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Bild: Das nützliche Flaggschiff der Axel-Springer-Flotte

Am 2. Mai 2012 würde Axel Springer 100 Jahre alt. Ob er auf sein gleichnamiges Imperium heute stolz wäre?

In der Quintessenz bestimmt: Die Axel Springer Aktiengesellschaft ist ein profitables Unternehmen, zu dem laut Firmeninformation  240 Zeitungen und Zeitschriften, 140 Online-Angebote 120 Apps in 24 Ländern gehören.

Deutsches Flaggschiff der Springer-Presse ist die Bild. Deren Auflage ist, wie bei den Printmedien ganz allgemein, seit Jahren rückläufig und liegt „nur“ noch bei knapp drei Millionen täglich. Verglichen mit anderen Tageszeitungen Deutschlands bedeutet das aber nach wie vor eine gigantische Position von Macht und Einfluss. So groß ist diese Macht, dass die ARD vor wenigen Tagen der klatschhaften Boulevard-Print-Schwester eine eigene Sendung widmete.

Dort sagt der Ex-Bild-Mitarbeiter und Ex-Regierungssprecher Bela Anda einen bemerkenswerten Satz:

„Wir hatten jahrelang ein geflügeltes Wort: Wer sich in Bild begibt, kommt darin um. Soll heißen, dass sich niemand anmaßen sollte, diesen Tiger zu reiten… “

Ex-Bundespräsident Wulff,  jüngstes Opfer dieses Anmaßungs-Irrtums, hat das zuletzt mehr als schmerzhaft erfahren. Wie sehr er zu glauben schien, den „Tiger“ reiten zu können, brachte allerdings nach dem Bekanntwerden der Mailboxaufzeichnung Kai Dieckmanns nicht nur Bild-Leser zum Kopfschütteln…

„Ich bin der Meinung, dass Zeitungen zwar an der Politik teilhaben, aber nicht Politik machen sollen,“ sagte 1966 der berühmte Firmengründer. „Zeitungen haben die Politik zu begleiten, sie zu erklären, sie zu kritisieren, sie zu fördern.“

Das war lange bevor 1973 der deutsche Presserat zusammen mit den Presseverbänden einen Medienkodex vorstellte, der im Detail darlegt, wo die ethischen Grenzen der Berichterstattung liegen und was journalistische Sorgfaltspflicht bedeutet. Auf Basis dieses Kodex kann sich jeder beim Deutschen Presserat beschweren, der glaubt, ungerecht behandelt worden zu sein. Die angeschlossenen Medien müssen Rügen des Presserates veröffentlichen.

Nun ist die Bild ein Boulevard-Blatt. Boulevards sind breite, von Bäumen gesäumte Flanierstraßen, also ein Ort, wo man sieht und gesehen wird. Ein Boulevard-Blatt ist im Gegensatz zu einem Abonnements-Blatt eine Zeitung, die täglich neu auf der Straße verkauft wird – und entsprechend in ihrer Aufmachung, wie auch thematisch auf sich aufmerksam machen muss. Straßenverkauf ist ein hartes  Geschäft: Wer Werbepartner an sich binden will, muss verlässliche Einnahmen jeden Tag neu erkämpfen, darf sich keinen einzigen Durchhänger erlauben.

Der Springer-Ehrenkodex

Entsprechend weit legt die Bild die Definitionen des deutschen Ehrenkodex aus, den der Springer Verlag für seine Mitarbeiter anhand der Vorlage des Presserates noch erweitert hat. Dort wird zum Beispiel zusätzlich formuliert:

„Die Idee der Zeitung ist es, Menschen zu informieren, sie zu unterhalten, ihnen Orientierung zu geben, sie mit Nachrichten zu überraschen, die oftmals eigentlich nicht an die Öffentlichkeit sollten. Neuigkeiten erfordern Recherche, unbequemes Nachfragen, investigatives Arbeiten.

Journalistische Qualität ist nur finanzierbar, wenn sie zwei Erlösquellen hat: Werbung sowie Leser, die für journalistische Inhalte im Internet ebenso wie auf Papier bezahlen. Als entscheidende Voraussetzung benötigt journalistische Qualität journalistische Unabhängigkeit.“

Das Blatt wird überdurchschnittlich oft vom deutschen Presserat gerügt. Aber das gehört genauso zum Geschäft wie die überspitzt formulierten Überschriften, die extremen Unterschiede von Schrift- und Artikelgrößen – und die Sprache selbst. Sie ist bewusst einfach, manchmal simpel; sie pauschaliert,  formuliert Verdacht in Suggestiv-Fragen und nimmt anwaltliche Maßnahmen durch „Opfer“ solcher Artikel bewusst in Kauf.

Dabei ist es die Mischung, die den Reiz für die täglichen drei Millionen Käufer ausmacht: Die Bild betreibt durchaus ernste, investigative Recherche – ist bestens verdrahtet nicht nur mit den „seriösen“ Titeln der Springer-Presse, sondern auch anderen Medienhäusern, vermengt Politik, Wirtschaft und Sport auf eine Weise mit Klatsch und Tratsch, wie es auch Menschen tun, die sich bei der Arbeit, auf der Straße, mittags beim Metzger zum Leberkäs-Weck treffen oder mal eben beim Bäcker an der Stehtheke einen Kaffee trinken. Das Ganze in einer Sprache, die nicht selten ohne den Verstand zu beeinträchtigen, direkt im Reptiliengehirn verarbeitet wird (Stichwort neuronales Marketing).

Wieso hat die Bild solche Narrenfreiheit?

Ein Blick auf die kürzlich vorgelegte Bilanz 2011 des Medienhauses gibt Aufschluss (Zahlen gerundet):

Konzernumsatz: 3,185 Milliarden

Werbeerlöse: 1,607 Milliarden (+ 16%)

Vertriebserlöse:  1,205 Milliarden (+2,6%)

Bereinigtes Jahresergebnis vor Steuern: 593,4 Millionen (+ 10%)

Konzernüberschuss: 289 Millionen ( + 5,6%)

Mitarbeiter: knapp 13 000

Freie liquide Mittel: 294 Millionen

Schulden: 473 Millionen

Seit letzter Woche hat Axel Springer rund 500 Millionen Euro neue Schulden.  Die Commerzbank vermeldete,  gemeinsam mit der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und der UniCredit Bank AG erfolgreich ein Schuldscheindarlehen in mehreren Tranchen über insgesamt 500 Millionen Euro platziert zu haben. Es wurden Laufzeiten von vier und sechs Jahren wahlweise in fester oder variabler Verzinsung angeboten, die rasenden Absatz fanden.

Dazu passt eine weitere Meldung des Springer-Konzerns aus dieser Woche: Die Bild hat die Verwertungsrechte für die Bundesliga-Highlights der Saison 2013/14 im Internet gekauft und darf die Zusammenfassung der Spiele bereits eine Stunde nach Ende verbreiten.

Die Zukunft ist digital

Im Geschäftsbericht 2011 von Axel Springer wird gleich mehrfach erwähnt, dass der Print-Markt rückläufig sei, der digitale Markt aber boomt. Zu Springer gehören nicht nur die Bild, sondern auch die Welt, das Hamburger Abendblatt, die Berliner Morgenpost, die B.Z. Berlin, das Magazin Forbes,  zahlreiche Lifestyle-Magazine, Radiobeteiligungen (FFH, Antenne Bayern) und vieles mehr. Die wichtigen werden über Apps auch mobil gelesen, sie verbreiten Nachrichten online schnell und gut – sprich: Hier ist der Markt der Zukunft.

Der Werbe-Markt wohlgemerkt, denn der wird es künftig sein, der die Medienhäuser entscheidend finanzieren wird.  Hier den Fuß in der Tür zu haben, bestimmt in Zukunft über Sein oder Nicht sein jedes großen Unternehmens der Branche und wird auch die lokalen Bereiche nicht aussparen.

Die Nachrichten, durch die Werbung erst interessant wird, treffen im Netz auf eine Szene, deren Bereitschaft Informationen ungeprüft weiter zu geben, extrem hoch ist, die gern klatscht und tratscht, die Verschwörungstheorien aller Art gegenüber sehr zugänglich ist und sich vielfach einfachster Sprache bedient. Bild als Flaggschiff von Axel Springer wird dort auf fruchtbarem Boden leben und die anderen Medien des Hauses als seriöse Gegenpole bestens einbinden.

Wie weit so etwas gehen kann, zeigt der Fall des Christian Wulff sehr deutlich auf: Bild ließ die seriöse Allgemeine Frankfurter Sonntagszeitung den Knaller auf der Mailbox verbreiten und machte damit das Ziel, den Präsidenten zu stürzen, gesellschaftsfähig. #

Gleichzeitig wurde auch dem Unbedarftesten in Deutschland klar: Wer auf dem Boulevard (über-)leben will, muss nicht nur hart sein, sondern auch gewitzt, ausgebufft und manipulativ.

Update: BILD steht vor Stellenabbau

Update: Springer verkauft seine Regionalzeitungen – will führender Internet-Dienst werden

Update: BILD verlor 2013 200 000 Käufer, BILD am Sonntag 100 000, siehe Foto.  

Update: „Wieso ich BILD verlassen habe“

200 000 Käufer verlor im Jahr 2013 die BILD, 100 000 waren es bei BAMS
                          .Update: Was das Drama um die Entlassung des BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt für die deutschen Medien bedeutet