem, der im Web nach verdächtigen Inhalten sucht“ (Google-Suchen nach Islamabad, Suche nach dem Begriff „Musharraf“ auf der Website der BBC)
  • Menschen, die „Dschihadisten-Dokumente“ weiterschicken

In einer Folie der Präsentation heißt es, man könnte über XKeyscore eine Liste aller angreifbaren Rechner in einem Staat auflisten. Laut der sehr knapp gehaltenen Unterlagen verwaltete 2008 offenbar die Geheimorganisation TAO (Tailored Access Operations) der NSA eine Datenbank von Schwachstellen auf Computersystemen weltweit. Dieses Verzeichnis der TAO lasse sich mit XKeyscore abgleichen.

Mehr als 1000 TAO-Agenten hacken weltweit Computer und Telekom-Infrastrukturen. Sie brechen Gesetze, stehlen Passwörter, zweigen Datenverkehr ab, kopieren Informationen, berichtet das US-Magazin Foreign Policy. XKeyscore gibt NSA-Analysten offenbar Zugriff auf die Früchte der Arbeit der NSA-Hacker.

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Woher stammen all die Daten?

Die Daten an allen NSA-Speicherorten weltweit lassen sich über XKeyscore offenbar zentral durchsuchen. Auf einer der Folien ist aufgeführt, auf welche Datenquellen das System genau zugreifen kann:

  • „F6-Hauptquartiere“ und „F6-Standorte“ – F6 steht, so das US-Magazin The Week, für den Special Collection Service, eine gemeinsame Organisation von NSA und CIA. Sie hat den Auftrag, Informationen dort zu sammeln, wo sie besonders schwer zu bekommen sind – etwa, indem Botschaften verwanzt werden.
  • „Fornsat-Standorte“ – Fornsat steht für Foreign Satellite Collection, also das Abfangen von Satellitenkommunikation.
  • „SSO-Standorte“ – SSO steht für Special Source Operations, die NSA-Unterorganisation, die, so der Guardian unter anderem für die gigantische Sammlung von Telekommunikations-Metadaten zuständig ist, die der US-Geheimdienst anlegt.

XKeyscore kann demnach auch auf die Marina-Datenbank zugreifen, die der Auswertung von Internetverbindungsdaten dient.

In den Dokumenten finden sich erstmals konkrete Hinweise darauf, dass US-Geheimdienste systematisch Angriffe auf Computersysteme im Ausland planen. In einer Folie der Präsentation heißt es, man könnte über XKeyscore  alle angreifbaren Rechner in einem Staat auflisten. Die Geheimorganisation TAO (Tailored Access Operations) der NSA verwaltete zum Zeitpunkt der Präsentation eine Datenbank von Schwachstellen auf Computersystemen weltweit. Dieses Verzeichnis der TAO lasse sich mit XKeyscore abgleichen.

Auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND und das im Inland operierende Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) setzen XKeyscore ein. Das geht aus geheimen Unterlagen des US-Militärgeheimdienstes hervor, die DER SPIEGEL einsehen konnte. Das BfV soll damit den Dokumenten aus dem Fundus von Edward Snowden zufolge die NSA bei der gemeinsamen Terrorbekämpfung unterstützen. Der Verfassungsschutz erklärte, man teste das System lediglich und habe keinen Zugriff auf die Datenbanken. Es ist zudem unklar, auf welche Daten und Funktionen genau nun BND und BfV Zugriff haben. XKeyscore lässt sich in Modulen erweitern. Es ist nicht bekannt, welche davon die deutschen Geheimdienste nutzen.

Schon 2007 sollen mit Xkeyscore täglich 1-2 Milliarden Datensätze abgespeichert worden sein. 2012 wurden innerhalb von 30 Tagen mindestens 41 Milliarden Datensätze erfasst. Welche Massen aktuell zusammenkommen, ist nicht genau bekannt. Es sollen so viele Daten erfasst werden, dass sie nur kurzfristig gespeichert werden können. Inhalte würden deshalb angeblich nur für drei bis fünf Tage gesichert, Metadaten für 30 Tage. Ein NSA-System ermöglicht es allerdings, relevante Daten in andere Datenbanken auszulagern und dort teilweise für bis zu fünf Jahre zu speichern.

Rechtfertigungsversuche

Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, erklärte, XKeyscore sei nur ausgewählten Personen zugänglich und unterliege strengsten „gegenseitigen Kontrollen“ gegen Missbrauch. „Der Vorwurf flächendeckender, ungeprüfter Zugriffe auf NSA-Daten ist falsch.“

Die NSA selbst erklärte: „Der Vorwurf, dass die NSA willkürlich und unkontrolliert Daten sammelt, ist falsch.“ Zum Schutz gegen einen gezielten Missbrauch des Systems gebe es mehrere technische Sicherungen und eine Kontrolle durch Vorgesetzte.

Zugang zu XKeyscore hätten nur geschulte Mitarbeiter, die das Programm für ihre Arbeit brauchen. In einem Interview vom Juni hatte Edward Snowden allerdings behauptet, er, der als Angestellter einer anderen Firma für die NSA tätig war, habe praktisch jeden Internetnutzer überwachen können. „Ich an meinem Schreibtisch hatte die Berechtigungen, jeden anzuzapfen – Sie, ihren Buchhalter, einen Bundesrichter oder den Präsidenten, sobald ich eine private E-Mail-Adresse hatte“, sagte er damals.

„Sie sind die talentiertesten Technikexperten weltweit. Helfen Sie uns!“, forderte NSA-Chef Alexander gar die Hacker auf der Konferenz Black Hat in Las Vegas auf. Die NSA-Mitarbeiter wollten Terroristen finden und beobachten und nicht normale Amerikaner, betonte er. Die Medien stellten Fakten über NSA-Programme falsch dar. Der Ruf der Mitarbeiter des Geheimdienstes sei beschädigt, weil nicht alle Tatsachen auf dem Tisch lägen. Die Sammlung von Telefon- und Internetdaten habe dazu beigetragen, seit 1993 insgesamt 54 Pläne für Terroranschläge zu enttarnen, sagte Alexander. 13 davon hätten die USA betroffen, 25 Europa, fünf Afrika und elf Asien. Im Einzelnen nannte der NSA-Chef einen 2009 vereitelten Bombenanschlag auf die U-Bahn in New York. Zu den übrigen gab er keine Details preis.

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Alle jetzigen Erkenntnisse stützen sich auf die selbe Präsentation des Jahres 2008.  Die dort gewählten Formulierungen wie die zum Enttarnen von VPN-Nutzern sind nicht detailliert genug, um daraus ableiten zu können, ob die NSA generell verschlüsselte Kommunikation via VPN überwachen und mitlesen kann.

Unklar ist auch, wie die NSA zum Beispiel an Suchbegriffe kommt, die jemand bei Google eingibt, oder an die Inhalte aus Facebook-Chats, zumal in Echtzeit und zumal Google und nun auch Facebook standardmäßig eine SSL-Verschlüsselung benutzen, um ihre Nutzer zu schützen. Facebook betont auch noch einmal, dass es keinen direkten Zugriff der Behörden auf die Server des Unternehmens gibt.

Schließlich stellt sich die Frage nach der Effektivität des Systems. Die Business Week weist hämisch darauf hin, dass die NSA es nicht einmal geschafft hat, die „drei Stooges des Terrorismus“ – die Zarnajews, den Unterhosenbomber Umar Farouk Abdulmutallab und den Times-Square-Bomber – zu fassen, bevor sie zur Tat schritten.

Aber eines darf man angesichts der schnellen Entwicklungen in der IT-Branche getrost als sicher annehmen: In den Fünf Jahren, die seit der Erstellung der Schulungs-Präsentation  vergangen sind, haben sich kreative Köpfe mit Sicherheit noch viel mehr Wege der Überwachung einfallen lassen.

Siehe auch: Alle wissen es, doch niemand spricht es aus: Deutschland ist nicht souverän, sowie

Warum wir nicht schweigen dürfen

und die Updates an beiden Stellen

Update: Staubsauger-Techniken werden Konsens

Update: BND nutzt XKeyscore seit 2007 in Bad Aibling

Update: X-NSA-Chef: Terroristen bevorzugen Gmail

Update: Wie die chinesische Datenkrake arbeitet

Update: Tor-Netzwerk im Visier

So wandern unsere Daten über die Kontinente – eine interaktive Grafik

Eine interessante interaktive Grafik, die man auch als App laden kann, hat opendatacity erstellt: Klicken Sie auf das Bild, um auf die Grafik zu kommen. Klicken Sie dann ein Unternehmen in der Kopfleiste an und verfolgen Sie den Weg der Anfragen.

„Die Kabel-Routen auf der Karte stammen von www.cablemap.info. Wie die Pakete durch das Netz reisen, haben wir mit dem Programm Traceroute ermittelt“, schreibt das Unternehmen. „Es nutzt eines der grundlegenden Internet Protokolle (IP). Es fragt ab, welche IP-Router (Schaltstellen) die Anfrage, die in einem oder mehreren „Paketen“ erfolgt, weitergeleitet wird. Doch nicht jeder Router antwortet auf „Traceroute“ und welches Unterseekabel exakt genutzt wird, ist uns auch nicht bekannt. Auch können sich je nach Tageszeit oder Wochentag die Routen der Pakete drastisch ändern.

So sind die in der Anwendung gezeigten Verbindungen typische Beispiele (in Zeitlupe), die wir aus vielen verschiedenen tatsächlichen Anfragen an die jeweiligen Dienste ausgewählt haben. Hinweis: Die Standorte, die anhand der IP-Adresse der Router ermittelt werden, stimmen nicht unbedingt mit dem tatsächlichem pyhsischen Standort überein, sondern ggf. nur mit dem Firmensitz dessen Betreibers“.

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Geschmacklos, geruchlos, „ungefährlich“: Gentechnik, Milliarden, Monsanto

Weitgehend unbeachtet von den öffentlichen Medien fand am 25. Mai, dem Tag des Champions-League-Finales, der internationale Tag des Marsches gegen Monsanto statt. Tausende marschierten rund um den Globus, um darauf aufmerksam zu machen, welche Gefahr von Konzernen ausgeht, die Weltmacht anstreben. Erst nachdem unter anderem in Facebook massenweise über die rund 400 Veranstaltungen in 45 Ländern berichtet wurde – gepaart mit Empörung darüber, dass so gut wie keine Fernsehsender darüber berichtet hatten, reagierten diese zögerlich, wie hier das ZDF.

Monsanto ist ein 1901 gegründeter und seit 1927 börsennotierter Konzern mit Sitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, der Niederlassungen in 61 Ländern hat. Das Unternehmen produziert Saatgut und Herbizide und setzt seit den 1990er Jahren Biotechnologie zur Erzeugung gentechnisch veränderter Feldfrüchte ein. Bekannte Produkte sind verschiedene transgene Maissorten und Breitbandherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat unter dem Namen Roundup. Ebenso war das Unternehmen einer der großen Produzenten des Herbizids Agent Orange, das im Vietnam-Krieg nicht nur flächendeckend Bäume entlaubte, sondern auch Generationen von Menschen vergiftete. Das hier eingefügte ZDF- Video gibt einen kurzen Einblick in die Geschäftspolitik des Konzerns – noch wesentlich ausführlicher ist sie in einem fast zweistündigen ARTE-Film dokumentiert.

Erst in den letzten beiden Jahrzehnten ist einer etwas breiteren Öffentlichkeit klar geworden, in welchem Ausmaß sich der Konzern wie eine Krake rund um die Erde gewunden hat. Sein Ziel ist in einfachen Worten definierbar: Die Weltherrschaft über Saatgut und andere genveränderte chemische Wirkstoffe, wie beispielsweise Wachstumshormone für  die Tierzucht. Es gibt ein nicht mehr überschaubares Netz an Verflechtungen mit Lobby-Organisationen und mit Politikern, mit dessen Hilfe das Unternehmen und seine zahllosen Töchter ihre Macht stetig weiter ausbauen. Das System ist ebenso einfach wie effektiv: Traditionelle Saatguthersteller werden aufgekauft, ihre Saaten werden durch genveränderte Züchtungen ersetzt, bis schließlich keine anderen mehr auf dem Markt sind.

Zu Beginn erscheint die Methode durchaus attraktiv: Genveränderte Saaten, besonders in Kombination mit Herbiziden wie Roundup, ermöglichen einen wesentlich höheren Ertrag, der die höheren Einkaufspreise zu rechtfertigen scheint. Aber im zweiten Schritt tauchen immer wieder „Pferdefüße“ der schrecklichsten Art auf: So haben sich beispielsweise in Indien, wo eine genveränderte Baumwolle im großen Stil eingeführt wurde, zunächst neue Schädlinge ausgebreitet, dann bemerkte man offensichtliche unbeabsichtigte genetische Interaktionen, die etwa zu flächendeckenden Pilzerkrankungen führten. Die betroffenen Bauern, plötzlich von Missernten ruiniert, finden sich gegenüber den Saatgutherstellern in erdrückenden Schulden-Situationen und flüchten sich zunehmend in Selbstmorde. In den USA ist gerade in den Gebieten, wo vorrangig genveränderte Soja- und Baumwollpflanzen in Verbindung mit Herbiziden angebaut werden, ist ein neues Super-Unkraut entstanden, das nun auch gegen Roundup resistent ist. Große Anbauflächen mussten inzwischen völlig aufgegeben werden.

Wo immer es Monsanto gelingt, seine marktbeherrschende Stellung auszubauen, zeigt der Konzern sein wahres Gesicht: Mit dem Verkauf des Saatgutes und dessen Patenten verbunden ist das Verbot einer Weiterverwendung der Ernte-Erträge zur erneuten Aussaat. Das wird in den USA mit Hilfe einer sogenannten „Gen-Polizei“ kontrolliert, die Bauern bereits auf Verdacht hin unbarmherzig auf horrende Strafzahlungen verklagt. Besonders schwierig ist dabei der Aspekt der ungewollten Kreuzungen zwischen genveränderten und traditionellen Saaten, die durch nichts verhindert werden kann.  Für Landwirte, die ihre Nachbarn beim Konzern anschwärzen wollen, gibt es eine eigene Kurz-Rufnummer. Angst und Misstrauen breiten sich mit der zunehmenden Abhängigkeit aus, wie die ARTE-Dokumentation eindrucksvoll beleuchtet.

Dazu hat sich nun herausgestellt, dass das angeblich risikofrei für Mensch, Tier und Umwelt einsetzbare Universal-Herbizid Glyphosat (Roundup) offenbar hoch gefährlich für alles Leben ist, das mit ihm in Berührung kommt. Immer mehr Missbildungen und geistige Behinderungen werden in Tabak-Anbaugebieten in Lateinamerika registriert, ebenso gehäuft auftretende Krebserkrankungen in Wohngebieten, in deren Nähe gespritzt wird. Wissenschaftliche Studien, die eindeutige Zusammenhänge belegen könnten, gibt es kaum – Monsanto selbst weist jede Verantwortung von sich.

US-Präsident Barack Obama hat Ende April das Monsanto-Schutzgesetz (Monsanto Protection Act) unterzeichnet. Es sieht vor, dass Monsanto auch gegen den Willen der obersten Gerichtshöfe der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten genmanipuliertes Saatgut anpflanzen darf. Damit ist den widerspenstigen Staaten die Möglichkeit genommen worden, Firmen wie Monsanto gerichtlich zu stoppen und zu verhindern, dass sie zu einem Experimentierfeld für genmanipulierte Experimente werden.

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Das ist für die Inselkette Hawaii eine vernichtende Entscheidung: „Weil Hawaii geografisch so abgelegen liegt und nicht im Fokus der Berichterstattung, ist es hervorragend geeignet, um dort chemische Experimente durchzuführen. Das Klima der Inselkette und natürliche Reichtümer in Hülle und Fülle haben fünf der weltgrößten Biotech-Konzerne angelockt: Monsanto, Syngenta, Dow AgroSciences, DuPont Pioneer und BASF. In den letzten 20 Jahren haben die zusammen mehr als 5000 Freilandversuche für Pestizid-resistente Saaten durchgeführt auf einer Fläche von 40.000 bis 60.000 Morgen (à 4047 m²) hawaiianischem Land. Ohne Bekanntmachung wurden die somit zu Versuchs-Meerschweinchen für GMO“, berichtet der Blog ‚HAWAII: „A’ole GMO“(„Nicht hier GMO“)‘ der Netzfrauen, die sich übrigens bitterlich über Zensierungen in Facebook beklagten.

Inzwischen gibt es Bestrebungen einzelner US-Abgeordneter, den Monsanto Protection Act rückgängig zu machen und eine breite öffentliche Debatte über die Kennzeichnung von Gentechnik in der Nahrung – dazu eine zunehmende Nachfrage nach natürlichen Nahrungsmitteln in der amerikanischen Bevölkerung.  Die Nahrungsmittelindustrie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine solche Kennzeichnung, denn sie ist fast automatisch mit einem Vertrauensverlust durch die Verbraucher verbunden. In der EU gibt es zwar eine gültige Kennzeichnungspflicht, die darin enthaltenen Schlupflöcher sind jedoch groß.

Ohnehin löst die Kennzeichnungspflicht das Dilemma nicht, in dem wir alle bereits bis zur Halskrause stecken: Im Bemühen um stetes Wachstum – sei es in Erntemengen oder wirtschaftlichem Gewinn – haben wir schon lange jedes Maß verloren. Den Hals brechen wird uns in absehbarer Zeit, dass wir einfach vergessen haben, wer wir sind. Wir sind Menschen – in der Natur absolut entbehrlich – und keineswegs der Kopf derselben.

Mutter Natur wird es uns deutlich machen.

Petition EU-Saatgutverordnung unterschreiben

Nachtrag: Folgenden Kommentar gab Thomas Hinrichs, zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell, am Montag zur Kritik an der ARD-Berichterstattung in Facebook ab:

„Liebe Freundinnen und Freunde der Tagesschau, liebe Kritikerinnen und Kritiker,

haben Sie vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen und Anregungen zu unserer Berichterstattung. Sie hilft uns, weil sie redaktionelle Diskussionen zur Themenlage eines Tages ergänzt und zuweilen auch erweitert. Die Kritik an der redaktionellen Einschätzung des „Marsches gegen Monsanto“ veranlasst mich, noch einmal auf ein paar Grundsätze unserer Arbeit hinzuweisen. 

Es ist legitim und auch verständlich, dass sich Personenkreise bestimmten Themen besonders verbunden fühlen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind so ein Thema, das polarisiert. Auch bei uns in der Redaktion gibt es naturgemäß Gegner und Befürworter einer Vorgehensweise, die Gentechnik forcieren bzw. einschränken will. Auf die redaktionelle Arbeit darf das keinen unmittelbaren Einfluss haben. Es hängt nicht davon ab, wer gerade Dienst hat, wenn es um die Einschätzung der Nachrichtenlage eines Tages geht. Wir legen unsere, d.h. Tagesschau-Kriterien an, die sich über Jahrzehnte bewährt haben und von größtmöglicher Objektivität und Seriosität gekennzeichnet sind. Wir lesen angemessene Kritik aufmerksam und beziehen sie selbstverständlich mit ein. Am Ende aber muss die Redaktion entscheiden. Denn es sind nicht nur Monsanto-Gegner, die uns schreiben und mit Aufforderungen überziehen. Gäben wir dem nach, würden wir unsere Relevanzkriterien aufgeben und mit ihnen unsere Glaubwürdigkeit. Das können und werden wir nicht tun.

Der Aktionstag der Anti-Monsanto-Initiative hatte durchaus Chancen, in die Sendung zu kommen. Wir müssen aber jeden Tag für sich beurteilen und verschiedene Themen gegeneinander abwägen. Ein paar hundert Demonstranten in ein paar deutschen Städten reichten am Ende nicht, um in der Relevanzabwägung zu den wichtigsten Themen des Tages zu gehören. Zu mehr haben wir leider keinen Platz. Ich habe Verständnis für jeden, der das aus persönlichen Motiven anders sieht. Wir aber dürfen uns aber mit keiner Sache gemein machen, selbst wenn es eine gute ist – so hat es einst der große Hanns Joachim Friedrichs formuliert. In diesem Zusammenhang bedauere ich sehr, dass unsere vielfältige Berichterstattung zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln – auch mit Blick auf und Kritik an Monsanto – wegen des Depublizierungsgebotes nicht mehr abrufbar ist.“

Weitere Links:

Offizielle deutsche Homepage von Monsanto

Wer investiert in Monsanto-Aktien?

Landwirtschaftsministerium: Das deutsche Gentechnikrecht

Gentechnologie beim Menschen – Videos

Facebook-Seite: March against Monsanto

Facebook-Seite Gentechnik stoppen

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Update: Monsanto von Protesten unbeeindruckt

Update: Monsanto soll Blackwater-Sicherheitsdienst auf Aktivisten angesetzt haben

Update: US-Landwirte klagen gegen wild wuchernden Weizen

Update: Liste der in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel (Stand: April 2014)

Update: Fünf weitere Gentechnik-Pflanzen kommen nach Europa

Update: EU genehmigt 19 genveränderte Pflanzen

Update: Versuchs-Paradies Hawaii: Keine Chance, sich zu wehren

Update: Monsanto will Syngenta übernehmen

Update: Schlappe für Monsanto: Mehrheit der EU-Staaten verbietet Genmais

Update: Monsanto entwickelt tödliches Gen-Spray gegen Schädlinge

Update: Glyphosat: Positive Hinweise auf Tumorbildung

Update: Monsanto-Genmais in Europa

Update: Europas Bauern dürfen wohl weiter Glyphosat versprühen

Update: Gen-Mais in den USA wird resistent gegen Schädlinge

Update: US-Cartoonist wegen kritischer Saatgut-Karrikatur gefeuert

Update: Merkel will für Glyphosat kämpfen

Update 15.9.2016 Bayer kauft Monsanto

Update: Lässt sich mit Gentechnik der Welthunger stillen?

Update: Nach dem Deal mit Bayer: Warum die Monsanto-Aktie nicht steigt

Update: Mit Bayer wird Monsanto noch größer

Update: 56 Milliarden-Deal perfekt: Bayer übernimmt Monsanto und lässt den Namen verschwinden

US-Gericht: Glyphosat verursacht Krebs – Monsanto muss 250 Millionen zahlen